Parlamentskorrespondenz Nr. 524 vom 04.07.2001

DRINGLICHE ANFRAGE DER GRÜNEN: "SÄUBERUNGEN STATT REFORMEN"

Maßnahmen bei Sozialversicherung, ORF und ÖIAG im Mittelpunkt

Wien (PK) - Die Tagesordnung der Nationalratssitzung wurde am Mittwoch Nachmittag für eine Debatte über eine von der Grünen Fraktion eingebrachte Dringliche Anfrage an den Bundeskanzler unterbrochen. Unter Bezugnahme auf die von der Regierung gesetzten Maßnahmen bei der Sozialversicherung, beim ORF und in der ÖIAG und deren Tochterfirmen orten die Grünen Säuberungen statt Reformen.

Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) begründete die Dringliche Anfrage seiner Fraktion, indem er den Anspruch der Regierungsparteien, Österreich neu zu regieren, mit den, wie er sagte, tatsächlichen Wirkungen ihrer Politik konfrontierte. "Wir wissen jetzt, was mit der Entpolitisierung der öffentlichen Institutionen gemeint war", sagte Van der Bellen und warf FPÖ und ÖVP politische "Kopfjagd" vor. Alles was nicht Blau-Schwarz sei, müsse entfernt und ausgeräuchert werden, formulierte der Klubobmann der Grünen pointiert. Der Effekt sei die totale Politisierung der öffentlichen Institutionen, lautete Van der Bellens These.

Als erstes Beispiel nannte der Redner die Vorgänge im ORF und schickte seinen diesbezüglichen Ausführungen eine Charakterisierung des durchaus heiklen Verhältnisses zwischen Journalisten und Politikern voraus. Politiker wollten ihre Botschaften verbreiten, Journalisten müssten Einschätzungen vornehmen, auswählen und kürzen - aus Platzgründen in den Printmedien, aus Zeitgründen im Rundfunk. In einer gefestigten Demokratie sei dies kein Problem. Politiker hielten es schon aus, gekürzt zu werden und begegnen den Journalisten mit Verständnis und Respekt. Denn die Freiheit der  Information sei in der Demokratie die Voraussetzung für  die Wahlentscheidungen der Bürger. Anders sei dies bei autoritären Politikern, "sie halten diesen Konflikt nicht aus". Sie wollen nicht Objekt, sondern Subjekt der Berichterstattung sein und selbst bestimmen, was, wann, wer, wo berichtet. Musterbeispiel dieses Politikertyps sei FPÖ-Klubobmann Westenthaler, der dafür kämpfe, dass der ORF 1:1 sende, was er sage. Dem diene die flächendeckende Einschüchterung der ORF-Journalisten, zunächst der freien Mitarbeiter, dann der Redakteure und schließlich der ORF-Spitze, mit allen Mitteln bis hin zur Klage mit einem Streitwert in Milliardenhöhe. Van der Bellen registrierte eine Einschränkung der Informationsfreiheit für die Bürger und Bürgerinnen des Landes - der Bundeskanzler aber schaue zu und schweige. Während Westenthaler offen für seine Interessen kämpfe und man daher wisse, was die FPÖ wollte, wenn sie könnte, sei dies bei der ÖVP hingegen nicht so deutlich. Sie agiere stiller, heimlicher und verstohlener, lautete der Vorwurf Van der Bellens.

Sein zweites Beispiel für die Politisierung der öffentlichen Institutionen durch die blau-schwarze Bundesregierung war die am Freitag zur Abstimmung stehende ASVG-Novelle zur Ablöse des Präsidenten des Hauptverbandes Hans Sallmutter. Anhand von Zitaten aus einem Gutachten von Prof. Funk, das von der Wirtschaftskammer Österreich in Auftrag gegeben worden war, untermauerte Van der Bellen seine Kritik an den Absichten der Bundesregierung, kritisierte unverhältnismäßige und sachlich nicht gerechtfertigte Eingriffe in die Autonomie der Sozialversicherung, Verstößen gegen elementare Grundsätze des Rechtsstaates und äußerte schwere verfassungsrechtliche Bedenken. Van der Bellen sprach von politischer Willkür und zeigte sich verwundert, dass die Freiheitlichen und insbesondere ihr Arbeitnehmervertreter Gaugg einer Reform zustimmten, die schwerwiegende Verfassungsbrüche und eine Beschädigung der Sozialpartnerschaft bedeute und dazu führe, dass in der Sozialversicherung nichts mehr ohne die Volkspartei beschlossen werden könne. Mit dieser Novelle werde eine Lawine in Gang gesetzt, von der niemand wisse, wo sie stehen bleiben werde.

