Parlamentskorrespondenz Nr. 758 vom 14.12.2000

HEFTIGE ANGRIFFE DER OPPOSITION AUF JUSTIZMINISTER BÖHMDORFER

Gemeinsame Dringliche Anfrage von SP und Grünen an den Justizminister

Wien (PK) - Heftige Angriffe auf Justizminister Dr. Dieter Böhmdorfer trugen die SprecherInnen der Oppositionsfraktionen bei der Debatte über eine Dringliche Anfrage vor. Die Anfrage 1664/J war von den beiden Oppositionsfraktionen eingebracht worden, als Erstunterzeichner ihrer Fraktionen fungierten Dr. Alfred Gusenbauer (S) und Dr. Peter Pilz (G).

Abgeordneter Dr. GUSENBAUER  (S) warf der FPÖ in seiner Begründung der Anfrage vor, in der Exekutive ein Netzwerk von Spitzeln aufgebaut zu haben, um politische Gegner mundtot zu machen, und vermutete überdies, dass diese Informanten über undeklarierte, in der Kanzlei Böhmdorfers deponierte Parteispenden bezahlt wurden. Nach einer Hetzkampagne gegen die Ermittler in diesem Skandal attackiere die FPÖ nun auch die Justiz. Gusenbauer kam zu dem Schluss, die Freiheitlichen hätten keinerlei Interesse an einer Aufklärung der Affäre.

Scharf ging der SP-Klubobmann mit dem Justizminister ins Gericht: Während sich der Innenminister hinter seine Beamten stelle, übe sich Böhmdorfer in notorischem Schweigen und erwecke dadurch den Eindruck, die Verantwortung für seine Beamten nicht wahrzunehmen. Für Gusenbauer stellte sich zudem die Frage, ob Böhmdorfer als persönlicher Freund Haiders oder als Justizminister agiere. Der Redner bezeichnete den Justizminister als befangen und sprach ihm die Qualifikation für seine Funktion ab. Als Mitschuld qualifizierte Gusenbauer auch das Schweigen der ÖVP in dieser Sache.

Justizminister Dr. BÖHMDORFER legte ein Bekenntnis zur unabhängigen Rechtssprechung als tragende Säule des demokratischen Rechtsstaates ab und betonte, stets auf Basis dieses Grundsatzes gehandelt zu haben. Weisungen in dieser Sache würden für ihn nicht zur Diskussion stehen. Er versicherte, den ermittelnden Behörden sämtliche Unterstützung zu erteilen, und bestritt jegliche Interventionen seines Ministeriums.

Mit Nachdruck stellte Böhmdorfer fest, seine Äußerung, wonach Haider über jeden Verdacht erhaben sei, bedeute nicht, dass er in irgendeiner Weise in das Verfahren eingreifen werde. Die in der Dringlichen Anfrage enthaltenen Behauptungen im Zusammenhang mit der Parteispende an die FPÖ bezeichnete Böhmdorfer überdies als unrichtig und als Unterstellungen.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) konstatierte, Böhmdorfer habe die Fragen gar nicht oder irreführend, falsch und sogar unwahr beantwortet. In der Kanzlei Böhmdorfers sah Pilz die Zentrale zur gerichtlichen Verwertung der Informationen des freiheitlichen Spitzelringes. Für den Redner erhob sich zudem auch der Verdacht, dass diese Kanzlei eine Schwarzgeldzentrale der FPÖ sein könnte.

Haider sei der politische Ziehvater von Böhmdorfer gewesen, Böhmdorfer wiederum sei in jeder politischen Funktion der folgsame Ziehsohn Haiders, meinte Pilz pointiert. Böhmdorfer sei kein Justizminister, sondern ein Parteianwalt, auf den sich seine Mandanten blind verlassen können. Nach seiner Vorgeschichte habe Böhmdorfer keinerlei Chance, ein normaler Justizminister zu werden und minimales Vertrauen in den Rechtsstaat zu garantieren, folgerte Pilz und forderte den Rücktritt des Ministers.

Abgeordnete Dr. FEKTER (V) betonte, die ÖVP habe volles Vertrauen in den Rechtsstaat und sei zuversichtlich, dass die Justizbehörden sämtliche Vorwürfe aufklären werden. Fekter verurteilte jegliche parteipolitische Einflussnahme auf Justizverfahren und bekannte sich zu Meinungs- und Gesinnungsfreiheit. Heftige Kritik übte sie in diesem Zusammenhang an den Angriffen der SPÖ gegen den Richter Maurer, wobei sie sich insbesondere über das Sprachgutachten empört zeigte.

