Parlamentskorrespondenz Nr. 47 vom 26.01.2001

VERFASSUNGSAUSSCHUSS: FP-VP-MEHRHEIT FÜR UNABHÄNGIGE MEDIENBEHÖRDE

Für Beschluss im Plenum Zweidrittelmehrheit erforderlich

Wien (PK) - Ob es in Österreich zu der von der Regierung vorgeschlagenen Einrichtung der KommAustria, einer unabhängigen Regulierungsbehörde für die Bereiche Telekommunikation und audiovisuelle Medien, kommen wird, ist weiter offen. Ein entsprechender Gesetzentwurf passierte heute zwar mit den Stimmen der Koalitionsparteien den Verfassungsausschuss des Nationalrates, für eine Beschlussfassung im Plenum ist jedoch eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

SPÖ und Grüne äußerten sich im Ausschuss nach wie vor ablehnend zur Gesetzesvorlage und stellten insbesondere die Unabhängigkeit der KommAustria in Frage. Staatssekretär Franz Morak betonte demgegenüber, bei der Einrichtung der KommAustria gehe es nicht um eine Politisierung des Medienbereichs, sondern im Gegenteil um eine Entpolitisierung. ÖVP-Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer unterstrich, die Koalition stehe jederzeit für weitere Gespräche bereit.

Die Regierungsvorlage zur Einrichtung der KommAustria passierte in den wesentlichen Teilen unverändert den Verfassungsausschuss. Kleine Änderungen wurden beispielsweise lediglich im Hinblick auf die Gründung der KommAustria GmbH, die die KommAustria unterstützen soll, vorgenommen. So ist die Höhe des Stammkapitals der GmbH (ursprünglich waren 50 Mill. S vorgesehen) nunmehr nicht mehr im Gesetz geregelt. Weiters enthält der bei der Abstimmung mitberücksichtigte Abänderungsantrag legistische Verbesserungen.

Ein im Rahmen der heutigen Beratungen eingebrachtes Bundesgesetz über den unabhängigen Bundeskommunikationssenat (UBKS), das vom Verfassungsausschuss ebenfalls mit FP-VP-Mehrheit beschlossen wurde, enthält darüber hinaus detaillierte Bestimmungen über die Einrichtung dieser Kontrollinstanz. Demnach wird der Bundeskommunikationssenat beim Bundeskanzleramt eingerichtet und aus drei Mitgliedern bestehen. Diese werden vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung ernannt, wobei die Regierung jedoch an Vorschläge des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, der Vereinigung der österreichischen Richter und der Österreichischen Rechtsanwaltskammer gebunden ist. Detaillierte Unvereinbarkeitsbestimmungen und restriktive Enthebungsmöglichkeiten sollen die Unabhängigkeit des Senats sicherstellen. Der Bundeskommunikationssenat fungiert als Berufungsinstanz gegen Entscheidungen der KommAustria und ist damit oberste Instanz in Angelegenheiten der audiovisuellen Medien und der Telekommunikation. Er muss innerhalb von drei Monaten ab Einbringung einer Berufung eine Entscheidung fällen.

Geringfügig abgeändert wurde vom Verfassungsausschuss schließlich auch das mit der Einrichtung der KommAustria in Zusammenhang stehende neue Privatradiogesetz. Ein von den Koalitionsparteien eingebrachter Abänderungsantrag betrifft insbesondere die Beteilungsbeschränkungen an Privatradios und sieht vor, dass Anteile einer Privatstiftung an Privatradios nur noch dann dem Stifter zugerechnet werden sollen, wenn ihm "aufgrund faktischer Verhältnisse ein Einfluss auf die Tätigkeit der Stiftung zukommt". Zudem wurden die Übergangsbestimmungen adaptiert.

Im Rahmen der Beratungen stellten die Vertreter der Opposition insbesondere die Unabhängigkeit der KommAustria in Frage und traten für umfassende Beratungen der Materie in einem Unterausschuss unter Beiziehung von Experten ein. So sprach Abgeordnete Madeleine Petrovic (G) von einem "extremen Durchmarsch" und bedauerte, dass "substantielle Beratungen ganz offenbar nicht möglich sind". Ihrer Ansicht nach ist außerdem durch den vorgesehenen Bestellmodus die Unabhängigkeit der KommAustria nicht gegeben, vielmehr handle es sich um eine Regierungsbehörde. Als Unikat wertete Petrovic, dass Rechtsaufsicht und Rechtssprechung in einer Behörde vereinigt werden. Die Einrichtung der KommAustria werde sich gerade angesichts der bestehenden Medienkonzentration in Österreich fatal auswirken, prophezeite die Abgeordnete und stellte sich die Frage, wer eigentlich die Medienkontrolleure kontrolliere. Generell glaubt Petrovic an einen "politischen Deal hinsichtlich der Verteilung blauer und schwarzer Einflusssphären".