Abschließend wandte sich der Klubobmann der Grünen der ÖIAG zu und erinnerte daran, dass Finanzminister Grasser Johannes Ditz über die Medien ausgerichtet habe, der AUA-Vorstand müsse entfernt werden. Er bewertete dies als eine Intervention im Stil der sechziger, siebziger oder achtziger Jahre. Ohne jedes Recht, in die Aktiengesellschaft AUA einzugreifen, interveniere der Finanzminister und spreche dann von "neu regieren". Von Entpolitisierung könne keine Rede sein, schloss Van der Bellen. Im Gegenteil - was diese Regierung tatsächlich bewirke, sei die totale Politisierung öffentlicher Institutionen.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel bekannte sich nachdrücklich zu seiner Verantwortung für die Bundesregierung sowie für die Fülle von Reformen, die diese Regierung bereits in die Wege geleitet habe und listete nicht ohne Stolz auf: Österreich nähere sich mit Sieben-Meilen-Schritten dem Nulldefizit. Heute sei das Kindergeld beschlossen worden. Die ÖIAG sei entpolitisiert, die Nabelschnur zur Politik völlig durchtrennt - Finanzminister und Bundeskanzler könnten keinen Einfluss auf ÖIAG-Betriebe mehr nehmen, sondern allenfalls persönliche Meinungen äußern. Der Finanzausgleich sei finanzübergreifend ausgehandelt worden, die Spitalsfinanzierung mit den Gebietskörperschaften außer Streit gestellt. An der Staatsreform werde mit Hochdruck gearbeitet, berichtete der Bundeskanzler und bekannte sich außerdem zum Ziel, die Reformtätigkeit der Bundesregierung nicht auf den Staat zu beschränken.

So sei die Reform des ORF notwendig, weil in Österreich keine ausreichende Medienvielfalt, kein privates Fernsehen existiere. Auch in der Sozialversicherung bestehe Reformbedarf, sagte Dr. Schüssel und wendete Van der Bellens Vorwurf von der "Kopfjagd" ins Positive. "Wir müssen auf die Jagd nach den besten Köpfen gehen, um dieses Land zu ändern". Gleichzeitig wies er entschieden zurück, "autoritäre Politiker" wollten den freien Journalismus untergraben. Van der Bellen dürfte von einem anderen Land gesprochen haben, was er hier beschrieben habe, sei nicht Österreich. Schüssel empfahl dem Grünen Klubobmann, künftig vorsichtiger mit dem Vorwurf schwerwiegender Verfassungsbrüche umzugehen, er laufe sonst Gefahr, den Ruf eines angemessen formulierenden Oppositionspolitikers zu verlieren.

Wahr sei, dass Politiker ihre Botschaften platzieren wollten, Journalisten aber auszuwählen hätten, was den Politikern nicht immer angenehm sei. Das Problem liege in extremen Verkürzungen, sagte der Bundeskanzler und widersprach Van der Bellen, dass die Bundesregierung an dem Kampf um Sekundenbruchteile Sendezeit im ORF schuld sei. "Wir wollen mehr, nicht weniger Meinungsfreiheit in Österreich".

