Parlamentskorrespondenz Nr. 421 vom 06.06.2001

UMWELTPOLITIK: LENKUNGSMASSNAHMEN VERSUS FREIWILLIGKEIT

Nationalratsdebatte zeigt Konsens bei Zielen, Dissens beim Weg

Wien (PK) - Mit einer Reihe von Gesetzesinitiativen zu Umweltthemen beschloss der Nationalrat am Mittwoch seine Plenarsitzung. In der Debatte zeigte sich weitgehende Übereinstimmung bei den Zielen, unterschiedliche Auffassungen aber hingegen bezüglich des Wegs zu den Zielen. Während die Regierungsfraktionen auf Freiwilligkeit setzen, zweifeln die Oppositionsfraktionen deren Wirksamkeit an und befürworten gesetzliche Lenkungsmaßnahmen.

UMWELTMANAGEMENTGESETZ

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Abgeordnete Mag. SIMA (S) klagte, das neue Motto der Regierung im Umweltschutz scheine Freiwilligkeit statt ordnungspolitische Maßnahmen zu lauten. Für EMAS-zertifizierte Firmen würden künftig behördliche Kontrollen entfallen, obwohl das EMAS-Zertifikat nicht mehr sage, als dass ein Betrieb das Umweltmanagementsystem eingeführt habe, unabhängig davon, ob tatsächlich umweltrelevante Maßnahmen gesetzt würden. Für sie sei es nicht nachvollziehbar, warum man diesen Betrieben einen Persilschein ausstelle, sagte Sima.

Abgeordneter Ing. FALLENT (F) sprach sich dem gegenüber dafür aus, freiwilligen Maßnahmen im Umweltbereich Vorrang zu geben, weil damit die Bereitschaft steige, umweltrelevante Maßnahmen in die Tat umzusetzen. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält ihm zufolge darüber hinaus wichtige Bestimmungen zur Verwaltungsvereinfachung. So werde es künftig leichter möglich sein, Anlagenveränderungen vorzunehmen. Dabei blieben Parteienrechte aber gewahrt, versicherte Fallent.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) sprach von einer "überschießenden" Gesetzesvorlage. Ihrer Ansicht nach verfolgt das Gesetz Deregulierung und Umweltabbau, statt auf "fairen Ausgleich" zu setzen. EMAS-zertifizierte Betriebe würden einfach von staatlicher Aufsicht befreit. Positiv wertete Glawischnig die Zuständigkeitskonzentration für die Eintragung von Umweltgutachtern im Umweltministerium.

Abgeordneter KOPF (V) skizzierte, in den letzten Jahren habe man im Umweltbereich mit ordnungspolitischen Maßnahmen viel erreicht, jetzt sei man aber an einen Punkt angelangt, wo man an die Grenzen der Akzeptanz stoße. Daher wolle man mit dem vorliegenden Gesetz einen seiner Meinung nach sehr tauglichen Versuch unternehmen, einen anderen Weg zu gehen, nämlich den freiwilliger Vereinbarungen. Nach Ansicht Kopfs verdienen die Unternehmen, die sich der EMAS-Zertifizierung unterziehen, entsprechendes Vertrauen.

Umweltminister Mag. MOLTERER betonte, Zertifizierungen seien ein hoch attraktives, modernes Instrument. Wenn man wolle, dass sie angenommen würden, müsse man für Betriebe Anreize schaffen. EMAS-zertifizierte Betriebe könnten in diesem Sinn etwa mit weniger Verwaltungsaufwand und mehr Rechtssicherheit rechnen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird Molterer zufolge ein neuer Weg in der Umweltpolitik eingeschlagen.

Abgeordneter WIMMER (S) stellte hingegen fest, das vorliegende Gesetz sei ein gutes Beispiel dafür, welchen Stellenwert Umweltpolitik für die amtierende Regierung habe. Seiner Auffassung nach kommt es auf Kosten der Umwelt zu massiven Erleichterungen für die Industrie.

Abgeordneter DI HOFMANN (F) wies Behauptungen zurück, wonach EMAS-zertifizierte Betriebe keinen ordnungspolitischen Vorschriften mehr unterliegen würden. Die Schwellenwerte der UVP würden nach wie vor gelten, bekräftigte er, und auch die technischen Standards seien von den Unternehmen einzuhalten. Hofmann selbst begrüßte die Gesetzesvorlage, die ihm zufolge keinesfalls auf Kosten der Umwelt geht.

