Parlamentskorrespondenz Nr. 150 vom 02.03.2001

SPÖ TRITT FÜR UMGEHENDE RÜCKNAHME UNSOZIALER MASSNAHMEN EIN

Antrag auf Prüfung der Klima-Abfindung einhellig angenommen

Wien (PK) - Abgeordnete BURES (S) bezeichnete im Rahmen der Debatte über den Dringlichen Antrag die geplante Besteuerung der Unfallrenten als unsozial und warf den Koalitionsparteien vor, ein beschämendes Schauspiel zu betreiben. Die Regierung habe diese Maßnahme in vollem Bewußtsein über die Auswirkungen für die Betroffenen beschlossen, stand für Bures fest. ÖVP und FPÖ hätten sehr wohl gewusst, dass die Besteuerung der Unfallrenten für zahlreiche Menschen finanzielle Schwierigkeiten bringen werde.

Es habe nichts mit sozialer Treffsicherheit zu tun, wenn man Unfallopfern und behinderten Menschen ihr Geld wegnimmt, meinte Bures, die in diesem Zusammenhang die Bundesregierung des Zynismus im Umgang mit den Ärmsten der Armen bezichtigte. Unsozialen Charakter ortete die Rednerin aber auch bei anderen Maßnahmen der Regierung, insbesondere bei der Einführung der Studiengebühren, bei der Kürzung des Familienzuschlages in der Arbeitslosenversicherung und bei der Streichung der kostenlosen Mitversicherung.

In ihrem Dringlichen Antrag forderte Bures eine Korrektur dieser von ihr als soziale Missgriffe bezeichneten Schritte.

Staatssekretär MORAK verteidigte die Besteuerung der Unfallrenten unter Hinweis auf die Bemerkungen des Mazal-Berichtes. In den Maßnahmen bei der Arbeitslosenversicherung sah er keinerlei Verschlechterungen. Vielmehr würden nun auch arbeitslose Frauen Familienzuschläge erhalten. Die Einführung der Studiengebühren wiederum diene der Verbesserung der Studieneinrichtungen. Niemand werde aus finanziellen Gründen nicht studieren können, versicherte Morak. Die Ausgleichs- und Begleitmaßnahmen ab dem Wintersemester werden eine Rückerstattung der Studienbeiträge für jene Studierenden bringen, die Studienbeihilfen beziehen. Was die Mitversicherung betrifft, so sei dafür Vorsorge getroffen, dass jene Personen, die aufgrund von Betreuungspflichten für Kinder und Behinderte auf eine Berufstätigkeit verzichten mussten, auch weiterhin beitragsfrei mitversichert bleiben, teilte Morak mit.

Abgeordneter NÜRNBERGER (S) blieb bei dem Vorwurf, wonach die Steuermaßnahmen der Bundesregierung unsozial seien. Nicht die Regierung, sondern das einfache Parteimitglied Jörg Haider regiere Österreich, stellte Nürnberger pointiert fest. Der ehemaliger FPÖ-Chef verlange in der Frage der Unfallrenten genau das, was die SPÖ und alle Interessenvertretungen seit Monaten gefordert hatten. In Anspielung an die gestrige Budgetrede Grassers schloss Nürnberger mit den Worten: "Wo die Regierungsparteien Träume haben, haben die Menschen draußen Albträume".

Abgeordneter GAUGG (F)ging scharf mit der SPÖ ins Gericht, der er vorwarf, als Erbe ihrer 30-jährigen Regierungszeit einen gigantischen Schuldenberg, einen Privilegientempel und Günstlingswirtschaft hinterlassen zu haben. Empört zeigte sich Gaugg vor allem über die 27 Mill. S-Abfertigung an Ex-Bundeskanzler Klima.

Abgeordneter DONABAUER (V) unterstützte die Mitversicherungsregelung der Bundesregierung und erinnerte daran, dass der ehemalige Bundeskanzler Vranitzky bereits vor fünf Jahren in der Mitversicherung einen Ansatz für soziale Staffelungen gesehen hatte. Die von der Koalition nun gewählte Variante enthalte Befreiungsbestimmungen, die auf Familie und Einkommen Bezug nehmen.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) kritisierte mit Nachdruck, die Regierung würde jene Menschen, die durch einen Unfall geschädigt wurden, nun ihr Geld wegnehmen. Betroffen seien davon vor allem sozial Schwache, die sich keine private Unfallversicherung leisten konnten und auf die Dauerrente angewiesen sind, gab er zu bedenken.