Seinen Ausführungen zum Thema ÖIAG stellte der Bundeskanzler die Feststellung voran, dass auch früher schon privatisiert worden sei. Die Erlöse seien aber verwendet worden, um Zinsen für Uralt-Schulden und Spekulationsverluste zu bezahlen. Die neue Bundesregierung hingegen habe den Schuldenstand der ÖIAG binnen Jahresfrist um zwei Drittel von 86 Mrd. S auf 28 Mrd. S gesenkt. Der Aufsichtsrat der ÖIAG sei aus 250 Personen ausgewählt worden und repräsentiere heute hochqualifizierte Unternehmerpersönlichkeiten, die die Verantwortung für 120.000 Arbeitnehmer und einen Umsatz von 400 Mrd. S tragen. "Dort sitzen keine Ministersekretäre und Politgünstlinge mehr,  sondern Profis." Der Börsenwert der ÖIAG-Betriebe konnte seit Amtsantritt der neuen Regierung im Februar 2000 um 54 Mrd. S auf 148 Mrd. S gesteigert werden. Berücksichtige man die Veräußerungen, betrage der Wertzuwachs immer noch 15 Mrd. S - "das ist ein großartiger Erfolg der neuen Regierungspolitik", sagte der Bundeskanzler.

Dann ging Schüssel auf die geplante Reform des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger ein und erinnerte an seine Bemühungen um einen Konsens mit den Sozialpartnern. Das Ziel laute, die Zahl der Entscheidungsebenen von fünf auf drei zu reduzieren. Dabei werde die Parität zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sichergestellt. Eine solche Sozialversicherungskonstruktion bewähre sich in Deutschland seit 1949, sagte der Bundeskanzler.

Zu den strittigen Themen habe die Parität auf der Ebene des Präsidenten gezählt. Hier habe man sich am deutschen Modell orientiert. Strittig seien auch die Unvereinbarkeitsregeln gewesen, die bedeuten, dass kein Trägerobmann im Verwaltungsrat und keine politischen Mandatare in der Spitzenebene vertreten sein sollen. Die Regierung will mehr Selbstverwaltung und weniger politischen Einfluss, hielt der Bundeskanzler fest. Die Minister verzichten auf wesentliche Rechte, die sie heute noch besitzen, etwa bei der Besetzung von Funktionen, machte Dr. Schüssel aufmerksam. Künftig sei dies ausschließlich Sache des Verwaltungsrates. Schüssel nannte die Reform "eine Brücke zu einer modernen Sozialversicherung und zu einem modernen Gesundheitssystem".

Auf die insgesamt 24 Fragen der Grünen eingehend erläuterte der Bundeskanzler die Absicht, statt fünf Führungsebenen im Hauptverband drei Ebenen einzuführen und ein strategisches und langfristiges Gremium zu schaffen, das aus dem tagespolitischen Streit herausgehoben wird. Die politischen Parteien sollen keinen Vertreter mehr entsenden können, zeigte sich der Bundeskanzler überzeugt und wies auf demokratiepolitische Defizite in der Vergangenheit hin.

Schüssel bekannte sich zu dem Ziel, ein einheitliches EDV-System und ein trägerübergreifendes Controlling einzuführen und damit die Selbstverwaltung zu stärken. Die Zettelwirtschaft bei den Krankenscheinen sollen überwunden und mit der Chip-Card ein modernes elektronisches Verrechnungssystem eingeführt werden, wie es alle Gesundheitspolitiker seit langem fordern. Nachdrücklich bekannte sich Schüssel auch zu Einsparungen in der Verwaltung, da er für Beitragserhöhungen im Umfang von 15 Mrd. S, wie sie vorgeschlagen wurden, nicht zur Verfügung stehe.

Den Vorwurf politischer Kontrolle wies der Bundeskanzler einmal mehr zurück und legte ein Bekenntnis für eine pluralistische Selbstverwaltung ab, die Verwaltungseinsparungen erziele und Reformen umsetzen könne. Eine Zusammenlegung von BVA und PVAng könne er sich ebenso vorstellen wie eine Zusammenlegung der Pensionsversicherungen der Bauern und Gewerbetreibenden.

Hinsichtlich des Vetorechtes wies der Bundeskanzler darauf hin, dass die neuen Formulierungen den geltenden Bestimmungen im wesentlichen entsprechen und bis zur Beschlussfassung präzisiert werden sollen.

Der Geschäftsführer des Hauptverbandes soll im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung ermittelt werden, sagte der Bundeskanzler und unterstrich neuerlich den Grundsatz "Jagd auf die besten Köpfe".

