Parlamentskorrespondenz Nr. 692 vom 22.11.2000

NATIONALRAT DEBATTIERT REGIERUNGSUMBILDUNG

Vorstellung der neuen Infrastrukturministerin Forstinger

Wien (PK) - Eingangs der Sitzung teilte Nationalratspräsident Dr. Heinz FISCHER das Verlangen der SPÖ mit, ihren Antrag 319/A(E) betreffend Anpassung der Pensionen zumindest um die Inflationsrate dringlich zu behandeln. Im Anschluss an die für 15 Uhr zu erwartende Debatte über diesen Dringlichen Antrag wird der Nationalrat eine Kurzdebatte über einen Antrag der Grünen führen, dem Geschäftsordnungsausschuss für die Behandlung des G-Antrages 38/A zur Änderung des B-VG und des Geschäftsordnungsgesetzes eine Frist bis zum 12.10.2000 zu setzen.

Nach Erledigung der Tagesordnung wird der Nationalrat jeweils einen Antrag der Grünen und der SPÖ auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Thema Spitzelaffäre im Rahmen einer Kurzdebatte behandeln. 

DEBATTE ZUR REGIERUNGSUMBILDUNG

Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL präsentierte dem Nationalrat die neue Infrastrukturministerin Dr. Monika Forstinger und hieß sie herzlich im Regierungsteam willkommen. Gleichzeitig hielt der Regierungschef fest, dass ihr Vorgänger sein Amt nicht wegen Problemen in der Regierung, sondern in Konsequenz der steirischen Landtagswahl zur Verfügung gestellt habe.

Der Start der neuen Ministerin sei schwierig, sagte der Bundeskanzler, bestünden doch eine Reihe objektiver Probleme im Infrastruktursektor. Er nannte die Strukturreform der Bahn, Schwierigkeiten mit Entscheidungen des EuGH, die Mautpolitik und das Ziel, den Transitvertrag über 2003 hinaus zu erhalten. Schüssel erinnerte in diesem Zusammenhang an Gespräche mit dem deutschen und dem italienischen Regierungschef, die ihn in der Hoffnung bestärkt haben, dass es gelingen könnte, das Thema Güterverkehr zu einem europäischen Thema zu machen. Großartig habe er gefunden, dass sich Ministerin Forstinger unmittelbar nach der Katastrophe von Kaprun an den Ort des Geschehens begeben und sofort notwendige Konsequenzen eingeleitet habe. Österreich als ein Tourismusland hat größtes Interesse daran, seinen Gästen ein Optimum an Sicherheit zu bieten, hielt der Bundeskanzler fest.

Auf den beruflichen Werdegang Forstingers eingehend, wies Schüssel darauf hin, dass Forstinger aus einem Top-Betrieb der österreichischen Papierindustrie komme und dort an der Schnittstelle von Wirtschaft, Technik und Umwelt tätig gewesen sei. Die Bestellung Forstingers zeige die größere Durchlässigkeit an, die in der neuen Regierung zum Tragen komme, zwischen Wirtschaft und Politik einerseits, aber auch darin, dass mit Herbert Haupt erstmals ein Mann "Herr Frauenministerin" wurde, während auf der anderen Seite Frauen Schlüsselressorts wie Außenpolitik, Infrastruktur, Bildung, öffentliche Verwaltung oder die Zuständigkeit für die Tourismuswirtschaft übernehmen. 

Dann ging der Bundeskanzler auf die kürzlich im Budgetausschuss erfolgten Beschlüsse über den Bundeshaushalt 2001 und das Budgetbegleitgesetz ein und unterstrich einmal mehr das Ziel der Bundesregierung, den Staatshaushalt bereits im Jahr 2002 ohne weitere Schuldenaufnahme zu gestalten. Dazu habe nun auch die SPÖ ein Konzept vorgelegt, sie wolle dieses Ziel zwei Jahre später erreichen, was, so der Bundeskanzler kritisch, bedeuten würde, 45 Mrd. S zusätzlich an Schulden zu machen. Dies sei in einer Zeit der Hochkonjunktur nicht sinnvoll. Außerdem wandte sich Schüssel dagegen, auf eine Senkung der Lohnnebenkosten zu verzichten, die menschliche Arbeit nicht zu entlasten und nichts für die Familien zu tun, wie dies die SPÖ vorschlage.

