Parlamentskorrespondenz Nr. 336 vom 10.05.2001

NATIONALRATSDEBATTE ZUM THEMA NEUTRALITÄT

Novelle zum Kriegsmaterialgesetz beschlossen

Wien (PK) Der erste Punkt der Tagesordnung für die heutige Sitzung des Nationalrats , die Novelle zum Kriegsmaterialgesetz , war Anlass für eine neuerliche Debatte über die österreichische Neutralität. Während die Oppositionsfraktionen eine weitere Aushöhlung der Neutralität befürchten, gilt die Novelle den Regierungsfraktionen als Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit und der Transparenz. Die Novelle wurde mit den Stimmen der Regierungsfraktionen beschlossen,  Anträge der Opposition blieben in der Minderheit.

Zu Beginn der Sitzung wurde Mag. Christine Lapp (S) als neue Abgeordnete angelobt; sie folgt auf Otmar Brix, der in die Wiener Kommunalpolitik wechselte. Vor Eingang in die Tagesordnung teilte Nationalratspräsident Dr. FISCHER mit, dass die Grünen das Verlangen gestellt haben, den selbständigen Antrag 430/A[E] des Abgeordneten Dr. Van der Bellen betreffend Presse- und Meinungsfreiheit dringlich zu behandeln. Weiters hat der Abgeordnete Dietachmayr (S) beantragt, dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 387/A betreffend Änderung des Einkommensteuergesetzes 1988 eine Frist bis 5. Juni zu setzen. Eine Debatte darüber wird nach Beendigung der Debatte über den Dringlichen Antrag stattfinden, erklärte Fischer. Sodann führte der NR-Präsident eine Abstimmung über den Antrag durch, die Regierungsvorlage über den Abschluss des Vertrages von Nizza in die erste Lesung zu nehmen. Dieser Antrag wurde einhellig angenommen.

Abgeordneter Dr. KOSTELKA (S) erinnerte zunächst daran, dass vor dem Referendum über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union alle Politiker des Landes beteuert haben, dass eine Mitgliedschaft mit der Neutralität vereinbar ist. Auch der damalige Wirtschaftsminister und heutige Bundeskanzler Schüssel habe noch wenige Monate nach dem Beitritt bekräftigt, dass die Neutralität weder reif für den Tabernakel noch für den Papierkorb sei. Die Politik der Bundesregierung stehe aber im krassen Gegensatz zu diesen Bekenntnissen, was nicht zuletzt die vorliegende Regierungsvorlage beweise, kritisierte Kostelka. Klar und deutlich werde dies zudem durch die geplante Sicherheitsdoktrin, wo festgestellt wird, dass die Neutralität im europäischen Kontext nicht mehr relevant sei. Nach Auffassung Kostelkas werde von der Regierung eine Doppelstrategie betrieben, deren einziges Ziel es sei, die Neutralität auszuhöhlen. Aber gleichzeitig hätten die politisch Verantwortlichen nicht einmal den Mut, dies offen und ehrlich zu bekennen. Bei der Vollziehung müsse jedoch das Verfassungsgesetz mitberücksichtigt werden, stellte Kostelka klar und betonte, dass die Sozialdemokraten alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten ausschöpfen werden, um zu garantieren, dass das Neutralitätsgebot gewahrt bleibt. Zudem forderte er die Außenministerin auf, die Neutralität mit einer Funktion zu erfüllen, denn nur so könne das Ansehen Österreich gesteigert werden.

