Parlamentskorrespondenz Nr. 619 vom 19.09.2001

ENERGIEWIRTSCHAFT ERHÄLT BEIHILFEN FÜR KOHLEKRAFTWERK VOITSBERG 3

Hauptausschuss stimmt Verordnung des Wirtschaftsministers zu

Wien (PK) - Der Hauptausschuss des Nationalrates stimmte heute einer Verordnung des Wirtschaftsministers zu, die auf eine Abgeltung jener unrentablen Investitionen abzielt, die im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb des Kohlekraftwerks Voitsberg 3 stehen. Damit können so genannte "stranded costs" bis zu einem Höchstbetrag von rund 1,82 Mrd. S auf den Strompreis aufgeschlagen werden. Der Beschluss erfolgte mit den Stimmen von SPÖ, Freiheitlichen und ÖVP.

Sowohl die SPÖ als auch die Grünen forderten Wirtschaftsminister Bartenstein jedoch auf, auch für unrentable Investitionen im Bereich der Errichtung von Wasserkraftwerken Beihilfen zu gewähren, um die österreichische Energiewirtschaft gegenüber ausländischen Konkurrenten nicht zu schwächen. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein will, wie er sagte, so rasch wie möglich eine Entscheidung treffen, er gab aber zu bedenken, dass Beihilfen für "stranded costs" nach österreichischer Gesetzeslage nur unter bestimmten Bedingungen gewährt werden dürften und eine Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich sei. Die EU würde jedenfalls entsprechende Beihilfen bis zu einem Ausmaß von 6,3 Mrd. S billigen.

Konkret betrifft die heute vom Hauptausschuss genehmigte Verordnung des Wirtschaftsministers die Aufbringung und Gewährung von Beihilfen zur Abdeckung von Erlösminderungen, welche infolge der Öffnung des Strommarktes entstanden sind und im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb des Kraftwerkes Voitsberg 3 stehen. In den Genuss dieser Beihilfen fallen die VERBUND – Austrian Thermal Power AG, die Tiroler Wasserkraftwerke Aktiengesellschaft, die Steirische Wasserkraft- und Elektrizitäts-AG und die Kärntner Elektrizitäts-Aktiengesellschaft.

Wie die Erläuterungen zur Verordnung ausführen, sind durch den Übergang von einem durch Monopole gekennzeichneten in ein marktwirtschaftlich orientiertes System manche in der Vergangenheit errichteten Kraftwerksanlagen bzw. abgeschlossenen Rechtsgeschäfte nicht mehr rentabel, der Umstieg auf andere Marktverhältnisse führt zu Umstellungsproblemen. Um diese unrentablen Investitionen, auch "stranded costs" genannt, die im Vertrauen auf den Weiterbestand des bisherigen Systems sowie auf Grund auferlegter Verpflichtungen und erteilter Betriebsgarantien getätigt worden waren, auszugleichen, sollen nunmehr den betroffenen Unternehmen bis 31. Dezember 2006 Beihilfen gewährt werden, die in der Verordnung mit einem Höchstbetrag von insgesamt 132,61 Mill. Euro (1.824,75 Mill. S) begrenzt sind.

Die Mittel dafür müssen auf Basis der in der Verordnung festgesetzten Beiträge durch den Netzbetreiber vom Endverbraucher beginnend mit 1. Oktober 2001 eingehoben werden. Diese haben dann vierteljährlich ab 1. Jänner 2002 die entsprechenden Beiträge an die Elektrizitäts-Control GmbH abzuführen, welche, beginnend mit 1. Februar 2001, die festgelegten Beihilfen den begünstigten Unternehmen zuteilt.   

In der Debatte übte Abgeordnete Eva Glawischnig (G) Kritik an der Verordnung des Wirtschaftsministers und meinte, die Sache sei von hinten bis vorne nicht nachvollziehbar. Für sie ist es unverständlich, warum die Bevölkerung zwar für die unrentablen Investitionen im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb des Kohlekraftwerks Voitsberg über einen höheren Strompreis aufkommen müsse, für Wasserkraftwerke, deren Bau dezidiert auf politische Beschlüsse zurückzuführen sei, aber keine "stranded costs" genehmigt würden, obwohl Kohlekraftwerke viel höhere CO2-Emissionen hätten. Glawischnig fürchtet außerdem eine Schwächung des Verbunds gegenüber anderen Energiekonzernen.

