Parlamentskorrespondenz Nr. 255 vom 30.03.2001

EU-ERWEITERUNG - EIN WICHTIGES THEMA IN AUSSENPOLITISCHER DISKUSSION

Ministerin: Beitrittskandidaten begrüßen strategische Partnerschaft

Wien (PK) - Als letzte Beratungsgruppe kam am Freitag das Kapitel "Äußeres" im Nationalrat zum Aufruf. Abgeordneter Dr. CAP (S) stellte die Frage, ob es überhaupt eine "gestaltende österreichische Außenpolitik" gebe. Vor allem im Rahmen der EU, wie zum Beispiel in den Bereichen Vertiefung oder Erweiterung, vermisse er eine originär österreichische Handschrift. Österreich solle sich nicht kleiner machen als es ist, betont er. Für unausgegoren hielt Cap auch die "strategische Partnerschaft", zumal man bisher keine gemeinsamen Interessen erkennen wollte. Was die Auslandskulturarbeit anlangt, so orte er zwar Fortschritte, viele Fragen seien aber noch offen. Schließlich fragte er die Außenministerin, ob sie Bundespräsidentin werden wolle.

Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) war der Auffassung, dass es keinem sozialistischen Bundeskanzler gelungen war, eine eigene Handschrift auf europäischer Ebene zu hinterlassen. Erst die neue Bundesregierung habe es zum ersten Mal geschafft, wichtige Akzente in Europa zu setzen, und zwar in Nizza. Sodann befasste er sich mit der Situation im Nahen Osten und ersuchte die Außenministerin, die EU daran zu erinnern, dass gleiche Rechte für alle gelten müssen. Was die gemeinsame Agrarpolitik in der EU betrifft, so sei es dringend notwendig, diese einer grundlegenden Reform zu unterziehen, da sonst eine Erweiterung nicht möglich sei. Ein wichtiges Augenmerk müsse auch auf das Subsidiaritätsprinzip gelegt werden.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) zollte den Mitarbeitern des Außenministeriums Respekt für ihre Arbeit, und zwar gerade im letzten Jahr. Nicht zufrieden könne sie aber mit den budgetären und inhaltlichen Weichenstellungen in der Außenpolitik sein. Sie vermisse eine offensive und gestaltende Außenpolitik, die klare Positionen hinsichtlich der Probleme in Südosteuropa und im Nahen Osten bezieht. Nicht stolz sein könne man auch auf die Vorgangsweise Österreichs in der Frage der EU-Erweiterung, wo Österreich für eine siebenjährige Übergangsfrist bei der Personenfreizügigkeit eingetreten ist. Ein wichtiges Anliegen war für Lunacek die Entwicklungspolitik. Sie bedauerte, dass das EZA-Budget reduziert wurde und gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die Mittel im nächsten Jahr - wie angekündigt - erhöht werden.

Abgeordneter Dr. SPINDELEGGER (V) würdigte die hervorragende Außenpolitik von Frau Ministerin Ferrero-Waldner und warf der Opposition vor, die Augen vor dem erfolgreichen Engagement der Ministerin in der Europa-, der Nachbarschaftspolitik und der Weltpolitik zu verschließen. Sie setze beim großen Projekt EU-Erweiterung richtigerweise auf Übergangsregelungen und bemühe sich zugleich darum, die Österreicher über die Vorteile der EU-Erweiterung zu informieren. Erfolge registrierte Spindelegger auch bei den Bemühungen um eine gemeinsame Vergangenheitsbewältigung mit den Nachbarn Tschechien und Slowenien. Ferrero-Waldner mache Außenpolitik nach Maß, lobte Spindelegger und listete ihre Initiativen gegen Landminen, zum Schutz des Kindes und gegen Schlepper auf, mit denen sie auch in der Weltpolitik deutliche Spuren hinterlassen habe.

Budgetär sah der Abgeordnete schmerzliche Einschnitte und eine letzte Marke der Einsparungen erreicht, denn man könne nicht wollen, dass die Substanz von Gebäuden oder der Service für Österreicher im Ausland leiden. Spindelegger hoffte auf eine Steigerung des Budgets für das Außenamt im nächsten Budget und lobte das uneingeschränkte Engagement der Mitarbeiter des Außenamtes im Interesse Österreichs.

Bundesministerin Dr. FERRERO-WALDNER leitete ihre Ausführungen mit Hinweisen auf ihre zahlreichen Initiativen in den ersten drei Monaten dieses Jahres ein und nannte die strategische Partnerschaft mit den Beitrittskandidaten, ein neues Auslandskulturkonzept und ihre Bemühungen in der Entwicklungszusammenarbeit.

