Parlamentskorrespondenz Nr. 709 vom 28.11.2000

GRÜNE FORDERN SOFORTMASSNAHMEN GEGEN BSE-GEFAHR

Dringlicher Antrag im Nationalrat

Wien (PK) - Die Beratungen über den Bundeshaushalt 2001 wurden am Dienstagnachmittag für eine Debatte über einen von den Grünen eingebrachten Dringlichen Antrag betreffend BSE-Sofortmaßnahmen unterbrochen.

Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) hielt in der Begründung des Antrags fest, im Parlament sei schon oft über die möglichen Gefahren von BSE für den Menschen diskutiert worden. Sie hält die Maßnahmen, die die Regierung bisher gesetzt hat, aber für unzureichend. Selbst führende Virologen räumten ein, dass sie zu wenig über die Krankheit und deren Verbreitung wüssten, Österreich könne es sich daher nicht leisten, irgendwelche potentiellen Risken fortzuschreiben. Genau das passiere aber, klagte Petrovic. "Ich plädiere dafür, auf Nummer sicher zu gehen."

Petrovic zufolge sind der Regierung aber ein paar Groschen Kosteneinsparung wichtiger als die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher und Verbraucherinnen. Mit jedem Tag, den die Regierung länger zögere, werde die Situation jedoch schwieriger. Im Prinzip spreche nichts dagegen, Tieren, die Fleisch essen, auch tierische Produkte zu verfüttern, erklärte die Abgeordnete, wenn aber nicht sichergestellt sei, dass es sich um genießbare Produkte handle, dann drohe gefährliches, infektiöses Material in die Nahrungskette und damit zum Menschen zu gelangen. So etwas zuzulassen, sei "der Inbegriff der Verantwortungslosigkeit". Vor allem die ÖVP steht nach Meinung Petrovics auf Seiten der agroindustriellen Lobby.

Mit Hinweis auf den vorliegenden Entschließungsantrag der Grünen forderte Petrovic ein generelles Verbot der Verfütterung von Tiermehl bis klar sei, dass die Produkte nur aus einwandfreien Inhalten bestünden, sowie sofortige flächendeckende BSE-Tests für alle mehr als 30 Monate alten Schlachtrinder.

Landwirtschaftsminister Mag. MOLTERER kündigte an, die Regierung werde beim kommenden EU-Sonderministerrat für ein europaweites Fütterungsverbot von Tiermehl eintreten und zudem unabhängig davon in Österreich Maßnahmen zur Umsetzung eines nationalen Verbots vorbereiten. Er machte aber geltend, dass ein Fütterungsverbot von Tiermehl allein zu wenig sei und es darüber hinaus zu einer Vernichtung des Tiermehls kommen müsste. Ein solches Programm würde EU-weit jedoch Kosten in der Höhe von rund 42 Mrd. S verursachen. Außerdem müsste begleitend die Eiweißversorgung aus europäischer Produktion erhöht werden, um eine Eiweißlücke in der Tierfütterung zu vermeiden.

Darüber hinaus will Molterer in Österreich rasch entsprechende Kapazitäten für BSE-Schnelltests aufbauen, ein wissenschaftliches Expertengremium zur Beratung einsetzen und auf eine strengere Prüfung der Qualität importierter Produkte hinarbeiten.

Allgemein betonte der Landwirtschaftsminister, es sei immer Leitbild und oberstes Prinzip der Bundesregierung gewesen, für die Konsumenten Sicherheit zu gewährleisten, die Qualität der Lebensmittel sicherzustellen, gegen eine Industrialisierung der Landwirtschaft anzukämpfen sowie für eine Kennzeichnung der Herkunft der Produkte einzutreten. Mit diesen Grundsätzen habe man von Österreich vieles ferngehalten, was in anderen Ländern Realität sei. Der Minister verwies u. a. auf das seit 1990 bestehende Verfütterungsverbot von Tiermehl an Wiederkäuer, die seit 1991 geltende BSE-Anzeigepflicht und das BSE-Überwachungsprogramm sowie die geltenden hohen Standards für die Tierkörperverwertung.