Ähnlich argumentierte auch SPÖ-Mediensprecher Josef Cap. Er forderte eine umfassende Diskussion über den seiner Meinung nach bedeutenden Medienkomplex ein und bekräftigte, dass dies mit einer Blockade überhaupt nichts zu tun habe. Der von den Regierungsparteien vorgeschlagenen KommAustria sprach auch er die Unabhängigkeit ab und meinte, sie möge vielleicht formaljuristisch unabhängig ein, realpolitisch sei sie das angesichts der vorgesehenen Bestellungsvorgänge aber sicher nicht. Cap glaubt, dass die Regierung über die KommAustria Einfluss auf den ORF nehmen will, und machte geltend, dass bisher beispielsweise neun Richter und sieben Laien über die Wahrung des Rundfunkrechts gewacht hätten. Ihm zufolge kann auch niemand schlüssig erklären, warum die KommAustria einen Präsidenten brauche. Cap zeigte sich darüber hinaus generell skeptisch hinsichtlich einer Notwendigkeit, die Bereiche Infrastruktur und Medienkontrolle in einer Behörde zu regeln.

Die Bedenken der Opposition wurden seitens der Koalitionsparteien zurückgewiesen. So machte Abgeordneter Michael Krüger (F) auf die verfassungsrechtliche Absicherung der Unabhängigkeit der KommAustria und Rechte der Opposition bei der Bestellung von einigen Mitgliedern aufmerksam und beantwortete die Frage, wer denn die KommAustria kontrolliere, mit einem Hinweis auf die Einrichtung des unabhängigen Bundeskommunikationssenats. "Eine größere Staatsferne ist nicht denkbar", unterstrich er. Den Vorwurf, es habe keine substantielle Beratung der Materie gegeben, wies Krüger ebenfalls zurück und verwies auf umfassende Gespräche. Er wandte sich allerdings gegen die Einsetzung eines Unterausschusses, da seiner Auffassung nach endlich gehandelt werden müsse. FPÖ-Abgeordneter Reinhard Firlinger appellierte an die SPÖ, die Einrichtung einer unabhängigen Medienbehörde zu unterstützen, damit man "ein Gesetz erster Wahl" beschließen könne und nicht gezwungen sei, "ein Gesetz zweiter Wahl" zu verabschieden.

Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) sprach von einem "hervorragenden Entwurf" und zeigte sich enttäuscht, dass die SPÖ bei den Parteiengesprächen nicht von ihrer Forderung abgerückt sei, über die Einrichtung der KommAustria nur gemeinsam mit anderen Medienfragen zu verhandeln. Sie unterstrich jedoch, dass die Koalition jederzeit für weitere Gespräche bereit sei. Ihre Fraktionskollegin Maria Fekter äußerte die Vermutung, die SPÖ lehne den Gesetzentwurf ausschließlich deswegen ab, weil sie den Bestellmodus nicht beeinflussen und somit ihre Einflusssphäre nicht absichern könne.

Anträge von SPÖ und Grünen, die Privatrundfunkbehörde befristet in Verfassungsrang zu heben, um so zum einen Rechtssicherheit für die bestehenden Privatradiobetreiber zu schaffen und zum anderen Zeit für Verhandlungen zu gewinnen, lehnte die Koalition ab. Damit würde man riskieren, das gesamte Verfassungsgefüge aus den Angeln zu heben, da der VfGH Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag nicht goutiere, argumentierte Abgeordneter Krüger.

Zur Novellierung des Privatradiogesetzes brachten die Grünen einen Abänderungsantrag ein, der insbesondere restriktivere Beteilungsbeschränkungen für Zeitungsverleger an Privatradios und die Absicherung freier, nichtkommerzieller Radios beinhaltet. Abgeordnete Petrovic sieht vor allem, wie sie erläuterte, die Notwendigkeit, das Marktanteilsmodell zu verändern, um Konzentrationen im Medienbereich nicht noch weiter zu fördern.

Die von der Koalition beantragte Änderung hinsichtlich der Beteiligung von Stiftungen an Privatradios wertete Petrovic als "lex Dichand", was FPÖ-Abgeordneter Krüger jedoch in Abrede stellte. Seiner Auffassung nach kann die Bestimmung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht anders geregelt werden, da sich jemand, der etwas gestiftet habe, seines Vermögens begebe.