Von der Resolution der "Zeit im Bild"-Redakteure zeigte sich der Bundeskanzler durchaus betroffen und berichtete von einem guten Gespräch mit den Vertretern der ZIB-Redakteure. Es sei problematisch gewesen, mit einem Halbsatz aus einem langen Interview mit stark differenzierender Argumentation zitiert worden zu sein. In einem anderen Fall sei - unter Verwendung eines durchaus korrekten Zitates - der Eindruck entstanden, er habe auf europäischer Ebene einen massiven Vorstoß für eine Beistandsverpflichtung unternommen, was nicht den Tatsachen entsprochen habe, stellte der Bundeskanzler klar, räumte aber gleichzeitig ein, dass der Vorwurf der "Manipulation" nicht gerechtfertigt gewesen sei.

Weil Politiker und Journalisten auf verschiedenen Seiten stehen und jeder etwas Gutes für das Land erreichen wolle, sei es notwendig, gegenüber Journalisten vorsichtig zu sein. Die Antwort der Regierung laute: Verankerung der journalistischen Unabhängigkeit, Stiftungskonstruktion, Haftung und weniger politischer Einfluss im ORF. Dass die Entsendung von Politikern in den ORF künftig ausgeschlossen sei, werde den ORF freier und sein Programm hoffentlich besser machen, sagte der Bundeskanzler. Dass geheime Abstimmungen im ORF nicht mehr zulässig sein werden, entspreche dem Aktienrecht und der Forderung nach größtmöglicher Transparenz.

Zum Fragenkomplex der ÖIAG meinte Schüssel, dass sich die Bundesregierung strikt an das Aktienrecht halte und der Finanzminister klargestellt habe, dass nicht er den Aufsichtsrat bestelle und abberufe. Früher hingegen sei eine politische Einflussnahme möglich gewesen. Vehement widersprach der Bundeskanzler dem Vorwurf des Proporzes, denn man habe unter mehreren anerkannten Managern die geeigneten Persönlichkeiten ausgesucht. Es gebe derzeit nur mehr einen einzigen Proporz, und dieser sei in der Bundesregierung selbst. Abschließend sagte Schüssel in Richtung SPÖ, dass mit Susanne Riess-Passer mehr weitergehe als mit Klima.

Abgeordneter Peter Pilz (G) versuchte eine Definition von "Regieren-Neu" und zog zu diesem Zweck einige Beispiele heran, wonach unter anderem der Bundeskanzler einen Journalisten in aller Öffentlichkeit Manipulation vorgeworfen habe, wonach der Landwirtschaftsminister für den Bundeskanzler bei der ORF-Spitze interveniert habe, wonach der Finanzminister den Chef der ÖIAG aufgefordert habe, ihm die Köpfe der AUA-Vorstände zu liefern. Neu-Regieren heiße offensichtlich "Drohung, Einschüchterung und Belästigung", so der Grünmandatar. Pilz räumte ein, dass es zwar früher auch den Proporz gegeben habe, und zwar als "System filzartiger Einbindung aller". Der neue Proporz bedeute aber eine Machtübernahme der einen Hälfte der Republik, um die andere Hälfte auszuschließen, und deshalb sei dieser viel schlimmer.

Für Abgeordneten Josef Cap (S) war die Beantwortung der Dringlichen Anfrage durch den Bundeskanzler geprägt von "Beruhigungsrhetorik". Dennoch wisse man, was in diesem Land wirklich geschehen ist, sagte Cap in Richtung Regierungsfraktionen. Die im Rundfunkgesetz und bei der Umgestaltung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger geplanten Ausschließungsgründe sind seiner Meinung nach deshalb "unerhört", weil man sich anmaße zu sagen, wer keine Kompetenz hat, in den Gremien zu sitzen.

