Parlamentskorrespondenz Nr. 670 vom 16.11.2000

AUSSPRACHE ÜBER MISSBRÄUCHLICHEN DATENABRUF IN DER EXEKUTIVE

Kapruner Katastrophe: Innenausschuss dankt allen Helfern

Wien (PK) - Einen verbalen Schlagabtausch lieferten sich die Parteien in der immerhin drei Stunden währenden aktuellen Aussprache im Innenausschuss . Das Thema lautete: Missbräuchlicher Datenabruf in der Exekutive.

Vorerst dankte Ausschussobmann Anton Leikam namens des gesamten Ausschusses all jenen, die bei dem Unglück in Kaprun im Einsatz waren.

Bundesminister Ernst Strasser teilte mit, er habe um 10 Uhr am Samstagvormittag von der Katastrophe erfahren und sei gemeinsam mit dem Generaldirektor für öffentliche Sicherheit zur Unglücksstelle gefahren. Im Laufe des Nachmittags wurde es Gewissheit, sagte der Minister, was seit den späten Nachmittagsstunden im Raum stand, dass es - außer denen, die dem Unglück entkommen konnten - keine Rettung gab und gibt. Namentlich bei Abgeordnetem Schwemlein, der an den Einsatzbesprechungen und Krisenstäben teilgenommen hat und mit Rat und Hilfe beigestanden ist, bedankte sich Strasser.

Die Bergung ist abgeschlossen, berichtete Generaldirektor für öffentliche Sicherheit Erik Buxbaum. Die DNA-Auswertung wird in drei bis vier Wochen fertig sein. Zehn gerichtliche Sachverständige aus verschiedenen Wissensgebieten wurden bestellt, ein Brandsachverständiger kommt aus München. Zudem wurde die Sicherstellung des Wagens verfügt. Es liegt kein Hinweis vor, dass es einen Anschlag oder eine vorsätzliche strafbare Handlung gibt. Über die Unfallursache könne keine gesicherte Aussage getroffen werden. Die oberste Seilbahnbehörde ist dabei, die anderen Bahnen überprüfen zu lassen. Überlegungen werden angestellt, gab Buxbaum weiter bekannt, ob man in 14 Tagen die Seilbahn wieder in Betrieb nehmen soll. Nachgedacht wird auch darüber, die Unglücksbahn überhaupt einzustellen.

S-Abgeordneter Schwemlein betonte, dass der Besuch des Ministers und des Generaldirektors von den Menschen positiv aufgenommen wurde. Die Belastungen für die Mitarbeiter der Sicherheitsexekutive und für jene aus anderen Organisationen wie dem Roten Kreuz, der Naturwacht und aus der Feuerwehr lassen sich nicht beschreiben, meinte Schwemlein. Diese Katastrophe hat gezeigt, dass wir eine gut funktionierende Krisenorganisation haben und Frauen und Männer zur Verfügung stehen, die dies alles bewältigen können. Verletzt zeigte sich der Abgeordnete von der Vorgangsweise einiger Medienvertreter, die auch vor Geldangeboten nicht zurückschreckten, um an die Opferliste zu kommen.

AKTUELLE AUSSPRACHE

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Bundesminister Ernst Strasser führte im Rahmen seines Statements aus,  dass in Etappen die Sonderkommission, die unter der Leitung von Heimo Siegel steht, verstärkt wurde; um den 25. Oktober wurde sie noch einmal verstärkt. Die Kommission umfasse nun etwa drei Dutzend Beamte, die versuchen, den Aufträgen des Staatsanwaltes nachzukommen. In Kärnten wurde ein Untersuchungsrichter mit den Ermittlungen beauftragt. Ich habe, strich der Ressortleiter heraus, klar und unmissverständlich nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in internen Dienstbesprechungen den Auftrag gegeben, dass in jede Richtung zu ermitteln ist. Es werde ohne Rücksicht auf Rang und Name ermittelt. Dies sei notwendig, um das Vertrauen der Bevölkerung in den Sicherheitsapparat zu sichern. In Zukunft soll mit den Daten so umgegangen werden, wie jeder will, dass mit seinen Daten umgegangen wird. Die Ermittlungen, die von der Staatsanwaltschaft aufgetragen sind, werden bestmöglich durchgeführt.