Im Einzelnen teilte Ministerin Ferrero-Waldner mit, dass die Beitrittskandidaten die österreichischen Vorschläge für eine strategische Partnerschaft begrüßen. Sie trat dafür ein, den Post-Nizza-Prozess mit den Beitrittskandidaten zu diskutieren und in einer zweiten Phase deren diesbezüglichen Interessen zu identifizieren. Die Österreich-Plattform sei keine Werbekampagne, vielmehr seien alle Fraktionen eingeladen, gemeinsam einen Dialog mit der Bevölkerung zu führen.

Solana sei auch auf ihre Initiative hin ein zweites Mal nach Mazedonien gereist, gab die Außenministerin bekannt und unterstrich das Bemühen, eine vernünftige Rolle für die EU in Israel zu finden. Dies sei der Grund für die Reise Solanas nach Israel gewesen. Auch dort bringe Österreich seine Stimme als Mitglied der EU ein, betonte die Ministerin. Ferrero-Waldner berichtete auch von ihren Initiativen im zentralasiatischen Raum. Nächstes Nachbarschaftsgebiet bleibe der Balkan, sagte sie und wertete den Besuch des mazedonischen Außenministers und ein Investitionsschutzabkommen mit Mazedonien als Beweis dafür, dass die Mazedonier Österreich als Freund schätzen.

Beim Post-Nizza-Prozess gehe es ihr um die Vereinfachung der Verträge, die Fragen Kompetenzaufteilung, Grundrechtscharta und Verfassung sowie um die Rolle der nationalen Parlamente und die Frage einer zweiten Kammer des EU-Parlaments, informierte die Ministerin.

In der Entwicklungszusammenarbeit unterstrich die Ressortleiterin die Notwendigkeit, das Bewusstsein in der Bevölkerung zu stärken und machte darauf aufmerksam, dass die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit der NGOs gleich geblieben seien.

Schließlich wies die Außenministerin darauf hin, dass durch das Konzept "Culture for Enlargement" die Kultur zu einem Teil der strategischen Partnerschaft werde, die EU-Erweiterung also nicht nur politisch und wirtschaftlich, sondern auch kulturell unterfüttert werde.

Abgeordneter Dr. EINEM (S) merkte zunächst an, dass der Post-Nizza-Prozess eine Zweidrittel-Mehrheit im Nationalrat brauche, und forderte die Außenministerin daher zu Gesprächen auch mit der Opposition auf.

Den Schwerpunkt seiner Ausführungen legte Abgeordneter Einem auf die geplante Interessengemeinschaft mit den MOEL-Ländern. Er hätte sich konkretere Auskünfte über dieses Konzept gewünscht, da auch die SPÖ für eine gleichberechtigte Partnerschaft mit den Erweiterungsländern eintrete. Sie unterstützt die wirtschaftliche Entwicklung in den Erweiterungsländern, weil dies die beste Voraussetzung gegen die Befürchtung sei, es könnten zu viele Menschen aus diesen Ländern zu uns kommen, um hier zu arbeiten. Er halte es aber nicht für angebracht, mit diesen Ländern wie mit Entwicklungsländern zu sprechen, "denen wir vorschreiben, wie sie sich zu verhalten haben". Außerdem vermisste Einem in dieser Frage eine einheitliche Haltung der Regierung.

In der Frage der Vergangenheit sei die SPÖ dafür, sie aufzuarbeiten und Vertreibungen der Zivilbevölkerung als Unrecht zu betrachten. "Wir wollen die Geschichte nicht umkehren, aber Probleme lösen, die aus der Geschichte übrig geblieben sind".

Im bilateralen Bereich sagte Einem der Ministerin Unterstützung zu, fragte sich aber beim Konzept "Strategische Partnerschaft", welche Länder hier ausgeschlossen werden sollen, was jene Länder denken sollen, die nicht besondere Partner Österreichs sein sollen, und ob dies nicht auch Nachteile für Österreich haben könnte. Einem schlug vor, auf große Worte zu verzichten und warnte davor, mit der Strategischen Partnerschaft auf die schlechte Behandlung Österreichs durch den Westen zu reagieren.

Abgeordneter JUNG (F) wollte Junktimierungen bei der EU-Erweiterung nicht ausgeschlossen sehen, wenn etwa die tschechische Regierung beim Thema Temelin auf österreichische Interessen nicht eingehe. Dasselbe gelte für ihn bei den Avnoj-Bestimmungen und den Benes-Dekreten. Für die FPÖ gäbe es keine Zustimmung zu einer EU-Aufnahme für Länder, die sich von diesen Bestimmungen nicht getrennt haben. Jung sah die Historikerdebatte aber in die richtige Richtung gehen und sprach die Hoffnung auf Fortschritte in dieser Frage aus. 

