Parlamentskorrespondenz Nr. 263 vom 03.04.2001

DAS JUSTIZBUDGET AUF DEM PRÜFSTAND

Derzeit 192 Bezirksgerichte - Minister denkt an Zusammenlegung

Wien (PK) - Am vorletzten Budget tag im Plenum des Nationalrats hatten sich die Abgeordneten mit den Kapiteln Justiz, Land- und Forstwirtschaft sowie Umwelt und Inneres auseinanderzusetzen.

Vor Eingang in die Tagesordnung teilte Präsident Fischer mit, dass ein Antrag der Grünen vorliege, dem Justizausschuss für die Berichterstattung über den Antrag 10/A eine Frist bis 9. Mai 2001 zu setzen. Die Debatte über diesen Fristsetzungsantrag wird um 15 Uhr stattfinden, im Anschluss an die Debatte wird der Nationalrat über den Fristsetzungsantrag abstimmen.

Nach Berichtigung eines Druckfehlers im Bundesvoranschlag durch Abgeordnete Dr. PAPHAZY (F) als Berichterstatterin eröffnete SP-Justizsprecher Dr. JAROLIM die Debatte über das Justizbudget mit einer Kritik an der Justizpolitik der blau-schwarzen Koalition. Der Hoffnung auf eine sachliche Diskussion sei fassungsloses Kopfschütteln der Experten gefolgt, sagte Jarolim und ortete eine Entwicklung, die "betroffen" mache. Er führte als Beleg die Petition der Richterschaft für die Unabhängigkeit der Justiz an und forderte den Justizminister auf, in der Spitzelaffäre nicht die Staatsanwaltschaft, sondern den unabhängigen Untersuchungsrichter ermitteln zu lassen.

Auch die Entwicklung im Justizausschuss beurteilte Jarolim nicht positiv. Eine Reihe von Themen sei nicht behandelt worden, Experten seien angehört, ihre Meinungen aber nicht berücksichtigt worden, betonte er. Kritisch wandte sich der Justizsprecher der Sozialdemokraten auch gegen Böhmdorfers Pläne zur Änderung der Gerichtsorganisation und die Einsparung von Gerichten. Die Regierung sei nicht in der Lage, Vorhaben so zu präsentieren und zu kommunizieren, dass eine sachliche Diskussion durchgeführt werden könne. Absichten im Zusammenhang mit der Reform der ZPO qualifizierte Jarolim als Zurückgehen in den Stand vor den sechziger Jahren. Insgesamt sieht Jarolim eine "schauderhafte Justizentwicklung"; für eine "vorzeigbare" Justizpolitik bot er die Zusammenarbeit seiner Fraktion an.

In welchem Land lebt Jarolim, fragte F-Justizsprecher Dr. OFNER als nächster Redner und wies Jarolims Kritik zurück. Er ortete eine kontinuierliche Entwicklung mit einem maßvollen und akzeptablen Fortschritt. Früher sei die Justiz der Inbegriff des Staates gewesen, inzwischen sei der Anspruch des Staates, Recht zu sprechen, zum Teil durch die Streitschlichtung ersetzt worden, der Anspruch zu strafen durch die Konfliktbeilegung. An die Stelle des Zivilrichters sei vielfach der Mediator getreten, an die Stelle des Strafrichters der Sozialarbeiter. Diese Entwicklung habe nahezu flächendeckend Platz gegriffen und sie sei unumkehrbar, stellte der freiheitliche Justizsprecher fest.