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (S) schloss sich der Kritik von Glawischnig an und unterstrich die Notwendigkeit, spätestens bis Ende dieses Jahres eine zweite Verordnung "nachzuschießen", mittels der auch die unrentablen Investitionen im Zusammenhang mit der Errichtung von Wasserkraftwerken abgedeckt werden könnten. Er fürchtet negative Auswirkungen auf die österreichische E-Wirtschaft und insbesondere den Verbund, sollte Wirtschaftsminister Bartenstein keinen entsprechenden Schritt setzen. Im Gegensatz zu Glawischnig begrüßte Oberhaidinger aber die vorliegende Verordnung, da damit, wie er sagte, für den Kohlebergbau in der Steiermark eine Lösung gefunden werden konnte und der Kraftwerksbetrieb in Voitsberg bis 2006 gesichert sei.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein wies darauf hin, dass die Gewährung von "stranded costs" nach der geltenden Gesetzeslage an bestimmte Bedingungen geknüpft sei. So müsse etwa die Lebensfähigkeit des begünstigten Unternehmens geprüft werden, wobei dieses zu einem konzerninternen Vermögensausgleich angehalten sei. Ein von ihm angefordertes Gutachten sage nichts anderes, als dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfrüht sei, eine endgültige Entscheidung betreffend die "stranded costs" für Wasserkraftwerke zu treffen, betonte der Wirtschaftsminister. Er könne daher erst später entscheiden, inwieweit die von der EU prinzipiell genehmigten 6,3 Mrd. S ausgeschöpft würden. Der Minister unterstrich allerdings, dass es sich bei diesen Mitteln nicht um Geld handle, das in Brüssel "abzuholen" wäre, sondern um einen Betrag, der in Österreich EU-konform auf den Strompreis aufgeschlagen werden dürfe. Im Übrigen zeigte er sich skeptisch, ob, wie von Abgeordnetem Oberhaidinger gefordert, eine Entscheidung bis Ende des Jahres getroffen werden könne.

ÖSTERREICHISCHER VERSÖHNUNGSFONDS LEGT ERSTE BILANZ

Einstimmig nahm der Hauptausschuss den ersten Halbjahresbericht des Kuratoriums des Österreichischen Versöhnungsfonds zur Kenntnis, welches am 20.12.2000 seine konstituierende Sitzung abgehalten und nun seinen ersten Halbjahresbericht vorgelegt hat.

Wie aus dem Bericht hervorgeht, konnten bereits am 6. Februar 2001 unter Federführung von Staatssekretär a.D. Botschafter Ludwig Steiner, Vorsitzender des Komitees, und Botschafter Richard Wotava, Generalsekretär des ÖVF, die Verträge mit den sechs Partnerorganisationen (Stiftung "Deutsch-Polnische Aussöhnung", "Tschechischer Rat für Opfer des Nationalsozialismus", Nationale Stiftung "Verständigung und Aussöhnung" in der Ukraine, Stiftung "Jüdisches Erbe in Ungarn", Stiftung "Verständigung und Aussöhnung" in der Russischen Föderation und Stiftung " Verständigung und Aussöhnung" in der Republik Belarus) erfolgreich abgeschlossen werden. Eine eigene Internetseite (http://www.versoehnungsfonds.at) in deutscher und englischer Sprache sowie eine weltweite Publizitätskampagne, die einen nachhaltigen Presseniederschlag gefunden hat, haben entsprechende Wirkung gezeigt, was an den tausenden Einzelanträgen aus 25 Staaten sichtbar ist.

Die Dotierung des Fonds, der zur Entschädigung von Sklaven- und Zwangsarbeitern eingerichtet wurde, die zu Zeiten des nationalsozialistischen Regimes auf österreichischem Gebiet eingesetzt worden waren, betrug per 12.6.2001 5,824.671.434,30 Schilling. Das Kuratorium rechnet in diesem Jahr mit einem notwendigen Aufwand für Leistungsberechtigte aus dem ÖVF inklusive Verwaltungskosten und Rechtsanwaltshonoraren von ca. 1,979 Mrd. S.

14.825 Anträge von ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeitern, die im Wege der Partnerorganisationen gestellt worden waren (3 geprüfte Listen aus Polen, 2 Listen aus der Tschechischen Republik und eine aus der Ukraine) sowie 1.048 Individualanträge wurden am 8. Juni 2001 vom fünfköpfigen Komitee während seiner konstituierenden Sitzung genehmigt und am gleichen Tag vom Kuratorium zur Kenntnis genommen. Das bedeutet, dass der ÖVF schon in seiner Anfangsphase etwas mehr als 10 % aller zu erwartenden Leistungsberechtigten Zahlungen mit einer Gesamtsumme von 466,5 Mill. S zukommen lassen konnte, nachdem zuvor auch die beiden relevanten Sammelklagen Ende Juli dieses Jahres abgewiesen worden waren.