Wir hingegen wollen einen schlanken, zugleich aber starken Staat, wir wollen 14.000 Beamte einsparen, ein Controlling in allen Ressorts, einen Kostenstellenrechnung, eine Buchhaltungsreform und einen zentralen Einkauf in der öffentlichen Verwaltung herbeiführen.

Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) warf dem Bundeskanzler vor, nicht auf die Krise eingegangen zu sein, in der sich die Bundesregierung durch den Spitzelskandal befinde und nicht einmal den Versuch gemacht zu haben, sich mit den anstehenden Problemen zu beschäftigen. "Diese Regierung wird durch den größten demokratiepolitischen Skandal der 2. Republik gebeutelt", sagte Gusenbauer. Während der Bundeskanzler von einer großartigen Verwaltungsreform spreche, würde gleichzeitig versucht, einzelne Beamte in aller Öffentlichkeit mundtot zu machen. Es stelle sich die Frage, ob öffentlich Bedienstete, die ihre Arbeit machen, die untersuchen und ermitteln, Schutz genießen, oder ob sie zum "Freiwild einiger wildgewordener Funktionäre der FPÖ" geworden seien, fragte Abgeordneter Gusenbauer. "Wer in einer solchen Grundsatzfrage des Staates schweigt, macht sich als Bundeskanzler mitschuldig".

Dann setzte sich Abgeordneter Gusenbauer mit dem Anspruch der neuen Bundesregierung auf besondere Durchlässigkeit auseinander und fragte, was die "Profis" in der ÖIAG unter dem Titel Privatisierung zustande gebracht hätten. Gusenbauer sah Warnungen der SPÖ, nicht unter Zeitdruck zu privatisieren bestätigt und wies auf die UMTS-Auktion und die Telekom-Privatisierung als Beispiele dafür hin, wie österreichisches Eigentum unter seinem Preis verschleudert werde. Die Regierung habe es zu verantworten, dass den Steuerzahlern zweistellige Milliardenbeträge abgehen werden.

Das Konzept der Sozialdemokratie zur Budgetsanierung ziele nach dem Vorbild anderer europäischer Länder, die bereits Budgetüberschüsse haben, auf eine Wirtschaftspolitik, die das Wachstum nicht beeinträchtigt und die die Vermögensbesteuerung auf europäisches Niveau heranführt. Damit könnte man auf Sozialabbau verzichten und gleichzeitig Forschung und Entwicklung sowie die Infrastruktur ausbauen. Die Bundesregierung hingegen verfolge eine Politik, durch die die Inflation binnen Jahresfrist von 0,8 % auf 2,8 % und die Steuer- und Abgabenquote auf Rekordhöhe stieg sowie die Wachstumserwartungen unter den europäischen Schnitt gesunken seien. 

Abgeordneter Mag. KUKACKA (V) wertete die Ausführungen des Abgeordneten Gusenbauer als Hinweis darauf, dass die SPÖ über keinerlei wirtschaftspolitische Alternativen zur Reformpolitik der Bundesregierung verfüge. Die SPÖ habe keine Vorschläge unterbreitet, wie Sozialstaat, Pensionen und die Zukunft der Jugend gesichert werden können. Statt Österreich aus dem Weg in die Schuldenfalle herauszuführen, betreibe die SPÖ ideologische Denkmalpflege und verfolge ein Konzept, das seine Bewährung in der Praxis nicht bestanden habe, weder beim Konsum noch in der Verstaatlichten Industrie, ja nicht einmal in der eigenen Parteikasse, sagte Kukacka. Hinsichtlich der Spitzelaffäre hielt Abgeordneter Kukacka fest, dass sozialdemokratische Innenminister jahrelang über illegale Abfragen informiert waren, aber nichts dagegen unternommen haben - über ihre politische Verantwortung werde in diesem Haus noch zu reden sein, sagte der Abgeordnete.