Jetzt gehe es um Nachjustierung: Man müsse prüfen, ob in der Diversion Delikte nach dem Mafiaparagraphen und die Kinderpornografie fallen sollen, der Opferschutz müsse präziser gemacht werden, die Mediation bedürfe einer Regelung, etwa im Sinn einer Mindestausbildung für diese Tätigkeit. Bezüglich der Gerichtsorganisation sprach sich der frühere Justizminister dafür aus, analog zu den höchstens drei Instanzen statt 4 nur 3 Gerichtsebenen vorzusehen. Bezogen auf die Beschleunigung der Zivilprozesse sprach Ofner sich u.a. für Einzelfallgerechtigkeit vor der Geschwindigkeit des Verfahrens aus. Die Angriffe auf den Justizminister im Zusammenhang mit der Spitzelaffäre wies Ofner als "voreilig" zurück.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) begann ihre Rede mit einem Dank an die Bediensteten des Justizressorts, die im Bedarf auch Mandataren der Opposition zur Verfügung stünden. Die Justiz insgesamt sieht Stoisits überschattet von Diskussion, Kritik und Verunsicherung. Erstmals habe es Unterschriftenlisten von Richtern und Staatsanwälten gegeben, 1.300 Richter hätten "mit Namen und Adresse" Kritik an der Vorgangsweise von obersten Behördenvertretern geübt. Stoisits erinnerte an eine früher übliche gemeinsame Vorgangsweise in Justizangelegenheiten und stellte dem die jetzt geübte Praxis gegenüber: Es gebe kein Interesse mehr, die Opposition in die Entscheidungsfindung einzubeziehen und Konsens zu finden, kritisierte Stoisits. Sie kam dann auf die geplanten Gerichtszusammenlegungen zu sprechen und relevierte Einsparungen bei Bediensteten der Justizverwaltung und bei Richtern. Man könne nicht über 192 Bezirksgerichte "mit der Sense drüberfahren", um sie auf 64 zu reduzieren, sagte die Abgeordnete, dies gefährde den Zugang zum Recht.

Nur ein Drittel der Richter in Kärnten verfüge über einen PC, kein einziger über e-Mail, kritisierte Stoisits weiter, damit sei das Recht auf rasche Verfahrensabwicklung gefährdet. Die Schließung der Bezirksgerichte in Eisenkappel, Ferlach und Bleiburg, wo es "gelebte Zweisprachigkeit" gebe, stellt in den Augen der G-Abgeordneten einen Verstoß gegen in der Verfassung normierte Rechte dar. Stoisits brachte sodann einen Entschließungsantrag ihrer Fraktion zur Verbesserung der Position der Verbrechensopfer durch eine umfassende Novellierung des Verbrechensopfergesetzes ein.

Ihre Fraktion werde diesem Antrag nicht zustimmen, sagte VP-Justizsprecherin Dr. FEKTER, an Stoisits anschließend, weil der Antrag in der Sache nicht gerechtfertigt sei. Die Wende in der Justizpolitik sei Reformpolitik, sagte Fekter weiter und wies auf im letzten Jahr umgesetzte Reformen hin: gemeinsame Obsorge, neues Mietrecht, Jugendgerichtsgesetz, Suchtmittelgesetz, Gewährleistungsrecht. Von der Opposition seien allerdings keine konstruktiven Vorschläge gekommen. Vielmehr sei unter dem Motto "sowieso und überhaupt" Fundamentalopposition betrieben worden. Noch nie habe es so viele Expertenhearings gegeben, und die Experten hätten begrüßt, wie effizient gearbeitet werde. Dem einzigen Vorschlag der Sozialdemokraten - Schaffung einer weisungsfreien Bundesanwaltschaft - sei man nicht gefolgt, weil die Ministerverantwortlichkeit besser sei.

Fekter sprach sich auch gegen die Schaffung eines europäischen Anwalts aus, weil diese Aufgaben national besser zu lösen seien: Harmonisierung des Strafrechts ja, aber kein Überbordwerfen der nationalen Zuständigkeit, kein Strafrecht für juristische Personen, fasste Fekter ihre Position zusammen. Die Reformfreudigkeit werde fortdauern, kündigte die Vorsitzende des Justizausschusses an und nannte die Reform der Strafprozessordnung und des Vorverfahrens. Mißbrauchsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Ermittlungen müssten abgestellt werden, Kontrolle - etwa über eine Generalprokuratur - sei nötig. Das Budget erlaube die Fortführung des Reformkurses, schloss Fekter.

Justizminister Dr. BÖHMDORFER ging in seiner Wortmeldung zunächst auf die Äußerungen von Abgeordnetem Jarolim ein. Die Petition der RichterInnen, die Jarolim genannt habe, sei "längst überholt", erklärte der Minister. Nachdem nämlich die öffentliche Diskussion im Dezember 2000 aufgeflammt sei, habe er die Präsidentin der Richtervereinigung und den Präsidenten der österreichischen StaatsanwältInnen zu einem Gespräch gebeten, das am 15. Dezember stattgefunden habe. Die von ihm vorbereitete Erklärung hätte Präsidentin Hellige abgerungen werden müssen, von der Staatsanwaltschaft sei sofort die Zustimmung gekommen. Diese Erklärung sei, so Böhmdorfer, deutlicher und prägnanter als die Resolution der RichterInnen und unterstütze deren Unabhängigkeit wesentlich mehr. Der Minister bekräftigte in diesem Zusammenhang, dass es keiner Initiative der RichterInnen bedurft hätte, um diese Erklärung abzugeben, und er lasse sich diese Tatsache auch nicht verdrehen. Gleichzeitig meinte er, dass sich auch RichterInnen einer sachlichen Kritik stellen müssten. RichterInnen seien aber der Kern des Rechtsstaates, und deren Unabhängigkeit werde er immer schützen.