Er stelle sich gerne einer Grundsatzdebatte, erklärte Abgeordneter JUNG (F), aber dann müsse man wirklich in die Tiefe gehen und nicht nur an der Oberfläche kratzen. Kostelka habe Mut und Ehrlichkeit eingefordert, diese Prinzipien müssen jedoch auch für die SPÖ gelten. So solle man etwa nicht vergessen, dass das SOFA-Abkommen, das viel weiter gehe als die heute zur Diskussion stehende Regierungsvorlage, unter sozialdemokratischer Kanzlerschaft abgeschlossen wurde. Beim SOFA-Vertrag handelt es sich nämlich um ein Stationierungsabkommen, das die Durchfuhr von bewaffneten fremden Kräften erlaubt und nicht einmal eine Kündigung im Kriegsfall vorsieht. Damals waren es die Freiheitlichen und nicht die SPÖ-Mandatare, die davor gewarnt haben, dass die österreichischen Rechte nicht ausreichend gewahrt sind. Was die zukünftigen Entwicklungen im Bereich der Sicherheitspolitik anbelangt, so gibt es noch viel zu tun, wie etwa die künftige Sicherheitsdoktrin, an der alle Fraktionen mitarbeiten sollten. Da sich in den letzten Jahren sehr viel getan habe, vertreten die Freiheitlichen die Auffassung, dass die Nato nicht mehr die einzige Alternative darstellt. Es gehe nun vor allem darum, gestaltend an einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa teilzunehmen.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) konstatierte einen sicherheitspolitischen Schwenk der FPÖ, und zwar hin zur "zweidrittelmehrheitsfähigen Neutralität". Nach mehreren Wahlniederlagen haben die Freiheitlichen offenbar den Kurs geändert und den sicherheits- und militärpolitischen Konsens innerhalb der Bundesregierung aufgekündigt, meinte der G-Mandatar. Dadurch gebe es aber nun die Möglichkeit, etwas offener und sachorientierter über die Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin zu diskutieren. Die Grünen treten dafür ein, eine Alternative zur Nato-Position der Volkspartei zu entwickeln, die darin besteht, die eigene Stellung im Rahmen der Herausbildung einer europäischen Sicherheitspolitik zu bestimmen. Pilz war der Auffassung, dass Staaten wie Österreich "solidarische Aktionen am unteren Rande der Petersberg-Aufgaben" zukommen: präventive, konfliktverhindernde Maßnahmen sowie menschliche, soziale und polizeiliche Hilfe. Schließlich brachte er noch einen Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage ein, der vorsieht, dass die Bundesregierung in den ersten sechs Monaten dem Nationalrat eine Übersicht über die beantragten oder bewilligten Ausfuhren zu übermitteln hat.

Heute gehe es um den Beschluss einer Novellierung des Kriegsmaterialgesetzes, wodurch es der österreichischen Bundesregierung möglich sein wird, den Verpflichtungen des Artikels 23f der Bundesverfassung nachzukommen, erläuterte Abgeordneter Dr. KHOL (V). Österreich könne sich damit an friedensstiftenden, friedenserhaltenden und an humanitären Aktionen der EU beteiligen. Es handle sich somit um ein weiteres Gesetz, das belege, dass die österreichische Neutralität gilt und im Bereich der Europäischen Union durch Solidarität ersetzt wird. Die Sozialdemokraten erinnerte Khol daran, dass sie im Jahre 1998 einen entsprechenden Initiativantrag, der auf die Mitwirkung an den Petersberg-Aufgaben abzielt, unterschrieben haben. Auch im - nicht zu Stande gekommenen - Regierungsprogramm zwischen ÖVP und SPÖ wurde festgelegt, dass eine Novellierung des Kriegsmaterialgesetzes beabsichtigt sei. Da aber heute dies alles nicht mehr gelte, liege ein klassischer Fall eines Salto rückwärts der SPÖ vor, urteilte Khol, und zwar in Richtung Kalter Krieg und Orthodoxie.

Die Novelle des Kriegsmaterialgesetzes ermögliche, dass sich Österreich mit der Staatengemeinschaft solidarisch erweist und militärische Aktionen nicht nur der Vereinten Nationen, sondern auch der EU und der OSZE unterstützen kann, erklärte Außenministerin Dr. FERRERO-WALDNER. Die Gestattung von Truppentransiten, Überflügen und Kriegsmaterialexporten sei eine sensible Angelegenheit, räumte die Ministerin ein. Die Regierungsvorlage enthalte deshalb eine ganze Reihe von Kautelen, z.B. die Bedachtnahme auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen, die überwiegende Interessenlage Österreichs oder den Umstand, dass der Aufenthalt fremder Truppen nur vorübergehend gestattet werde. Sie begrüße auch die Klarstellung, die noch im Innenausschuss erfolgt sei, nämlich dass Kriegsmaterialexporte nur dann erfolgen dürfen, wenn keine Waffen mitgeführt werden, deren Entwicklung, Herstellung oder Einsatz nach der österreichischen Rechtsordnung verboten sind (z.B. ABC-Waffen, Anti-Personen-Minen oder blindmachende Laser-Waffen). Ebenso klar sei aber auch, dass das Gesetz die Möglichkeit schafft, Nato-Einsätze z.B. durch Transitgewährung zu unterstützen, allerdings nur gemäß den engen Grenzen des Gesetzes.

Die Außenministerin hob hervor, dass alle europäischen Staaten erkannt hätten, Sicherheit könne nur mehr im Verbund gezahlt und gewährleistet werden. Daher sei auch innerhalb der Union der Beschluss gefasst worden, für das Krisenmanagement Truppen bereit zu stellen und an der Harmonisierung der Ausrüstung zu arbeiten. Ferrero-Waldner unterstrich ferner, dass innerhalb der NATO Beschlüsse über militärische Einsätze nur im Konsens getroffen würden und es für keinen Staat eine Verpflichtung gebe, sich daran zu beteiligen.

