Parlamentskorrespondenz Nr. 416 vom 06.06.2001

DAS KELAG-RWE-GESCHÄFT UND DIE GLAUBWÜRDIGKEIT DER ANTI-ATOMPOLITIK

Scharfe Kontroverse um Einstieg des Atomriesen RWE bei der KELAG

Wien (PK) - Abgeordnete Eva Glawischnig (G) brachte in der heutigen Aktuellen Stunde, mit der die 71. Sitzung des Nationalrats eröffnet wurde, den Verkauf von KELAG-Anteilen an den deutschen Atomkonzern RWE zur Sprache und nannte das Ereignis, das vor dem Hintergrund der österreichischen Anti-Atompolitik auch im Nationalrat kritisch hinterfragt werden müsse. Sie begrüßte die Anwesenheit des Bundeskanzlers, da sie zuletzt zunehmend den Eindruck gewonnen habe, dass die Anti-Atompolitik in der Bundesregierung keine "Chefsache" mehr sei. An dem KELAG-RWE-Geschäft kritisierte sie, dass die RWE einen großen Energiekonzern darstelle, der 20 % seines Strombedarfs aus Kernkraftwerken decke und außerdem als "big player" im internationalen Wassergeschäft anzusehen sei, der an den hochwertigen Trinkwasserreserven in den Speicherkraftwerken der KELAG interessiert sei. Angesichts dieser Tatsachen sei es völlig unverständlich, dass Landesregierung und Landtag in Kärnten diesem Geschäft zugestimmt haben. 

Die Rednerin sah einen Salto mortale von Landeshauptmann Haider, der einerseits Temelin stoppen wolle, andererseits die Stromgesellschaft seines Bundeslandes an den Hauptabnehmer von Temelin-Atomstrom verkaufe. Die KELAG werde laut Vertrag zur Vertriebsplattform für französischen und deutschen Atomstrom in Österreich und in Südosteuropa, kritisierte die Umweltsprecherin der Grünen und zeigte sich verwundert, dass Energieminister Bartenstein die Dinge tatenlos habe treiben lassen, wie auch darüber, dass die Kärntner SPÖ dem KELAG-Geschäft zugestimmt habe.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hielt in seiner Erklärung zunächst fest, dass der KELAG-Verkauf kein Thema für den Nationalrat, sondern für den Kärntner Landtag sei und ging dann auf die vielen positiven Ergebnisse ein, die die Bundesregierung in der Energiepolitik vorzuweisen habe: Österreich könne seinen gesamten Energiebedarf ohne Atomenergie decken und eine umweltschonende Produktion garantieren. Außerdem werde die Strommarktöffnung ab 1. Oktober d.J. zu einer Senkung der Strompreise für die Haushalte um 10 % und für Gewerbetreibende um 15 % führen. Nun liege es bei den Konsumenten, zu entscheiden,  welche Form der Energieerzeugung sie bevorzugen. Die Bundesregierung sorge für Transparenz auf dem Strommarkt.

Stolz zeigte sich der Bundeskanzler darauf, dass Österreich bereits 25 % seines Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen decke, bei Strom betrage der Anteil bereits 74 %. Dies sei das Resultat von Investitionen in der Höhe von 110 Mrd. S in die Wasserkraft während der letzten Jahre.

Eine große österreichische Stromlösung setze eine mehrheitliche Öffnung voraus, also eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat, wozu die Opposition bislang nicht bereit gewesen sei. An dem KELAG-Geschäft verstehe auch er manches nicht, insbesondere nicht, warum das bessere Angebot der Verbundgesellschaft nicht angenommen wurde. Keineswegs pessimistisch sei er aber hinsichtlich der Gespräche in der Steiermark, wo er auf eine "kleine österreichische Lösung" hoffe.

Beim Thema Temelin unterstrich der Bundeskanzler, wie wichtig es sei, den Melker Prozess fortzuführen. Es gehe darum, Gespräch, Dialog und demokratische Wege weiterzugehen, Blockaden seien abzulehnen.