Cap mutmaßte, dass nun mit Samtpfoten die Demokratie abgebaut werden solle, wobei er gleichzeitig den Widerstand der SPÖ ankündigte. In diesem Zusammenhang verteidigte er vehement die geplanten Demonstrationen als legitimen Widerstand und beschuldigte die VertreterInnen der Regierungsparteien, Kampagnen loszutreten, die das Demonstrationsrecht diskreditieren. Ihm bereite der eingeschlagene Weg große Sorgen, da er um die Demokratie sowie um die demokratische und politische Kultur in Österreich bange.

Abgeordneter Reinhart Gaugg (F) assoziiert mit SOS "schützt Österreich vor diesen Sozialisten". Er qualifizierte im Gegensatz zur Opposition alle bisherigen Gesetzesbeschlüsse als Schritte zum Wohl der Bevölkerung, während in den vorangegangenen Jahrzehnten der Machtmissbrauch dazu geführt habe, alles in Geiselhaft zu nehmen, bis hin zur ORF-Spitze. Der Hauptverband diene derzeit lediglich zur Selbstversorgung der FunktionärInnen, Postenbesetzungen wären lupenreiner Postenschacher gewesen, so die Meinung Gauggs. Diese Regierung wolle aber, dass im Hauptverband ebenfalls Profis tätig werden, so wie dies jetzt schon im ÖIAG-Aufsichtsrat der Fall sei.

Scharf kritisierte der Mandatar, dass morgen in vielen Kassen Versammlungen abgehalten würden, um die Fahrtkosten zur Demonstration abrechnen zu können, was einen Missbrauch von Beitragsgeldern darstelle.

In einer tatsächlichen Berichtigung widersprach Abgeordneter Pilz (G) seinem Vorredner, der behauptet hatte, er sei spuckend und randalierend durch Wien gezogen. Pilz meinte, dass er dies in keiner Sekunde seines Lebens getan habe, genauso wenig wie er sich eine Sekunde seines Lebens wie ein Kärntner Freiheitlicher benommen habe.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) beschuldigte die Grünen, die Methode anzuwenden, oftmals die Unwahrheit zu sagen, denn dann werde schon irgend etwas hängen bleiben. Die Dringliche Anfrage habe sich als die hässliche Seite der Politik entpuppt, nämlich als eine pauschale Diffamierung, im Gegensatz zur positiven Seite, der Gestaltung der Zukunft. Jedenfalls sei er zufrieden, dass "industrielle Kaliber" bereit gewesen seien, in den Aufsichtsrat der ÖIAG zu gehen, und es gelungen sei, den Schuldenstand von 87 Mrd. S bei Regierungsübernahme auf nunmehr 28 Mrd. S zu senken. Was nun geschehe, bezeichnete Stummvoll als "politisch-hygienisch wichtig", denn die Reformen seien gekennzeichnet durch mehr Professionalität, mehr Selbstverwaltung, mehr Fairness, mehr Transparenz sowie mehr Leistungsgesinnung und Motivation.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) wiederum interpretierte Regieren-Neu damit, dass der Bundeskanzler offensichtlich Fragen nur mehr kursorisch beantwortet; dass in der "Prinzhorn-Sauna" offensichtlich über die wichtigsten Belange der Wirtschaft im Freundeskreis entschieden wird, was tatsächlich nichts mit Parteibuchwirtschaft zu tun habe, sondern unter Freunderlwirtschaft bekannt sei; dass das Vorgehen der Bundesregierung nach "Österreich-Alt" rieche; dass es nicht um inhaltliche Reformen gehe, sondern darum, die Strukturen parteipolitisch zu ändern.

Am Ende seiner Rede brachte er zwei Entschließungsanträge im Zusammenhang mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger ein: Der eine betrifft die Streichung des Veto-Rechts, der andere demokratische Wahlen der Selbstverwaltungsträger der Sozialversicherungen.

"Eigenlob stinkt, Hochmut kommt vor dem Fall", so begann Abgeordneter Josef Edler (S) seinen Debattenbeitrag. Auch er kann keine tatsächlichen Reformen erkennen, sondern lediglich eine politische Umfärbung. Die Sozialdemokratie und die Gewerkschaftsbewegung lasse sich aber nicht beirren und werden auch zur geplanten Einführung einer privaten Versicherungspflicht ihr striktes Nein sagen, bekräftigte der Redner. Er brach auch eine Lanze für die Sozialpartnerschaft, die sich bei der Reform der Sozialversicherungen sicherlich gefunden hätte. Aber der Regierung gehe es um Köpfe und nicht um Reformen, meinte er. Edler betonte, dass der ÖGB Demonstrationen immer friedlich organisiert habe, weil es ihm um die Sache gehe. Jedenfalls hätten viele Menschen in Österreich Angst vor der derzeitigen Entwicklung.