Der neuen Infrastrukturministerin versprach der VP-Verkehrssprecher eine offene und konstruktive Zusammenarbeit und stellte in diesem Zusammenhang fest, dass ihr die sozialdemokratischen Verkehrsminister eine Fülle von Problemen hinterlassen hätten, die sie nicht oder nur unzureichend gelöst hätten. Eklatante Fehlleistungen der Vergangenheit ortete Abgeordneter Kukacka in den Bereichen Semmering-Basistunnel, Transitverkehr und ÖBB-Reform. Mehr als 250 Mrd. S an Schulden hätten SP-Verkehrsminister in den Bereichen ÖBB, ASFINAG, SCHIG und PTBG hinterlassen. Die Schulden im Post- und Telekombereich seien aufgehäuft worden, weil vergangene Minister den Überschuss der Post für das Budget herangezogen haben. Die ÖVP habe davor sowie vor jeder Verzögerung bei der Ausgliederung und Privatisierung des Post- und Telekomsektors gewarnt.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) kommentierte die dritte Regierungsumbildung binnen weniger Monate, indem er zunächst sagte, der Rücktritt des Ministers Schmid, der in der Forschungsfinanzierung wenig Engagement gezeigt habe, habe bei den Grünen wenig Bedauern ausgelöst. Die neue Ministerin müsse mit keinerlei negativen Vorurteilen seitens der Grünen rechnen, eine 100-Tage-Schonfrist könne man ihr aber nicht einräumen, zu sehr drängten die Probleme im Verkehrs- und Infrastrukturbereich. Konkret ging Van der Bellen auf die drohende Einstellung von Nebenbahnen ein und forderte Ministerin Forstinger dazu auf, die Einstellung der Linie Oberwart-Friedberg zu verhindern und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Kooperation zwischen Graz-Köflacher-Bahn und ÖBB auf der Strecke Oberwart-Wien im Interesse der tausenden burgenländischen Pendler möglich werde. Dies setze einen Regulator und die Lösung von Problemen beim Bahnhof Wiener Neustadt voraus.

Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen drängte Abgeordneter Van der Bellen auf eine weitere Regierungsumbildung, nämlich auf einen Rücktritt des Justizministers Böhmdorfer, da es für ihn eine klare Unvereinbarkeit darstelle, gleichzeitig als Chef der Staatsanwaltschaft und als Chefverteidiger der FPÖ und Jörg Haiders tätig zu sein. Van der Bellen kündigte einen Misstrauensantrag seiner Fraktion gegen den Justizminister an und brachte seinerseits einen Entschließungsantrag ein, in dem der Bundeskanzler und der Innenminister aufgefordert werden, allen Versuchen entgegenzutreten, die Ermittlungen in der Spitzelaffäre zu beeinflussen und Beamte bei der Ausübung ihrer Dienstpflicht zu behindern.

Abgeordneter WESTENTHALER (F) warf seinem Vorredner Doppelzüngigkeit vor. Van der Bellen würde sich zum Pflichtverteidiger der hohen roten Beamten aufspielen, dabei aber das Schicksal der kleinen Beamten vergessen, die auf ihr Existenzminimum suspendiert werden. Solange die Unschuldsvermutung gilt, werde sich die FPÖ für diese kleinen Beamten einsetzen, auch wenn Grüne und SPÖ weiterhin die Großen des Systems in Schutz nehmen, kündigte Westenthaler an.

Im übrigen sei der Spitzelskandal ein SPÖ-Skandal, meinte der FP-Klubchef und untermauerte seine Kritik an Buxbaum. Den Sozialdemokraten gehe es bei ihren Anschuldigungen gegen die Freiheitlichen nur darum, von ihrer Verantwortung für den Skandal um die Bank Burgenland abzulenken. Westenthaler forderte den Innenminister auf, eine Sonderkommission in seinem Ressort zur Aufdeckung der Bankenaffäre einzusetzen.