Molterer bekräftigte, dass es bisher in Österreich keinen Fall von BSE gegeben habe. Und zwar nicht, weil man keine Untersuchungen anstelle, sondern weil die Regierung eben alles getan habe, was möglich sei, um die dramatische Entwicklung in anderen EU-Staaten von Österreich fernzuhalten. Diese Politik werde man auch in Zukunft fortsetzen.

Abgeordneter DI PIRKLHUBER (G) wertete die Ankündigungen Molterers als kleinen Erfolg im Interesse der Konsumenten und Konsumentinnen, aber auch im Interesse der österreichischen Bauern und Bäuerinnen. Er unterstrich, dass die Glaubwürdigkeit Österreichs als Ökoland auf dem Spiel stehe und des daher notwendig sei, auf internationaler Ebene Signale zu setzen. Für Pirklhuber ist ein Fütterungsverbot von Tiermehl das Gebot der Stunde, da man viel zu wenig über die Verbreitung des BSE-Virus wisse.

Kritisch äußerte sich Pirklhuber zu der seiner Ansicht nach zu geringen Zahl von Kontrollen. Er wies etwa darauf, dass ein bis zwei Prozent der Proben von Futtermitteln für Rinder Tiermehlrückstände aufweisen würden und das österreichische BSE-Vorsorgeprogramm lediglich 200 bis 800 Proben umfasse. Damit halte man bei einer Prüfrate von unter einem Promille. Als Ersatz zur Tiermehlproduktion kann sich der Abgeordnete vorstellen, Tierkadaver zur Biogaserzeugung einzusetzen.

Abgeordnete Dr. PITTERMANN (S) merkte an, dass man in der EU seit 1986 BSE kenne. Bisher sind ihrer Ansicht nach in der Diskussion aber vor allem wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund gestanden und nicht die Gesundheit des Menschen. Pittermann gab zu bedenken, dass die Inkubationszeit von an BSE erkrankten Tieren enorm lang sei, oft breche die Erkrankung bis zur Schlachtung gar nicht aus. Deshalb urgierte sie strengere Kontrollen.

Dass es in Österreich bisher keine BSE-Erkrankung gegeben habe, heißt für Pittermann, wie sie sagte, nicht, dass es kein BSE in Österreich gebe. Sie forderte den Landwirtschaftsminister daher auf, die Fütterung von Tiermehl gänzlich zu verbieten und auch Schlachttiere mittels BSE-Schnelltests zu untersuchen. Von der EU wünscht sie sich die gleiche Hilfe für VerbraucherInnen wie für die Landwirtschaft.

"Sie reden und wir handeln", antwortete Abgeordnete ACHATZ (F) auf die Wortmeldung ihrer Vorrednerin. Das sei die Qualität der neuen Bundesregierung. So hätte die ehemalige Konsumentenschutzministerin Prammer ihrer Auffassung nach Zeit genug gehabt, etwas gegen BSE zu unternehmen, alles was sie getan habe, sei aber, einen Hormonskandal vom Zaun zu brechen, der keiner gewesen sei.

Achatz brachte einen FP-VP-Entschließungsantrag ein, der im Wesentlichen die von Landwirtschaftsminister Molterer bereits angekündigten Schritte enthält. So fordern die Koalitionsparteien u.a. die Umsetzung eines Verbots der Verfütterung von Tiermehl auf europäischer Ebene und vorbereitende Maßnahmen zur Umsetzung eines nationalen Fütterungsverbotes. Gleichzeitig sollten sowohl für die notwendige alternative Eiweißkomponente in Futtermitteln als auch für die alternative Verwertung von Tiermehl entsprechende gesamteuropäische Konzepte ausgearbeitet werden. Weiters werden im Entschließungsantrag die Forcierung der Förderung der BSE-Forschung, die Einsetzung eines begleitenden wissenschaftlichen Beratergremiums und eine klare und eindeutige Konsumenteninformation betreffend die Herkunft eines Erzeugnisses gefordert. In diesem Zusammenhang übte Achatz Kritik am Austria Gütesiegel. 