Die Bundesregierung agiere wie "der Fuchs im Hühnerstall" meinte Abgeordnete SILHAVY (S), da den Menschen allein im Sozialbereich 8 Mrd. S weggenommen werden. Massiv kritisierte sie auch die Kürzungen im Bereich der Kranken- und der  Arbeitslosenversicherung, der Notstandshilfe und der Elternkarenz.

In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter DONABAUER (V) klar, dass die Sozialversicherung der Bauern keinen neuerlichen Zuschuss in der Höhe von 700 Mill. S erhalten habe.

Bundesminister Dr. BARTENSTEIN gab der Abgeordneten Silhavy darin Recht, dass erhebliche Beiträge aus der Arbeitslosenversicherung zugunsten des Budgets abgeschöpft werden. Diese Vorgangsweise wurde jedoch auch von den früheren sozialdemokratischen Regierungen gehandhabt. Nunmehr sei es Ziel der ÖVP-FPÖ-Regierung, das AMS aus dem Budget voll auszugliedern, wodurch sich dann die Frage der Abschöpfung unter neuen Prämissen stelle.  

Was das Anliegen des Dringlichen Antrags der SPÖ anbelangt, so stellte Bartenstein fest, dass für ihn das Prinzip gelte, dass Jahreseinkommen ab etwa 100.000 S besteuert werden. Dies treffe etwa auch auf Invaliditätspensionen zu und er sehe daher nicht ein, warum Unfallrenten ausgenommen werden sollten. Die Bundesregierung nehme den Antrag aber sehr ernst und werde daher Vorschläge unterbreiten, um ungerechtfertigte soziale Härten abzufedern.   

Abgeordneter Mag. TRATTNER (F) bezeichnete den Dringlichen Antrag der Sozialdemokraten als eine Themaverfehlung, da gestern bereits ein Entschließungsantrag eingebracht wurde, der darauf abziele, soziale Härten im Bereich der Unfallrenten auszugleichen. Die Leute werden sicherlich "nicht gerupft", sondern es werde nur der Scherbenhaufen, den die SPÖ hinterlassen habe, aufgeräumt.

In einer tatsächlichen Berichtigung widersprach Abgeordneter DDr. NIEDERWIESER (S) seinem Vorredner und meinte, es sei unrichtig, dass die Sozialdemokraten die Bevölkerung aufwiegle bzw. falsch informiere.  

Abgeordneter Dr. BRUCKMANN (V) erinnerte daran, dass die Besteuerung der Unfallrenten 1988 unter dem sozialdemokratischen Finanzminister Lacina eingeführt und erst dann in Etappen wieder außer Kraft gesetzt wurde. Weiters wies er darauf hin, dass sämtliche in der Begründung des Antrags genannten Kritikpunkte bereits gestern in der Debatte von Abgeordnetem Feurstein entkräftet wurden. Bruckmann verteidigte auch die Einführung von Studiengebühren, da dadurch u.a. von den Professoren verlangt werden könne, ausreichende Prüfungstermine anzubieten oder eine bessere Betreuung zu verlangen.

Unter sozialen Maßnahmen verstehe er, dass Gelder nicht mit dem Füllhorn ausgeschüttet werden, sondern jenen geholfen wird, die es brauchen, erklärte Abgeordneter Dr. LEINER (V). Den Sozialdemokraten warf er vor, in den letzten Jahren eine unkoordinierte Gesundheitspolitik betrieben zu haben. In diesem Zusammenhang führte Leiner z.B. die halbherzige und inkonsequente Einführung des LKF-Systems sowie die unterschiedlichen Regelungen im Bereich der Opferversorgung an.  

