Parlamentskorrespondenz Nr. 349 vom 11.05.2001

KONSENS IM GANZEN, DISSENS IM DETAIL

Erste Lesung des Verfassungsgesetzes zum Vertrag von Nizza

Wien (PK) - Der erste Punkt der Tagesordnung der heutigen Sitzung des Nationalrats bot Gelegenheit zu einer umfassenden Debatte zur Europäischen Union und ihrer Erweiterung: die Erste Lesung der Regierungsvorlage eines Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages von Nizza .

Vor Eingang in die Tagesordnung gab Präsident FISCHER bekannt, dass die SPÖ-Fraktion einen Dringlichen Antrag betreffend Grundsätze einer Reformpolitik für die österreichischen Universitäten eingebracht hat. Weiters kündigte er eine Kurzdebatte auf Antrag der Grünen zur Anfragebeantwortung 2041/AB an, die das Thema Menschenrechtssituation in der Türkei zum Inhalt hat.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) meldete sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort und beantragte, den Tagesordnungspunkt 4, Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Bezirksgerichts Innere Stadt um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten Dr. Pilz (G), an den Anfang zu reihen. Dieser Antrag wurde von den Regierungsfraktionen ebenso abgelehnt, wie sein Verlangen nach Anwesenheit des Bundeskanzlers bei dieser Debatte.

Bevor er auf den Vertrag von Nizza einging, nahm Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL zu diesen Geschäftsordnungsanträgen kurz Stellung. Er unterstrich, dass Staatssekretär Morak ermächtigt sei, die Angelegenheiten des Medienrechts, der Kunst und der Kultur umfassend zu vertreten, und er, Schüssel, dessen gestrige Stellungnahme zum Dringlichen Antrag der Grünen vollinhaltlich teile. Er selbst bekräftigte, alles zu tun, um die Presse- und Meinungsfreiheit sowie die Individualrechte zu schützen. Erstaunt zeigte er sich über den Antrag auf seine Anwesenheit bei der Debatte über den Bericht des Immunitätsausschusses, denn die Zustimmung zu einer Auslieferung sei ein "Urrecht des Parlaments", und dies habe nichts mit einem Regierungsmitglied zu tun. Das solle auch in Zukunft so bleiben, meinte der Regierungschef.

Schüssel ging dann auf den Vertrag von Nizza ein, den er als einen "echten Fortschritt" bezeichnete, und unterstrich, dass Österreich eines der ersten Länder sein werde, das den Vertrag zur Ratifikation vorlege. Mit Nizza habe man die Grundlage geschaffen, so der Kanzler, dass die Erweiterung der EU auch institutionell möglich ist. Es seien Themen angeschnitten worden, wie beispielsweise die Übergangsfristen für die Freizügigkeit von Arbeitskräften und Schutzklauseln zur Absicherung im Dienstleistungsbereich, die jetzt aktuell diskutiert würden. Das Ergebnis habe auch bewiesen, dass man  europäisch denken und zugleich nationale Interessen vertreten könne. Schüssel bezeichnete die Lösung in institutionellen Fragen als einen "vernünftigen Kompromiss", da in Zukunft die Beschlüsse sowohl von der Mehrheit der Staaten als auch von der Mehrheit der BürgerInnen getragen werden würden, was ein "Urprinzip der Demokratie" darstelle. Auch das Prinzip, dass jedes Land in den Institutionen vertreten sein müsse, habe man beibehalten, was insofern wichtig sei, als Europa nur auf einer Balance und Gleichberechtigung zwischen großen und kleinen Staaten gelingen könne.

Der Bundeskanzler hob einmal mehr die Änderung des Art. 7 EU-Vertrag hervor, wo zum ersten Mal Verfahren bei Sanktionen rechtlich geregelt würden. Darin sei nicht nur die Mitbefassung des Parlaments, sondern auch die Kontrolle durch den EuGH festgeschrieben, womit sichergestellt werden konnte, dass es nie wieder einen Fall wie die Sanktionen gegen Österreich geben könne.

In Nizza sei auch der Startschuss zur Diskussion über die Zukunft Europas gegeben worden. Im Hinblick auf diesen Prozess sprach sich Schüssel für ein offenes Konventmodell aus, wo auch die Wissenschaft eingebunden sei, um eine breite Befassung der Öffentlichkeit zu ermöglichen. Anders als bei der Erarbeitung der Grundrechtscharta, sollte es nicht mehr dazu kommen, dass ein vorbereiteter Text unabänderlich ist. Das Ergebnis des Konvents werde dann in einer Regierungskonferenz, die hoffentlich vor 2004 einberufen werde, diskutiert, mit den Parlamenten rückgekoppelt, um schließlich einen Beschluss fassen zu können.

Als eine wesentliche Aufgabe bezeichnete Schüssel die Entwicklung eines Kompetenzkataloges, der jedoch nicht mit dem Etikett "europafeindlich" versehen werden dürfe.

