Parlamentskorrespondenz Nr. 140 vom 01.03.2001

BUDGETREDE, GLEICHBEHANDLUNG, DRINGLICHE ZUM FLEISCHSKANDAL

Finanzminister Grasser präsentiert ausgeglichenes Budget 2002

Wien (PK) – Die Budgetrede von Finanzminister Karlheinz Grasser und eine Dringliche Anfrage der Grünen an Sozialminister Herbert Haupt zum Thema Fleischskandal stehen heute im Mittelpunkt der Nationalratssitzung. Unter dem Titel "Gesundheitsgefährdung der Konsumenten durch Kontrollchaos und Schutz von Rechtsbereichen" wirft Abgeordnete Eva Glawischnig darin dem Ressortchef "desaströse Konsumentenschutzpolitik" vor. Die Dringliche wird um 15 Uhr aufgerufen. (Siehe PK Nr. 142)

Daran anschliessend wird das Hohe Haus über einen Fristsetzungsantrag der Grünen debattieren. Diese vom Abgeordneten Kurt Grünewald eingebrachte Initiative zielt auf die Abstandnahme von der geplanten Besteuerung der Unfallrenten ab.

Eingangs der Sitzung wurde anstelle der Abgeordneten Annemarie Reitsamer (SP), die auf ihr Mandat verzichtet hatte, der bisherige Bundesrat Stefan Prähauser (SP) als neuer Mandatar angelobt.

BERICHT ÜBER DIE VOLLZIEHUNG DES GLEICHBEHANDLUNGSGESETZES *        S-ENTSCHLIESSUNGSANTRAG 171/A(E) BETREFFEND SICHERSTELLUNG DER GLEICHSTELLUNG VON MÄNNERN UND FRAUEN IN ÖSTERREICH * S-ANTRAG 264/A AUF ÄNDERUNG DES MUTTERSCHUTZGESETZES 1979

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Nach der Budgetrede des Finanzministers wandte sich der Nationalrat dem in den letzten Wochen und Tagen aktualisierten Thema Gleichberechtigung zu. Unter Bezugnahme auf die Budgetrede des Finanzministers meinte Abgeordnete Mag. PRAMMER (S)als erste Rednerin, sie sei fest davon überzeugt, dass es zu einer wirklichen Umkehr gekommen sei, aber zu einer "Schubumkehr". Was den vorliegenden Gleichbehandlungsbericht anbelangt, so zeige er auf, dass die Zahl der Erstkontakte ansteige, sexuelle Belästigungen nach wie vor das Hauptproblem darstellen und die Diskriminierung meist in mehreren Bereichen auftrete. Richtig sei auch, dass sich mehr Männer an die Gleichbehandlungskommission gewandt haben, führte sie weiter aus. Sie sei aber erstaunt darüber, dass dies zum Anlass genommen werde, um eine eigene Männerabteilung im so genannten Frauenministerium einzurichten. Während Mittel für Frauenprojekte gekürzt werden, gibt es anscheinend genug Gelder, um eine derartige Anlaufstelle einzurichten, kritisierte sie. Schließlich forderte sie den zuständigen Minister auf, endlich eine Gleichbehandlungsnovelle vorzulegen und sich bezüglich des Kinderbetreuungsgeldes, dessen Umsetzung noch völlig unklar sei, zu äußern.

Abgeordnete BAUER (V) zeigte sich erschüttert über die Aussage von Prammer, wonach es zu einer Schubumkehr gekommen sei. Sodann wandte sie sich dem Gemeinsamen Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes zu, der ihrer Ansicht nach großartig sei und allen Männern zur Lektüre empfohlen werden könne. Daraus ergebe sich für sie, dass die Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft zügig vorangetrieben und Schulungen für Männer, die als Kontaktstellen im Falle von Frauendiskriminierungen fungieren (z.B. Betriebsräte etc.), angeboten werden müssen. Aus aktuellem Anlass kam Bauer auf Vorfälle in zwei niederösterreichischen Gendarmeriedienststellen zu sprechen, wo weibliche Beamtinnen belästigt und bedroht wurden, aber völlig im Stich gelassen wurden. Sie frage sich, warum hier die Gleichbehandlungsbeauftragte im Innenministerium nicht entsprechend gehandelt habe.