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SP) zeigte sich enttäuscht von der Bundesregierung und insbesondere von Energieminister Bartenstein. "Wo bleibt die Eigentümerverantwortung der Bundesregierung? Über den Aufsichtsrat der Verbundsgesellschaft hätte der Energieminister seinen Willen und den Willen der Bundesregierung an den Vorstand herantragen können." Den Vorwurf, die SPÖ sei nicht bereit, für eine österreichische Stromlösung über die verfassungsmäßige 51-Prozent-Grenze zu sprechen, wies der Energiesprecher der SPÖ zurück. Die SPÖ habe schon vor einem Jahr klargemacht, dass sie bereit sei, über die 51 % zu sprechen, sobald die Bundesregierung ein Konzept für eine österreichische Übertragungsnetzgesellschaft und eine Wasserkraftgesellschaft auf den Tisch lege.

Abgeordneter Karl Schweitzer (F) führte Gründe ins Treffen, die für den Anteilsverkauf der KELAG an die RWE sprechen. Die Position der KELAG werde gestärkt und ihre Wachstumsstrategie auf dem südosteuropäischen Markt unterstützt, hochwertige Arbeitsplätze in Kärnten würden gesichert und neue geschaffen. Die KELAG werde zum Kompetenz-Zentrum des RWE-Konzerns für Wasserkraft und erneuerbare Energieträger. Die Verbundgesellschaft sei nicht zum Zug gekommen, weil sich ihr Angebot nicht auf den ausgeschriebenen 49-Prozent-Anteil sondern auf 51 % bezogen habe.

Befürchtungen wegen Atomstromimporten nach Österreich wies der F-Umweltsprecher mit dem Hinweis darauf zurück, dass die RWE aus der Atomstromproduktion aussteigen wolle und ihren Atomstromanteil komplett durch eine neue Technologie auf der Grundlage von Brennstoffzellen mit Mikroturbinen ersetzen wolle.

Abgeordneter Karl Heinz Kopf (VP) erinnerte an die veränderte Situation, in der sich die österreichischen Stromversorger angesichts der globalisierten Energiemärkte befinden. Kaufmännische Prinzipien zwingen die EVU zu strategischen Allianzen und Fusionen. Die Politik könne nur versuchen, rechtliche Spielräume auszunützen, was in Österreich mit der Verabschiedung des ElWOG geschehen sei. Der Import von Atomstrom aus Drittstaaten wurde verhindert und eine strenge Kennzeichnungspflicht verankert. Auch hinsichtlich des Kernkraftwerks Temelin nütze Österreich seine Spielräume. In der Fortsetzung des in Melk begonnenen Verhandlungsprozesses liege die einzige Chance, Temelin zu stoppen. Die Grünen aber verabschiedeten sich aus populistischen Gründen von dieser gemeinsamen Anti-Atompolitik, bedauerte Abgeordneter Kopf.

Abgeordnete Evelin Lichtenberger (G) sprach von einer Bankrotterklärung der Bundesregierung in der Anti-Atompolitik. Nicht ungeschoren blieb bei Lichtenberger auch die SPÖ, habe sie doch den einstimmigen Beschluss für den KELAG-Verkauf in Kärnten mitgetragen. Scharfe Kritik übte die Grüne Abgeordnete an der freiheitlichen Argumentation, man müsse in die Atomstromproduktion einsteigen, um später wieder aussteigen zu können. Sowohl in der Steiermark als auch in Kärnten sei die Chance für eine österreichische Stromlösung vertan. Dort setze man darauf, sich in die Arme europäischer Atomkonzerne zu werfen. Das sei keine Fortsetzung der österreichischen Anti-Atompolitik, sondern ein "Kniefall vor den Atomriesen", kritisierte Lichtenberger.