In der weiteren Folge seiner Rede widmete sich der Bundeskanzler den Vorschlägen der deutschen Sozialdemokraten, die er als durchaus "sinnvoll" einstufte, wobei er jedoch zwei Punkte von besonderem Interesse hervorhob: Der erste betrifft den Vorstoß seines Amtskollegen Schröder nach einer mittelfristigen Vergemeinschaftung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Verteidigungspolitik, wobei der transatlantischen Partnerschaft weiterhin ein wichtiger Stellenwert zukomme. Er, Schüssel, trete für eine solche Entwicklung ein, er sei aber gespannt auf die Reaktion der österreichischen SozialdemokratInnen.

Weniger einverstanden zeigte sich Schüssel mit dem Vorschlag nach Renationalisierung der Agrar- und Strukturpolitik, was eine Rückführung von 80 Prozent der Aufgaben und 4/5 des Budgets in nationale Kompetenzen bedeuten und damit zu weniger Europa führen würde. Ein solcher Weg wäre das Ende eines gemeinsamen Marktes in diesen Bereichen, eine Entsolidarisierung, was den Wettbewerbskrieg fördere, den Großen helfe und den Kleinen schade und letztendlich auch den Außenauftritt der EU, etwa gegenüber der WTO, schwäche. Ihm schiene eine Umschichtung der Mittel von der ersten in die zweite Säule, von der Marktordnung in die Politik für den ländlichen Raum und den Umweltschutz wesentlich sinnvoller, da eine Kofinanzierung eine stärkere Beteiligung der Nationen nach sich zöge und positive Umwelteffekte hätte. Für durchaus überlegenswert hält Schüssel auch eine verpflichtende Kofinanzierung.

Abschließend appellierte der Bundeskanzler, Europa nicht so sehr von den Institutionen und von Macht- und Ränkespielen her zu verstehen, sondern den BürgerInnen die Notwendigkeit und Wichtigkeit eines gemeinsamen Europa näher zu bringen. Die Erweiterung der EU bringe beispielsweise eine 40prozentige Verringerung der Ozonbelastung, da die Beitrittsländer westeuropäische Standards übernehmen müssten; die Ausdehnung des Schengen-Raums und eine gemeinsame Grenzpolizei werde die Last und das Drohpotenzial für uns verringern; letztendlich werde die EU einen gemeinsamen Friedens- und Stabilitätsgewinn verzeichnen können.

Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) stimmte dem Befund zu, dass der Vertrag von Nizza formal die Voraussetzung für die Erweiterung der Union bringe. Die SPÖ unterstütze daher diesen wichtigen Schritt voll inhaltlich. Gleichzeitig seien aber die Hoffnungen auf die Stärkung der Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit der europäischen Institutionen und des demokratischen Prinzips bitter enttäuscht worden. Dennoch konzedierte der S-Klubobmann, dass für die Frage der Demokratisierung wenigstens ein Tor aufgemacht worden sei.

Gusenbauer meinte auch, dass man es dabei nicht belassen könne, sondern man nun daran gehen müsse, konkret die Frage zu beantworten, wie man die Herausforderung der Erweiterung bewältigen könne, damit alle Menschen einen Vorteil daraus hätten. Zur politischen Vorbereitung gehöre ein gutes Verhältnis zu den Beitrittsstaaten, weshalb alle Provokationsstrategien gegenüber diesen abzulehnen seien, so Gusenbauer kritisch. Er bedauerte in diesem Zusammenhang, dass auch vieles für Irritationen bei den Nachbarn sorge, denn dort wüsste man bis heute nicht, was unter der immer wieder angekündigten strategischen Partnerschaft zu verstehen sei.

Auch innerstaatlich forderte der Redner eine sorgfältige Vorbereitung ein und dabei komme seiner Auffassung nach dem Ausbau der Infrastruktur im Straßen- und Schienennetz besondere Bedeutung zu. Gusenbauer gab in diesem Zusammenhang durchaus Versäumnisse in der Vergangenheit zu. Die Diskussion über Übergangsfristen stufte er positiv ein, sie allein seien ihm zufolge aber zu wenig, denn der Hauptwettbewerb finde nicht zwischen in- und ausländischen Arbeitskräften statt, sondern  zwischen legaler und illegaler Beschäftigung, weshalb der illegalen Beschäftigung der Kampf angesagt werden müsse. Die SPÖ habe einen Pakt für Arbeit und Europa ausgearbeitet und sie sei bereit, bei einer gesamtstaatlichen Anstrengung zur Lösung dieser Probleme mitzuarbeiten.

Gusenbauer stimmte auch mit der Beurteilung des Kanzlers hinsichtlich des Konvents überein, er widersprach ihm aber in der Interpretation der Vorschläge Schröders. Dessen Vorstoß gehe, so der Redner, dahin, die Gesetzgebung öffentlich zu machen, eine klare Kompetenzabgrenzung vorzunehmen und den BürgerInnen die Zusicherung zu geben, dass sie mit ihrem Wahlrecht auch beeinflussen können, was in der EU geschieht.

Wie vor ihm der Bundeskanzler, sprach sich der S-Klubobmann gegen die Renationalisierung der Strukturpolitik aus. In Bezug auf die Agrarpolitik schränkte er aber ein, dass man hier eine enorme Fehlentwicklung produziert habe und man daher auf diesem Sektor einen Neuanfang brauche, um das Vertrauen der KonsumentInnen wieder zu stärken.

