Parlamentskorrespondenz Nr. 618 vom 19.09.2001

ORGANISATIONSÄNDERUNGEN BEI FINANZÄMTERN, ABER KEINE SCHLIESSUNGEN

Finanzressort: Reform der Umsatzsteuer kommt nicht vor 2003

Wien (PK) - In der Folge befassten sich die Mitglieder des Rechnungshofausschuss es mit dem Nachtrag zum Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 1999 und hier insbesondere mit der Abgabeneinbringung seitens der Finanzämter.

Wie dem RH-Bericht zu entnehmen ist, stieg das Abgabenaufkommen bei den Finanzämtern von 1995 bis 1999 um rund 30 % (129,2 Mrd. S); demgegenüber erhöhten sich die fälligen Abgabenrückstände um etwa 38 % (19,2 Mrd. S), die in Vollstreckung befindlichen Abgabenrückstände um zirka 40 % (9,8 Mrd. S) sowie die wegen derzeitiger Uneinbringlichkeit von der Einbringung ausgesetzten Abgabenbeträge um rund 70 % (5,3 Mrd. S) und der Anteil der fälligen Abgabenrückstände am Aufkommen der Finanzämter von 11,9 % auf 12,6 %.

Die fälligen Abgabenrückstände bestanden zur Hälfte aus Umsatzsteuer. Der fällige Umsatzsteuerrückstand stieg von 25,9 Mrd. S (1995) auf 34,1 Mrd. S (1999).

Der RH verwies auch auf die unausgewogene Belastungsverteilung der Mitarbeiter in den Finanzämtern. Vor allem im ländlichen Bereich war bei einzelnen Finanzämtern die niedrige Auslastung der Einbringungsstellen festzustellen; der Auslastungsunterschied zwischen dem Finanzamt mit dem höchsten durchschnittlichen Arbeitsanfall je Mitarbeiter und jenem mit dem niedrigsten betrug mehr als das Vierfache, im Außendienst mehr als das Zehnfache.

In der Debatte attestierte Abgeordneter Anton Leikam (S) dem jetzigen Finanzminister und dem Staatssekretär Anstrengungen, um Abgabenrückstände hereinzubringen. Besonders thematisierte er die unterschiedlichen Auslastungs- und Leistungskennzahlen. - Für die Umsetzung der vom RH gemachten Verbesserungsvorschläge interessierte sich Abgeordneter Nikolaus Prinz (V). - Die Ankündigung des Finanzministers, die Umsatzsteuer reformieren zu wollen, hinterfragte F-Abgeordneter Hermann Böhacker.

Staatssekretär Alfred Finz betonte, sich mit dem Inhalt des RH-Berichtes identifizieren zu können. Die als einbringlich erwarteten Abgabenrückstände bezifferte Finz mit rund 6,3 Mrd. S.

Aufgrund des RH-Berichtes wurden seitens des Ministeriums Sofortmaßnahmen ergriffen. Es werden ein organisatorisches Konzept (bessere EDV-Möglichkeiten, weitere Schulungsmaßnahmen) umgesetzt, legistische Maßnahmen vor allem im Umsatzsteuerbereich beschlossen und eine neue Finanzamtsorganisation verwirklicht werden. Bei dieser Veränderung geht es darum, die bestehenden 80 Finanzämter auf 46 Wirtschaftsräume umzulegen; das bedeute aber nicht, dass Finanzämter geschlossen werden. Von der ursprünglichen Idee, die Wirtschaftsräume bundesländerübergreifend zu installieren, habe man aber Abstand genommen.

Sektionschef Wolfgang Nolz (Finanzministerium) erinnerte im Rahmen seiner Wortmeldung daran, dass man bei Einführung der Umsatzsteuer diese als eine sichere Steuer angesehen habe, um Steuerbetrug so gering wie möglich zu halten. Angesichts der Betrugsfälle denke man an eine Reform, jedoch wolle man nicht die in Deutschland praktizierte Regelung, den Vorsteuerabzug von einer Bankgarantie abhängig zu machen, übernehmen, da diese nicht ausreichend sei. Als einziges wirksames Mittel sah der Sektionschef die Abschaffung der Umsatzsteuerflüsse in der Unternehmenskette an. Die Umsetzung dieses Modells, das auch EU-verträglich sein muss, stelle, so Nolz, eine große Herausforderung dar und werde sicher nicht vor dem 1.1.2003 umgesetzt werden.

RH-Präsident Franz Fiedler teilte zum Thema Einbringlichkeitserwartungen mit, dass es die geringsten Erwartungen im Baubereich (weniger als 10,5 %) und im Handel (16 %) und die höchsten in der Land- und Forstwirtschaft mit über 30 % gebe.

AUSSCHUSS BEFASST SICH MIT DER ÖIAG

Sodann beriet der Ausschuss jenen Teil des Tätigkeitsberichtes des Rechnungshofes, der sich mit der ÖIAG befasst. Hier hielt der Rechnungshof fest, dass der ÖIAG ein alle Geschäftsbereiche umfassendes Unternehmenskonzept fehle, dass die ÖIAG einen Berater für die Durchführung der Privatisierungen beauftragt habe, was Risken impliziert habe, sähen die EU-Wettbewerbsregeln doch ein offenes bedingungsfreies Ausschreibungsverfahren vor. Für zugekaufte Beratungsleistungen hätten überdies Planung und Kontrolle gefehlt.