Abgeordneter AUER (V) konstatierte, das Wichtigste in einer schwierigen und gefährlichen Situation sei es, einen kühlen Kopf zu bewahren und alles zu tun, um die Gefahr nicht zu verschärfen. Die Regierungsfraktionen würden entsprechend handeln. Der Opposition warf Auer vor, geradezu "herbeizubeten", dass auch in Österreich etwas passiere.

Auer erklärte, er traue sich zu behaupten, dass in Österreich erzeugtes Tiermehl einwandfrei sei. Hätten alle Länder bei der Tierkörperverwertung dieselben Standards wie Österreich, würde die EU nicht vor der heutigen Problematik stehen. Der Abgeordnete wies darüber hinaus auf das in Österreich geltende Fütterungsverbot von Tiermehl für Wiederkäuer seit 1990 hin und bekräftigte, die Regierung werde auch jetzt wieder rascheste Schritte setzen. An die Opposition richtete er den dringenden Appell, "nicht weiter zu zündeln", da sonst die bereits negativen Auswirkungen auf die Rinderbauern verschärft würden.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) forderte die flächendeckende Vornahme von Tests, eine Intensivierung der Kontrolle, aber auch die Verbesserung der Gütesiegelregelung. Bedenken meldete sie gegen die Ausgliederung der Kontrolllabors an. Im Interesse der Sicherheit müsse die Kontrolle in staatlichen Händen bleiben. Wenn Österreichs Produkte im Ausland größere Absatzchancen haben sollen, dann habe Österreich bei der Kontrolle „päpstlicher als der Papst“ zu sein, mahnte Moser.

Abgeordneter GRADWOHL (S) wertete den Entschließungsantrag der Regierungsparteien als zu weich und bemerkte, selbst die Äußerungen des Ministers würden über diese Initiative hinausgehen.

In einem SP-Entschließungsantrag verlangte Gradwohl eine Ausdehnung des bestehenden Verbotes der Verfütterung von Tiermehl an Wiederkäuer auf alle landwirtschaftlichen Nutztiere, den zweifelsfreien Nachweis der BSE-Freiheit für importierte Tiere, ein Verbot von Lebendtierimporten aus Ländern mit BSE sowie schließlich verpflichtende BSE-Tests für alle in Österreich geschlachteten Rinder.

Abgeordneter Dr. PUMBERGER (F) meinte, bei ihm als Frühkämpfer gegen BSE würden die Grünen mit ihren Aufruf zum Handeln offene Türen einrennen. Der SPÖ warf er vor, in ihrer Regierungszeit die BSE-Problematik jahrelang verniedlicht zu haben. Als die Freiheitlichen ein Importverbot verlangten, stimmte die SPÖ dagegen, und die Grünen waren still, erinnerte Pumberger.

Abgeordneter Dr. RASINGER (V) betonte, Österreich habe die strengsten Regelungen in der EU. Schon vor zehn Jahren sei hierzulande die Verfütterung von Tiermehl an Wiederkäuer verboten worden. Dies habe dazu geführt, dass Österreich bis heute BSE-frei ist. Mit einer Dunkelziffer an Creutzfeld-Jacob sei nicht zu rechnen, da in Österreich wesentlich häufiger seziert werde als in anderen Staaten.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) replizierte auf seinen Vorredner, die BSE-Problematik könne nicht mit Eigenlob gelöst werden. Gefordert seien vielmehr ein striktes Verbot der Verfütterung von Tiermehl an sämtliche Nutztiere sowie die weitere Forcierung der BSE-Forschung. Überdies sollte es zu gemeinsamen Anstrengungen über die Parteigrenzen hinaus, und nicht zu einem Alleingang der Regierungsparteien kommen, unterstrich Grünewald.

