Parlamentskorrespondenz Nr. 36 vom 24.01.2001

AKTUELLE AUSSPRACHE IM GLEICHBEHANDLUNGSAUSSCHUSS

Minister Haupt will Öffnungszeiten der Kindergärten ausweiten

Wien (PK) - Die heutige Sitzung des Gleichbehandlungsausschusses begann zunächst mit einer Aussprache über aktuelle Fragen, bei der Minister Herbert Haupt eingangs über das informelle Treffen der Minister für Gleichbehandlungsfragen und Soziale Sicherheit im schwedischen Norrköping berichtete. Sodann befassten sich die Abgeordneten mit Anträgen der Opposition, die alle entweder vertagt bzw. abgelehnt wurden. Vorangegangen war diesen Materien noch die jeweils einstimmige Wahl von Abgeordneter Elisabeth Hlavac zur Obfraustellvertreterin und von Norbert Staffaneller zum Schriftführer.

Die Ausschussmitglieder stellten zahlreiche Fragen an den Minister, die vor allem folgenden Themen betrafen: Reduzierung der Mittel für Frauenförderungsprojekte und das Thema Genitalbeschneidung (Abgeordnete Elisabeth Hlavac, S), Gender-Mainstreaming (Abgeordnete Beate Schasching, S), negative Auswirkungen durch Einführung des Kinderbetreuungsgeldes (Abgeordneter Franz Riepl, S), Umsetzung des Frauenvolksbegehrens, Gender-Quote und Kinderbetreuungsgeld (Abgeordnete Madeleine Petrovic, G), Männerkarenz und Schwerpunktsetzung in der Frauenförderung (Abgeordneter Caspar Einem, S) sowie Ausweitung der Öffnungszeiten von Kindergärten und Forcierung von Betriebskindergärten, Gewaltschutz (Abgeordnete Andrea Kuntzl, S). Die Abgeordnete Inge Jäger (S) beklagte die widersprüchlichen Aussagen in den Medien zum Thema Kinderbetreuungsgeld und kritisierte die Abschaffung der Bildungskarenz sowie die Kürzung der Notstandshilfe, die v.a. die jetzt schon von Armut bedrohten AlleinerzieherInnen betreffe.

Haupt kam in seiner Wortmeldung zunächst auf das Treffen der Gleichbehandlungsminister in Schweden zu sprechen, an der auch Vertreter aller Beitrittskandidatenländer teilnahmen. Grundsätzlich könne man in Gleichbehandlungsfragen ein Ost-West- und ein Nord-Süd-Gefälle feststellen, da es durch den politischen und wirtschaftlichen Umbruch in den letzten Jahren in vielen Staaten zu massiven Verschlechterungen gerade für die Frauen gekommen sei. Es war daher der allgemeine Wunsch der Mitgliedsländer, diese wichtige Querschnittsmaterie "höher anzusiedeln". Der Vorschlag der Niederlande, eine eigene Kommissarin für diese Thematik einzurichten, wurde jedoch nicht als sinnvoll erachtet. Haupt informierte weiters darüber, dass einstimmig verabschiedet wurde, einen Evaluierungsprozess hinsichtlich eines Gender-Mainstreaming-Büros in Angriff zu nehmen.

Von den einzelnen Ländern wurden auch die jeweiligen Frauenförderungspläne vorgestellt, wobei ihm das System in der BRD, das Parallelen zum Kindergeldmodell aufweist, besonders interessant erschien. Österreich präsentierte u.a. das Projekt zur Förderung von Frauen im Rahmen der Behindertenmilliarde, das auf großes Interesse stieß, erklärte Haupt.

