Parlamentskorrespondenz Nr. 748 vom 12.12.2000

JUSTIZAUSSCHUSS: MIT 18 AUCH STRAFRECHTLICH ERWACHSEN

Im Gegenzug erste Elemente eines Heranwachsendenstrafrechts

Wien (PK) - Nach der Senkung des Erwachsenenalters im Kindschaftsrecht soll jetzt im Strafrecht dieser Schritt nachvollzogen werden. Diese Weichenstellung wurde heute im Justizausschuss des Nationalrats vorgenommen. Gewissermaßen im Gegenzug werden in das Jugendgerichtsgesetz Elemente eines Heranwachsendenstrafrechts eingebaut. So sollen Straftaten, die vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangen wurden, in die Zuständigkeit des Jugendgerichts fallen. Im Strafgesetz soll das Mindestmaß der Strafdrohung herabgesetzt werden; wenn weniger als fünf Jahre Freiheitsstrafe drohen, soll das Mindestmaß überhaupt entfallen. Bei Taten vor dem 21. Lebensjahr soll im Fall einer bedingten Entlassung Bewährungshilfe vorgesehen werden. Dies sind wesentliche Inhalte eines umfassenden Abänderungsantrags, der zu Beginn der Sitzung von den Regierungsfraktionen eingebracht wurde.

Damit reagierten die Fraktionen der Koalition auf Kritik, die zahlreiche Experten im Rahmen einer Sitzung der Enquetekommission "Die Reaktion auf strafbares Verhalten in Österreich, ihre Angemessenheit, ihre Effizienz, ihre Ausgewogenheit" unmittelbar vor der Sitzung des Justizausschusses vorgebracht hatten. Bei diesem Hearing war es ausschließlich um die von den Regierungsparteien beabsichtigten Änderungen des Jugendgerichtsgesetzes gegangen. Die Auffassungen der Expertinnen und Experten reichten dabei von der generellen Befürwortung der Vorlage und der Zustimmung insbesondere für die Senkung der Altersgrenze (z.B. durch Prof. Herbert Steininger) bis zu einem Plädoyer für die Beibehaltung der derzeitigen Rechtslage, zumal die Angleichung des Alters an die im Kindschaftsrecht normierte Grenze als Begründung nicht reichte (z.B. Univ.Prof. Helmut Fuchs). Auch in der Frage der Schaffung eines eigenen Strafrechts für Heranwachsende zeigten sich gegensätzliche Meinungen, und zwar sowohl grundsätzlich wie im Detail. Neben Vertretern der Wissenschaft waren bei dem Hearing auch Praktiker (Staatsanwälte, Richter, Rechtsanwälte, Bewährungshilfe) zu Wort gekommen.

Zentraler Punkt der Änderung des Jugendgerichtsgesetzes ist die Herabsetzung der oberen Altersgrenze für die Anwendung des Jugendstrafrechtes vom 19. auf das 18. Lebensjahr. Gleichzeitig soll für Taten, die vor dem 19., allenfalls vor dem 21. Lebensjahr begangen wurden, die Zuständigkeit bei den Gerichtsabteilungen für Jugendstrafsachen bzw. am Wohnort des Beschuldigten konzentriert werden. Die Vorlage zielt auch auf die Schaffung von Sonderbestimmungen für die strafrechtliche Behandlung von Personen unter 21 Jahren im StGB ab. So soll für junge Erwachsene die lebenslange Freiheitsstrafe ausgeschlossen und die außerordentliche Strafmilderung in Fällen mangelnder Reife erweitert werden.

Nach Eröffnung der Ausschusssitzung durch Vorsitzende Maria Theresia Fekter (V) erläuterte Abgeordneter Michael Krüger (F) die Einzelheiten des Abänderungsantrags im Vergleich zum ursprünglichen Initiativantrag 311/A . Krüger räumte ein, dass jede Altersgrenze willkürlich sei, gleichwohl müsse eine solche Grenze zwischen Jugendlichen- und Erwachsenenalter gezogen werden. Er würdigte, dass mit dem Abänderungsantrag schnell und umfassend auf die Meinungen der Experten reagiert worden sei.

Diese Reaktion auf die Kritik der Experten wurde auch von Abgeordnetem Johann Maier (S) positiv gewertet; gleichwohl könne seine Fraktion der Vorlage aus grundsätzlichen Überlegungen nicht zustimmen, zumal es keinen zwingenden Grund für die Änderung der geltenden Rechtslage gebe.

VP-Abgeordneter Josef Trinkl verteidigte die Absenkung des Erwachsenenalters mit dem Argument, dass damit die Bedeutung des Übernehmens von Verantwortung herausgestrichen werde. Er erinnerte an die mit der Diversion gegebene zusätzliche Möglichkeit, auf strafrechtliches Verhalten zu reagieren. Die neue Fassung der Novelle decke sich weitgehend mit den Meinungen der Experten, zumal es Änderungen gegeben habe. Letzterem schloss sich auch F-Mandatarin Edith Haller an.

"Extrem kritisch" äußerte sich G-Abgeordnete Terezija Stoisits zur Senkung der Strafmündigkeit. Ein entsprechender Schritt im Zivilrecht müsse im Strafrecht nicht zwingend nachvollzogen werden, maßgeblich dafür sei allein der politische Wille. Heftig kritisiert wurde von Stoisits die gegenüber früher geänderte Vorgangsweise, in der sie eine "Gefahr für die Rechtskultur" sah: infolge mangelnder Schriftlichkeit sei der Vorgang nicht nachvollziehbar. Sie bedauerte, dass man zu keinem Ergebnis gelangt sei, dem alle Fraktionen zustimmen hätten können. Positiv beurteilte Stoisits die Elemente eines Heranwachsendenstrafrechts. Sie schlug vor, in einer Phase des Zuwartens eine ausführliche Diskussion über dieses Thema zu führen.