Bundesministerin Dr. FORSTINGER, die eingangs ihrer Wortmeldung ihre Betroffenheit über das Seilbahnunglück von Kaprun zum Ausdruck brachte, nannte die Sicherheit als wichtigsten Schwerpunkt ihrer künftigen Tätigkeit. Sie kündigte ein umfassendes Verkehrssicherheitskonzept an, das an der Bewusstseinsbildung ansetzen und auf die Erfahrungen anderer Länder zurückgreifen werde. Verkehrssicherheit könne dabei nicht nur ein  Thema von Strafen und Vorschriften sein, gab die Ministerin zu bedenken.

Mit Nachdruck wandte sich Forstinger gegen Versuche, kleinräumige Interessen vor gesamteuropäische Lösungen zu stellen. Dies gelte gerade für die Transitproblematik, wo es ihrer Meinung nach darum geht, auf europäischer Ebene eine Lösung zu finden, die eine dauerhafte und umweltgerechte Reduzierung der Belastungen für die Bevölkerung gewährleistet.

Großes Augenmerk sei auch in den Bereichen Innovation und Technologie gefordert. Die diesbezüglichen Programme sollten so angelegt werden, dass entsprechende Hebelwirkung auch über die Aktivierung von EU-Förderungen erreicht werden könne, betonte sie.

Ihr Ministerium werde sie stark managementorientiert führen und dabei interdisziplinäre Zusammenhänge berücksichtigen. An die Adresse der Opposition gerichtet bemerkte Forstinger, konstruktive Kritik könne nur zu begrüßen sein.

Abordnete Mag. KUNTZL (S) ging scharf mit Forstingers Vorgänger Schmid ins Gericht. Sie strich insbesondere die Versteigerung der UMTS-Lizenzen, die Aufschiebung der LKW-Maut und die „Verschleuderung“ der Telekom heraus und meinte, Schmids Politik habe die Steuerzahler Milliarden gekostet.

Kritisch nahm sie auch zur FPÖ Stellung: Sie warf den Freiheitlichen in Anspielung auf deren Verhalten in der Spitzelaffäre mangelndes Verständnis des Rechtsstaates vor. Den Bundeskanzler forderte Kuntzl auf, sein Schweigen in der Spitzelaffäre zu brechen und sich unmissverständlich auf die Seite des Rechtsstaates zu stellen.

Abgeordneter Ing. MADERTHANER (V) wies auf die anstehenden Straßenbauprojekte, aber auch auf die notwendigen Investitionen im Eisenbahnbereich hin und sprach sich gegen die einseitige Bevorzugung einzelner Verkehrsträger aus. Die Regierung habe in der Verkehrspolitik ein schweres Erbe übernommen, zumal der Schuldenstand der ASFINAG so hoch sei, dass derzeit nur die Zinsen bedient werden können. Im geplanten Road-pricing für LKW sah Maderthaner eine schwere Belastung für die Wirtschaft. Eine Einführung könne nur im Gleichklang mit Deutschland geschehen, betonte er.

Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) zeigte Verständnis für eine Einarbeitungsphase der neuen Ministerin, meinte aber, Forstinger habe ein extrem schweres Erbe angetreten, das in einigen Bereichen ein Warten von hundert Tagen nicht zulassen werde. Gerade Entscheidungen in der Mautfrage und bei der Ökopunkte-Regelung, die Ausschreibung der Nebenbahnen und die Gestaltung des Road-pricing seien unaufschiebbar. Skepsis meldete Lichtenberger auch gegen die Neustrukturierung der Bahn an. Privatisierung sei weder ein Allheilmittel noch Selbstzweck. Sie müsse vielmehr unter Rahmenbedingungen stattfinden, die die Interessen der Bevölkerung in den Vordergrund stellen. Lichtenberger warnte in diesem Zusammenhang vor dem Beispiel Großbritanniens.