Abgeordnete Ulrike Sima (SP) rückte das Interesse der Konsumenten in den Vordergrund, die wissen wollen, ob Atomstrom aus ihren Steckdosen komme. Sima forderte die Bundesregierung auf, ein eindeutiges Bekenntnis zur Stromkennzeichnung abzulegen. Dann setzte sich die Rednerin mit den Erklärungen des FP-Umweltsprechers auseinander und nannte sie wörtlich "eine Peinlichkeit". RWE sei der größte Abnehmer von Atomstrom aus Temelin; wie ausgerechnet mit diesem Konzern eine Antiatomstrategie umgesetzt werden soll, sei für sie nicht nachvollziehbar.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein machte darauf aufmerksam, dass die Konsumenten ab 1. Oktober 2001 werden wählen können, von welchem Stromlieferanten sie ihre Energie beziehen wollen. Dann steckte der Minister die aktuellen Ziele der österreichischen Energiewirtschaft ab: Erstens eine langfristige Strategie zur Stärkung der österreichischen Wasserkraft. Hier sah der Minister Österreich auf einem guten Weg. Je nach Wasserführung der Flüsse werden bereits zwei Drittel bis drei Viertel des heimischen Stroms aus Wasserkraft erzeugt. Die Bedeutung der Wasserkraft wird in Europa gegenüber Atomstrom und kalorischem Strom steigen, daher seien die Wasserkraftreserven Österreichs ein wesentlicher Vorteil des Standortes. Die gegenwärtigen Gespräche in der Steiermark, aber auch in Wien und Niederösterreich in Richtung einer österreichischen Kraftwerksgesellschaft laufen laut Bartenstein gut. Als zweiten Teil einer österreichischen Stromstrategie bezeichnete der Ressortleiter eine österreichische Gesellschaft für Stromleitungen, eine AG, in die die verschiedenen Netzanbieter ihre Leitungen einbringen können.

Abgeordneter Gerhard Fallent (F) wies den Vorwurf entschieden zurück, der Verkauf von KELAG-Anteilen liefe auf einen Verkauf österreichischer Wasserrechte hinaus. Die Wasserrechte bleiben selbstverständlich bei den Kärntnern, die Frage, ob die RWE ein Zugriffsrecht auf Kärntner Wasser habe, sei zu verneinen. Entscheidend sei, dass die Brennstoffzellentechnologie eine zukunftsweisende erneuerbare Energieform darstelle. "Wir alle müssen trachten, den Ausstieg aus der Atomkraft in Europa schaffen, die  Entwicklung in Kärnten kann ein wichtiger Schritt in diese Richtung sein".

Abgeordneter Helmut Kukacka (VP) meinte, es gebe genügend Themen, die sich für parteipolitische Auseinandersetzungen und Profilierungen eignen, die Anti-Atompolitik zähle aber nicht dazu. Sie sollte ein gemeinsames Anliegen und jenseits parteipolitischer Kleingeldmünzerei bleiben. Die Sicherheitsüberprüfung und die UVP seien der einzige Weg, zu einer Schließung des AKW Temelin zu gelangen, sagte Kukacka. Nur er lasse Fortschritte in der Bewusstseinsbildung erwarten, für den etwa die Kündigung des Abnehmervertrags durch die Eon ein deutlicher Hinweis sei. Österreich sei auf diesem Weg erfolgreich, wie internationale Reaktionen und auch Äußerungen des tschechischen Umweltministers zeigen. Statt die Bemühungen der Bundesregierung zu kritisieren, sollten die Grünen Druck auf den deutschen Umweltminister ausüben, die österreichische Position zu unterstützen.

Für Abgeordnete Gabriela Moser (G) hat die Bundesregierung ihre Glaubwürdigkeit in der Anti-Atompolitik verloren. In Kärnten sei eine Nagelprobe für ihre Anti-Atompolitik völlig negativ ausgegangen. Die Freiheitlichen ziehen sich nun von einer Politik zurück, die sie noch in den neunziger Jahren vertreten haben und wollten überdies glauben machen, dass sich ein 90-Prozent-Atomstromanteil bei der RWE binnen kurzem durch eine neue Turbinentechnologie ersetzen lasse. Das Beispiel der Windenergie zeige, wie schwer es selbst für eine ausgereifte Technologie sei, Marktanteile zu übernehmen. Hinsichtlich Temelin machte Moser darauf aufmerksam, dass die vorgesehene UVP nicht den europäischen Standards entspreche und daher Deutschland seine Experten zurückgezogen habe. "Wir wollen keine Feigenblätter, sondern eine glaubwürdige Politik und Nagelproben", sagte Moser.

(Schluss Aktuelle Stunde/Forts. Soziales)