Das Umweltmanagementgesetz wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen.

AUFHEBUNG DES SMOGALARMGESETZES UND ÄNDERUNG DES IMMISSIONSSCHUTZGESETZES-LUFT

--------------------------------------------------------------------

Abgeordneter HEINZL (S) konstatierte, die Regierungsvorlage trage die Handschrift von Wirtschaftsminister Bartenstein, der viele positive Punkte aus dem ursprünglichen Ministerialentwurf des Umweltministeriums herausreklamiert habe. Den Umweltminister forderte Heinzl auf, den Landeshauptleuten eine Weisung zu erteilen, umgehend Maßnahmenkataloge zur Verbesserung der Luftqualität zu erlassen. Er habe den Eindruck, dass über Verfehlungen von manchen Industriebetrieben augenzwinkernd hinweggesehen werde, kritisierte er. In diesem Zusammenhang machte der Abgeordnete auch auf die hohe Ozonbelastung in manchen Gebieten aufmerksam.

Abgeordneter Ing. Herbert GRAF (F) bedauerte, dass keine gemeinsame Lösung mit der Opposition zustande gekommen sei. Seiner Meinung nach bietet der Gesetzentwurf nur Vorteile für Menschen und Gesundheit. So werde nunmehr erstmals eine Grenzwertmessung von Staub eingeführt. Zudem komme es mit der Aufhebung des Smogalarmgesetzes zu einer Gesetzesbereinigung.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) unterstrich, es habe einen "relativ ambitionierten Entwurf" des Umweltministeriums gegeben, der vom Wirtschaftsministerium aber massiv verändert und abgeschwächt worden sei. Für noch bedenklicher erachtet sie aber die Stellungnahme des Wirtschaftsministers zum ursprünglichen Entwurf, in welcher sich dieser dezidiert dagegen ausgesprochen habe, Österreich im Bereich der Luftreinhaltepolitik zu einem EU-Musterland zu machen, und darüber hinaus die Vereinbarungen von Kyoto als nicht realisierbar bewertet habe. Damit habe Bartenstein, so Glawischnig, den Konsens der österreichischen Klimaschutzpolitik verlassen.

Abgeordneter MIEDL (V) entgegnete, Österreich habe ein sehr modernes Immissionsschutzgesetz-Luft und bewege sich durchaus auf europäischem Niveau und Standard. Grenzwerte sind für ihn vor allem dazu da, um "dem unwissenden Bürger" Hilfestellung zu geben.

Umweltminister MOLTERER betonte, der Gesetzentwurf sei ein Fortschritt. Man könne darüber geteilter Meinung sein, wie groß dieser Fortschritt sei, sagte er, aber es gebe auf jeden Fall eine Verbesserung zum jetzigen Rechtszustand. So werde etwa ein neuer Grenzwert für Feinstaub eingeführt. Außerdem würden die bestehenden Standards überall gehalten, und dort, wo man es für notwendig halte, gingen diese sogar über die EU-Standards hinaus. Als Beispiel nannte Molterer den Jahresmittelwert von NO2.

Abgeordneter Ing. KAIPEL (S) meinte, es sei grundsätzlich richtig, die europäischen Vorgaben umzusetzen, er bedauerte jedoch, dass der ursprüngliche Ministerialentwurf verwässert worden sei. Die SPÖ könne die neu eingeführten Toleranzmargen ebenso wenig unterstützen wie die vorgenommene Ersetzung von Grenzwerten durch Zielwerte, konstatierte er. Ein von Kaipel eingebrachter Abänderungsantrag enthält strengere Grenzwerte in manchen Bereichen.

Abgeordneter HORNEK (V) verwies darauf, dass das Immissionsschutzgesetz-Luft seit 1. April 1998 in Kraft sei und dem Schutz von Menschen vor schädlichen Umwelteinflüssen diene. Seiner Auffassung nach ist Österreich Vorreiter in der EU in Sachen Luftreinhaltung. Größten Handlungsbedarf in Zukunft sieht Hornek im Zusammenhang mit der Luftbelastung durch Dieselmotoren. Durch einen verstärkten Einsatz von Bio-Diesel könnte ihm zufolge die bestehende Schadstoffbelastung massiv reduziert werden.