Konkrete Fragen richtete S-Abgeordneter Rudolf Parnigoni an den Minister. So wollte er wissen, ob Strasser von Ministerkollegen oder von dem einfachen Parteimitglied unter Druck gesetzt werde, ob ihm von anderen Ministerkollegen beim Regieren ins Ruder gegriffen werde und ob er sich auf die Unterstützung von Kanzler und Vizekanzlerin verlassen könne. Weitere Fragen waren etwa: Gibt es im Innenministerium ein "linkes Netzwerk"? Gibt es Anzeichen, dass der Generaldirektor seine Agenden nicht gesetzeskonform und ohne Engagement erfüllt? Gegen wie viele Beamte wird ermittelt? Wie viele Suspendierungen gibt es? Können Sie sich vorstellen, dass Beamte des Innenressorts bei der Aktenweitergabe in Notwehr gehandelt haben?

Die Äußerung des Landesrates Stadler, wenn Strasser sein Ministerium nicht in den Griff bekomme, dann werde er keine zwei Jahre im Amt bleiben, hinterfragte Abgeordneter Helmut Dietachmayr (S), der auch beanstandete, dass sich der Kanzler "in Schweigen hüllt".

Eine Vielzahl von Anfragen stellte G-Abgeordneter Peter Pilz. So wünschte er u.a. Auskunft darüber, wer die Einrichtung einer zweiten Sonderkommission verlangt habe, von wem in der Ministerratssitzung der Vorschlag kam, dem Justizminister die Möglichkeit zu geben, einen Beamten seines Ressorts in die Sonderkommission zu entsenden, welche Rolle Staatsanwalt Fasching in der Kommission spiele, wer der Untersuchungsrichter in Kärnten ist und welche Causae von ihm behandelt werden. Angesprochen wurden weiters die "Aktenvernichtungsvorgänge" im FPÖ-Klub im Wiener Rathaus und Vorgänge im Zusammenhang mit den Kontenöffnungen im Bereich der AUF.

Die Pressekonferenz von Haider am 2.11., in der er massive Angriffe gegen die Sonderkommission erhob, nahm Abgeordneter Günter Kiermaier (S) zum Anlass festzustellen, dass sich der Minister und seine Beamten eine solche Behandlung nicht verdient haben.

Abgeordneter Peter Westenthaler (F) fragte den Generaldirektor für öffentliche Sicherheit nach den Suspendierungsmodalitäten, für die er die Verantwortung trage, wurde doch die Suspendierung von Horst Binder heute von einem Dreier-Senat aufgehoben. Aus seiner Sicht gebe es keine Gründe für die Suspendierung der Beamten, deren Einkommen aufgrund der Suspendierung auf ein Minimum reduziert werde, außer politische. Konkret wollte er auch wissen, ob Abgeordneter Pilz einvernommen wurde, ob es wirklich eine eigene Stabstelle des Generaldirektors gibt und ob bei der Hausdurchsuchung im FPÖ-Klub im Rathaus zwei Vertrauensleute des Bürgermeisters anwesend waren. Weiters konfrontierte Westenthaler den Minister mit dem Vorwurf, dass einem Beschuldigten bei der Einvernahme ein gefälschtes Dokument vorgelegt wurde, und erkundigte sich, ob beim Sika-Buch der gleiche Maßstab angelegt werde wie beim Kleindienst-Buch.

Innenminister Strasser unterstrich einmal mehr sein Ziel, gemeinsam mit seinen Beamten aus dem Ressort ein "rot-weiß-rotes Ministerium" zu machen. "Die Sonderkommission, die für und nicht gegen etwas arbeitet, ermittelt ausschließlich für Rot-Weiß-Rot". Wir tun alles, strich Strasser heraus, dass die Beamten und Mitarbeiter in Ruhe arbeiten können, gehe es doch darum, die Bürger vor etwaigem Missbrauch zu schützen und vor Misskredit in Schutz zu nehmen.

Über drei Dutzend Beamten sind teilweise oder überwiegend mit dieser Aufgabe betraut, meinte der Ressortleiter zu konkreten Anfragen. Es gibt eine Reihe von Sachverhaltsdarstellungen an den zuständigen Staatsanwalt. 11 Suspendierungen wurden ausgesprochen. In allen Fällen gilt die Unschuldsvermutung. "Wir ermitteln, wir spekulieren nicht"; das ist unsere Aufgabe, so Strasser wörtlich.

Er, Strasser, habe die Rückendeckung der gesamten Bundesregierung, gab er weiter bekannt. Dass von verschiedenen Seite die Anregung auf Installierung einer zweiten Sonderkommission kam, bestritt der Bundesminister nicht, konnte aber nicht bestätigen, dass diese ausschließlich von der FPÖ kam. Die Debatte über einen zweiten Staatsanwalt in der Sonderkommission hat es gegeben, sie ist nicht vom Ressort ausgegangen, letztlich habe er aber zugestimmt. Der zweite Staatsanwalt ist aber nicht als Berater zu sehen. Interventionen bei den Ermittlern sind ihm nicht bekannt.

Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Vorgangsweise in Kärnten basiert auf dem Gerichts-Organisationsgesetz und ist zur Kenntnis zu nehmen. Die personelle Zusammensetzung der Sonderkommission in Kärnten hat sich seines Wissens nach nicht verändert.

Aktenvernichtungsvorgänge sind Strasser nicht bekannt. Sollte es Informationen oder Vorwürfe geben, dann möge man, lautet das Ersuchen des Ministers, dem Ressort oder der Staatsanwaltschaft diese Information zukommen lassen.

Die Suspendierungsmodalitäten im Ministerium basieren auf dem Beamten-Dienstrechtsgesetz. In den konkreten Fällen gab es Vorwürfe, die auf dem Verdacht des Amtsmissbrauches, der Geschenkannahme und der Verletzung des Amtsgeheimnisses beruhen. Die Entscheidung des Dreier-Senates ist dem Minister nicht bekannt. Eine "politische Suspendierung" gibt es nicht.

Die Stabstelle wird mit 1. Dezember abgeschafft.

Nach den Informationen des Ressortschefs haben die Ermittler bei der Magistratsdirektion nachgefragt, wo sich die Räumlichkeiten des F-Landtagsklubs befinden, und wurden hinbegleitet.

Der Hinweis, ob ein gefälschtes Dokument vorgelegt wurde, wird geprüft. Die Staatsanwaltschaft hat den Auftrag gegeben, das Beweismittel gutachterlich überprüfen zu lassen.

Der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit bestätigte, dass sich die ermittelnden Beamten in der Magistratsdirektion angemeldet hätten und zu den Räumlichkeiten geführt wurden.

Zu den von Abgeordnetem Pilz (G) angeprangerten "laufenden Beamtenbeschimpfungen" durch die FPÖ vor allem in Richtung des Generaldirektors für öffentliche Sicherheit, meinte Ausschussobmann Leikam, Erik Buxbaum könne sich als Beamter nicht wehren, und verwies auf die Feststellung des Ministers, dass sein Ressort objektiv und genau die Ermittlungen durchführe. Deshalb ersuchte er die Abgeordneten, von persönlichen Unterstellungen und Verunglimpfungen vor allem von Beamten, die sich nicht wehren können, Abstand zu nehmen.

Innenminister Strasser machte nochmals darauf aufmerksam, dass es sich in allen 11 Fällen um vorläufige Suspendierungen gehandelt habe. Erik Buxbaum habe die Suspendierungen nicht verfügt - er hat sich zu diesem Zeitpunkt im Ausland aufgehalten -, sondern sein Stellvertreter.

Abgeordneter Peter Pilz (G) teilte dem Ausschuss mit, dass er mehrere Male einvernommen wurde. Auch verwies er auf die Auskunft des Justizministeriums, Staatsanwalt Fasching übe die Funktion eines Beraters aus, und sprach in diesem Zusammenhang von einem "Aufpasser des Justizministers".

Was tun Sie, fragte Abgeordnete Helene Partik-Pable (F) den Ressortchef, damit der Beamtenapparat nicht pausenlos Ermittlungsergebnisse weitergibt?

F-Abgeordneter Westenthaler sprach davon, dass kleine Polizeibeamte bei Verdacht des Amtsmissbrauches suspendiert werden, aber dies gelte bei zwei hohen Beamten, Horngacher und Buxbaum, der willkürlich suspendiere und die Amtsverschwiegenheit dadurch verletze, dass Protokolle und Unterlagen in die Öffentlichkeit gelangen, nicht.

Minister Strasser schloss nicht aus, dass auch während seiner Amtszeit Material nicht dienstordnungsgemäß verwendet wird. Auch Strasser ersuchte die Abgeordneten, vom Vorwurf des Amtsmissbrauches gegenüber Erik Buxbaum Abstand zu nehmen oder dies zu belegen, und fügte hinzu: Wenn sich jemand im Ausland auf Urlaub befindet, kann keine Amtsverletzung vorliegen.

Die Parteien einigten sich darauf, morgen die Innenausschusssitzung mit der Behandlung der ZDG-Novelle 2001 und einer Änderung des Fremdengesetzes fortzusetzen.

Vor Eingang in die Tagesordnung stellte S-Abgeordneter Parnigoni den Antrag, die Tagesordnung um den S-Antrag 200/A(E) betreffend Personalaufstockung bei der Sicherheitsexekutive zu erweitern. - Dieser Antrag fand keine Mehrheit. (Schluss)