Am Ende seiner Rede widmete sich Gusenbauer dem sozialen und ökologischen Aspekt in der EU und forderte den wirtschafts- und demokratiepolitischen Einigungsprozess durch eine soziale und ökologische Integration zu ergänzen und fortzusetzen. Für die Zukunftsgestaltung Europas sei es erforderlich, einen Zielkatalog auf breitester Grundlage zu erarbeiten, die SPÖ sei jedenfalls für eine breite parlamentarische Zusammenarbeit bereit.

Abgeordneter Dr. SPINDELEGGER (V) hielt es für bemerkenswert, dass sein Vorredner die vom Deutschen Bundeskanzler geäußerten Vorschläge zur neuen Sicherheitspolitik mit keinem Wort gestreift hat. Er kritisierte auch die Aussagen Gusenbauers und Einems, an die Ratifizierung des Vertrags Bedingungen knüpfen zu wollen und argwöhnte dahinter einen "Salto rückwärts" in die Zeit der europafeindlichen Haltung der SPÖ, was den Zwischenruf Gusenbauers provozierte: "So gefährden Sie die Ratifikation".

Der V-Mandatar sprach in der Folge die positiven Punkte des Vertrags an, die die Union erweiterungsfähig machen, und meinte, dass der Ball nun bei den Beitrittskandidaten liege. Die Beibehaltung eines Kommissars sei unabdingbare Voraussetzung für die Mitgestaltung eines Staates, bemerkte Spindelegger, bei der Stimmengewichtung sei der Grundsatz des stärken Gewichts kleinerer und mittlerer Staaten nicht angetastet worden, wichtige Fragen, wie Wasserressourcen, Bodennutzung und Raumordnung unterlägen weiterhin dem Einstimmigkeitsprinzip. Dies alles durchgesetzt zu haben, sei ein Erfolg des Bundeskanzlers, betonte der Redner.

Abschließend unterstrich er, dass der Post-Nizza-Prozess im Rahmen einer breiten Meinungsbildung erfolgen müsse und einen Verfassungsvertrag sowie eine Aufgabenaufteilung bringen müsse. Der Wirtschaftsraum werde in einen großen Friedensraum umzuwandeln sein.

Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) wertete die Kritik führender europäischer Sozialdemokraten am Vertrag von Nizza als gutes Zeichen dafür, dass dieser Vertrag einen richtigen Schritt im Interesse der europäischen Integration und im Interesse der Bürger Österreichs darstellt. Der Vertrag zeige die Handschrift der österreichischen Bundesregierung, es sei etwa gelungen zu verhindern, dass Mehrheitsentscheidungen zur Regel werden. Österreich konnte sich bei der Beibehaltung der Einstimmigkeit in wesentlichen Fragen - Wasserrecht, Raumordnung, Asyl- und Fremdenrecht - durchsetzen, lobte Schweitzer. In diesen Fragen wird es keine Entscheidung über die Köpfe der Österreicher hinweg geben. Darüber hinaus wird Österreich auch in Zukunft einen Kommissar stellen und schließlich hat es durch die Gestaltung des Artikels 7 dafür gesorgt, dass es in Zukunft kein weiteres "Sanktionentheater" in der EU geben werde.

In der Frage der Agrarpolitik stimmte Abgeordneter Schweitzer nicht mit dem Bundeskanzler überein. Denn es könne nicht der Weisheit letzter Schluss sein, achtzig Prozent des EU-Budgets in eine gescheiterte Agrarpolitik zu stecken. Gelinge es, die Belastung der Böden zu stoppen und die Agrarpolitik zu ökologisieren, werde die FPÖ dies unterstützen. Gelinge dies nicht, habe die Diskussion über eine Renationalisierung ihren Platz.

Die Kritik der SPÖ an der Vorbereitung der EU-Osterweiterung wies Schweitzer mit dem Hinweis auf die Arbeit der Österreichplattform zur Information der Bürger über den Erweiterungsprozess zurück. Das Einzige, was dabei fehle, sei ein Beitrag der SPÖ.

Große Bedeutung maß der Redner den Kosten der EU-Erweiterung zu. Noch liegen keine Zahlen auf dem Tisch, klagte Schweitzer und ersuchte den Bundeskanzler, auf EU-Ebene darauf zu dringen, die Kostenfrage zu klären. Dabei stellte Schweitzer klar, dass eine weitere Belastung der österreichischen Bevölkerung für die FPÖ nicht akzeptabel sei. Die Kostenfrage sei auch deshalb wichtig, weil man den Mitgliedsländern für den Fall, dass die Erweiterung nicht stattfinden könne, rechtzeitig mitteilen müsse, dass die Erweiterung nicht so rasch möglich sei, weil sich Spanien weigere, einen Nettobeitrag zur Erweiterung zu leisten. Offene Probleme sah Schweitzer auch in den für Österreich wichtigen Fragen des Transitvertrages, der atomaren Sicherheit und des Arbeitsmarktes.