Abgeordnete Theresia Zierler (F) kritisierte die angekündigten Demonstrationen und griff die Gewerkschaft massiv an, weil sie Leute durch Bezahlung oder durch Zwang mobilisiere. So würden in der PVA tausend Arbeitsstunden verrechnet, was die Versicherten bezahlen müssten; Lehrlinge der ÖBB würden vergattert, an der Demonstration teilzunehmen. Diese Auffassung von Demokratie teile sie nicht. Die Reform des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger verteidigte sie mit dem des Rechnungshofes, der der Verwaltung des Hauptverbandes ein schlechtes Zeugnis ausgestellt hat, und wies den Vorwurf, die FPÖ interveniere im ORF, als falsch zurück. Den Freiheitlichen gehe es um objektive Berichterstattung, sagte Zierler. Freilich hätte die SPÖ früher nicht intervenieren müssen, denn damals habe aufgrund der Personalpolitik vorauseilender Gehorsam geherrscht.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) sprach von einer missglückten Anfrage. Man könne verschiedene Einstellungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben, sagte er, es sei aber unbestritten, dass ein österreichischer Rundfunk, der Kraft Gesetzes Gebühren einheben dürfe, objektiv, unabhängig und mit hoher Qualität senden müsse. Um nichts anderes gehe es bei der anstehenden ORF-Reform.

Verteidigt wurde von Tancsits aber auch die geplante Reform des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger. Er machte geltend, dass derzeit sämtliche Dienstnehmervertreter im Hauptverband von der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter entsandt würden, ihm zufolge sollte aber jeder Arbeitnehmer eine Vertretungschance haben. Nur so könne "unser exzellentes Solidar-Versicherungssystem" legitimiert werden.

Abgeordnete Gabriela Moser (G) meinte dem gegenüber in Richtung ihres Vorredners, sowohl im ORF als auch im Hauptverband der Sozialversicherungsträger werde sich künftig die Regierungsmehrheit widerspiegeln. Das "Demokratiespiel" der Koalition führe dazu, dass die Mehrheitsverhältnisse in allen Körperschaften jenen auf der Regierungsbank entsprechen. Besondere Kritik übte Moser außerdem an der Bestellung des Aufsichtsrats der ÖIAG, wo sie das Proporzsystem durch ein Clansystem bzw. ein System von Seilschaften abgelöst sieht. Die ÖIAG-Politik ist ihrer Meinung nach "wirtschaftsgefährdend".

Abgeordnete Doris Bures (S) klagte, die Regierung verwechsle Österreich offenbar mit einem Selbstbedienungsladen. Von der "Verscherbelung" staatlicher Betriebe würden lediglich einige wenige Profiteure etwas haben, auf der anderen Seite stünden aber eine große Gruppe von verunsicherten Beschäftigten und geschädigte Aktionäre. Zudem scheue die Regierung nicht davor zurück, "gute österreichische Unternehmen" ins öffentliche Gerede und in Diskredit zu bringen. Zu den geplanten Unvereinbarkeitsbestimmungen im ORF und im Hauptverband der Sozialversicherungsträger merkte Bures an, es sei viel eher unvereinbar, dass einer der größten Immobilienmakler Aufsichtsratsvorsitzender im sozialen Wohnbau sei.