Am Balkan ist Österreich laut Jung gut beraten, sich nicht besserwisserisch in nationale Konflikte einzumengen. Denn weltfremde Ideale hätten auf dem Balkan schon viel Schaden angerichtet. Man sollte sich keine Illusionen machen: Die Albaner im Kosovo werden keine Steuern mehr nach Belgrad zahlen und Urteile serbischer Gerichte nicht mehr anerkennen. Für Jung wäre es ein Fehler, Grenzen aufrechterhalten zu wollen, die nicht mehr passen. Hinsichtlich Bosniens übte Jung Kritik an Wolfgang Petritsch und meinte, man sollte den Menschen Demokratie nicht eintrichtern, sondern sie ihnen mit Sensibilität nahe bringen. - Diese Kritik wurde von Abgeordnetem Dr. EINEM (S) in einer tatsächlichen Berichtigung zurückgewiesen.

Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) fragte Abgeordneten Jung nach den Konsequenzen seiner Analyse auf dem Balkan und fragte die Außenministerin, ob sie seine Kritik an Dr. Petritsch teile. Lichtenberger beklagte auch die Tendenz einer Militarisierung der Außenpolitik und nannte es ein Desaster, sollte Österreich eine "immer blauere und immer militärischere" Außenpolitik betreiben.

Dann beklagte Lichtenberger Diskussions- und Informationsdefizite beim Post-Nizza-Prozess. Es brauche dazu einen institutionalisierten Prozess, der weit über Plattformen hinausgehe. Lichtenberger regte eine institutionelle Zusammenarbeit im Hauptausschuss an und verlangte Klarheit zu den Themen Grundrechte und Demokratiedefizit.

Mangelnde Information herrsche auch in der Auslandskulturpolitik, sagte Lichtenberger. Schlagworte mitzuteilen sei keine Politik, mit der man Oppositionsparteien zur Zusammenarbeit auf einer gemeinsamen Plattform bringen könne.

Schließlich sah die Rednerin die Ostumwelthilfe unter die Räder kommen und stellte fest, es gäbe auf diesem Gebiet keine Hilfestellung und keine Zusammenarbeit von Seiten Österreichs mit den Nachbarn.

Abgeordneter GROSSRUCK (V) würdigte die Außenministerin als Wirtschaftsfachfrau, der es trotz eines knappen Budgets gelinge, die Aufgaben ihres Ressorts optimal zu erfüllen. Es entspreche vitalsten Sicherheitsinteressen Österreichs, sich im westlichen Balkan einzubringen. Dieser Raum sei ein permanentes Pulverfass - hier ist österreichisches Engagement für Großruck notwendig. Man müsse alles einsetzen, um den Frieden mit friedlichen Mitteln zu erreichen, "Wir dürfen aber auch keiner Friedensromantik folgen, sondern müssen bereit sein, auch militärische Mittel einzusetzen", sagte Großruck, dies habe auch der grüne Außenminister Joschka Fischer bereits erkannt.

Abgeordnete JÄGER (S) konzentrierte sich auf das Thema Dritte Welt und kritisierte die Kürzung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit sowie jener für die Osthilfe. Auch wandte sie sich gegen die massive Einschränkung der Beiträge an internationale Organisationen, etwa an den UNHCR, wodurch Österreich auf die 29. Stelle der Geberländer zurückgefallen sei. Für ungenügend hielt die Rednerin auch die Aufwendungen für die internationale Menschenrechtspolitik.

Die Kürzung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit um 15 Mill. S wertete die Rednerin als Zeichen, dass diese Regierung, die den Österreichern so schwere Lasten auferlege, auch für die Ärmsten der Welt kein Herz habe. Jäger betonte, dass Entwicklungszusammenarbeit nicht als Almosen zu verstehen sei, es gehe um neue Strukturen und darum, den ärmsten Ländern einen Teil dessen zurückzugeben, was ihnen an Ressourcen genommen werde.

Abgeordneter Dr. KURZMANN (F) unterstrich, auch das Außenministerium leiste seinen Beitrag zur Sanierung des Staatshaushaltes und zur Erreichung des Nulldefizits. Die Entwicklungshilfe könne dabei nicht ausgenommen werden. Kurzmann befasste sich in seiner Rede darüber hinaus mit dem Verhältnis Österreichs zu Slowenien und wertete die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Staaten als gut. Als noch nicht gelöste Probleme nannte er die Fragen der Rechte der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien und der Entschädigung der Heimatvertriebenen aus dem ehemaligen Jugoslawien.