Hinsichtlich des Post-Nizza-Prozesses zeigte sich Schweitzer interessiert an der Ausgestaltung der Subsidiarität, wobei er als gemeinschaftliche Aufgaben den Auftritt in der globalen Wirtschaft, die Angelegenheiten des Binnenmarktes, die Stabilität des Euro, die GASP, die gemeinsame Verteidigungspolitik und den grenzüberschreitenden Kampf gegen die Kriminalität nannte. Alle anderen Themen müssten dahingehend diskutiert werden, wo sie bestmöglich gelöst werden sollen, wobei Schweitzer seine Überzeugung ausdrückte, dass viele Fragen auf nationaler Ebene besser gelöst werden können als auf europäischer.

Abschließend bezeichnete es Abgeordneter Schweitzer als eine Notwendigkeit für Österreich, in eine internationale Verteidigungsgemeinschaft eingebunden zu werden. Es sei richtig, der Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine gemeinsame Struktur mit einer Beistandsverpflichtung zu geben und seitens Österreichs daran  als Vollmitglied teilzunehmen. 

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) leitete ihre Ausführungen mit der Frage nach den eigentlichen Zielen des Gipfels von Nizza ein. Sie nannte die Fähigkeit der EU zur demokratischen Legitimation, zur Demokratisierung ihrer Institutionen, die Fähigkeit, ein friedliches, soziales, nachhaltiges und ökologisches Europa zu schaffen, und die Fähigkeit, die Osterweiterung der EU vorzubereiten.

Der Versuch der Regierungen, Verfassungsgeber zu sein, sei kläglich gescheitert. Regierungen seien keine Verfassungsgeber, hielt Lunacek fest und zeigte sich verwundert, dass Bundeskanzler Schüssel sich einen Konvent für eine europäische Verfassung nur in der ersten Phase des Post-Nizza-Prozesses vorstellen könne. Lunacek forderte nachdrücklich die Einbeziehung der NGOs, von Vertretern der Zivilgesellschaft sowie von Vertretern der Beitrittsländer.

Der Behauptung des Bundeskanzlers, das Parlament sei in den Prozess eingebunden, widersprach Lunacek und wies darauf hin, dass ein Bericht des französischen Vorsitzes zur europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik dem Parlament bis heute nicht zugegangen sei.

Lunacek begrüßte es, dass mit dem Nizza-Vertrag im Erweiterungsprozess der "point of no return" erreicht wurde und kritisierte, dass die Bundesregierung mit ihrer Diskussion über Übergangsfristen und ihrem Verlangen, das bereits ausverhandelte Dienstleistungskapitel wieder aufzuschnüren, gegenteilige Signale aussende. Statt einer Stop and Go-Politik präferierte Lunacek eine Go and Stop-Politik, mit bremsenden Maßnahmen nur im Falle etwas nicht funktioniere. Warum sage der Bundeskanzler nicht, dass die EU-Charta das Recht jedes EU-Bürgers vorsehe, in jedem Mitgliedsstaat zu arbeiten, fragte Lunacek und meinte bedauernd, sie hätte sich von Bundeskanzler Schüssel und Außenministerin Ferrero-Waldner viel klarere europäische Positionen erwartet. Österreich brauche offene Grenzen und eine großzügige Öffnung seines Arbeitsmarktes, zeigte sich Lunacek überzeugt. Das Friedensprojekt europäische Integration brauche eine politische Vision und einen Verfassungsprozess. Dies setze einen Konvent und eine innerösterreichische Diskussion unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft und der NGOs voraus, schloss Abgeordnete Lunacek.

Verteidigungsminister SCHEIBNER nannte den Gipfel von Nizza hinsichtlich seines Zustandekommens und seines Verlaufes nicht einfach und nicht friktionsfrei, für EU, Europa und Österreich aber erfolgreich. Erstmals habe man versucht, in Österreich einen breiten Konsens herbeizuführen, wie er ihn sich auch vor dem österreichischen EU-Beitritt gewünscht hätte, sagte der Verteidigungsminister. Als besonders wichtig bezeichnete die gleichberechtigte Vertretung aller Mitgliedsländer. Ein Übergewicht großer EU-Länder konnte ebenso verhindert werden wie die Einführung des Mehrheitsprinzips in für Österreich wichtigen Fragen.

Die Möglichkeit, bei der Osterweiterung Übergangsfristen von bis zu sieben Jahren bei der Freizügigkeit der Arbeitskräfte festzulegen sah der Minister unproblematisch. Denn es liege auch im Interesse der Mitgliedsländer, zu verhindern, dass ihnen Fachkräfte entzogen werden, die sie dringend für den Aufbau ihrer Wirtschaft brauchen. Die EU-Erweiterung sei ein wichtiges Projekt für Europa und für Österreich, es dürfe aber nicht auf dem Rücken der Bevölkerung verwirklicht werden. Daher sei das Formulieren und das Erreichen der Beitrittkriterien wichtig, namentlich in den Bereichen Umwelt, Verfassung und atomare Sicherheit.