Für das zweite Halbjahr ist der Beschluss über die prinzipielle Genehmigung der Auszahlung von Leistungen im Umfang von ca. 472 Mill. S an weitere ca. 7.000 polnische Zwangsarbeiter sowie an weitere 8.000 tschechische Zwangsarbeiter geplant, womit die Auszahlung an tschechische Zwangsarbeiter weitgehend abgeschlossen sein dürfte. Darüber hinaus ist laut Bericht mit der Genehmigung von etwa 415 Mill. S an etwa 6.000 ukrainische, 6.000 russische und 4.000 weißrussische Zwangsarbeiter sowie mit der Auszahlung von ca. 218 Mill. S an rund 2.000 ungarische Sklavenarbeiter zu rechnen. 92 Mill. S könnten an ca. 3.000 individuelle Antragsteller überwiesen werden. Damit wäre es möglich, bis zum Jahresende an rund ein Drittel der Anspruchsberechtigten Gelder aus dem Versöhnungsfonds auszubezahlen.

Abgeordneter Peter Schieder (S) betonte, der Bericht zeige die gute Arbeit, die im Versöhnungsfonds geleistet werde.

SPÖ-ANTRAG AUF ABHALTUNG EINER ENQUETE ZUM THEMA FILM VERTAGT

Mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt wurde ein Antrag der SPÖ auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete des Nationalrats zum Thema "Die Zukunft des österreichischen Films - ein Maßnahmenpaket für den Filmstandort Österreich". Dabei betonten Vertreter von ÖVP und FPÖ jedoch, dass sie einer solchen Enquete prinzipiell positiv gegenüber stünden, ihrer Ansicht nach ist der von der SPÖ angepeilte Termin - 3. Oktober - jedoch zu früh angesetzt, da, wie Abgeordneter Michael Spindelegger (V) erläuterte, am 5. und 6. Oktober ein informeller Kulturministerrat der EU tage, wo Fragen der Filmförderung geklärt werden sollen. Abgeordneter Gerhard Kurzmann (F) ergänzte, es sei angebracht, auf "größere Lösungen" zu warten. In Anspielung auf die jüngsten Erfolge österreichischer Filme meinte er außerdem, dass Kreativität offenbar nicht immer mit mehr Förderungen verbunden sein müsse.

Abgeordnete Christine Muttonen (S) wies darauf hin, dass auch im Regierungsprogramm Film als ein Schwerpunkt der Kulturförderung genannt werde, was jedoch nicht verhindert habe, dass die Koalition die Fördermittel um 38 % gekürzt habe. Sie selbst hält es für sehr kurzsichtig, im Bereich des Films zu sparen. An der Film-Enquete sollen ihr zufolge u.a. Filmschaffende, Filmproduzenten, Vertreter des Filmmuseums, Vertreter der relevanten Ministerien, der ORF und die Kammern teilnehmen.

Die Idee der Abhaltung einer Film-Enquete wurde auch von Abgeordneter Eva Glawischnig (G) unterstützt. Sie betonte, dass es sich beim Film um einen riesigen Wachstumsmarkt handle, und sprach sich daher für eine möglichst baldige Abhaltung der Enquete aus.

HAUPTAUSSCHUSS GENEHMIGT INTERNATIONALE ENTSENDUNGEN VON SOLDATEN

Mit den Stimmen aller Fraktionen wurde beschlossen, die Entsendung eines österreichischen Experten als Beobachter zur OSZE-"Spillover"-Überwachungsmission in Skopje bis 21. September 2002 fortzusetzen. Die Aufgaben der Mission umfassen die Beobachtung von Entwicklungen entlang der Grenze mit Serbien und in anderen Gebieten, die von einem "Spillover"-Effekt im ehemaligen Jugoslawien betroffen sein könnten.

Ebenfalls einstimmig plädierten die Mitglieder des Hauptausschusses für die Fortsetzung der Entsendung von bis zu fünf Angehörigen des Bundesheeres als Militärbeobachter im Rahmen der United Nations Mission in Ethiopia and Eritrea (UNMEE) bis 30. September 2002. Wie der Bericht der Außenministerin ausführt, stehe die Teilnahme Österreichs an diesem Einsatz im Einklang mit den Bemühungen der EU um den äthiopisch-eritreischen Friedensprozess und erscheine auch unter dem Aspekt des Schwerpunktes der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit in der Region angebracht.  

Schließlich sollen vom 24. bis 28. September 2001 bis zu 60 Grundwehrdiener, die sich dazu freiwillig gemeldet haben, an einem Sonderlehrgang für den Umgang mit chemischen Schadstoffen teilnehmen. Die Schulung dient dazu, die Voraussetzung zur Erreichung der Einsatzfähigkeit für das ABC-Fachpersonal zu erwerben. Die Mitglieder des Hauptausschusses nahmen den diesbezüglichen Beschluss der Bundesregierung ebenfalls einstimmig zur Kenntnis. Das Bundesministerium für Landesverteidigung erklärt in seinem Antrag dazu, dass eine derartige Ausbildung im Inland nicht mit gleicher Qualität sichergestellt werden könne. (Schluss)