Als Folge des Seilbahnunglücks von Kaprun erwartete sich die Rednerin die konsequente Umsetzung neuer Sicherheitsstandards für Tunnels. Es dürfe nicht vorkommen, dass nach einer ersten Runde der betroffenen Stellungnahmen wieder zum Alltagsgeschäft zurückgekehrt wird, warnte sie.

Abgeordneter Dr. OFNER (F) bezeichnete die Kritik der SPÖ als überzogen und unglaubwürdig. Die Bevölkerung wisse sehr wohl, dass für die Verschuldung Österreichs die SPÖ die Verantwortung trägt. Auch würde eine Mehrheit den Kurs des Null-Defizits unterstützen.

Die Vorwürfe der SPÖ in der Spitzelaffäre gehen nach Meinung Ofners ins Leere. Niemand würde den Eindruck haben, dass unschuldige Bürger bespitzelt werden. Was den Misstrauensantrag betrifft, stellte Ofner fest, die wiederholte Verwendung dieses Instrumentes mache die wichtige Waffe des Misstrauensantrages immer wirkungsloser.

Vizekanzlerin Susanne RIESS-PASSER unterstrich nochmals die Schwierigkeit des Ressorts, das Ministerin Forstinger übernommen hat. Als Fürsprecher für die neue Ressortchefin hätten, so die Vizekanzlerin, Kompetenz sowie berufliche und menschliche Qualifikation fungiert. Mit dieser Bestellung habe man auch bewiesen, dass in erster Linie der Mensch und Chancengleichheit zählten, man aber keine Quote brauche.

Für Riess-Passer ist das Infrastrukturministerium jenes Ressort, das sich mit entscheidenden Zukunftsfragen beschäftigt, denn neue Technologien trieben Wachstum voran und schafften neue Arbeitsplätze. Dies stelle aber auch neue Anforderungen an Bildung und Ausbildung, denen man sich stellen müsse, anstatt die Zuwanderungsquote zu erhöhen. Forschung und Entwicklung bezeichnete die Vizekanzlerin auch als einen besonderen Schwerpunkt der Bundesregierung, wobei es nicht nur darum gehe, das Budget und die Förderungen zu erhöhen, sondern vielmehr darum, ein innovationsfreundliches Klima durch entsprechende Gesetze zu schaffen. Voraussetzung dafür sei der Abbau von Bürokratie, z. B. durch eine Änderung der Gewerbeordnung.

Auch die öffentliche Verwaltung müsse nach den Worten der Vizekanzlerin mit der Wirtschaft Schritt halten. Sie nannte in diesem Zusammenhang die Vorbereitungen zur elektronischen Aktenerledigung, die Bürgerchipcard, die Vereinheitlichung des Beschaffungswesens und ein neues Dienst- und Besoldungswesen.

Riess-Passer wandte sich dann dem aktuellen Thema der Spitzelaffäre zu, indem sie auf Abgeordneten Gusenbauer reagierte. Das, worauf es ankomme, sei der Schutz des Rechtsstaates, meinte die Vizekanzlerin. Für kleine Beamte der AUF müsse daher der gleiche Anspruch auf Unschuldsvermutung gelten, wie für Spitzenbeamte. Sie prangerte die Besetzung nach dem Parteibuch während der letzten Jahrzehnte an, was die S-Abgeordneten mit dem Zwischenruf „unerhörte Unterstellung“ quittierten. Wie die Vizekanzlerin weiter ausführte, gebe es mit dem Eintritt der FPÖ in die Regierung diese Art der Bestellung nicht mehr. Damit die BürgerInnen in Zukunft auch sicher sein könnten, dass ihre Daten geschützt werden, werde EKIS abgeschafft und durch ein neues System ersetzt. Abschließend sprach Riess-Passer auch die politische Verantwortung als Kategorie des Rechtsstaates insbesondere im Zusammenhang mit der Bank Burgenland an.