In der Debatte merkte Abgeordneter Josef Edler (S) an, dass die alte Unternehmensphilosophie, der man noch bis zum Jahre 2000 angehangen war, durchaus erfolgreich gewesen sei, weshalb es bedauerlich sei, dass mit dem neuen Gesetz nun eine neue Strategie eingeschlagen worden sei. Von der Auskunftsperson Ditz wollte Edler wissen, ob es mittlerweile ein Unternehmenskonzept gebe, von Staatssekretär Finz, ob er die Ansicht von Präsident Prinzhorn teile, die ÖIAG solle primär eine Art "Verkaufsladen" sein.

Abgeordneter Reinhold Lexer (V) verwies darauf, man müsse Konzepte immer in der zeitlichen Perspektive sehen. Die Privatisierungsstrategie sei prinzipiell richtig. Die österreichischen Betriebe müssten so strukturiert werden, dass sie international wettbewerbsfähig seien und attraktive Arbeitsplätze anbieten könnten.

Abgeordneter Reinhard Firlinger (F) stellte Detailfragen zu den Beraterhonoraren, zur VA-Bergtechnik und zur Salinen-AG. Er hielt fest, dass man von der Idee des Kernaktionärs abgegangen sei, die bisherigen Privatisierungen aber sehr erfolgreich gewesen seien, da hiedurch eine Entspannung für die ÖIAG entstanden sei. Konkret wollte Firlinger überdies wissen, wie sich der Schuldenstand der ÖIAG zuletzt entwickelt habe.

Abgeordneter Gerhard Reheis (S) thematisierte die Privatisierung der Telekom, die er als "Desaster" apostrophierte, die viele Kleinanleger um ihr Geld gebracht habe.

Staatssekretär Alfred Finz verwies zunächst auf das neue ÖIAG-Gesetz, in welchem der Staat seine Rolle klar definiert habe. Es gebe einen Privatisierungsauftrag, und dieser werde sehr gut erfüllt. So hätte sich der Schuldenstand von knapp 87 Mrd. S per Ende Dezember 1999 auf gegenwärtig 27,5 Mrd. S reduziert. Allfällige Erlöse würden auch weiterhin zur Schuldentilgung aufgewendet, danach könne man weitere Schritte überlegen, erklärte Finz.

Rechnungshofpräsident Franz Fiedler unterstrich die Notwendigkeit, die EU-Wettbewerbsregeln unbedingt einzuhalten. Man habe zwar seitens des Unternehmens die Versicherung erhalten, die erforderliche Notifizierung sei ohnehin erfolgt, ein diesbezüglicher Nachweis konnte aber vom Rechnungshof nicht gefunden werden, weshalb man diesen Umstand kritisiert habe, da dies zu Problemen hätte führen können, wenn die EU hier Vorbehalte angemeldet hätte.

Vorstand Johannes Ditz sagte zunächst, die ÖIAG sei kein Konzern und habe daher kein eigenes Portfolio, die einzelnen Strategien könnten aber gesamt gesehen durchaus als ein Unternehmenskonzept betrachtet werden, insbesondere das klare Privatisierungsprogramm mit seinen entsprechenden Auflagen und Zielsetzungen.

Ditz erklärte die Hintergründe bei der Telekom-Privatisierung und verwahrte sich gegen einzelne Zeitungsberichte, die in diesem Zusammenhang publiziert worden seien. Diese zeugten nur von einem Nichtverstehen der Zusammenhänge. Vor dem Hintergrund der objektiven Marktlage habe man noch ein sehr gutes Ergebnis erzielt, wenngleich die begleitende PR verbesserungswürdig gewesen wäre. Problematisch sei gewesen, dass viele Kleinanleger unter falschen Voraussetzungen und mit zu hohen Erwartungen an den Börsegang herangegangen waren.

Ditz schilderte auch die besondere Gemengelage bei der VA-Bergtechnik und bei der Salinen-AG, bei der man verhindern wollte, auf einzelnen Bereichen "sitzenzubleiben", was neue Belastungen für die ÖIAG bedeutet hätte, weshalb man sich zu der dann gewählten Lösung entschlossen hätte. Generell hielt Ditz fest, dass sämtliche Privatisierungen der letzten Zeit, namentlich Austria Tabak, Flughafen, Staatsdruckerei und Dorotheum, die gesteckten Ziele erreicht oder sogar übertroffen hätten.

Sodann brachte Abgeordneter Günther Kräuter (S) einen Antrag ein, wonach weitere Auskunftspersonen zu diesem Thema geladen werden sollten. Mit Ausnahme der Ladung von Dr. Erich Becker von der VA Tech wurden die Vorschläge der SPÖ durch die Regierungsfraktionen jedoch nicht aufgegriffen. Die Beratungen zu diesem Tagesordnungspunkt wurden sodann einstimmig vertagt. (Schluss)