Parlamentskorrespondenz Nr. 394 vom 29.05.2001

FINANZAUSSCHUSS: MASSNAHMENPAKET GEGEN BSE VERABSCHIEDET

Auch nach mehr als 80.000 Tests: kein BSE-Fall in Österreich

Wien (PK) - In Österreich konnte bislang kein einziger BSE-Fall festgestellt werden, lautet das Ergebnis von mittlerweile mehr als 80.000 Tests. Dennoch standen heute Vorkehrungen gegen die Tierseuche und zur Bewältigung ihrer Folgekosten im Mittelpunkt einer Sitzung des Finanzausschusses . Den Abgeordneten lagen insgesamt vier Regierungsvorlagen zur Debatte und Abstimmung vor: erstens eine Verlängerung der Geltungsdauer des bis Juni befristeten Tiermehlfütterungsverbotes bis zu einer generellen EU-Regelung (584 d.B. ); zweitens eine Änderung der Vollzugsanweisung für die Tierkörperverwertung mit dem Verbot der Herstellung von Tierfutter aus Schlachtabfällen und gefallenen Tieren (585 d.B. ); drittens eine Untersuchungspflicht für hausgeschlachtete Kälber sowie eine Unvereinbarkeitsbestimmung für Amtstierärzte bei der Fleischuntersuchung (586 d.B.). Diese Beschlüsse erfolgten mit F-V-Mehrheit. Einstimmig verabschiedeten die Ausschussmitglieder eine Änderung des Katastrophenfondsgesetzes und des Bundesfinanzgesetzes 2001 mit Vorkehrungen für die Abdeckung der Beseitigungskosten des Tiermehls im Ausmaß von bis zu 166,7 Mill. S im Jahr 2001 und von bis zu 18,2 Mill. Euro (250 Mill. S) im Jahr 2002 (587 d.B. ). Eine Druckfehlerberichtigung in den Erläuterungen diente der Klarstellung, dass Österreich - wie von den Ministern Wilhelm Molterer und Herbert Haupt auf Fragen der SP-Abgeordneten Heinz Gradwohl und Ulrike Sima mehrfach betont - auf EU-Ebene auch in Zukunft für ein striktes Tiermehlverfütterungsverbot, auch an Schweine und Hühner, eintreten werde. Dies deshalb, weil nur ein generelles Verbot den Ausschluss von Missbräuchen sicherstelle. Das dauerhafte Tiermehlverfütterungsverbot werde in der EU nicht in Frage gestellt, einzelne Länder wollten aber im Rahmen neuer Hygienebestimmungen die Verfütterung tierischer Proteine an Schweine und Hühner zulassen. Österreich trete demgegenüber für ein generelles Verbot ein.

Ihre teilweise ablehnende Haltung begründeten die SP-Vertreter Heinz Gradwohl, Johann Maier, Ulrike Sima und Anna Huber damit, dass die Bundesregierung die Verhandlungen mit den Bundesländern über deren Finanzierungsanteil an der Bewältigung der BSE-Kosten noch nicht abgeschlossen haben, sowie damit, dass sie sich hinsichtlich des Katastrophenfonds auf das Prinzip der "guten Hoffnung" verlasse. Denn die Aussicht, dass in diesem Sommer keine Naturkatastrophen eintreten werden, sei rein spekulativ. Abgeordneter Johann Maier sah zudem die Gefahr, dass die Finanzierung der BSE-Maßnahmen ab 2003 gänzlich zu Lasten der Konsumenten gehen werde. Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) kritisierte den Einsatz von Budgetmitteln, die für Qualitätsverbesserungen in der Landwirtschaft vorgesehen seien, für die Bewältigung der BSE-Krise. - VP-Abgeordneter Jakob Auer erinnerte daran, dass Österreich nach wie vor keinen einzigen BSE-Fall zu beklagen habe, es also keine BSE-Krise, sondern allenfalls eine Informationskrise in der BSE-Berichterstattung gebe. Die österreichische Agrarpolitik könne also nicht so schlecht sein wie behauptet.

In der sehr detaillierten Debatte, die der Ausschuss gemeinsam mit Experten teilweise öffentlich abhielt, brachte Abgeordneter Johann Maier (S) die Ausnahmeregelung bei Schlachtungen für den eigenen Bedarf zur Sprache, sah Interessenkollisionen beim Einsatz von Tierärzten bei der Fleischuntersuchung und forderte bundeseinheitliche Untersuchungs- und Probenpläne. Problematisch sah Maier die Unterwerfung der BSE-Untersuchungen unter das Regime des Fleischuntersuchungsgesetzes.