In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter Dr. NIEDERWIESER (S) fest, dass innerhalb der letzten 30 Jahre unter SPÖ-Regierungen die Forschungsausgaben um das Vierfache gestiegen seien und die Forschungsquote kontinuierlich angehoben werden konnte. Im heurigen Jahr sei sie jedoch erstmals gesunken.

Abgeordneter EDER (S) nahm auf den Vorwurf Riess-Passers hinsichtlich des Proporzes Bezug und warf der Regierung seinerseits vor, nun lauter blaue Aufsichtsräte zu installieren.

Eder kam dann auf die Situation des Ressorts zu sprechen und ortete ein Chaos im Infrastrukturministerium nach dem Abgang Schmids. Konkret wies er auf die Verzögerung des Road-Pricing, die Erhöhung der Maut-Vignette, eine unsoziale Verkehrspolitik, die Vernachlässigung der Verkehrssicherheitspolitik sowie auf die Transitproblematik hin. Damit habe Schmid die Steuerzahler 7,2 Mrd. S, das sind 26,6 Mill. S täglich, gekostet. Er habe, so Eder, Verständnis dafür, wenn die neue Ministerin Zeit für die Einarbeitung brauche, auch wenn auf sie ein Entscheidungsdruck aufgrund dieser Situation laste. Umso mehr sei er erstaunt gewesen, dass Forstinger gleich nach ihrem Amtsantritt die ÖBB in einen Infrastruktur- und einen Transportbereich trennen wolle, was er als einen betriebswirtschaftlichen Fehler und volkswirtschaftlichen Unsinn bezeichnete.

Als die wichtigsten Entscheidungen, die in nächster Zeit zu treffen sein würden, nannte Eder einen gesamtösterreichischen Bundesverkehrswegeplan, das Lkw-Road-Pricing, den Gesamtfinanzierungsplan der Neuen Bahn, die Verbesserung des Nahverkehrs, wobei er sich für einen bundesweiten Verkehrsbund aussprach, die Rückkehr zu einer sozialen Verkehrspolitik durch die Rücknahme von Preiserhöhungen und die Anhebung des Kilometergelds unabhängig vom Verkehrsmittel, die Neuverhandlung des Transitverkehrs auch im Hinblick auf die Ostöffnung und die Schaffung eines fairen Wettbewerbes auf den liberalisierten Märkten.

Abgeordnete Karin HAKL (V) thematisierte ebenfalls die Transitfrage, da dieses Zukunftsministerium auch dafür verantwortlich sein werde, die EU-Beitrittskandidaten mit Österreich verkehrstechnisch zu verbinden. Sie konzentrierte sich dann jedoch auf das spezifische Problem in Tirol, wo die Verkehrsbelastung ausufere, nachdem der Verkehrszuwachs jährlich mehr als 10 Prozent betrage. Die speziellen klimatischen Bedingungen trügen das ihre dazu bei, dass die Situation für die dort lebenden 60 Prozent der Tiroler Bevölkerung unerträglich sei.

Hakl hält die Verlagerung von der Straße auf die Schiene und den Bau von Bahntunnels für unbedingt notwendig und unterstützt die von der Ministerin angekündigte Trennung von Infrastruktur- und Transportbereich. Unter Zitierung der Gesetzeslage in Italien schlug sie vor zu versuchen, die Gewinne aus höheren Mautgebühren mit dem Ausbau der Schiene zu verknüpfen. Der letzte Teil ihres Diskussionsbeitrages galt der new economy, die einen fundamentalen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft hervorrufe. Die Bundesregierung sei, so die V-Mandatarin, Partner der new economy, Partner von Innovation und Technologie und Partner einer modernen Verkehrspolitik.