Schließlich ging der Verteidigungsminister auf das Ziel einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ein, das seiner Meinung nach völlig zu Unrecht hinter Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Umweltfragen gereiht werde. Europa dürfe nicht zulassen, dass auf seinem Kontinent Kriege geführt und Menschenrechte verletzt werden. Scheibner begrüßte es, dass Europa nun die Lehre aus den Balkankrisen ziehe und sich auf den Weg zu einer gemeinsamen Sicherheitsstruktur mache - nicht nur die fünfzehn EU-Mitglieder, sondern auch die Beitrittsländer und alle europäischen Länder. Österreich werde in dieser Frage glaubwürdig auftreten müssen, stellte der Verteidigungsminister fest und plädierte nachdrücklich dafür, eine einheitliche Politik in dieser Frage zu entwickeln, zumal er sich davon auch eine wesentliche Stärkung des europäischen Bewusstseins erwarte.

Abgeordneter Dr. EINEM (S) zeigte sich enttäuscht von den Regierungsparteien, die keinerlei Interesse an dem Angebot der Sozialdemokraten zeigten, eine gemeinsame Position im Post-Nizza-Prozess zu erarbeiten. Die Polemiken von FPÖ und ÖVP erweckten sogar den Eindruck, es wäre den Regierungsparteien lieber, die SPÖ würde der Ratifizierung des Vertrages von Nizza nicht zustimmen. Die SPÖ werde die Ratifizierung mittragen, allerdings unter der Bedingung einer ausreichenden parlamentarischen Vorbereitung. Die Regierungsparteien haben den Vorschlag einer Enquetekommission zwar abgelehnt, die SPÖ werde sich aber weiterhin bemühen, zu gemeinsamen Beratungen mit den Regierungsparteien zu kommen.

In der Sicherheitspolitik sei auch die SPÖ überzeugt, dass es in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu weiteren Integrationsschritten kommen müsse. Die EU brauche eine Außen- und Sicherheitspolitik aus einem Guss. Man dürfe sich aber laut Einem keine Illusionen machen, dass die Nationalstaaten bereit sein werden, ihre Souveränität in der Verteidigungs- und Außenpolitik abzutreten. Als realistisch bezeichnete Einem ein Konzept geteilter Souveränität, wobei für ihn klar sei, dass die EU auch einen eigenständigen Verteidigungsbereich brauche, weil sich bei den Balkankrisen gezeigt habe, dass die Reaktionszeit der EU im Unterschied zu den USA, die mit einer Stimme sprechen können, viel zu lang sei. Die SPÖ trete für eine stärkere Integration in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik ein, sagte Einem, es sei für sie aber nicht ausgemacht, dass dies unter dem Szepter der Nato stattfinden solle.

Der Gipfel von Nizza habe die formalen Voraussetzungen für die EU-Erweiterung geschaffen. Einen Grund, den Vertrag nun eilig zu ratifizieren, sah Einem nicht, ein Ratifikationszeitpunkt im Herbst würde den Erweiterungsprozess in keiner Weise beeinträchtigen. Was aber dränge, seien konkrete Vorbereitungsmaßnahmen in Österreich für die EU-Erweiterung. Wenn die Erweiterung zu einem wirtschaftlichen und politischen Erfolg für die Bürger werden soll, müsse man den Menschen die Sorgen nehmen, mit denen sie der Erweiterung entgegen blicken. Übergangsfristen allein seien zu wenig, diese müssten auch kontrolliert werden, um zu verhindern, dass Druck auf die Löhne und die sozialen Rahmenbedingungen entstehe. Die Sozialdemokraten haben Vorschläge für konkrete Maßnahmen unterbreitet und insbesondere verlangt, Qualifikationsmaßnahmen für jene Gruppen zu starten, die nach einer EU-Erweiterung unter Druck kommen könnten. Ein weiterer Bereich, in dem die Zeit dränge, sei die Verkehrsinfrastruktur, insbesondere die Straßenübergänge zu den östlichen Nachbarn, unterstrich Abgeordneter Einem. Die SPÖ stehe der Osterweiterung und dem Post-Nizza-Prozess konstruktiv gegenüber. Wenn die Regierung Wert darauf lege, diesen Prozess gemeinsam zu tragen, sollte sie von sich aus das Gespräch mit der Opposition suchen.

Er möchte sich ein zweites Mal zu Wort melden, da offensichtlich der Eindruck entstanden ist, dass die Regierungsparteien ein Gesprächsangebot der Opposition nicht aufgreifen, erklärte Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL. Das Gegenteil sei der Fall, betonte der Regierungschef, und er habe es sehr begrüßt, dass heute von Seiten der Sozialdemokraten bekundet wurde, dass eine Ratifizierung des Vertrags von Nizza außer Streit steht. Außerdem gebe es ständig Aussprachen zwischen ihm und den Oppositionsführern, die jedoch nicht immer an die große Glocke gehängt werden. Schüssel wies zudem darauf hin, dass er die Idee eines Konventmodells in der ersten Phase sehr früh in die Diskussion eingebracht habe, dies stelle aber keine Bedingung dar. Selbstverständlich sei auch, dass dadurch der Vertrag nicht geändert werden könne. Wichtig erschien ihm auch die Einbindung der Beitrittskandidaten sowohl in der Vorbereitungsphase als auch im Regierungskonferenzprozess sowie der Umstand, dass den nationalen Parlamenten innerhalb des EU-Kräfteparallelogramms eine entsprechende Bedeutung beigemessen werde. Er plädierte auch dafür, dass das Angebot der Außenministerin, zum Thema Erweiterung Österreich-Plattformen einzurichten, ernst zu nehmen. Schon am 30. Mai werde etwa eine Enquete stattfinden, zu der alle Vertreter des Nationalrates und des Bundesrates sowie die Fraktionsführer im Europäischen Parlament eingeladen werden.