Der vorliegende Gesetzentwurf wurde mit Stimmenmehrheit angenommen. Der Abänderungsantrag der SPÖ blieb in der Minderheit.

ÄNDERUNG DES ALTLASTENSANIERUNGSGESETZES

--------------------------------------------------------------------

Abgeordneter OBERHAIDINGER (S) machte darauf aufmerksam, dass zur Sanierung von Altlasten in den nächsten Jahren ca. 50 Mrd. S aufgewendet werden müssten. Den von den Regierungsparteien eingeschlagenen Weg wertete er als nicht zielführend und als zu wenig verursachergerecht. In einem Entschließungsantrag forderte Oberhaidinger die Regierung auf, bis zum 31.12.2001 ein Konzept zur langfristigen Sicherung der Sanierung von Altlasten vorzusehen.

Abgeordneter Ing. WEINMEIER (F) erläuterte, der vorliegende Gesetzesentwurf diene einer besseren finanziellen Abwicklung von großen Sanierungsfällen im Bereich von Altlastensanierung. Er bekenne sich zum Finanzierungsmodell über die Einhebung eines Altlastenbeitrags. Den Entschließungsantrag der SPÖ, die Altlastensanierung zu überdenken, hält Weinmeier für nicht notwendig, die Sanierung schreitet seiner Ansicht nach gut voran.

Abgeordneter LOOS (V) veranschaulichte die Notwendigkeit einer breiten Finanzierung von Sanierungsfällen im Bereich der Altlastensanierung am Beispiel von drei Gemeinden mit je 6.000 Einwohnern im Burgenland. Wenn der Bund und das Land Burgenland die Beseitigung der Altlasten, die mitten im Nationalpark Seewinkel liegen, nicht finanziell unterstützen würde, wäre es nicht möglich gewesen, eine Sanierung durchzuführen, skizzierte er.

Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) kündigte die Zustimmung zum Gesetzentwurf seitens der Grünen an. Sie hofft, dass es dadurch zu einer gewissen Beschleunigung im "Sanierungsprocedere" kommen wird. Wenn es keine Möglichkeiten für Ersatzvornahmen gebe, würden viele in Frage stehende Flächen nämlich gar nicht saniert, fürchtet sie. Die Akteure spielen ihr zufolge lieber "Katz und Maus" mit den Behörden statt notwendige Sanierungsschritte einzuleiten. Ein ewiger Rechtsstreit bringe aber nichts. Ein zentraler Punkt ist für Lichtenberger, dass ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.

Die Änderung des Altlastensanierungsgesetzes wurde von den Abgeordneten mehrheitlich beschlossen.

G-ANTRAG BETREFFEND RETTUNG DER MEHRWEGSYSTEME IM GETRÄNKEBEREICH * S-ANTRAG BETREFFEND EINFÜHRUNG EINER EINWEGABGABE

--------------------------------------------------------------------

Abgeordneter DOBNIGG (S) bemängelte, Österreich drohe vom Spitzenreiter in der Umweltpolitik ins EU-Mittelfeld abzusacken. So ist für ihn die von Umweltminister Molterer erarbeitete Verpackungszielverordnung ein umweltpolitischer Rückschritt, da damit Einwegverpackungen eindeutig begünstigt würden. Damit würden Tür und Tor für Einwegverpackungen geöffnet, obwohl der Mehrweganteil von Getränken von früher rund 80 Prozent ohnehin bereits auf unter 50 Prozent gesunken sei. Dobnigg forderte die Einhebung einer Einwegabgabe, die von Produzenten und Handel zu tragen wäre.

Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) stellte in Richtung seines Vorredners fest, die SPÖ wolle offenbar eine neue Steuer. Diese Bundesregierung werde einer weiteren Belastung der Bürger aber mit Sicherheit nicht zustimmen. Schweitzer gab zu bedenken, dass sich eine Abgabe, die der Handel bezahlen soll, auf den Preis eines Produktes auswirken würde und damit von den Konsumenten zu tragen wäre.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) kam auf das Dilemma im Bereich der Getränkeverpackungen zu sprechen, wo in den letzten Jahren die Quoten nicht erreicht wurden. Die aktuelle Lösung könne nicht greifen, da nur eine schwammige nichtssagende Formulierung festgelegt wurde, kritisierte sie.