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) zeigte sich empört darüber, dass zum Thema Studiengebühren soviel erzählt wurde, was nicht stimme. Er machte zudem darauf aufmerksam, dass die Wirtschaft seit 1970 jährlich um 2,8 % gewachsen sei, während die Lehrausgaben pro StudentIn um 1,1 % gesunken sind. Überdies sind 20 % der Studierenden armutsgefährdet und nur 11 % bis 12 % bekommen eine Beihilfe, was international weit unter dem Durchschnitt liege.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) sprach von einer Alibiaktion. Das Ansinnen der SPÖ könne nicht so dringend sein, da die Sozialdemokraten gestern einen Antrag zu dieser Thematik eingebracht haben, der noch eine Frist bis zum 30.6.2001 gesetzt hat. Er wehrte sich auch gegen den Vorwurf, dass die neue Bundesregierung soziale Kälte verbreite. Soziale Kälte sei vielmehr die Tatsache, dass es in Österreich noch immer 300.000 Analphabeten gebe.

Die Abschaffung der beitragsfreien Mitversicherung sei eine extrem unsoziale Maßnahme, bemängelte Abgeordnete Dr. PETROVIC (G), da sie Frauen treffe, die sich nicht mehr wehren können und die nicht zu den Gutverdienenden gehören.

Die Regierung sei vor einem Jahr angetreten, um die Schulden, die die SPÖ-Regierung angehäuft habe, abzubauen, betonte Abgeordneter Dr. FEURSTEIN (V). Er wehre sich daher gegen Ausdrücke wie "Diebsgut" oder "Raubzug", die im Rahmen der Debatte über die Besteuerung der Unfallsrenten gefallen sind.

Abgeordneter NÜRNBERGER (S) berichtigte tatsächlich, er habe den Ausdruck "Diebsgut" nicht verwendet, sondern vielmehr die "Kronen-Zeitung" zitiert.

Abgeordneter Ing. WESTENTHALER (F) bezeichnete die Performance der SP als "peinlich" und kritisierte das Verhalten dieser Partei, deren Kritik ins Leere gehe. Die Sozialdemokraten hätten ihre Glaubwürdigkeit in Sachen sozialer Gerechtigkeit heute nicht unter Beweis gestellt, unterstrich der Klubobmann. Kritik übte Westenthaler auch am Agieren des ehemaligen Kanzlers Klima in dessen Pensionsangelegenheiten. In diesem Zusammenhang brachte der Redner einen Entschließungsantrag betreffend einen allfälligen Rückforderungsanspruch des Bundes bezüglich der Gehaltsfortzahlung Klimas ein.

Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) wies die Kritik der Regierungsfraktionen an der Politik der SPÖ zurück und verwies darauf, dass selbst prominente Vertreter dieser Parteien die Richtigkeit der sozialdemokratischen Standpunkte anerkannt hätten. Mit ihrem Antrag habe die SPÖ den Finger in eine Wunde der Regierungspolitik gelegt, betonte Kuntzl.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) signalisierte die Zustimmung seiner Fraktion zu beiden Entschließungsanträgen, erinnerte aber daran, dass auch in den Reihen der FPÖ pensionsmäßig Privilegierte säßen. Prinzipiell sprach sich Kogler dafür aus, nicht den Bundeskanzler mit der Überprüfung der Agenden Klimas zu betrauen. Vielmehr sollte dies eine Angelegenheit für den Verfassungsdienst sein.

Abgeordneter Dr. KRÜGER (F) widersprach seinem Vorredner in bezug auf pensionsmäßig Privilegierte in den Reihen seiner Fraktion.

Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) meinte, das "Doppelspiel" der F werde nicht aufgehen. Wäre es ihnen mit ihren Aussagen hinsichtlich der Unfallrentner ernst, dann hätte es schon heute eine entsprechende Regelung gegeben, doch erstmals gelte nicht "Speed kills", vielmehr versuche die FPÖ nur, den Termin der Wiener Wahlen zu umschiffen. Im Übrigen signalisierte er die Zustimmung seiner Fraktion zum F-V-Antrag.

Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) und Abgeordneter Dr. KHOL (V) unterstrichen nochmals den Standpunkt ihrer Fraktionen.

In der namentlichen Abstimmung wurde der Dringliche Antrag mit 100 zu 70 Stimmen abgelehnt. Der F-V-Antrag bezüglich die Pensionsangelegenheiten des ehemaligen Bundeskanzlers Klima wurde einstimmig angenommen. (Schluss)