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) zeigte sich erfreut darüber, dass der Bundeskanzler so klare Worte gesprochen und die Hand neuerlich in Richtung Opposition ausgestreckt hat. Damit habe er gezeigt, dass es ein nationales Anliegen sei, gemeinsam an der Weiterentwicklung Europas zu arbeiten. Sodann befasste er sich vor allem mit ökonomischen Fragen und machte darauf aufmerksam, dass Österreich durch die EU-Mitgliedschaft dort hin gerückt wurde, wo es historisch und geographisch schon immer war, nämlich in das "Herz Europas". Dies war auch für den Wirtschaftsstandort enorm wichtig, betonte Stummvoll, da durch die Dynamik des Binnenmarktes die Exporte in die EU in den letzten sechs Jahren um 200 Mrd. S gesteigert werden konnten. Außerdem hob er positiv hervor, dass wichtige Bereiche des Wirtschaftsrechtes (z.B. Telekom- und Energiesektor) "durchlüftet" wurden. Enorm angekurbelt wurden auch die Ausfuhren nach Osteuropa, die sich innerhalb von zehn Jahren vervierfachten. So ist mittlerweile der Exportmarkt Ungarn genauso wichtig wie jener der USA (beide jeweils 48 Mrd. S.). Stummvoll räumte jedoch ein, dass noch einige Probleme zu lösen seien und vor allem die Grenzregionen entsprechende Förderprogramme, die etwa Investitionen in die Infrastruktur unterstützen, benötigen.

Abgeordneter JUNG (F) stellte eingangs fest, dass die Argumente des ÖGB und der Arbeiterkammer in Bezug auf die durch eine EU-Erweiterung entstehenden Probleme am Arbeitsmarkt nicht einfach vom Tisch gewischt werden sollen. Sodann wandte er sich dem Vertrag von Nizza zu und meinte, dass die Erwartungen, die nicht zu hoch geschraubt wurden, erfüllt wurden: Wir wollten kein Direktorium der Großen, wir wollten die vitalen Rechte nicht nach Brüssel abtreten, keine Eingriffsmöglichkeit in die österreichische Verfügungsgewalt beim Wasser, keine substantiellen Einschränkungen des Vetorechts sowie keinen Missbrauch des Artikel 7. Jung wehrte sich gegen den Vorwurf von Gusenbauer, wonach die Freiheitlichen eine provokative Strategie gegenüber den Beitrittskandidaten verfolgen. Er glaube, dass Österreich das Recht hat, auf die Einhaltung von Menschenrechten zu pochen und verlangen kann, dass geschehene Verbrechen auch als Verbrechen bezeichnet werden. Wenn man den Bürgern Europa näher bringen will, dann müssen die Länder organisch zusammenwachsen, zeigte sich Jung überzeugt.

In der Debatte um Nizza befinden wir uns an einem vielversprechenden Anfang, gab Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) ihrer Hoffnung Ausdruck. Sie war der Auffassung, dass die EU-Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Nizza-Vertrages sowie dessen, was man global unter dem Post-Nizza-Prozess versteht, vor der anspruchsvollsten Aufgabe stehen, die es seit der Bewältigung der Schäden des Zweiten Weltkrieges gegeben hat. Eine seriöse Debatte darüber sollte daher nicht auf eine Diskussion über die einzelnen nationalen Erfolge reduziert werden. Bevor jedoch so wichtige Themen wie die Institutionenreform oder die Erweiterung angegangen werden können, müsse ein Kernproblem gelöst werden: die äußerst schwach ausgeprägte  Identifikation der Bürger mit Europa. Dringenden Handlungsbedarf gebe es ihrer Ansicht nach im Verkehrsbereich, wo eine Neuregelung für das Transitproblem gefunden werde müsse. Mit Besorgnis beobachte sie auch die Tendenzen in Europa und Österreich in Richtung Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit. Was die sicherheitspolitische Debatte betrifft, so bekundete sie eine grundsätzliche Diskussionsbereitschaft; sie appellierte jedoch an den Bundeskanzler, die Opposition ausreichend zu informieren.