In der Sache des Untersuchungsrichters Erdei warf Böhmdorfer Abgeordnetem Jarolim vor, diesen zu instrumentalisieren, und wiederholte, dass eine Versetzung nach Klagenfurt gar nicht möglich sei.

Den Vorwurf, durch die Novellierung des Suchtmittelgesetzes gehe man vom Prinzip "Helfen statt Strafen" ab, wies Böhmdorfer scharf zurück. Dieses Prinzip werde dort weiterhin gelten, wo es sinnvoll sei, und man werde es doch nicht wollen, dass dieses auch auf Dealer, die selbst nicht süchtig seien, angewendet werde.

Für die Verbrechensopfer gebe es seit Beginn dieser Gesetzgebungsperiode einen eigenen Fonds, der nun mit 6 Mill. S ausgestattet sei, führte der Ressortchef aus. Kein einziges Ansuchen habe bislang zurückgewiesen werden müssen, womit Böhmdorfer die ausreichende Dotierung des Fonds unterstrich.

Der Minister ging auch auf die Kritik an der geplanten Schließung und Zusammenlegung von Bezirksgerichten ein und erläuterte, dass die betreffende Organisation aus dem Jahr 1848 stamme und seither nur unwesentlich bereinigt worden sei. Während es 88 Bezirkshauptmannschaften gebe, betrage die Zahl der Bezirksgerichte 192, an 29 Standorten sei nicht einmal ein Richter ausgelastet. Die durchschnittliche Bevölkerungszahl pro Bezirksgericht liege in Österreich bei rund 36.000, international betrage diese Zahl 150.000 bis 160.000. Es sei daher sinnvoll, an eine Zusammenlegung zu denken, so Böhmdorfer.

Minister Böhmdorfer hob in Bezug auf die Informationstechnologien das Verdienst der Beamten hervor, da der österreichische Justizbereich in dieser Hinsicht Weltspitze sei. Er lasse diese Leistung durch eine unrichtige Kritik nicht zerstören, konterte er in Richtung Opposition.

Abgeordneter Dr. MERTEL (S) zufolge ist das Wort "Reform" derzeit das Synonym für "Drüberfahren", "das Rad der Zeit zurückdrehen" und "Expertenmeinungen nicht berücksichtigen". Die österreichische Justiz funktioniere noch immer gut, das notwendige Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz sei – noch – gegeben. Die angespannte Personalsituation erschwere jedoch den Zugang zum Recht und erschüttere damit auch das Vertrauen in den Rechtsstaat. Der Hilfeschrei der RichterInnen des Landesgerichts für Strafsachen in Wien sei ebenfalls ein Indiz für diese Entwicklung, so die Abgeordnete.

Abschließend widmete sich Mertel dem, wie sie sagte, "undemokratischen Geist im Umgang mit der Justiz". Die Missachtung gegenüber unabhängigen RichterInnen habe System und Tradition bei der FPÖ. Sie reite Attacken auf BeamtInnen der Justiz und RichterInnen, die sich unbotmäßig verhielten, um aus ihnen BefehlsempfängerInnen und Marionetten zu machen, wetterte die Mandatarin abschließend.

Für Abgeordneten Dr. KRÜGER (F) hat der Kärntner Landeshauptmann zurecht Kritik am Verfassungsgerichtshof geübt, dessen Arbeit er grundsätzlich aber sehr schätze. Untragbar sei es, dass eine Entscheidung, die lediglich im Konzept feststehe, jedoch noch nicht unterschrieben und weitergeleitet worden sei, durch eine Indiskretion drei Tage vor der Wahl veröffentlicht werde. Der Verfassungsgerichtshof müsse sich daher den Vorwurf der Instrumentalisierung gefallen lassen. Krüger begrüßte am Ende seines Debattenbeitrages die geplante Novellierung der ZPO als einen wesentlichen Schritt zur Beschleunigung der Verfahren.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) konzentrierte sich auf Grund- und Menschenrechtsfragen und versuchte, aktuelle Vorgänge an diesen zu messen. Als ersten Punkt griff sie die geplante Reduktion der Bezirksgerichte auf und meinte, dass diese insofern mit den Grundrechten zusammenhinge, da dadurch der Zugang zum Recht erschwert werde. Weiters forderte sie den Justizminister als Vertreter einer Partei mit "liberalen Wurzeln" auf, sich dieser zu besinnen und Schritte zur Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zu setzen.