Ferrero-Waldner versuchte im Anschluss daran, kurz die Entwicklung österreichischer Neutralitätspolitik zu skizzieren und meinte, dass man sich bereits durch den UNO-Beitritt vom Vorbild Schweiz entfernt habe. Der 2. Golfkrieg habe eine Änderung des Neutralitätsverständnisses und der Parameter nach sich gezogen. Die gesetzlichen Bestimmungen für die Aus- und Einfuhr von Kriegsmaterialien sowie hinsichtlich der Neutralitätsgefährdung seien damals entsprechend novelliert worden. Durch den Vertrag von Maastricht habe man sich zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik entschlossen, der Vertrag von Amsterdam habe die schrittweise Festlegung auf das Ziel einer gemeinsamen Verteidigungspolitik gebracht. Namhafte Verfassungsjuristen würden daher auch heute nur mehr von einer Bündnislosigkeit sprechen. Trotzdem sei das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität unbestritten formal in Kraft, so die Ressortchefin, die darin enthaltenen Verpflichtungen entsprächen genau den Maximen der Bündnisfreiheit.

In einer Tatsächlichen Berichtigung hielt Abgeordneter Dr. PILZ (G) fest, dass die Beschlüsse in der NATO nicht im Einvernehmen und de facto auf Befehl der USA erfolgten. Er kritisierte auch scharf die Aussage der Ministerin, das Neutralitätsgesetz sei formal in Kraft, und unterstrich, dass dieses auch inhaltlich in Kraft sei.

Abgeordneter SCHIEDER (S) wehrte sich gegen den Vorwurf, die SPÖ betreibe Fundamentalopposition, und wies in diesem Zusammenhang auf die konstruktive Arbeit seiner Fraktion im Ausschuss hin. Man habe dort auf einige Fehler aufmerksam gemacht und er stehe auch nicht an zuzugeben, dass die Gesetze gewisse Verbesserungen bringen, zum Beispiel die Erfassung der Vermittlung von Waffengeschäften.

Die SozialdemokratInnen störe aber die Doppelstrategie der Bundesregierung, die sich auch bei den gegenständlichen Gesetzen manifestiere. Einerseits werde die Neutralität ausgehöhlt, andererseits betone man immer wieder, dass diese in den heute zu diskutierenden Materien nicht extra erwähnt werden müsse, weil sie ohnehin im Verfassungsrang stehe und eine völkerrechtliche Verpflichtung darstelle. Diese Doppelstrategie und Vorgangsweise der schrittweisen Abschaffung der Neutralität lehne die SPÖ strikt ab, denn sie sei für Solidarität und Neutralität, so Schieder abschließend.

Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) erinnerte seinen Vorredner an die auch von der SPÖ in der Vergangenheit mitbeschlossenen Änderungen des Kriegsmaterialiengesetzes und der erteilten Genehmigungen für Überflüge und Truppentransporte. Dies sei Kindesweglegung, sagte er in Richtung SPÖ. Auch Abgeordneten Cap konfrontierte Schweitzer mit dessen positiven Aussagen zur NATO und warf ihm in diesem Zusammenhang Unglaubwürdigkeit vor, da sich Cap in der Öffentlichkeit jüngst wieder NATO-kritisch gebe. Nachdem der freiheitliche Mandatar kurz Vermutungen zu Stasi-Kontakten von Peter Pilz streifte, stellte er aus seiner Sicht fest, dass sich einzig und allein die Regierungspolitik auf dem richtigen Weg in ein europäisches Sicherheitssystem mit allen Rechten und Pflichten befände.

Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) kritisierte "die Tradition der schrittweisen Aushöhlung der Neutralität" scharf und ergänzte, dass diese nicht nur fortgesetzt, sondern derzeit noch verschärft würde. Den Menschen habe man im Zuge des EU-Beitritts fälschlicherweise vermittelt, an der Neutralität würde sich nichts ändern. Diese Illusion zu verbreiten sei kontraproduktiv, weshalb sie, Lichtenberger, eine Debatte auf fairer Grundlage fordere. Man müsse nun im Hinblick auf ein mögliches europäisches Sicherheitssystem eine fundierte Diskussion über die Sicherheitsdoktrin führen und klipp und klar sagen, dass die Europäer innerhalb der NATO nicht viele Möglichkeiten haben. Vielmehr seien die Entscheidungen durch die Dominanz der USA geprägt, was sich unter der Bush-Administration noch verschärfe.