Es sei erhellend, wenn in der ganzen Budgetrede das Wort Frau nur einmal, und zwar ausschließlich im Zusammenhang mit dem Kapitel Kinderbetreuungsgeld, vorkomme, erklärte Abgeordnete Dr. PETROVIC (G). Auch zum Thema Gleichstellung und Antidiskriminierung habe sie keine Aussagen gefunden. Weiters merkte sie an, dass es zwar richtig sei, dass Österreich im Bereich der Beschäftigung insgesamt nicht schlecht liege, aber bei der Verteilung der Einkommen und Pensionen zwischen Männern und Frauen liege Österreich im schlechten europäischen Mittelfeld. Diese Kluft wachse ungebremst und immer rascher  und das Gender-gap werde daher immer größer, unterstrich Petrovic. Kritisch betrachtete sie auch die Einrichtung einer Männerabteilung, was wohl ein "Signal an die Stammtische" sei.

Die Sozialdemokraten beklagen die klaffende Einkommensschere, die Diskriminierung von Frauen, die fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen sowie die mangelnde Absicherung von Frauen, führte Abgeordnete ZIERLER (F) aus. Dies sei jedoch das Ergebnis einer 30jährigen Politik durch die Sozialdemokraten und es sei daher hoch an der Zeit, die Versäumnisse zu beseitigen. Die Freiheitlichen stehen für ein partnerschaftliches Lebensmodell sowie eine vollständige Gleichberechtigung und Gleichrangigkeit von Frauen und Männern, betonte die Rednerin. Für die FPÖ ist die Frauenpolitik ein breiter politischer Gestaltungsauftrag, die alle Ressorts angeht und im Gegensatz zu der verfehlten "Ghettopolitik" der letzten Jahre steht. Überdies machte sie auf bereits umgesetzte Maßnahmen aufmerksam, etwa die Einführung des Gender-Mainstreamings in Österreich und die Schaffung eines neues Referats für Frauen und Gesundheit.

Bundesminister Mag. HAUPT nahm zum vorliegenden Bericht Stellung und informierte darüber, dass in Wien und Innsbruck insgesamt 772 Fälle anhängig waren, wobei 627 davon Frauen betrafen. Von den zuständigen Beamtinnen wurde darauf hingewiesen, dass sich immer mehr Männer an die Gleichbehandlungskommission gewandt haben, berichtete er. Was die von der Opposition so in Frage gestellte Einrichtung einer Männerabteilung anbelangt, so möchte er unterstreichen, dass dies im Rahmen einer umfassenden Geschäftsordnungsreform, die mit 1. März in seinem Ressort umgesetzt wurde, stattfand. In diesem Zusammenhang erinnerte Haupt daran, dass es in Klagenfurt bereits seit drei Jahren eine Männerinformationsstelle der Caritas gibt, die sehr positiv aufgenommen und allein im Jahr 2000 von 4.000 Personen aufgesucht wurde.

Überraschend sei für ihn auch, dass man die anderen Maßnahmen, die er in Angriff genommen habe, verschwiegen wurden. So habe er nämlich gleichzeitig eine Abteilung für Frauen, Gesundheit und Gentechnik installiert. Hinsichtlich der Gleichbehandlungsregionalstellen in Graz und Klagenfurt erläuterte Haupt, dass die Ausschreibungsverfahren bereits beendet wurden und die Besetzung in Kärnten vorgestern erfolgt sei. Überdies müsse die Opposition zur Kenntnis nehmen, dass die Mittel für die Frauenförderung - trotz des Sparkurses - beträchtlich gestiegen sind (von 45 Mill. S im Jahr 1995 auf fast 67 Mill. S im Jahr 2001).

Die Einrichtung der Männerabteilung in seinem Ressort verteidigte Haupt mit der zunehmenden Bedeutung von Beratung für hilfesuchende Männer in verschiedensten Lebensbereichen. Der Minister verwies darauf, dass ähnliche Einrichtungen in Deutschland gerade auch von den Grünen unterstützt werden, und appellierte an die Opposition, die Ernsthaftigkeit seines Anliegens anzuerkennen.

Abgeordnete Elisabeth HLAVAC (S) zeigte sich beunruhigt, dass die erste Massnahme des Frauenministers in der Einrichtung einer Männerabteilung besteht. Der richtige Schritt wäre ihrer Meinung nach die Ausweitung der Gleichbehandlungsanwaltschaft gewesen. Im Übrigen warf Hlavac Haupt vor, nur solche Frauenprojekte zu fördern, die ihm genehm seien. Wenn Haupt nicht wolle, dass in der Frauenpolitik etwas weiter geht, dann sollte er seine Ressortfunktion abgeben, es wäre im Interesse aller Frauen gelegen, dass wieder eine Frau diese Aufgaben übernimmt, sagte Hlavac.