Einen breiten Raum widmete Moser dem kürzlich erfolgten Zusammenschluss zweier Wochenmagazine, den sie als "Supergau der demokratie- und medienpolitischen Landschaft" bezeichnete, und dessen "zutiefst demokratiepolitischen Konsequenzen". Sie verband damit eine harte Kritik am Minister, da dieser entgegen seiner Ankündigung, einen Rekurs einzuleiten, davon wieder abgegangen sei. Das sei ein "Umfaller", den sie nicht verstehe, zumal es immer wieder ernstzunehmende Expertenstimmen gegeben habe, die einen erfolgreichen Rekurs für möglich gehalten haben. Mit einem Rekurs hätte der Minister einen Schritt zur Rechtsklarheit setzen können, im Gegensatz dazu habe er "staatsgefährdende Feigheit" – Moser zitierte hier die "Süddeutsche Zeitung" – an den Tag gelegt. Hier sei offensichtlich "gedealt" worden und dieses demokratiepolitische Versagen müsse angeprangert werden. Um die Auswirkungen der Medienhochzeit drastisch vor Augen zu führen, rechnete Moser vor, dass 63 % der Tageszeitungen, 100 % der politischen Wochenmagazine und 62 % aller Wochenpublikationen unter einem Verlagsdach versammelt seien. Damit würden 69 % aller LeserInnen über 14 Jahre erfasst.

Bundesminister Dr. BÖHMDORFER antwortete auf diese Kritik sofort und räumte ein, dass der Rekurs bei erster Prüfung aussichtsreich zu sein schien. Man könne aber nicht an der Tatsache vorbeigehen, dass im Zuge des Verfahrens die Finanzprokuratur aufgrund einer Akkordierung von Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer einerseits und Wirtschaftsministerium andererseits eine Erklärung abgegeben habe, wonach weitere Schritte und Prüfungsmaßnahmen nicht erforderlich zu sein schienen. Drei Gutachten hätten den Rekurs für nicht erfolgreich eingestuft, ein Gutachten hätte Erfolgsaussichten in Aussicht gestellt. Außerdem hätten die Laienrichter zu jenen Kreisen gehört, mit denen die Vereinbarung über den Zusammenschluss getroffen worden sei. Man habe daher nicht einschätzen können, ob sich die Laienrichter an diese Vereinbarung gebunden gefühlt hätten. Ein Rekurs müsse aber gewisse Erfolgsaussichten haben, und daher habe er aus rein rechtlichen Gründen leider, so Böhmdorfer bedauernd, gegen ein Rekursverfahren entschieden. Er stellte auch die Frage, warum die Mitbewerber sich nicht am Verfahren beteiligt haben. Diese Regierung ziehe jedenfalls die einzig richtige Konsequenz, nämlich die Erneuerung des Kartellrechts mit Ausbau der Missbrauchskontrolle und der Entflechtungsmaßnahmen.

Abgeordneter Dr. TRINKL (V) konzentrierte sich zunächst auf die schwierige Herausforderung, die die e-Commerce-Richtlinie an die Justiz stelle. Der Mandatar monierte, dass bei der Umsetzung darauf geachtet werden sollte, dass die österreichische Wirtschaft weiter zusätzliche Umsätze erreichen könne und auch die Rechtssicherheit weiterhin gewährleistet sei. Trotz der Notwendigkeit, im IT-Bereich immer auf neuestem Stand zu sein, hält Trinkl den persönlichen Kontakt für außerordentlich wichtig. Er zog damit den Bogen zu den Bezirksgerichten, bei deren Neuorganisation man auch regionalpolitische Erwägungen mitberücksichtigen müsse. Dezidiert sprach er sich gegen die Schließung von Verwaltungseinheiten im ländlichen Raum aus, um sie im städtischen Bereich zu zentralisieren. Sein Wunsch wäre daher, dass sich Bund, Länder und Gemeinden zusammensetzten, um einen Masterplan zu erstellen.