Der Ressortchef wies sodann darauf hin, dass es ihm vorrangig darum gehe, die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern auszugleichen. Die Tatsache, dass viele Frauen über eine geringe Pension verfügen, sei eine Altlast, die man von der letzten Bundesregierung übernommen habe. Zudem müsse man bedenken, dass einzelne Regelungen im Arbeitsrecht (z.B. bezüglich Zuverdienstgrenzen und Fort- und Weiterbildung in der Karenzzeit) oft katastrophale Auswirkungen auf die Frauen gehabt hätten. Ein entsprechender Ausschuss, an dem sein Ressort und jenes von Minister Bartenstein beteiligt sei, arbeite bereits an Vorschlägen für Änderungen im Arbeitsrecht. Man müsse jedoch auch an die Sozialpartner appellieren, damit es im Bereich der Kollektivverträge nicht zu Verschlechterungen für Frauen komme.

Neben der Schaffung von Weiter- und Fortbildungsmöglichkeiten während der Karenzzeit sei es aber auch unabdingbar, dass Männer ihre Verantwortung an der Kindererziehung verstärkt wahrnehmen, unterstrich Haupt. Da aber gerade in den untersten Einkommensschichten das Gehalt der Männer bis zu 70 % des Familieneinkommens ausmache, halte er es für unverzichtbar, Zuverdienste zu ermöglichen. Im Ministerium wurde ein Arbeitskreis eingesetzt, um über die endgültige Form des Kinderbetreuungsgeldes zu beraten. Als Eckpfeiler stehen jedenfalls fest, dass es das Kindergeld für drei Jahre ab 1.1.2002 geben soll, dass AlleinerzieherInnen nicht benachteiligt werden und ein Zuverdienst ermöglicht werde.

Der Sozialminister teilte mit, dass durch die Kindergartenmilliarde 32.188 neue Plätze (von 1997-2000) geschaffen werden konnten. Diese Aktion werde nun nicht mehr fortgeführt, erklärte Haupt, er habe immer gesagt, dass auch die Länder, denen die Kompetenz für die Kindergärten obliegt, flankierende Maßnahmen ergreifen müssen. Die Bundesländer haben auch bereits Vorschläge eingebracht, wie z.B. die Einführung eines Schulstartgeldes, informierte er. Es tue ihm leid, dass das Instrument der Tagesmütter, das vor allem in den ländlichen Regionen sehr hilfreich wäre, derzeit sträflich vernachlässigt werde. Weiters werde er sich im Rahmen einer Aktion, die jeweils zu einem Drittel von den Ländern und Gemeinden, der Industrie und des Bundes finanziert wird, dafür einsetzen, dass die Öffnungszeiten der Kindergärten ausgeweitet werden.

Was die Frauenförderung im allgemeinen betrifft, sei er der Auffassung, dass der Schwerpunkt nicht auf der Veröffentlichung von Broschüren, die in der Vergangenheit oft vierfach publiziert wurden, liegen dürfe, sondern in der Projektförderung vor Ort. In diesem Sinne sollen auch seine bisher getätigten Maßnahmen beurteilt werden. Die Reduktion der Mittel für den Frauenrechtshilfefonds etwa liege darin begründet, dass die Gelder nicht ausgeschöpft wurden; sollte jedoch ein zusätzlicher Bedarf bestehen, könne er den Topf jederzeit wieder aufstocken. Ein großes Anliegen war Haupt auch die bessere Absicherung von Opfern von Gewalttaten, weshalb er die Vorfinanzierung von Schadensabgeltungen nach Schweizer Vorbild anregte.

Schließlich wies Haupt noch auf ein Projekt mit dem AMS und einem großen IT-Unternehmen hin, das die Ausbildung von 400 IT-Fachkräften gewährleisten und vor allem Frauen neue Berufschancen eröffnen soll. Wenn die Verhandlungen darüber abgeschlossen sind, werde er noch genauer darüber berichten, kündigte er an.

Was die von der Abgeordneten Hlavac angesprochene Genitalbeschneidung anbelangt, so soll dies ein eigener Straftatbestand werden und der ausführende Arzt mit einem Berufsverbot bedroht werden.