Abgeordnete Ridi STEIBL (V) sah Handlungsbedarf vorrangig beim Ausgleich der noch immer bestehenden Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen. Sie plädierte in diesem Sinn für eine Förderung der Frauen bereits am Beginn ihrer Berufskarrieren, für betriebliche Massnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie gleichermaßen für Männer und Frauen sowie für eine Erleichterung des Wiedereinstiegs in den Beruf. Bei der Verwirklichung der Chancengleichheit seien in erster Linie die Kollektivvertragspartner in die Pflicht zu nehmen, betonte Steibl, die im übrigen die Forderung nach einem Mindestlohn von 1.000 Euro deponierte. Das Konzept für die Einführung einer Männerabteilung im Frauenressort hielt die Rednerin für "noch nicht ganz ausgegoren".

Abgeordnete Ulrike LUNACEK (G) rief die Männer auf, ihr Rollenverständnis zu ändern, und vermisste darüber hinaus klare Zielsetzungen für die Männerabteilung im Ministerium. Gleichstellungspolitik müsse, wie Lunacek untermauerte, in der Verteilung von Macht, Einkommen und bezahlter wie unbezahlter Arbeit zwischen Männern und Frauen bestehen. Derartige Ansätze konnte sie in den bisherigen Massnahmen von Minister Haupt nicht erkennen.

Bundesminister Herbert HAUPT meinte zum Einkommensgefälle zwischen Männern und Frauen, die Kollektivvertragspartner hätten die Besserstellung der klassischen Frauenberufe sowie der Teilzeitbeschäftigungen voranzutreiben. Weiters trat der Minister mit Nachdruck dem Vorwurf der Opposition entgegen, er würde Frauenvereine und –projekte nicht ausreichend fördern.

Abgeordnete Beate HARTINGER (F) bezeichnete den Feminismus von SPÖ und Grünen als verstaubt und warf der Opposition vor, in der Frage der Männerabteilung mit Polarisierung, Feindbilder und Aggressionen zu agieren. Probleme, die sich aus dem geänderten Rollenbild der Männer ergeben, müssten auch im Interesse der Frauen gelöst werden. Die Einrichtung einer Männerabteilung sei gerade unter diesem Gesichtspunkt zu sehen, argumentierte Hartinger.

Abgeordnete Andrea KUNTZL (S) qualifizierte die Abschaffung des Frauenministeriums, die Betrauung eines Mannes mit Frauenangelegenheiten und die Einrichtung der Männerabteilung als falsche Signale. Haupt sei ein klarer Männer-Lobbyist, folgerte sie. Sämtliche Massnahmen des Ministers laufen nach Meinung der Rednerin auf eine Schwächung der Frauen und eine Stärkung der Position der Männer hinaus. Kuntzl kritisierte in diesem Zusammenhang insbesondere die Regelung der gemeinsamen Obsorge und die Anreize für längere Berufsunterbrechung durch das geplante Kindergeld.

Abgeordnete Gertrude BRINEK (V) erwartete sich von der Männerabteilung mehr Wissen über Männer in allen Lebensbereichen und schlug vor, die Ergebnisse der Abteilung auch in den Frauen- und Gleichstellungsbericht zu integrieren.

Abgeordneter Franz RIEPL (S) bemängelte, viele Massnahmen zur Gleichstellung im Arbeitsleben seien in der alten Regierung von der ÖVP blockiert worden. Kein Verständnis äußerte der Redner für die Ablehnung der auch vom ÖAAB unterstützten Forderung nach Verlängerung der Behaltefrist durch die Regierungsparteien.

Abgeordnete WOCHESLÄNDER (F) unterstützte die Gründung der Männerabteilung, da diese im Sinne des Gender-Mainstreaming absolute Berechtigung habe. Wie der Gleichbehandlungsbericht zeige, seien nämlich auch immer mehr Männer von Diskriminierung und Mobbing betroffen. Der SPÖ warf sie vor, gegen ein geteiltes Miteinander zu sein, indem sie Männer und Frauen gegeneinander ausspiele.

Dem gegenüber meinte Abgeordnete JÄGER (S), dass Minister Haupt mit Frauenpolitik "nichts am Hut" habe. Die Installierung der Männerabteilung setze in einer Zeit, in der die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen auseinander geht, in der Gewalt in der Familie zunimmt und in der 80 % der AusgleichzulagenbezieherInnen Frauen sind, ein völlig falsches Signal, so Jäger. Die Familien-, Sexual- und Jugendberatungsstellen seien ohnehin für Männer zugänglich. Dem Vorwurf, dass in Bezug auf Gleichstellung trotz eines eigenen Frauenministeriums noch viel zu tun sei, begegnete die Rednerin damit, dass man ein jahrhundertelanges Patriarchat nicht in wenigen Jahrzehnten beseitigen könne.