Auch Abgeordnete Dr. HLAVAC (S) ortete durch die derzeitige Bundesregierung einen Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz. Der Minister dürfe sich nicht wundern, wenn ihm Misstrauen entgegengebracht werde, nachdem er sich im Hinblick auf die Spitzelaffäre in einem entscheidenden Bereich auf das Amtsgeheimnis zurückgezogen habe. Wenn "Kritikern das Handwerk gelegt werden soll", wie Dr. Haider sich ausgedrückt hatte, dann erfordere dies vom Ressortchef eine klare Distanzierung.

In einem Entschließungsantrag forderte Hlavac mehr Rechte für Verbrechensopfer, und zwar insbesondere eine umfassende Parteistellung im Strafverfahren, ein Recht auf schonende Behandlung bei der Vernehmung sowie Erleichterungen bei der materiellen Entschädigung.

Justizminister Dr. BÖHMDORFER wies Kritik an der Einsparung von Richtern zurück und stellte klar, in einem Zeitraum von drei Jahren würden bloß 2 % der Richter eingespart.

Abgeordnete Dr. PAPHAZY (F) verteidigte die Reform der Bezirksgerichte und die Auflösung der Kleinstgerichte. Die Konzentration von Gerichtsagenden und die Spezialisierung von Richtern im Rahmen größerer Gerichtseinheiten seien zum Nutzen der rechtsuchenden Bevölkerung, bemerkte sie unter Hinweis auf internationale Erfahrungen.

Abgeordnete Mag. WURM (S) übte Kritik an den Änderungen des Jugendgerichtsgesetzes und des Suchtmittelgesetzes. Die Herabsetzung der Strafmündigkeit der Jugendlichen führe zur Kriminalisierung junger Menschen, die Senkung der Grenzmenge beim Suchtgift wiederum sei ein Abgehen vom Grundsatz "Helfen statt strafen", argumentierte sie. Vehement wandte sich Wurm auch gegen die Schließung von kleineren Bezirksgerichten in Tirol. Einsperren und Zusperren seien die wesentlichen Kennzeichen der Justizpolitik dieser Bundesregierung, lautete das Resümee der Rednerin.

Abgeordneter KÖSSL (V) drängte in einem Entschließungsantrag auf die Weiterentwicklung und Intensivierung des Opferschutzes. Er verlangte eine Aufwertung der Stellung und der Rechte von Geschädigten im Strafverfahren und den weiteren Ausbau von Unterstützungsleistungen im Verfahren für Opfer von Sexualverbrechen. Auch sollte der Entschädigung von Verbrechensopfern im Strafverfahren grundsätzlich mehr Augenmerk geschenkt werden, forderte er.

Abgeordneter PENDL (S) warnte vor einer Personalreduktion im Strafvollzug und urgierte ein Gesamtkonzept für den Vollzugsbereich. Reformen dürften nicht auf dem Rücken der Justizwachebeamten gesetzt werden, war für den Redner klar.

Justizminister Dr. BÖHMDORFER teilte mit, dass das Gesamtkonzept für den Strafvollzug bereits vorliege. Drastische Personaleinsparungen gebe es nicht, versicherte er.

Abgeordneter Mag. MAINONI (F) begrüßte die Drogenpolitik der Bundesregierung und meinte, es dürfe keine Gnade für Drogenbanden geben, die aus Profitgier Jugendliche süchtig machen. Lebenslang sei hier der richtige Weg.

Abgeordneter HEINZL (S) kritisierte die Wohnpolitik der Regierung, die seiner Meinung nach Rechtsunsicherheit und Nachteile vor allem für die Mieter von gemeinnützigen Wohnungen bringe. Es bestehe die Gefahr, dass im Falle des Verkaufs an private Investoren die Mieten erhöht und die Fristen der Verträge nicht verlängert werden, warnte Heinzl.

Abgeordnete HALLER (F) bekannte sich zu gesellschaftspolitischen Aspekten in der Justizpolitik und sprach dabei insbesondere die Neuerungen des Suchtmittelgesetzes, aber auch die Strafverschärfungen bei schweren Gewaltverbrechen und Kindesmissbrauch an. Sie unterstützte weiters Bestrebungen, einen gesetzlichen Straftatbestand wegen sexueller Belästigung zu schaffen.