Abgeordneter SCHIEDER (S) stimmte mir seiner Vorrednerin darin überein, dass es letzter Zeit zu Übermittlungsproblemen gekommen sei und die Opposition nicht alle Dokumente erhalten hat. Positiv bewertete er, dass der Bundeskanzler das Angebot der Opposition aufgreift, eine tiefgreifende Debatte über die Zielvorstellungen über die Weiterentwicklung der EU zu führen. Am sinnvollsten wäre es wohl, diese Aspekte im Zusammenhang mit der Verteidigungsdoktrin zu behandeln, schlug Schieder vor. Er merkte jedoch kritisch an, dass manche Zwischentöne in der Diskussion darauf hindeuten, dass, wenn es um die Inhalte geht, eine gewisse Halbherzigkeit Platz greife. Auch das Partnerschaftsangebot an die mitteleuropäischen Länder werde seiner Meinung nach eher als eine Ausrede verstanden, die kaschieren solle, dass Österreich in anderen Bereichen sehr hart vorgehe.

Was die Vorschläge des deutschen Bundeskanzlers Schröder anbelangt, so habe er den Eindruck, dass diese in ein falsches Licht gerückt würden. Denn seine wesentlichsten Forderungen - eine Stärkung der europäischen Institutionen sowie eine konsequente Verfolgung der Ziele der Integration - sollten auch unsere Ziele sein, argumentierte Schieder.

Abgeordneter SCHWARZENBERGER (V) war davon überzeugt, dass eine Institutionenreform Voraussetzung für eine EU-Erweiterung darstellt. Zufrieden zeigte sich der V-Mandatar mit den Ergebnissen von Nizza, da die festgelegten Ziele weitgehend durchgesetzt werden konnten. Dies betreffe etwa die Zahl der Kommissare, die Stimmgewichtung im Rat sowie die Beibehaltung des Einstimmigkeitprinzips in wichtigen Fragen (Wasser, Energie). Weiterhin gut vertreten sei Österreich auch im Wirtschafts- und Sozialausschuss (12 Mitglieder) sowie im Europäischen Parlament, wo eine geringe Reduktion der Mandate stattfand. Schwarzenberger kam sodann auf die Agrarpolitik zu sprechen und hielt ein Plädoyer für die ökosoziale Marktwirtschaft, die ein Gegenmodell zur industriellen Landwirtschaft darstelle. Hier müsse jedoch noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, da sich erst vor kurzem wieder im EP-Ausschuss für Landwirtschaft die Mehrheit der Abgeordneten, darunter auch alle deutschen Repräsentanten, gegen eine Obergrenze bei den Tierprämien ausgesprochen habe. Ein wichtiger Pfeiler sei auch die ländliche Entwicklung, sagte Schwarzenberger, und wies in diesem Zusammenhang auf die Einführung des Sockelbetrages für kleinere Betriebe hin.

Abgeordneter Dr. KURZMANN (F) bewertete den Vertrag von Nizza aus österreichischer Sicht als Erfolg, da die Bundesregierung die österreichischen Interessen hervorragend vertreten habe. Europa brauche keine "Schnellschüsse", vielmehr sollte man sich an den Ideen der "Gründungsväter" á la Adenauer, Schuman und De Gaulle orientieren.

Sodann ging der Redner auf die konkreten Regelungen des Vertragswerkes ein und analysierte diese aus der Sicht Österreichs. Die Regierungsparteien verstünden sich als Anwälte Österreichs, die Kritik der Opposition verfange nicht.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) fragte, ob das Parlament alle Unterlagen zur Verfügung habe, um in diese Diskussion eintreten zu können. Und hier finde sie es irritierend, dass Materialien zum essentiellen Thema der österreichischen Neutralität fehlen würden. Da die damit in Zusammenhang stehenden Fragen überaus heikel seien, müsse man sich fragen, was es mit diesem Fehlen von Dokumenten auf sich habe. Entweder, die Regierung sei auf diesem Felde selbst nicht informiert, oder aber sie halte hier Informationen zurück. Beides könne nicht goutiert werden.

Weiters sprach die Rednerin zum Thema Erweiterung, diese vor allem aus der Sicht des Burgenlandes beleuchtend, welches seit acht Jahrzehnten Grenzregion sei und dementsprechend besondere Bedürfnisse habe. Kritik übte Stoisits in diesem Zusammenhang am Verhalten der burgenländischen FPÖ, bei der sie einen antieuropäischen Kurs ortete.

Abgeordneter VERZETNITSCH (S) meinte, die Debatte dürfe sich nicht auf institutionelle Fragen beschränken. Es sei bedauerlich, dass es nicht gelungen sei, die Grundrechtscharta in diesen Vertrag aufzunehmen, was ein Zeichen dafür sei, dass es mehr denn je erforderlich ist, die Themenstellung Europas auf eine andere Ebene zu stellen.

Die bisherigen institutionalen Debatten seien jedenfalls nicht ausreichend, hier brauche es eine viel breitere Basis. Dabei gehe es vor allem um Beschäftigungsfragen, die im Diskurs immer noch stiefmütterlich behandelt würden. Es könne dabei nicht nur um die Zahl der Arbeitsplätze, sondern müsse auch um deren Qualität gehen. Zählte man alle Arbeitslosen der EU zusammen, so wären diese die achtgrößte Nation der Union. Es sei also nicht ausreichend, ständig nur von Preisstabilität, Budgetrestriktion, Zinsen und Wechselkursen zu sprechen, gerade die Beschäftigung müsse vorrangig in Europa sein. Hier brauche es neue Modelle, etwa eine Art "Marshall-Plan-Neu für Europa". Generell benötige es klare Kriterien, um die gegenständlichen Probleme befriedigend lösen zu können.