BERICHT ÜBER DIE VOLLZIEHUNG DES GLEICHBEHANDLUNGSGESETZES

Die Bundesminister Herbert Haupt und Martin Bartenstein legten dem Parlament einen gemeinsamen Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 1999 vor. Wie dem Bericht zu entnehmen ist, haben sich 772 Personen (627 Frauen, 145 Männer) zur Beratung bei der Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen Wien/Innsbruck gemeldet. Die wichtigsten Themen betrafen die Gleichbehandlung (283 Fälle), die sexuelle Belästigung (142), den öffentlichen Dienst (89) und das Arbeitsrecht (26). Die meisten Beratungen gab es in Wien (426), Tirol (126) und Niederösterreich (48).

Wiederholt hat sich gezeigt, dass Frauen selbst dann, wenn sie ihre Kompetenz und ihr Können in einem Betrieb schon unter Beweis stellen konnten, noch immer gravierenden Benachteiligungen ausgesetzt sind, wenn es um eine fixe oder unbefristete Anstellung geht. Frauen sind zwar als freie Mitarbeiterinnen, Werkvertragsnehmerinnen, Praktikantinnen oder Aushilfskräfte willkommen, aber ArbeitgeberInnen sind auch nach einem längeren Zeitraum der Bewährung nicht zu einem regulären Dienstvertrag bereit. Für die Frauen bedeutet dies eine sozial und finanziell wenig bis gar nicht abgesicherte Situation und fortgesetzten Druck, neue Einkommensmöglichkeiten zu suchen.

Als neue Diskriminierungsfalle für Frauen hat sich die Einführung von geänderten Gehaltsschemata in Betrieben herauskristallisiert. Auch bei der betrieblichen Pensionsvorsorge zeigt sich, dass Frauen nicht damit rechnen können, unter Zugrundelegung gleichbehandlungskonformer Kriterien in Pensionskassensysteme einbezogen zu werden. Um anzurechnende Dienstzeiten müssen sie wesentlich häufiger kämpfen als männliche Kollegen.

Die Verweigerung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Frauen wird zuweilen als bewusste Strategie eingesetzt, um Mitarbeiterinnen künftige Karriereschritte und das Eindringen in Männerdomänen zu verwehren, heißt es im Bericht, denn die Teilnahme an Schulungs- und Fortbildungsveranstaltungen stellt regelmäßig ein innerbetriebliches Steuerungsmittel zur Karriereplanung der MitarbeiterInnen dar.

Massiv verschlechtert hat sich die Situation für Frauen, die nach der Geburt eines Kindes und einer längeren Betreuungsphase zu Hause wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren; sie erhalten Arbeiten und Aufgabenbereiche zugewiesen, die ihrer Qualifikation und ihrem Dienstvertrag nicht entsprechen. Das Ersuchen um Teilzeitarbeit wird als Druckmittel seitens der ArbeitgeberInnen dazu benützt, Frauen vorzuwerfen, dass sie ihre Arbeit nicht ordnungsgemäß erledigen, dass sie "nie da sind" und vermehrt mit der Möglichkeit eines Arbeitsplatzverlustes rechnen müssen.

1999 wurde vermehrt die Tendenz sichtbar, dass immer öfter weibliche Lehrlinge im Alter von 14, 15, 16 Jahren an ihrem Arbeitsplatz massiven verbalen oder auch körperlichen Übergriffen ausgesetzt sind. Diese Vorfälle sind nicht auf einzelne Branchen beschränkt, sondern betreffen die klassischen Frauenlehrberufe ebenso wie Mädchen, die in bisher traditionell männlich dominierten Lehrberufen arbeiten. Auch bei Meldung massiver sexueller Attacken neigen Arbeitgeber eher dazu, sich vom Lehrling als vom "verdienten Facharbeiter" zu trennen.

Bei der Abstimmung wurde der Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 1999 einstimmig zur Kenntnis genommen.