Abgeordnete Mag. MUTTONEN (S) beklagte, dass die Mittel für die Osthilfe in den letzten Jahren sukzessive gekürzt worden seien. Durch diesen "finanziellen Kahlschlag" gefährde Österreich seinen Ruf als verlässlicher Partner. Für Muttonen sind die Einsparungen in diesem Bereich aber auch ein Eigentor, da zum einen Umweltprojekte auch Österreich zugute kämen und zum anderen finanzielle Hilfen ein präventives Mittel gegen Instabilität in den betroffenen Regionen seien.

Abgeordnete GATTERER (V) äußerte großes Lob für Außenministerin Ferrero-Waldner. So zeige der Vorschlag der "strategischen Partnerschaft", dass Ferrero-Waldner "ein Herz für die Nachbarn" habe, meinte sie. Damit führe die Außenministerin eine bereits unter Außenminister Mock begonnene Politik fort.

Abgeordneter HEINZL (S) hielt fest, der Rückzug von Milosevic sei der Beginn eines anderen Jugoslawien gewesen. 13 Jahre lang hätten "Brandstifter und Mörder" das Land regiert. Die neue Regierung stehe dadurch vor einer nahezu unlösbaren Aufgabe. Reformen hätten zwar begonnen, damit die Hoffnung aber nicht sterbe, sei Hilfe aus dem Ausland erforderlich. "Wir dürfen uns nicht bequem zurücklehnen und die Menschen sich selbst überlassen", bekräftigte er. Kein Verständnis zeigte Heinzl für ein militärisches Eingreifen in Mazedonien.

Abgeordneter Dr. BÖSCH (F) betonte, die Regierung setze in wesentlichen Bereichen zukunftsweisende Weichenstellungen, auch in Sicherheitsfragen. Nach "jahrelanger Feigenblatt-Politik" sei es an der Zeit, die sicherheitspolitischen Interessen Österreichs klar darzulegen. Bösch rief die SPÖ auf, sich an der Debatte über den Analyseteil der Sicherheitsdoktrin konstruktiv zu beteiligen.

Außenministerin Benita FERREO-WALDNER erklärte, sie bedaure selbst, dass sie bei der Osthilfe, aber auch bei den Beiträgen zu internationalen Organisationen Einsparungen vornehmen müsse, es sei aber erforderlich, die generelle Budgetkürzung voll mitzutragen. Die Alternative zur Kürzung der Osthilfe wären Kürzungen bei der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit gewesen.

Eine Konkretisierung der "strategischen Partnerschaft" kann Ferrero-Waldner zufolge erst nach der geplanten Konferenz in Wien erfolgen, das Konzept solle gemeinsam mit den Partnerländern entwickelt werden. Sie stellt sich beispielsweise vor, dass sich die teilnehmenden Länder vor jedem Europäischen Rat treffen.

Abgeordnete Mag. HAKL (V) befasste sich mit der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit und meinte, der "permanente Abwärtstrend" habe halbwegs gestoppt werden können. Sie sei aber mit dem Status quo dennoch nicht zufrieden, im nächsten Jahr müsse es wieder mehr Geld für diesen Bereich geben. Das sei Österreich als reiches Land den ärmsten Ländern der Welt schuldig.

Abgeordnete Mag. HARTINGER (F) betrachtete die EU-Erweiterung und die Kontakte Österreichs zu den Beitrittswerbern aus gesundheitspolitischer Sicht.

Abgeordneter Ing. SCHULTES (V) bezeichnete die EU-Erweiterung als überaus bedeutsam für Österreich. Es müssten Brücken zwischen Ost und West gebaut werden, und dies nicht nur im übertragenen Sinn. Konkret sprach er sich für einen Ausbau der Verkehrswege in der Ostregion und für verstärkte Hilfestellung für die Grenzregionen aus.

Abgeordneter Dr. BRUCKMANN (V) äußerte sich zum Themenkomplex Südtirol und zeigte sich erfreut über die dortige Entwicklung. Die österreichische Südtirolpolitik sei eine erfolgreiche gewesen, weil es gelungen sei, dieses Thema aus dem Parteienstreit herauszuhalten, habe man doch gemeinsam an einem Strang gezogen. Der Außenministerin sei es nun gelungen, hier neuerliche Verbesserungen zu erzielen.

In der Abstimmung wurde das Budgetkapitel Äußeres mehrheitlich angenommen.

Die Materie wurde daraufhin vertagt, um eine Sitzung zu einem anderen Thema einschieben zu können. (Schluss)