Am Ende ihres Debattenbeitrages ging die Abgeordnete auf die in den zu beschließenden Gesetzen normierten Berichtspflichten ein und bezeichnete sie als für den Parlamentarismus unwürdig. Die Berichte hätten vielmehr ausführlich, umfassend und zeitgerecht zu erfolgen, monierte Lichtenberger.

Abgeordneter KISS (V) kam ebenfalls auf das, wie er sich ausdrückte, "Vorstrafenregister" der SPÖ zu sprechen und meinte, dass dadurch klar würde, wie doppelbödig die SPÖ agiere. Die SPÖ mache auf dem Rücken der EU-Wertegemeinschaft einen "Salto rückwärts" und verquicke unzulässigerweise dieses Thema permanent mit der Sicherheitsdoktrin. Das Kriegsmaterialiengesetz und Truppenaufenthaltsgesetz müssten jedoch auf Grund des Amsterdamer Vertrages novelliert werden.

Dennoch zollte er den Abgeordneten Schieder und Pilz für ihre Arbeit und konstruktiven fachlichen Hinweise im Innenausschuss ausdrücklich Respekt. Ihre Anregungen hätten Eingang in den Abänderungsantrag der Regierungsfraktionen gefunden, den Kiss nun einbrachte. Als Eckpunkte der beantragten Änderungen nannte der Redner folgende: Genehmigungspflicht auch für Vermittlungsgeschäfte mit Kriegsmaterial, das sich etwa auf hoher See befindet; Berücksichtigung völkerrechtlicher Verpflichtungen oder überwiegend außenpolitischer Interessen bei Bewilligungen; Verhinderung von Bewilligungen jener Arten von Kriegsmaterial, dessen Entwicklung, Herstellung und Einsatz nach innerstaatlichen Rechtsvorschriften untersagt ist, wie chemische Waffen, bakteriologische (biologische) Waffen, Antipersonen-Minen, blindmachende Laserwaffen und Kriegsmaterialien, die dem Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich widersprechen.

Bundesminister Dr. STRASSER wies darauf hin, dass die beiden Gesetze längst überfällig seien und mehr Klarheit, eine erhöhte Transparenz und mehr Sicherheit für die BürgerInnen brächten. Er bezeichnete sie als einen Teil des Sanierungspakets, das die Regierung angegangen sei. Wesentliche Punkte betreffen ihm zufolge die Kompetenzbereinigung, die erhöhte Bedachtnahme auf den EU-Verhaltenskodex und die völkerrechtlichen Verpflichtungen, die internationale Berichtspflicht über Genehmigungen und Ablehnungen, insbesondere an den Generalsekretär der UNO und an die EU-Mitgliedstaaten, wobei die Übermittlung an den Rat für Auswärtige Angelegenheiten selbstverständlich sei; weiters die Erfassung von Vermittlungsgeschäften für Kriegsmaterial, die Vernichtung ausgeschiedener Leichtwaffen aus dem Bestand des österreichischen Bundesheeres, die erstmalige gesetzliche Regelung, wann und wie die Gestattung der Bewegung von Truppen nach und durch Österreich erfolgen kann und schließlich die Klarstellung hinsichtlich der ABC-Waffen sowie die Klarstellung im Waffengesetz.

Auch der Innenminister dankte ausdrücklich für die konstruktive Arbeit im Ausschuss und die wertvollen Vorschläge des Abgeordneten Schieder.

Abgeordneter PARNIGONI (S) bemerkte kritisch, dass man mit der nun gewählten Vorgangsweise das Pferd von hinten aufzäume, da zuerst die Sicherheitsdoktrin diskutiert werden sollte. Die gegenständlichen Novellierungen interpretierte er als einen Schritt in Richtung Abschaffung der Neutralität und stellte dem die noch geltenden Bestimmungen als ein "Bollwerk und integralen Bestandteil des Neutralitätsgesetzes" entgegen. Nicht einverstanden zeigte er sich mit der Auffassung der Außenministerin, die die Neutralität nur mehr als "formal" sieht und stellte aus seiner Sicht fest, dass man als neutraler Staat weit besser an der Friedenssicherung mitwirken könne. Mit den Änderungen befürchtet Parnigoni auch eine Machtkonzentration beim Minister zu Lasten der außenpolitischen Qualität und zu Gunsten der Waffen- und Rüstungsindustrie.