Staatssekretär Franz Morak betonte in einer Stellungnahme, dass die Einrichtung einer unabhängigen, weisungsfreien Regulierungsbehörde im Medienbereich unbedingt notwendig sei, und verwies auf ähnliche Regelungen in Deutschland, der Schweiz, Großbritannien und Italien. Es gehe nicht um eine Politisierung dieses Bereichs, sondern vielmehr um eine Entpolitisierung, bekräftigte er. Entscheidungen wie Frequenzvergaben müssten von den Betroffenen ausgelagert und einer unabhängigen Stelle überantwortet werden. Mit der Einrichtung des Bundeskommunikationssenats schafft man Morak zufolge außerdem eine effektive Rechtskontrolle und stellt schnelle Entscheidungen sicher. Er wies darüber hinaus auf die Möglichkeit der Kontrolle der KommAustria durch den Rechnungshof und das Parlament hin.

Bei der Abstimmung wurde der Antrag der Oppositionsparteien auf Einsetzung eines Unterausschusses abgelehnt. Der Gesetzentwurf zur Einrichtung der KommAustria wurde ebenso wie das neue Privatradiogesetz - jeweils unter Berücksichtigung der VP-FP-Abänderungsanträge - sowie das von der Koalition im Rahmen der Debatte eingebrachte Bundesgesetz über den unabhängigen Bundeskommunikationssenat mit FP-VP-Mehrheit beschlossen. Der Abänderungsantrag der Grünen zum Privatradiogesetz blieb in der Minderheit. Abgelehnt wurden auch der Antrag der SPÖ und der Antrag der Grünen, die Bestimmungen über die Einrichtung der Privatrundfunkbehörde - befristet - in Verfassungsrang zu heben und damit abzusichern.

Die Einrichtung der KommAustria ("Kommunikations-Kommission Austria"), einer zentralen unabhängigen Regulierungsbehörde, die sowohl die Regulierungsaufgaben im Bereich audiovisuelle Medien als auch im Bereich Telekommunikation übernehmen soll, ist nach Ansicht der Koalition erforderlich, um der zunehmenden Verschränkung von Medien- und Telekomindustrie und den Entwicklungen am Kommunikationssektor in Richtung technologischer Konvergenz Rechnung zu tragen. Sie ist nicht nur als Anlaufstelle für die betroffenen Unternehmen im Hinblick auf diverse Genehmigungsverfahren gedacht, sondern soll auch als "Know-how"-Träger zur Unterstützung der weiteren Marktentwicklung auf dem Gebiet der Medien und der Telekommunikation in Österreich fungieren.

In den Erläuterungen zur heute beschlossenen Gesetzesvorlage wird außerdem darauf verwiesen, dass es einer neuen Behörde für die Erteilung von Privatradiolizenzen bedürfe, nachdem der Verfassungsgerichtshof die eingerichtete Privatrundfunkbehörde als verfassungswidrig beurteilt und aus diesem Grund zahlreiche Radiozulassungen aufgehoben hat. Da entsprechende Übergangsbewilligungen im Juni 2001 auslaufen, müsste bis dahin eine verfassungskonforme Behörde eingerichtet sein. Mit der KommAustria wollen die Koalitionsparteien diesem Erfordernis entsprechen, wobei eine Verfassungsbestimmung die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Behörde absichern soll. Um zugleich der vom Verfassungsgerichtshof geforderten parlamentarischen Kontrolle Rechnung zu tragen, sieht der Entwurf ein Interpellationsrecht des Nationalrates hinsichtlich der Vollzugstätigkeit der Regulierungsbehörde vor.

Die KommAustria wird dem Gesetzentwurf zufolge aber nicht nur die Privatrundfunkbehörde sondern auch die Kommissionen zur Wahrung des Regionalradiogesetzes und zur Wahrung des Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetzes, die Telekom-Control-Kommission und die Telekom-Control GmbH sowie die für den ORF zuständige Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes ersetzen. Außerdem fallen auch die Frequenzplanung und die fernmelderechtliche Bewilligung, die bisher vom Verkehrsministerium wahrgenommen wurden, in ihre Kompetenz.

Als konkrete Ziele der KommAustria werden u.a. die Förderung und Sicherstellung eines fairen, chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs, die Sicherung eines kostengünstigen Zuganges zu Kommunikationsdiensten und Inhalten für Konsumenten, die Förderung des Marktzutritts neuer Anbieter, die Sicherung der Meinungsvielfalt und Förderung der Qualität der Rundfunkprogramme, die Entwicklung von technischen und ökonomischen Konzepten für einen dualen Rundfunkmarkt in Österreich, die Bereitstellung von Fachwissen und die Schaffung und Bewahrung einer modernen und qualitativ hoch stehenden Kommunikationsinfrastruktur auf hohem Niveau genannt.