Abgeordnete HUBER (S) beklagte die Steigerung der Kosten für die rechtsuchende Bevölkerung durch Gebührenerhöhungen und Entfall von Gebührenbefreiungen. Der Zugang zum Recht würde dadurch erschwert, kritisierte sie. Mit Nachdruck wandte sich Huber auch gegen ein undifferenziertes Zusperren von Bezirksgerichten, wobei sie insbesondere die Auflösung des Gerichtes in Mariazell ablehnte.

In einer tatsächlichen Berichtigung wies Abgeordnete HALLER (F) die Behauptung der Abgeordneten Huber zurück, sie hätte die Sorgen der Bevölkerung wegen der Schließung von Bezirksgerichten als "Gejammer" bezeichnet.

Bundesminister Dr. BÖHMDORFER wies darauf hin, dass der Gerichtssprengel Mariazell mit 4.800 Einwohnern der kleinste Österreichs sei. Würde man diesen Maßstab an die Gerichtsorganisation anlegen, bräuchte man 1.800 bis 2.000 zusätzliche Bezirksgerichte in Österreich.

Abgeordneter Mag. SCHENDER (F) erinnerte die Sozialdemokraten daran, dass sie es gewesen seien, die die ohnehin geringen Entschädigungen der Rechtspraktikanten gekürzt und ihnen den 13. und 14. Gehalt gestrichen haben. Diese Maßnahme wurde vom VfGH als unsozial aufgehoben und der Justizminister habe Vorsorge getroffen, dass die Rechtspraktikanten ihr Weihnachts- und Urlaubsgeld beziehen können. Lobend äußerte sich der Redner auch über die zügige Umsetzung zahlreicher Rechtsreformen, wobei er die Novelle zum Suchtmittelgesetz als wichtigen Schritt im Kampf gegen die internationalen Drogenbosse hervorhob.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) unterzog die Justizpolitik der Bundesregierung einer generellen Kritik und warf ihr vor, die Rechtspolitik auf die Erhöhung von Strafsätzen zu reduzieren. Abzulehnen sei auch die Entgeltpflicht für Rechtsinformationen im Bereich des Konsumentenschutzes und beim RIS. In einem Entschließungsantrag seiner Fraktion verlangte der Abgeordnete eine Neukodifikation des Konsumentenschutzgesetzes und die Vorlage eines eigenen Reisevertragsgesetzes nach deutschem Vorbild.

Justizminister Dr. BÖHMDORFER hielt gegenüber Abgeordnetem Maier fest, dass RIS-Abfragen weiterhin kostenfrei bleiben.

Abgeordneter NEUDECK (F) trat den Ausführungen sozialdemokratischer Redner zum Thema Spitzelaffäre mit dem Hinweis auf die lange Liste von Skandalen entgegen, die die SPÖ in der Zeit ihrer Regierungsbeteiligung zu verantworten hatte. Er nannte unter anderen den AKH-Skandal sowie die Affäre Udo Proksch und erinnerte daran, dass der sozialistische Justizminister Broda stets erfolgreich dafür gesorgt habe, dass Untersuchungen erst gar nicht in das Stadium der Voruntersuchung gelangten.

In einer tatsächlichen Berichtigung wies Abgeordneter Mag. MAIER (S) darauf hin, dass das Budgetbegleitgesetz ein Entgelt für RIS-Abfragen vorsehe.

Abgeordneter BROSZ (G) wandte sich mit dem Ersuchen an den Justizminister, in der Drogenstatistik zwischen Delikten mit Cannabis-Produkten und solchen mit harten Drogen zu unterscheiden. Ein weiteres Anliegen betraf die Drogenkriminalität in Strafanstalten, wo Brosz dafür eintrat, Nadeltauschprogramme nach dem Vorbild anderer EU-Länder anzubieten, um Infektionen zu vermeiden.

Abgeordnete Dr. FEKTER (V) zitierte aus dem Abänderungsantrag zum Budgetbegleitgesetz, mit dem im Budgetausschuss beschlossen wurde, RIS-Abfragen kostenfrei zu belassen.

Bei der Abstimmung wurde das Budgetkapitel Justiz mit V-F-Mehrheit angenommen.

Einstimmig angenommen wurde der Entschließungsantrag der Koalitionsparteien zur Weiterentwicklung des Opferschutzes.

Der mehrheitlichen Ablehnung verfielen ein G-Entschließungsantrag zur Verbesserung des Opferschutzes sowie S-Entschließungsanträge betreffend "Mehr Rechte für Opfer von Straftaten" und "Neukodifikation des zivilrechtlichen Konsumentenschutzes".

(Fortsetzung Landwirtschaft)