Nachdem Hakl den niedrigen Erlös aus den UMTS-Lizenzen als einen Standortvorteil wegen absehbarer niedrigerer Umsatzgebühren bezeichnet hatte, konterte der Grün-Abgeordnete Dr. PILZ, dass anhand dieses Beispiels nachvollzogen werden könne, wie es ein freiheitlicher Minister zustande gebracht habe, ohne Gesetzesbruch einen Schaden von 24 Mrd. S zu verursachen. Dies sei das Fünffache der fehlenden Gelder aus den Geschäften der Bank Burgenland.

Pilz wandte sich dann den bisherigen Rücktritten freiheitlicher Minister zu und stellte die Frage, warum jene Minister, um die es wirklich geht, vom Bundeskanzler im Amt gehalten würden. Konkret meinte er damit den Justizminister, für den es mehrere Rücktrittsgründe, wie die Passage des Weisenberichtes, die Verwicklung in die Spitzelaffäre und das Schwarzgeld, das durch seine eigene Kanzlei gegangen sei, gebe. Pilz wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass alle Gerichtsakten über dessen Tisch laufen, weshalb die Grünen kein Vertrauen mehr hätten, dass unter diesem Justizminister die Untersuchungen korrekt geführt werden. Seitens der Grünen brachte Pilz daher einen Misstrauensantrag gegen Minister Böhmdorfer ein.

Nachdem Pilz die Frage aufgeworfen hatte, ob für einen freiheitlichen Politiker, der unter schwerem Verdacht stehe, ein Verbrechen begangen zu haben, andere Gesetze gelten als für einen obersten Polizeibeamten, der aufgrund der Gesetze und nicht aufgrund des FP-Parteistatus vorgeht, meldete sich Martin GRAF (F) zu einer tatsächlichen Berichtigung und warf den Grünen vor, in ihren Reihen gerichtlich verurteilte Straftäter, wie Madeleine Petrovic, Karl Öllinger und Peter Pilz zu haben.

Darauf hin traten die drei so beschuldigten MandatarInnen zu einer persönlichen Erwiderung ans Rednerpult und stellten nacheinander fest, dass keiner von ihnen wegen einer Straftat gerichtlich verurteilt worden sei. Sie bezeichneten die Aussagen von Martin Graf als „unzulässige und impertinente Art“ (Petrovic) und als eine „bösartige Verleumdung“ (Öllinger).

Der nächste Redner, Abgeordneter Reinhard FIRLINGER (F), kritisierte darauf hin, dass sich die Opposition nicht einer Infrastrukturdebatte stelle, obwohl dieses Schlüsselressort untrennbar mit dem weiteren Wohlstand Österreichs verbunden sei. Die Forderungskataloge von den S-Abgeordneten Caspar Einem und Kurt Eder sollten diese an sich selbst richten, meinte Firlinger. Was die ÖBB betreffe, so werde die neue Ministerin diese nicht zerschlagen, sie bringe nur einen neuen Wind hinein. Der Ertrag aus der Versteigerung der UMTS-Linzenzen sei deshalb so niedrig, weil der ehemalige Minister Einem die Sache verschlampt habe. 44 Mrd. S Erlös wären aber ohnehin nie drinnen gewesen. Aus den 11 Mrd. S müsse man nun das Beste für den Telekommunikationsmarkt und die Konsumenten machen. Im Großen und Ganzen sei es notwendig und höchst an der Zeit, die Dinge grundsätzlich zu hinterfragen, schloss Firlinger.

Abgeordneter Dr. EINEM (S) strich heraus, dass die ÖVP das Road-pricing bisher verhindert habe und auch Schuld ist, dass das letzte Verfahren vor dem EuGH wegen der Brennermaut verloren wurde, so dass Österreich auf 350 Mill. S an Einnahmen verzichten muss. Unverständnis zeigte der Redner darüber, dass die Ministerin wenige Tage nach ihrem Amtsantritt eine Weisung nach Brüssel gegeben hat, mit der die Position im Zusammenhang mit den ÖBB geändert wurde. Auch die Privatisierung der Telekom Austria nannte Einem "blanken Pfusch", durch den unser Land Milliarden verloren hat.