Abgeordnete LENTSCH (V) konterte, dass sich die sozialdemokratischen FrauenministerInnen als Feministinnen feiern hätten lassen. Die Realität jedoch, sagte Lentsch, spiele sich nicht in aktionistischen Zirkeln ab, sondern im Betrieb und in den Familien. Die SPÖ habe dort am meisten versagt, wo es um echte Gleichberechtigung gehe. Noch immer seien Frauen bei den Gehältern diskriminiert, sie würden bei den Pensionskassen anders behandelt, die Aus- und Weiterbildung würde ihnen oft verweigert und sexuelle Übergriffe auf weibliche Lehrlinge nähmen zu. Für Lentsch ist es daher höchst an der Zeit, dass sich nach der Finanzpolitik- auch die Frauenpolitik ändert.

Abgeordnete SCHASCHING (S) vertrat gegenüber der Vorrednerin naturgemäß eine gegenteilige Ansicht und hielt fest, dass in der Vergangenheit frauenpolitisch viel weitergegangen sei. Vor allem habe sich das partnerschaftliche Verhalten gebessert und das Bewusstsein der Männer geändert. Dennoch stecke die Gleichstellung noch in den Kinderschuhen, weshalb die Politik für Frauen weiter betrieben werden müsse. Das Familienbild der Koalitionsparteien bezeichnete sie als "steinzeitlich", dem Minister warf sie vor, Männerpolitik als Frauenpolitik zu betreiben. Abschließend forderte sie die Wiedererrichtung des Frauenministeriums und rief Minister Haupt auf, im Sinne des Gender-Mainstreamings Frauenpolitik und partnerschaftliche Geschlechterpolitik zu betreiben.

Nachdem Abgeordnete Schasching Minister HAUPT als "seltenes Exemplar dieser Gattung" bezeichnet hatte, machte dieser darauf aufmerksam, dass die Gleichbehandlungskommission diesen Ausdruck als "sexistisch" qualifiziert habe.

Abgeordneter STAFFANELLER (F) stimmte mit Schasching darin überein, dass für Frauen noch viel zu tun sei. Trotzdem müsse man auch berücksichtigen, dass im Jahr 1999 bereits 19 % der Hilfesuchenden bei der Anwaltschaft für Gleichbehandlung Männer gewesen seien. Daher halte er die Männerabteilung durchaus für sinnvoll und berechtigt. Staffaneller ging dann auf die Befürchtungen ein, das Programm des AMS werde sich verschlechtern. Genau das Gegenteil sei eingetroffen, so der Mandatar,  man gehe noch mehr auf die Bedürfnisse der Frauen ein, die Hilfen zur Besserqualifizierung, und damit zur Erreichung höherer Gehälter, würden nun effizienter eingesetzt. Der Redner würdigte auch die Maßnahmen im Rahmen der Behindertenmilliarde und forderte die Wirtschaft auf, hier tatkräftig mitzuwirken.

Abgeordneter KAMPICHLER (V) setzte sich mit der Lage der Frauen in der Privatwirtschaft auseinander und kritisierte vor allem die unterschiedliche Situation zum Bundesdienst bei Unterbrechung der Berufstätigkeit durch Kindererziehung. Als Beispiel nannte er die Wiedereinstiegsbeihilfe nach der Karenzzeit, die deshalb so selten in Anspruch genommen werde, weil bereits die Suche nach Antragsformularen "abenteuerlich" sei. Auch die Begründungen der ablehnenden Bescheide ließen erkennen, dass die SachbearbeiterInnen den Sinn der Beihilfe nicht richtig interpretieren. Er appellierte daher an die ArbeitgeberInnen, jenen zu helfen, die nach der Karenz zurückkommen und rief die Betroffenen auf, sich beim Ansuchen um Wiedereinstiegshilfe nicht entmutigen zu lassen.

Abgeordneter FREUND (V) beschäftigte sich in seinem Debattenbeitrag mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ging dabei insbesondere auf die Situation der Kinderbetreuungseinrichtungen in Oberösterreich ein. Dort habe es eine enorme Qualitätsverbesserung gegeben, generell jedoch sei das System der Tagesmütter in den Bundesländern nicht ausreichend ausgebaut. Freund trat auch dafür ein, familienfreundliche Betriebe auszuzeichnen.

Bei der Abstimmung wurde der Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes einstimmig zur Kenntnis genommen. Der S-Entschließungsantrag betreffend Sicherstellung der Gleichstellung von Männern und Frauen in Österreich wurde von den Koalitionsparteien ebenso mehrheitlich abgelehnt wie der S-Antrag zum Mutterschutzgesetz.

(Fortsetzung)