Die Besorgnis der SPÖ über die Unabhängigkeit der Justiz ist für Fekter wenig glaubwürdig. In der Vergangenheit sei die SPÖ bei politischen Verfahren nicht gerade zimperlich gewesen, meinte die Rednerin und erinnerte an das Verhalten von Gratz und Fischer beim Sinowatz-Prozess. Die Dringliche Anfrage bezeichnete Fekter als einzige Vorverurteilung und Missachtung der laufenden Ermittlungen. Die ÖVP werde jedenfalls die Ergebnisse abwarten und sich dann dazu äußern. Bis dahin gelte für die Volkspartei die Unschuldsvermutung, unterstrich Fekter.

Abgeordneter Dr. KRÜGER (F) warf Gusenbauer vor, die Unschuldsvermutung verletzt zu haben. Zu den Grünen meinte er, wenn Grüne vom Rechtsstaat sprechen, dann sei dies so wie wenn sich ein Pyromane zum Brandschutz äußert. Im übrigen wies Krüger die Attacken der SPÖ gegen den Richter Maurer als Anschlag auf die Unabhängigkeit der Gerichte zurück und untermauerte die Kritik seiner Fraktion an dem laufenden Ermittlungsverfahren in der Spitzelaffäre.

Abgeordneter Dr. KOSTELKA (S) warf Justizminister Böhmdorfer vor, geschwiegen zu haben, wo er sich schützend vor Richter und Staatsanwälte hätte stellen müssen. Geredet habe er hingegen dort, wo es ihm als Justizminister gut angestanden wäre, zu schweigen, etwa als er den Beschuldigten Jörg Haider "über jeden Zweifel erhaben" bezeichnet habe. "Der Justizminister Böhmdorfer hat gehandelt, wie er es sich der Parteianwalt Böhmdorfer gewünscht hätte", sagte Kostelka pointiert. Der Justizminister sei geblieben, was er war, bevor er Justizminister wurde: der Anwalt der FPÖ und Jörg Haiders. "Setzen Sie ein Zeichen für die Unabhängigkeit des österreichischen Justizwesens und treten Sie zurück", lautete Kostelkas Aufforderung an Minister Böhmdorfer.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) wollte das Verhalten der SPÖ in der Causa Sinowatz nicht verteidigen, dieses Verhalten sei zu Recht kritisiert worden. Im Unterschied zu dem an sich legitimen, wenn auch damals unangebrachten Verlangen nach einem zügigen Verfahren habe Vizekanzlerin Riess-Passer jetzt aber verlangt, ein Verfahren einzustellen. Dazu komme, dass sich Justizminister Böhmdorfer massiv in ein Verfahren eingemischt habe - durch Bestellung eines zweiten Staatsanwaltes, durch die Behauptung, Haider sei über jeden Zweifel erhaben und durch seine Intervention beim Innenminister, über jeden Schritt in der Spitzelaffäre informiert zu werden. Der Hauptvorwurf der Abgeordneten gegenüber Justizminister Böhmdorfer lautete aber, er habe die Staatsanwälte und Untersuchungsrichter, die angegriffen wurden, nicht in Schutz genommen. "Als Justizminister sind sie eine Gefahr für den Rechtsstaat und nicht sein Verteidiger", schloss Abgeordnete Stoisits.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) forderte Abgeordneten Gusenbauer auf, vor der eigenen Türe zu kehren, statt mit dem Finger auf jene zu zeigen, die für ein faires Verfahren sorgten. Partik-Pable erinnerte an Versuche der SPÖ, in der Zeit ihrer Koalition mit der FPÖ über Minister Ofner Einfluss auf die Justiz zu nehmen. Sie erinnerte weiter an die Urteilsschelte der SPÖ beim Verfahren gegen Sinowatz sowie an Versuche, in der Causa Lucona einen Untersuchungsrichter einzuschüchtern sowie an die Kritik des Präsidenten Fischer am VfGH-Erkenntnis zur Familienbesteuerung. Die SPÖ sollte darüber nachdenken, ob ihr Verhältnis zur Justiz überhaupt rechtsstaatlich geprägt sei. Die SPÖ habe zwar das Recht, eine solche Dringliche Anfrage zu stellen, die moralische Berechtigung dazu sprach Partik-Pable den Sozialdemokraten aber ab.

Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) konfrontierte den Justizminister mit dem Vorwurf, der Sorge der breiten Öffentlichkeit wegen der Vorgänge in der Justiz mit Verständnislosigkeit gegenüberzustehen. Sie zeigte sich befremdet darüber, dass der Justizminister kein Wort der Klarstellung gefunden habe, als die FPÖ in ihrem "ultimativen Gegenschlag" den Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit und den Chef der Wirtschaftspolizei angegriffen und den Vorwurf einseitiger Ermittlungen ausgesprochen, also politisch motivierten Amtsmissbrauch unterstellt habe. Der Attacke auf Journalisten - Stichwort "kranke Gehirne" - entgegenzutreten sei Böhmdorfer zwar nicht verpflichtet gewesen, der politische Anstand hätte es ihm jedoch geboten, auch dazu ein Wort zu sagen. Geschwiegen habe Böhmdorfer schließlich auch zu den schwerwiegenden Vorwürfen gegenüber Untersuchungsrichtern und Staatsanwälten - Stichwort "Rechtsbeugung und Rechtsbruch". - "Herr Justizminister, ich forderte Sie auf zurückzutreten", schloss Abgeordnete Kuntzl.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) bekannte sich zu dem Recht der Abgeordneten, die Justiz und Rechtsurteile zu kritisieren. Der Justizminister habe sich aber zu äussern, wenn Untersuchungsrichter angegriffen werden. Öllinger ging dann auf den Schwarzgeld-Vorwurf in der Kanzlei des ehemaligen Rechtsanwaltes Böhmdorfer ein und fragte: "Was ist mit diesem Geld passiert?" Offen geblieben sei auch die Frage, wer die Einsetzung eines zweiten Staatsanwalts in der Spitzelaffäre initiiert habe und ob der Justizminister sein Versprechen gehalten habe, nicht in das Verfahren einzugreifen. "Sie sind die Antworten schuldig geblieben, legen Sie dem Parlament die Fakten auf den Tisch", sagte Öllinger und brachte einen Misstrauensantrag gegen Justizminister Böhmdorfer ein.

Abgeordneter Mag. KUKACKA (V) sprach von einem "ideologischen Block", den SPÖ und Grüne mit ihrer Dringlichen Anfrage erstmals gebildet haben. "Nicht zum letzten Mal sind sie aber an dieser Frage gescheitert." Denn die Chance für eine konstruktive Debatte "haben Sie verpasst", meinte Kuckacka, der politische Alternativen und klare rechtspolitische Bestandsanalysen vermisste. "Sie haben nur Verdächtigungen geäussert und Unterstellungen gemacht, aber keinerlei überzeugende Argumente vorgelegt."

Den Grünen warf der Redner vor, den Rechtsstaat immer nur dann zu verteidigen, wenn es ihnen politisch opportun erscheine, im übrigen aber ein gespaltenes Verhältnis gegenüber der Gewaltanwendung und gegenüber dem Rechtsstaat zu haben. - Die Volkspartei hingegen garantiere eine rechtsstaatliche Entwicklung in Österreich. Dazu gehöre das Demonstrationsrecht ebenso wie die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, schloss Abgeordneter Kuckacka.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) konfrontierte den Justizminister mit einem Aktenvermerk vom 30.1.1996 aus seiner Kanzlei, in dem detailliert über die Arbeit des freiheitlichen Spitzelsystems berichtet werde. Pilz erinnerte dann an den Vorwurf, es seien Schwarzgelder in Millionhöhe über die Kanzlei Böhmdorfer geflossen und forderte den Minister auf, Auskunft über die Verwendung dieser Schwarzgelder zu geben. Auch Abgeordneter Pilz schloss mit dem Verlangen an den Justizminister, zurückzutreten und fügte hinzu: "Nehmen sie ihre alte Tätigkeit als Parteianwalt der FPÖ wieder auf."

Abgeordneter Dr. EINEM (S) erinnerte den Justizminister an seine Verantwortung, für das Vertrauen der Bevölkerung in eine unabhängige Justiz zu sorgen. Dazu gehöre, sich zu äussern, wenn die FPÖ versuche, Polizei und Justiz nur deshalb in Misskredit zu bringen, weil gegen Freiheitliche wegen des Verdachts strafbarer Handlungen ermittelt werde. Während das Ansehen des Rechtsstaates beschädigt werde, stelle sich der Justizminister nicht vor Richter und Staatsanwälte, fordere nicht dazu auf, die Arbeit der Richter und Staatsanwälte zu respektieren, sondern erkläre vielmehr, Jörg Haider sei über jeden Zweifel erhaben, klagte der Abgeordnete. "Zeigen Sie Verantwortung für das Amt, dass Sie ausüben," lautete Einems Aufforderung an den Justizminister. Und er fügte hinzu: "Wenn auch nur ein Teil dessen wahr sein sollte, was Ihnen in der heutigen Dringlichen Anfrage vorgeworfen wurde, wäre das ein Grund sofort zurückzutreten."

Laut Abgeordnetem GAUGG (F) brauche Ex-Innenminister Einem keinen "Moralapostel" zu spielen, zumal er der größte Ermittlungsverhinderer der Zweiten Republik sei. "Sie sind eine Gefahr für den Rechtsstaat", meinte Gaugg und fügte hinzu, Einem wolle keine unabhängige Justiz, anderenfalls würde er dem Minister nicht vorschreiben, wie, wo und wann er zu agieren habe.

Der Misstrauensantrag fand bei der Abstimmung nicht die erforderliche Mehrheit.

(Schluss)