Abgeordnete GATTERER (V) warf den Sozialdemokraten vor, in dieser Diskussion keine klare Linie zu vertreten. Ihre Fraktion stehe zu Nizza. Dieser Vertrag habe Vor- und Nachteile, die Regierung, allen voran der Bundeskanzler und die Außenministerin, habe dort grosse Verdienste im Interesse des Landes erworben und ein für das Land hervorragendes Ergebnis herausverhandelt.

Besonders würdigte die Rednerin dabei die Resultate rund um den Artikel 7, welche ein Vorgehen wie im Vorjahr gegen Österreich künftig verunmögliche. Schliesslich sprach Gatterer noch zum Thema Grundrechtscharta, bei der sie im Vergleich zur EMRK gravierende Schwachstellen ortete, sodass man sich besser an Bewährtes halte.

Abgeordnete BURKET (F) nannte den Vertrag von Nizza eine "grosse Herausforderung für Österreich", insbesondere hinsichtlich der Osterweiterung. Sie erinnerte daran, dass ihre Fraktion an den für Österreich positiven Ergebnissen dieses Vertragswerkes entscheidenden Anteil habe. Konkret befasste sich Burket sodann mit Fragen der Osterweiterung und deren Auswirkungen auf Österreich. Es werde an der Politik liegen, hüben wie drüben aufzuklären und die richtigen Schritte im Sinne eines geeinten Europa zu setzen. Ihre Fraktion werde dabei der Hüter der österreichischen Interessen sein.

Abgeordneter Mag. POSCH (S) sagte, der Vertrag von Nizza hinterlasse einen ambivalenten Eindruck, würden doch wesentliche Fragen auf einen sogenannten Post-Nizza-Prozess vertagt, wodurch viele wichtige Themen offen blieben. Im wesentlichen hätten sich die grossen Nationen auf Kosten der kleinen durchgesetzt, auch die Fragen der Vertiefung blieben vorerst ungelöst. Viele Akzeptanzprobleme der EU in der Bevölkerung würden sich aber erst dann lösen lassen, wenn man stärker als bisher auf deren Interessen eingehe. Konkret monierte der Redner eine soziale Agenda, die diesen Namen auch verdiene.

Abgeordnete Mag. HAKL (V) bezeichnete den Vertrag von Nizza als eine Weichenstellung für Europa. Die Voraussetzungen für die Erweiterung wurden geschaffen, und damit könne man sehr zufrieden sein. Die Visionen der Gründerväter würden damit wieder lebendig: ein Europa des Friedens und der Stabilität. Wenn es auch kleinere Kritikpunkte gebe, so müsse das grosse Ganze hier doch alles überstrahlen, sei doch die Erweiterung gerade aus österreichischer Sicht von vitaler Bedeutung. Das österreichische Verhandlungsteam habe hier Hervorragendes geleistet, meinte Hakl.

Abgeordnete HAGENHOFER (S) unterstrich, der Bau und die Architektur des Hauses Europa seien eine Sache, das Wohnen, Leben und Arbeiten in diesem Haus und das Annehmen der Erweiterung aber eine zweite Sache. Ohne Zustimmung der Bevölkerung werde es eine Zukunft Europas und die Erweiterung der EU nicht geben. Hagenhofer verwies in diesem Zusammenhang auf die zum Teil steigende Abwehrhaltung der Bevölkerung sowohl in den EU-Staaten als auch in den Erweiterungsländern gegen die EU-Erweiterung, da Befürchtungen existierten, aus dem Einigungsprozess könnten negative Folgen resultieren. Sie erachtet daher die Regierung für gefordert, Akzente in die richtige Richtung zu setzen. So gelte es u.a. den Erweiterungsprozess sozial verträglich zu gestalten und die Arbeitsplatzsituation und die Wettbewerbsfähigkeit in den Grenzregionen zu berücksichtigen.

Abgeordneter AUER (V) zeigte sich über den Vertrag von Nizza erfreut und vertrat die Ansicht, dass auch Pessimisten von der Ergebnissen positiv überrascht gewesen seien. In Nizza ist ihm zufolge der Startschuss für die Zukunft Europas unter dem Motto "einbinden statt ausgrenzen" erfolgt. "Ein klares Ja dazu."

Eine gewisse Skepsis äußerte Auer gegenüber Forderungen der Renationalisierung der Agrarpolitik. Der gemeinsame Markt sei etwas Wichtiges, bekräftigte er, es wäre vernünftiger, auf hohe Standards im gemeinsamen Markt hinzuarbeiten. In Bezug auf die EU-Erweiterung sieht der Abgeordnete die Notwendigkeit, der Bevölkerung Ängste zu nehmen und Chancen aufzuzeigen.

Der Vorsitz führende Zweite Nationalratspräsident DI PRINZHORN wies das Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrags von Nizza dem Verfassungsausschuss zu.

(Schluss Nizza/Forts. Sitzung)


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