Die Zunahme der Einwegverpackungen in Österreich stelle für alle Beteiligten eine große Herausforderung dar, meinte Abgeordneter GAHR (V). Die Gründe liegen wohl in der Bequemlichkeit der Konsumenten und der gewünschten höheren Flexibilität. Trotz intensiver Bemühungen sei der Trend in Richtung Einwegverpackungen gegangen, weshalb die ökologische Sinnhaftigkeit von Mehrwegsystemen in den Köpfen der Bevölkerung verankert werden müsse.

Abgeordneter Ing. WEINMEIER (F) zeigte sich auch nicht zufrieden mit der derzeitigen Situation, vor allem bei den Mineralwässern und den Fruchtsäften. Er glaube jedoch an die Vernunft des Handels, dem die Chance gegeben werden soll, sich an die freiwillige Vereinbarung zu halten. Die Bundesregierung setze auf Information und freiwillige Vereinbarung und nicht auf neue Abgaben, unterstrich Weinmeier.

Der (negative) Bericht des Umweltausschusses wurde mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

G-ANTRAG BETREFFEND EINE ÖSTERREICHISCHE INITIATIVE FÜR EU-PROJEKTE ZUR SANIERUNG NUKLEARER ALTLASTEN AUF DER HALBINSEL KOLA UND IN DER BARENTS-SEE

--------------------------------------------------------------

Abgeordnete PFEFFER (S) erinnerte daran, dass vor fast einem Jahr das sowjetische Atom-U-Boot Kursk gesunken ist. Damit wurden die massiven Umweltgefahren, die von nuklearen Altlasten ausgehen, wieder ins Bewusstsein der internationalen Öffentlichkeit gerückt. Weiters wies sie darauf hin, dass über 300.000 Kubikmeter radioaktiver Müll auf der Halbinsel Kola unter freiem Himmel gelagert werden. Die österreichische Bundesregierung müsse sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass eine Lösung gefunden werde, forderte sie.

Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) gab bekannt, dass auch seine Fraktion dem Antrag zustimmen werde.

Das Problem der nuklearen Altlasten müsse sehr ernst genommen werden, unterstrich Abgeordneter ELLMAUER (V). Er hoffe daher, dass die Russische Föderation das nukleare Umweltprogramm unterzeichnen werde, damit eine Lösung für die Abwrackung von ca. 60 russischen Atom-U-Booten gefunden wird.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) erläuterte nochmals den Antrag der Grünen und zeigte sich erfreut darüber, dass diese Initiative von allen vier Fraktionen mitgetragen werde. Überdies brachte sie noch einen Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung u.a. ersucht wird, die Bemühungen der schwedischen EU-Präsidentschaft in dieser Frage zu unterstützen.

Abgeordneter OBERHAIDINGER (S) zeigte sich erfreut darüber, dass es doch noch zu einem Vier-Parteien-Antrag im Bereich der Anti-Atompolitik gekommen ist. Seine Fraktion betrachte jedoch den Melker Prozess als nicht geeignet, um Tschechien von einem Ausstieg aus Temelin zu überzeugen. In einem Entschließungsantrag trat Oberhaidinger schließlich noch für eine österreichische Stromlösung ein.

Abgeordneter KOPF (V) brachte sodann einen Vier-Parteien-Antrag betreffend einen österreichischen Aktionsplan in der Antiatompolitik ein.

Bei der Abstimmung wurde die dem Ausschussbericht beigedruckte Entschließung einstimmig angenommen; ebenso wurde der S-V-F-G-Entschließungsantrag betreffend Anti-Atompolitik einstimmig angenommen. Der G-Entschließungsantrag (Antiatompolitik) sowie der S-Entschließungsantrag (österreichische Stromlösung) fanden hingegen keine Mehrheit. Der Fristsetzungsantrag bezüglich ein Pensionsreformgesetz 2001 (Frist bis 3. Juli 2001) wurde mehrheitlich angenommen.

(Schluss)