Abgeordneter Dr. CAP (S) appellierte an die Rindfleischesser im Plenum, sich zusammenzuschließen und einen gemeinsamen Antrag zu stellen. Er verwies weiters auf die große Verunsicherung der Konsumenten und beklagte die widersprüchlichen Aussagen der Wissenschaftler und Politiker. Es dürfe jedenfalls nicht so weit kommen, dass die gesunde Ernährung zu einer sozialen Frage wird, und sich nur derjenige gesund ernährt, der über die nötigen Informationen und das entsprechende Geld verfügt, warnte Cap.

Gesundheitsminister Mag. HAUPT konstatierte, Österreich gehe bereits seit 1990 einen konsequenten Weg der BSE-Bekämpfung und unterscheide sich darin wesentlich von anderen EU-Staaten, die die Seuche jahrelang bagatellisiert haben. In Österreich seien mehr Vorkehrungen getroffen worden als in jedem anderen europäischen Land – vom Verbot der Verfütterung von Tiermehl über verpflichtende Kontrollen der Rinder bis hin zu Importverboten aus BSE-Ländern. Die Konsumenten könnten deshalb unbesorgt sein, betonte Haupt. Wer österreichische Ware aus österreichischer Verarbeitung konsumiert, habe die bestmögliche Garantie, von gesundheitlichen Schäden verschont zu bleiben.

Abgeordneter WENITSCH (F) meinte, dass der BSE-Skandal die ausufernde Agrarwirtschaftsbürokratie in der EU genau aufzeige und gab Abgeordnetem Cap in vielen Punkten Recht. Dennoch mache es sich die Opposition zu leicht, wenn sie für die Misswirtschaft in der EU die Österreichische Bundesregierung verantwortlich mache. Unser Einfluss sei auf diesem Gebiet auch gar nicht groß genug. Man müsse daher sämtliche Möglichkeiten, die wir haben, ausnützen und deshalb unterstütze er auch den eingebrachten Antrag der Koalitionsparteien.

Abgeordnete Rosemarie BAUER (V) plädierte dafür, das Vertrauen der Konsumenten nicht zu enttäuschen, gleichzeitig sprach sie sich gegen eine unnötige Verunsicherung der Menschen aus. Vieles sei schon passiert, beispielsweise sei Österreich Vorreiter bei der Rinderkennzeichnung gewesen. Durch eine emotionalisierte Diskussion und durch Anschuldigungen schade man ihrer Auffassung nach vor allem den kleinen Bauern. Versäumnisse aus dem Ausland dürften nicht den heimischen Produzenten auf den Kopf fallen. Mit dem Entschließungsantrag der Koalition und den Worten der beiden Bundesminister dürfe man, so Bauer, jedoch getrost in die Zukunft schauen.

Abgeordneter ZELLOT (F) betonte, dass für das Vertrauen in den Bauernstand auch Kontrollen notwendig seien, weshalb es auch wichtig sei, dass so viel von der AMA kontrolliert werde. Diese genaue Kontrolle gebe es in den anderen Mitgliedstaaten der EU nicht. Die gesunden Lebensmittel, so zeigte sich der Redner anhand von Beispielen aus der EU überzeugt, liege nicht bei der Agrarindustrie, sondern beim Bauern. Bauern und Konsumenten sollten daher ein Bündnis schließen.

Abgeordneter Ing. GRAF (F) bedauerte, dass es zu keinem Vier-Parteien-Antrag kommt und warf der Opposition vor, dass es ihr nur um eine Schlagzeilenpolitik gehe. Die Konsumenten jedoch erwarteten eine Lösungspolitik. Daher könne man mit dem Dringlichen Antrag nicht mitgehen.

Abgeordneter DI PIRKLHUBER (G) bezeichnete die letzten Wortmeldungen als heuchlerisch und skandalös. Der Bundesminister wäre nämlich zu einem Vier-Parteien-Antrag bereit gewesen, der Klubdirektor habe dies aber verhindert, kritisierte der Mandatar.

Bei der Abstimmung wurde der Dringliche Antrag der Grünen abgelehnt, der Koalitions-Antrag wurde mehrheitlich angenommen. Der S-Antrag blieb in der Minderheit.

(Schluss)