G-ANTRAG: FRAUENDISKRIMINIERUNG IN DER VERSICHERUNGSWIRTSCHAFT

Einstimmig vertagt wurde sodann ein Entschließungsantrag der Grünen betreffend einen Bericht der Bundesregierung über frauendiskriminierende Praktiken der Versicherungswirtschaft. Gestützt auf den betreffenden Bericht der Bundesregierung orteten die G-Mandatarinnen vor allem bei privaten Krankenversicherungen und bei Pensionskassen Benachteiligungen für Frauen. (183/A[E])

SPÖ TRITT FÜR GLEICHBEHANDLUNGSGESETZ FÜR PRIVATWIRTSCHAFT EIN

Die SPÖ fordert in einem Antrag die umgehende Vorlage eines adaptierten Gleichbehandlungsgesetzes für die Privatwirtschaft ein. Sie verweist auf die nach wie vor beachtlichen Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen und gibt zu bedenken, dass diese einer Studie zufolge zum Teil systemimmanent sind. Insbesondere verlangten die SPÖ-Abgeordneten eine Aufhebung der Schadenersatzobergrenze bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebots bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses oder beim beruflichen Aufstieg, eine Anpassung der Beweislastverteilung an EU-Vorgaben, die Einbeziehung von Personen, die arbeitnehmerInnenähnlich beschäftigt sind, in den Geltungsbereich des Gesetzes und die Verbesserung der Verfahrensmöglichkeiten. (263/A[E])

Da ein entsprechendes Gesetz in Ausarbeitung ist, beschlossen die beiden Regierungsparteien, die Behandlung des Antrages zu vertagen.

SPÖ SCHLÄGT VERBESSERUNGEN IM MUTTERSCHUTZGESETZ VOR

Einer der Gründe für die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen sei einer Studie zufolge die Inanspruchnahme von Karenzurlaub durch die Frauen und die damit zusammenhängende massive Verschlechterung der Berufschancen, argumentieren die SP-Abgeordneten in einem Antrag. Um derartige Benachteiligungen abzumildern und den Wiedereinstieg von Frauen ins Berufsleben zu erleichtern, urgierte die SPÖ eine Verlängerung der Behaltefrist nach Inanspruchnahme des Karenzurlaubs von vier auf 26 Wochen. Gleichzeitig soll jenen Frauen, die nach dem Mutterschutz wieder arbeiten gehen, der gleiche ausgedehnte Kündigungsschutz gewährt werden wie jenen Frauen, die Karenzzeit in Anspruch nehmen. (264/A)

Sowohl die Abgeordnete Edith Haller (F), die den Vorschlag als kontraproduktiv bezeichnete, als auch Ridi Steibl (V), die  diskriminierende Auswirkungen befürchtete, standen dem Antrag der Sozialdemokraten kritisch gegenüber.

Abgeordneter Franz Riepl (S) konnte sich dieser Argumentation nicht anschließen und warf seinen Vorrednerinnen vor, sich gegen eine Verbesserung der sozialen Absicherung von Frauen auszusprechen.

Dieser Antrag wurde schließlich in der Fassung eines gesamtändernden S-Abänderungsantrages, der statt 26 Wochen eine Behaltefrist von 28 Wochen vorsieht, abgelehnt.

Ein weiterer Tagesordnungspunkt war ein S-Entschließungsantrag betreffend Sicherstellung der Gleichstellung von Männern und Frauen in Österreich, der von den Regierungsparteien abgelehnt wurde: "Die rechtskonservative Bundesregierung bemüht sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, die bereits errungenen Veränderungen im Sinne der schicht- und geschlechtsbezogenen konservativen Machtvorstellungen zu revidieren", heißt es darin. Die S-Abgeordneten forderten daher die Bundesregierung, alle notwendigen gesetzlichen Maßnahmen zu setzen, um die Sicherstellung einer gerechten, gleichstellungsorientierten Gesellschaftsstruktur in Österreich voranzutreiben. (171/A[E]) (Schluss)