Auch Abgeordneter Johannes Jarolim plädierte für das Absetzen der Materie und meinte, das Gesetz sei unnotwendig, der politische Wille obsiege damit über den Sachverstand.

Im Verlauf der weiteren Diskussion verwies Abgeordneter Walter Tancsits (V) auf die Verbesserungen auf Straftäter bis 21. S-Mandatar Maier kritisierte die mangelnde Einbindung der Opposition. Abgeordnete Inge Jäger (S) unterstrich, dass von den Experten kein Handlungsbedarf festgestellt worden sei und plädierte für eine Unterstützung Jugendlicher anstelle der Verschärfung des Strafrechts. F-Abgeordneter Krüger verwies auf die steigende Jugendkriminalität. Abgeordnete Fekter verwahrte sich gegen den Vorwurf, dass zu rasch und überfallsartig vorgegangen worden wäre. In keinem anderen Ausschuss gebe es so umfassende Beratungen.

Ein Vertreter des Justizministeriums nahm zu aufgeworfenen Fragen Stellung und bekräftigte u.a., dass durch den eingebrachten Abänderungsantrag Abwesenheitsurteile für Personen bis zum 21. Lebensjahr dezidiert ausgeschlossen seien. Was Strafbestimmungen in anderen Gesetzen betrifft, wird sich das Ministerium seiner Auskunft nach erfolgter Beschlussfassung des vorliegenden Gesetzesantrags überlegen, ob es beispielsweise Sinn mache, die Sonderbestimmungen, die für 18- bis 21-Jährige gelten, auch in das Finanzstrafgesetz zu übernehmen.

Der Antrag der Koalitionsparteien zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes, des Strafgesetzbuches und des Gerichtsorganisationsgesetzes wurde unter Berücksichtigung des FP-VP-Abänderungsantrags ebenso mit den Stimmen von FPÖ und ÖVP beschlossen wie eine Ausschussfeststellung, in der die vom Ausschuss vorgenommenen Abänderungen erläutert werden.

In den Abänderungsantrag aufgenommen wurde dabei auch eine Verschärfung der Strafen für Geldfälschungen und verwandte Delikte. Anlass dafür ist eine entsprechende Vorgabe der EU, die im Hinblick auf die Einführung des Euro EU-weit eine Rechtsangleichung der Straftatbestände gegen Geldfälschung anstrebt. Da die im Rahmenbeschluss des EU-Rats vom 29. Mai 2000 normierten Sanktionen in Österreich überwiegend durch geltendes Recht abgedeckt sind, müssen im Strafgesetzbuch lediglich einzelne Ausweitungen bei einigen Tatbeständen vorgenommen werden. Mit der Aufnahme der Strafverschärfungen in den Abänderungsantrag gilt eine Regierungsvorlage zu dieser Materie als miterledigt.

Abgeordneter Johann Maier (S) hatte bei den Beratungen betont, seine Fraktion habe nichts gegen diese Änderungen einzuwenden.

VERSTÖSSE GEGEN VERBOTSGESETZ IM AUSLAND WEITER NICHT STRAFBAR

Von den Koalitionsparteien abgelehnt wurde ein Antrag der Grünen auf Änderung des Strafgesetzbuches. Um einschlägige Aktivitäten österreichischer Rechtsextremisten in Deutschland künftig zu verhindern, wollten die Grünen erreichen, dass Handlungen, die aufgrund des Verbotsgesetzes in Österreich strafbar sind, auch dann von österreichischen Gerichten geahndet werden können, wenn sie im Ausland gesetzt wurden. Ausschussvorsitzende Maria Fekter (V) erklärte dazu, es habe in der Koalition kein Konsens über die von Stoisits vorgeschlagene Änderung erzielt werden können.

Abgeordnete Terezija Stoisits (G) zeigte sich über die ablehnende Haltung zu ihrem Antrag enttäuscht und meinte, sie sei aufgrund von Vorgesprächen davon ausgegangen, dass es eine Lösung geben werde. Offenbar sei aber die Ausweitung der strafrechtlichen Verfolgung von Personen, die gegen das Verbotsgesetz verstoßen, einigen Abgeordneten kein Anliegen.

Dies wurde von Vertretern der Koalitionsparteien vehement zurückgewiesen. So wertete Abgeordneter Michael Krüger (F) die Behauptung, die Koalition wolle offenbar Personen, die gegen das Verbotsgesetz verstoßen, schützen, als Unterstellung. Sowohl Krüger als auch Justizminister Dieter Böhmdorfer begründeten ihre ablehnende Haltung zum Antrag der Grünen damit, dass man nicht in Souveränitätsrechte Deutschlands eingreifen wolle. Böhmdorfer gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass ohnehin nur ein kleiner Kreis von der Gesetzeslücke umfasst sei, da vom Verbotsgesetz umfasste Betätigungen, die sich von Deutschland aus gegen Österreich richten, ohnehin bereits jetzt nach österreichischem Recht strafbar seien.

Abgeordneter Johann Maier (S) signalisierte demgegenüber Zustimmung zum Antrag der Grünen, da man seiner Ansicht nach damit ein richtiges politisches Signal setzen würde.

(Schluss)