Zusammengesetzt ist die KommAustria laut Gesetzentwurf aus einem Präsidenten und zwölf weiteren Mitgliedern (davon drei hauptberuflich), die vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Regierung für eine Funktionsperiode von sechs Jahren zu ernennen sind. Für vier der nebenberuflich tätigen Mitglieder ist die Regierung dabei an Besetzungsvorschläge der im Hauptausschuss vertretenen Parteien gebunden, hinsichtlich eines weiteren nebenberuflich tätigen Mitglieds hat sie Vorschläge der Länder einzuholen.

Insgesamt werden drei Kommissionen - eine Medienkommission, eine Infrastrukturkommission und eine Wettbewerbskommission - in der KommAustria eingerichtet, die jeweils aus drei bzw. sechs Mitgliedern bestehen und von einem hauptberuflichen Mitglied geleitet werden. Die Medienkommission ist dabei etwa für die Vergabe und den Entzug von Rundfunklizenzen einschließlich der Frequenzzuteilung zuständig und hat die Rechtsaufsicht über sämtliche Rundfunkveranstalter wahrzunehmen. In die Kompetenz der Infrastrukturkommission fallen u.a. die Frequenzplanung und die Frequenzverwaltung, Entscheidungen über Konzessionen im Bereich der Telekommunikation sowie die Genehmigung von Entgelten und Geschäftsbedingungen im Bereich der Telekommunikation. Der Wettbewerbskommission soll schließlich die Aufgabe übertragen werden, den Markt zu beobachten und bei Bedarf Antragstellungen nach dem Kartellgesetz einzuleiten, überdies hat sie ein Gutachterstatut in Kartellverfahren im Medienbereich.

Zur Beratung der Bundesregierung und der KommAustria in grundsätzlichen, den Medien- und Telekommunikationsbereich berührenden Fragen wird bei der KommAustria ein fünfzehnköpfiger Kommunikationsbeirat eingerichtet. Er soll sich aus Volkswirtschaftern, Betriebswirtschaftern sowie Sozial- Technik- und Rechtsexperten und Experten auf dem Gebiet des Konsumentenschutzes zusammensetzen. Ein unabhängiger Bundeskommunikationssenat soll als Kontrollinstanz einen effektiven und schnellen Rechtsschutz gegen Entscheidungen der KommAustria gewährleisten.

Als Geschäftsapparat der KommAustria ist eine GmbH vorgesehen, die aus umsatzbezogenen Beiträgen der Unternehmen der Medien- und Telekommunikationsbranche finanziert werden und zu 100 % im Besitz des Bundes stehen soll. Zudem will die Regierung die Telekom-Control GmbH im Wege der Verschmelzung in die KommAustria-GmbH einbringen.

Das heute vom Verfassungsausschuss gebilligte neue Privatradiogesetz soll das geltende Regionalradiogesetz ablösen und ist zum Teil eine Reaktion auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs. Insbesondere sieht die Vorlage vor, das bisher zweigeteilte Bewilligungsverfahren für Privatradioveranstalter zusammenzuführen und die Prüfung sowohl der rundfunkrechtlichen als auch der fernmelderechtlichen Aspekte einer zentralen Regulierungsbehörde zu übertragen (siehe dazu den Gesetzentwurf zur KommAustria).

Darüber hinaus werden die geltenden restriktiven Beteiligungsbeschränkungen für Medieninhaber gelockert. War es einem Medieninhaber, beispielsweise einem Zeitungsverleger, bisher lediglich erlaubt, sich an einem Privatradio mit 26 % und an zwei weiteren Sendern in anderen Bundesländern zu je 10 % zu beteiligen, stellt der vorliegende Entwurf nunmehr in erster Linie auf Versorgungsgebiete ab. So ist es künftig durchaus zulässig, dass ein Medieninhaber mehrere Sender betreibt bzw. sich an mehreren Sendern zu mehr als 25 % beteiligt, wenn deren Versorgungsgebiete sich nicht überschneiden. Ausgeschlossen ist damit künftig etwa nur, dass jemand bundesweites Radio und regionales Radio gleichzeitig betreibt. Für Medienverbünde gilt, dass nicht mehr als zwei Programme gleichzeitig an einem Ort ausgestrahlt werden dürfen und die Einwohnerzahl jener Versorgungsgebiete, die einem Medienverbund zuzurechnen sind, 12 Millionen nicht überschreiten darf. Neu ist außerdem, dass für alle Privatradios Programmübernahmen anderer Sender von maximal 60 % erlaubt sind, bisher galt für Regionalradios eine 40%-Grenze.

(Schluss)