Abgeordneter SCHWARZENBERGER (V) bezeichnete das Ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie als wichtiges Ressort, war erfreut darüber, dass Ministerin Forstinger eine Ausbildung an der Hochschule für Bodenkultur absolviert hat, und hofft auf Verständnis für die Landwirtschaft. Als Salzburger Abgeordneter sprach er die Situation auf der Tauernbahn bzw. der Tauernautobahn an und gab die Klagen der Anrainer über die unzumutbare Verkehrsbelastung und den Wunsch nach dem Bau der zweiten Tunnelröhre weiter.

Abgeordneter EDLER (S): Die Sozialdemokraten haben ein blühendes Land überlassen, heute ist Österreich ein Land der Unsicherheit, das international im Out steht und in dem derzeit die größte Umverteilung stattfindet. Auch Edler kam auf die beabsichtigte Trennung der ÖBB in Absatz und Infrastruktur zu sprechen und wies darauf hin, dass zu diesem Schritt keine Notwendigkeit besteht, wird doch diese Trennung intern bereits durchgeführt.

Abgeordneter SCHWEMLEIN (S) nannte die Auflassung von Nebenbahnen eine nicht gerade menschenfreundliche Politik, erwarte man doch von den Bürgern, dass sie flexibel und mobil sind. Aus diesem Grunde müsste auch in Zukunft der öffentliche Personennahverkehr gesichert werden.

Abgeordnete BINDER (S) ergänzte die von der Ministerin angeführten vordringlichen Aufgaben um die attraktive Gestaltung des Nahverkehrs, den Lösungsvorschlag für bedrohte Nebenbahnen und um den Lückenschluss bei den Autobahnen. Außerdem forderte die Rednerin eine stärkere finanzielle Belastung von Lkw und Bussen.

Abgeordneter Dr. RADA (S) beklagte, im Ausschuss von der Ministerin keine Antworten erhalten zu haben, und kam in seinem Debattenbeitrag auf ein paar für ihn wichtigen Themen zu sprechen. So erkundigte er sich nach einer Nordost- bzw. Nordwest-Umfahrung Wiens und sah Verkehrsprobleme durch die Schaffung eines dritten Nationalparks im Weinviertel.

Für Abgeordneten DI KEPPELMÜLLER (S) hat Minister Schmid ein ziemliches Chaos hinterlassen und die neue Ministerin aus Oberösterreich ein schweres Erbe zu tragen. Viel zu tun gebe es vor allem im Rahmen der Innovation und Technologie und im Bereich des Klimaschutzes.

Abgeordneter DDr. NIEDERWIESER (S) versprach, den Aufgaben der neuen Ressortleiterin mit Fairness zu begegnen und konstruktiv mitarbeiten zu wollen. Ihre Gegner bei der Umsetzung ihrer Anliegen möge sie nicht in der SPÖ und unter den Grünen suchen, vielmehr werde sie diese in den ÖVP-Reihen finden. Im Zusammenhang mit den UMTS-Lizenzen meinte der Redner, normalerweise erzielte man in ganz Europa beim Verkauf der UMTS-Lizenzen das 40- bis 50fache des früheren GSM-Erlöses. In unserem Land hat man für die UMTS-Lizenzen nicht einmal den Verkaufserlös der GSM-Lizenzen erreicht, kritisierte er.

Abgeordneter DI HOFMANN (F) nahm in seiner tatsächlichen Berichtigung Bezug auf die Äußerung von Edler, die Ministerin möge nicht dem "Kulturrabaukentum" von Landesrat Achatz verfallen, und verwies auf die Durchführung einer Volksbefragung über den Neubau des Musiktheaters in Linz.

Der G-Entschließungsantrag betreffend Ermittlungen in der Spitzelaffäre wurde von den beiden Regierungsparteien abgelehnt. Auch der G-Misstrauensantrag gegenüber dem Justizminister fand keine Mehrheit.

(Schluss)