Abgeordneter Gilbert Trattner (F) wies auf einen Rechnungshofbericht über die ÖIAG hin, dem zufolge in den vergangenen Jahren keine Schritte in Richtung Schuldentilgung unternommen worden, sondern lediglich Zinsen bezahlt worden seien. Die jetzige Regierung nehme hingegen die Frage der Privatisierung ernst, betonte er. Durch diese Politik werde die ÖIAG spätestens in vier Jahren schuldenfrei sein. Nach Auffassung Trattners hat die Regierung außerdem mit der "Freunderlwirtschaft" in den Aufsichtsräten aufgeräumt.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel wies Vorwürfe im Zusammenhang mit der Privatisierungsstrategie der Bundesregierung zurück. Seiner Meinung nach sind sowohl die Privatisierung der Postsparkasse als auch die Veräußerung der Austria Tabak erfolgreich gewesen. Aber auch die Teilprivatisierung der Telekom sei von der ÖIAG in einer schwierigen Situation gut gemacht worden. Darüber hinaus wandte sich der Kanzler dagegen, sämtliche bestellte Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder in ein Naheverhältnis zur Regierung bringen zu wollen.

Abgeordneter Karl Donabauer (V) meinte, es könne nicht sein, dass alles, was früher geschehen sei, ausnahmslos richtig und alles Neue ausnahmslos schlecht sei. "Das glaubt Ihnen niemand." Auch durch die Aktionen des ÖGB werde das nicht anders. Donabauer unterstrich, die Regierung würde alle versprochenen Reformen umsetzen. Zur Reform des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger sagte er, in den Sozialversicherungen würden Beiträge von allen Bürgern verwaltet, daher müssten auch alle Bürgergruppen das Recht haben, im Hauptverband vertreten zu sein. Die Selbstverwaltung ist für ihn nach wie vor gewährleistet.

Abgeordneter Helmut Haigermoser (F) nahm zu den Ausführungen einiger Abgeordneter Stellung und bekräftigte u.a., er stehe zur Ausweitung der Minderheitsrechte im Hauptverband der Sozialversicherungsträger. So werde auch der Freie Wirtschaftsverband künftig dort vertreten sein. Die Reform des Hauptverbandes erachtet Haigermoser nicht zuletzt im Sinne einer Verbesserung des Gesundheitssystems für notwendig.

Der vorsitzführende Zweite Nationalratspräsident Thomas Prinzhorn erteilte Abgeordnetem Haigermoser für den Ausdruck "Altstalinisten" in Richtung der Grünen einen Ordnungsruf und erklärte, er behalte sich nach Durchsicht des Protokolls einen weiteren Ordnungsruf vor. Diesen Ordnungsruf erteilte Prinzhorn im späteren Verlauf der Debatte.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) zeigte sich über die Dringliche Anfrage erfreut, da diese, wie er meinte, dem Bundeskanzler und den Abgeordneten der Koalition die Möglichkeit gegeben habe, viele Argumente zu entkräften. "Viele rot-grüne Luftballons sind zerplatzt wie Seifenblasen." So konnte Stummvoll zufolge der Vorwurf der Parteibuchwirtschaft ebenso widerlegt werden wie jener des Köpferollens. Auch werde durch die Reform des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger nicht die Demokratie gefährdet, vielmehr würden Wahlergebnisse berücksichtigt. Als Vorzüge der Hauptverbands-Reform nannte Stummvoll u.a. den Einzug eines professionellen Managements und die Beseitigung von Doppelgleisigkeiten.

Abgeordneter Werner Kogler (G) hielt der Koalition vor, durch ihre Wortwahl das Demonstrationsrecht schlecht machen zu wollen und sprach von "erniedrigender Polemik". Beklagt wurde von ihm außerdem, dass der Bundeskanzler "wenig bis gar nichts" auf die Dringliche Anfrage geantwortet habe.

Abgeordnete Doris Bures (S) bekräftigte in einer zweiten Wortmeldung ihre Vorbehalte gegen den Aufsichtsrat der ÖIAG. "Reden Sie nicht von Unabhängigkeit", forderte sie, der ÖIAG-Aufsichtsrat sei in Wahrheit "ein Verein der Freunde Prinzhorns".

Sowohl der Entschließungsantrag der Grünen betreffend Streichung des Vetorechts als auch der G-Entschließungsantrag betreffend demokratische Wahlen für die Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger blieben bei der Abstimmung in der Minderheit.

(Schluss Dringliche/Forts. NR)