Abgeordneter Heinz Gradwohl (S) erkundigte sich nach Vereinbarungen der Bundesregierung mit den Ländern, da die vorliegenden Gesetzesänderungen Verfügungen über Finanzmittel der Länder enthielten. Zumal Rücklagen des Katastrophenfonds zur Bewältigung der BSE-Folgekosten verwendet werden, stelle sich auch die Frage, ob für den Fall von Naturkatastrophen Vorsorge getroffen sei. In diesem Zusammenhang äußerte der Abgeordnete Zweifel an der behaupteten Kostenneutralität der vorgelegten Regelungen.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) vermisste einen durchgehenden "Reformzug" in der Agrarpolitik und in der Tierhaltung und erkundigte sich im Detail nach der Verwendung der vorgesehenen Mittel. Auch vermisste er die Umsetzung des Vorsorge- und Verursacherprinzips und kritisierte, darin vom Experten seines Klubs, Richard Hubmann, unterstützt, die Verwendung von Budgetmitteln, die eigentlich der agrarischen Qualitätsverbesserung dienen, zur Bewältigung der BSE-Krise. Eine Alternative sah er in einer Abgabe auf industriell hergestellte Futtermittel.

Abgeordnete Ulrike Sima (S) unterstrich die Notwendigkeit einer klaren österreichischen Position in der Tiermehlfrage in Brüssel und wandte sich gemeinsam mit ihrer Fraktionskollegin Anna Huber dagegen, die Konsumenten bei der Bewältigung der BSE-Folgekosten mehrfach zur Kasse zu bitten.

Abgeordneter Jakob Auer (V) betonte, dass Österreich nach wie vor keinen einzigen BSE-Fall zu beklagen habe, es also keine BSE-Krise, sondern allenfalls eine Informationskrise in der BSE-Berichterstattung gebe. Die österreichische Agrarpolitik könne also nicht so schlecht sein, wie getan werde. Seine Frage an die Experten lautete, warum die Schweiz, die eine ähnliche Agrarstruktur habe wie Österreich, bereits mehr als 370 BSE-Fälle habe.

Expertin Karin Mössl führte die relativ hohe Zahl von BSE-Fällen in der Schweiz darauf zurück, dass dort verhältnismäßig große Mengen an Tierkörpermehlen importiert worden seien. Für Österreich habe sich die Entscheidung, die Verfütterung von Tiermehl an Wiederkäuer rigoros zu verbieten, sehr positiv ausgewirkt. Angesichts offener Grenzen sei eine rigorose Vorgangsweise auch in Zukunft notwendig.

Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer hielt es für keinen Zufall, dass die Situation in der österreichischen Landwirtschaft wesentlich anders sei als in vielen anderen Ländern, und sprach von einer Bestätigung, dass die österreichische Agrarpolitik nicht so falsch liege. Die Bundesländer seien über die den Ausschuss vorliegenden Ministerratsbeschlüsse informiert. Mit Ausnahme von Wien haben alle zugestimmt, Gespräche seien im Gange, er sei überzeugt, dass sie positiv abgeschlossen werden können, sagte der Landwirtschaftsminister.

Das Finanzierungsmodell für die BSE-Folgekosten nannte der Landwirtschaftsminister eine saubere Lösung auf Basis des Katastrophenfonds, der Länder und sektoraler Gebühren. Alternativen zur Tiermehlverbrennung, etwas die Biogaserzeugung, würden Sicherheitsfragen aufwerfen, da nur die Verbrennung jene hohen Temperaturen aufweise, die eine Zerstörung der Prionen gewährleiste.

Gesundheitsminister Herbert Haupt unterstrich die hohe Sicherheit des österreichischen Tiermehlentsorgungssystems und unterstrich die Bedenken Molterers gegen Entsorgungsalternativen mit zu geringen Temperaturen. Ausnahmen beim Verbot, dass Amtstierärzte Fleischuntersuchungen durchführen, seien dort vorgesehen, wo Versorgungsprobleme auftreten könnten; sie dürfen aber jeweils nur außerhalb ihres Bezirkes tätig werden, teilte Minister Haupt mit.

Hinsichtlich der Ausnahmen bei den Fleischuntersuchungen wies Minister Haupt darauf hin, dass bei der Direktvermarktung Aufzeichnungsverpflichtungen bestehen, die es erlauben, Eigenverbrauch und Ab-Hof-Verkauf auseinander zu halten. Die erforderlichen Kontrollen seien sichergestellt.

Die finanzielle Regelung bezeichnete der Minister als fair und sah den Beitrag der Konsumenten durch deren Interesse an qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln gerechtfertigt. Die Beprobungspläne der Länder seien Gegenstand jährlicher Besprechungen zwischen den Veterinärverantwortlichen. Weitergehende bundeseinheitliche Regelungen hielt der Minister für denkbar, machte aber auf die geltende Gesetzeslage aufmerksam. Er sei dafür, den Tierschutzgedanken lückenlos durchzuziehen und dafür 15a-Verträge mit den Ländern abzuschließen.

Staatssekretär Alfred Finz erläuterte die Situation des Katastrophenfonds und zeigte sich zuversichtlich, die 400-Mill.S-Rücklage am Ende des laufenden Jahres "mühelos" wieder auffüllen zu können. (Schluss)