In einem Entschließungsantrag, den er im Namen der SPÖ-Fraktion einbrachte, wird die Bundesregierung daher ersucht, bei der Vollziehung des Kriegsmaterialgesetzes und des Truppenaufenthaltsgesetzes das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs stets zu berücksichtigen und im Falle von friedensschaffenden Maßnahmen Bewilligungen nach diesen Gesetzen nur dann zu erteilen, wenn diese Maßnahmen entsprechend der Charta der Vereinten Nationen durchgeführt werden.

Abgeordneter Ing. GRAF (F) rief die Opposition zur Versachlichung auf und hielt der SPÖ vor, Potemkinsche Dörfer aufzubauen. Es gelte nämlich den Amsterdamer Vertrag zu erfüllen, eine Änderung des Neutralitätsgesetzes stehe nicht zur Debatte, so der Redner. Dementsprechend werde auch die Neutralität weder ausgehöhlt noch aufgehoben. Sicherheitspolitik eigne sich nicht für parteipolitisches Hick-Hack, meinte Graf abschließend.   

Abgeordneter GAAL (S) hielt fest, das Kriegsmaterialgesetz werde durch die vorliegende Novelle seinen Symbolcharakter als Bollwerk der Neutralität verlieren. Die neuen Bestimmungen helfen seiner Meinung nach nur der Rüstungsindustrie und gehen zu Lasten der Menschenrechte und der Neutralität.

Gaal wandte sich aber auch gegen das Truppenaufenthaltsgesetz, das ihm zufolge ebenfalls der Demontage der Neutralität dient, da es die Aufenthaltsdauer ausländischer Truppen auf österreichischem Gebiet in keiner Weise begrenzt. Der Abgeordnete fürchtet, dass es zu einem dauerhaften Aufenthalt fremder Truppen in Österreich kommen könnte, dafür spreche auch, dass ausländische Truppen Telekommunikationseinrichtungen in Österreich aufstellen dürften.

Abgeordneter MURAUER (V) meinte dem gegenüber, das vorliegende Gesetz sei eine logische Konsequenz aus dem Amsterdamer Vertrag, den Petersberger Aufgaben und aus den Verpflichtungen, die Österreich im Zusammenhang mit dem Aufbau einer europäischen Sicherheitsarchitektur eingegangen sei. Es stehe im Einklang mit der Neutralität. Der Argumentation der SPÖ, wonach die Änderung des Kriegsmaterialgesetzes auf der einen Seite aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung durchaus notwendig sei, man aber dagegen stimmen müsse, weil Österreich neutral sei, konnte Murauer nichts abgewinnen.

Abgeordnete Mag. WURM (S) sieht in den vorliegenden Gesetzesänderungen dennoch weitere Mosaiksteine dazu, die Neutralität abzuschaffen. Sie fragt sich etwa, warum Passagen wie "unter besonderer Berücksichtigung der Neutralität" oder "unter Bedachtnahme auf die österreichische Neutralität" aus dem Kriegsmaterialgesetz gestrichen wurden. Die SPÖ werde nicht zulassen, dass die Neutralität sang- und klanglos beseitigt werde, bekräftigte Wurm. Ihrer Auffassung nach haben neutrale Staaten durchaus einen Platz und Aufgaben in der EU, wobei sie etwa Konfliktmanagement und Krisenintervention nannte.

Abgeordneter LEIKAM (S) warf den Regierungsparteien vor, die Diskussion über die vorliegenden Gesetzesänderungen abgewürgt und keinerlei Interesse daran zu haben, dass die Materie ausführlich behandelt wird. Zwar seien Bedenken von Abgeordnetem Schieder heute in einem Abänderungsantrag berücksichtigt worden, insgesamt entwickle die Bundesregierung aber eine nicht nachvollziehbare Eile. Besondere Kritik übte Leikam am Truppenaufenthaltsgesetz. Für ihn ist dieses eine klare Verletzung des Neutralitätsgesetzes, da nicht genau definiert wurde, was ein "vorübergehender Aufenthalt" ausländischer Truppen in Österreich sei. Außerdem hält er es für erforderlich, das Gesetz gemeinsam mit der Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin zu diskutieren.

Die Änderung des Kriegsmaterialgesetzes und das Truppenaufenthaltsgesetz wurden in Dritter Lesung mit FP-VP-Mehrheit beschlossen. Teilen des Abänderungsantrages der Koalitionsparteien hatten zuvor in zweiter Lesung auch SPÖ und Grüne zugestimmt. Der Abänderungsantrag der Grünen blieb ebenso in der Minderheit wie der Entschließungsantrag der SPÖ betreffend Vollziehung des Kriegsmaterialgesetzes und des Truppenaufenthaltsgesetzes.

(Schluss Kriegsmaterialgesetz, Forts. NR-Sitzung)