Parlamentskorrespondenz Nr. 684 vom 17.10.2001

NEUER ANLAUF ZU BRIEFWAHL WIRD UNTERAUSSCHUSS ZUGEWIESEN

Ehrenzeichenverleihung entzweit die Gemüter

Wien (PK) – Nach der Diskussion über die Bundesverfassungsgesetze im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vertrages von Nizza sowie über den Nationalen Sicherheitsrat setzte der Verfassungsausschuss seine Beratungen über äußerst unterschiedliche Themen fort, die von der Verleihung von Bundesehrenzeichen, über eine Verwaltungsverfahrens-Novelle bis hin zum Protokoll zur Änderung des europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen ging.

Der Antrag der Koalitionsparteien (457/A) auf Änderung der Bundesverfassung und anderer Verfassungsgesetze, der auf die Einführung der Briefwahl und den Ausbau der direkten Demokratie abzielt, wurde einem bereits bestehenden Unterausschuss des Verfassungsausschusses zugewiesen. Diesem liegt neben dem gegenständlichen V-F-Antrag ein weiterer Antrag der Koalitionsparteien zu den Bereichen Briefwahl und direkte Demokratie und ein Antrag der Grünen betreffend Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre zur Vorberatung vor. Nach Meinung von ÖVP und FPÖ soll die Möglichkeit der Briefwahl bei allen bundesweiten Wahlen, aber auch für Landtags- und Gemeinderatswahlen bestehen. Außerdem sollen Volksbegehren, die von mehr als 15 % aller Stimmberechtigten unterstützt wurden, unter gewissen Voraussetzungen zwingend zu einer Volksabstimmung führen.

NEUES BUNDES-EHRENZEICHEN FÜR EHRENAMTLICHE TÄTIGKEITEN

Über den Antrag der Koalitionsparteien betreffend ein Bundesgesetz über die Verleihung von Bundes-Ehrenzeichen (513/A), der schließlich mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und Grünen angenommen wurde, entbrannte eine heftige Diskussion. Der Gesetzentwurf sieht die Schaffung eines neuen Bundes-Ehrenzeichens vor, mit dem besondere Verdienste, die durch ehrenamtliche, unentgeltliche Leistungen im Rahmen von Freiwilligen-Organisationen erbracht werden, gewürdigt werden sollen. Die Abgeordneten wollen damit dem Umstand Rechnung tragen, dass Organisationen und Initiativen der so genannten Bürgergesellschaft auf privater und freiwilliger Grundlage insbesondere im Rettungswesen, im Katastrophenschutz oder im sozialen Bereich wichtige Beiträge zum Gemeinwohl leisten. Anders als bei den bestehenden Ehrenzeichen soll das Bundes-Ehrenzeichen nicht vom Bundespräsidenten, sondern vom Bundeskanzler bzw. vom sachlich zuständigen Mitglied der Bundesregierung verliehen werden.

Ein von Abgeordneter Madeleine Petrovic (G) initiierter und schließlich von allen vier Parteien eingebrachter und einstimmig angenommener Antrag gemäß § 27 der Geschäftsordnung des Nationalrates betreffend das Bundesgesetz über die Schaffung eines Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst und eines Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst sieht eine Aberkennung dieser Ehrenzeichen vor, wenn später Tatsachen bekannt werden, die gegen die Verleihungsprinzipien verstoßen. Petrovic sprach sich auch grundsätzlich für den Antrag der Koalitionsparteien aus, forderte aber vor allem die Anerkennung der Leistung von Frauen ein.

Die SPÖ kritisierte den vorliegenden Antrag in drei Punkten. Wie die Abgeordneten Walter Posch, Johann Maier, Peter Schieder, Johannes Jarolim und Erwin Niederwieser (alle S) in ihren Wortmeldungen ausführlich darlegten, schließe das Vorhaben der Koalition all jene aus, die nicht in die Gesetzgebung und Vollziehung des Bundes fallen. Das betreffe vor allem die Feuerwehr, das Rettungswesen und den Katastrophenschutz, also Bereiche, in denen die meisten und eindrucksvollsten solcher Leistungen erbracht werden, so die Argumentation der Sozialdemokraten. Die S-Abgeordneten nahmen auch daran Anstoß, dass die Verleihung durch den Bundeskanzler erfolgen soll, und verwiesen in diesem Zusammenhang auf das durch Artikel 65 Abs. 3 B-VG dem Staatsoberhaupt vorbehaltene Recht. Schließlich verlangten sie, dass nicht nur auf Vorschlag der Bundesregierung, sondern auch auf Vorschlag der im Hauptausschuss vertretenen Parteien sowie sonstiger gesellschaftlich relevanter Organisationen solche Ehrenzeichen verliehen werden können. In diesem Sinne brachten sie auch einen umfassenden Abänderungsantrag ein, der jedoch nur von S und G unterstützt wurde und damit in der Minderheit blieb.

Die Abgeordneten Niederwieser und Jarolim machten auch auf die aus ihrer Sicht deutliche Diskrepanz aufmerksam, einerseits die Arbeit der Organisationen durch Maßnahmen wie Subventionskürzungen zu erschweren und andererseits deren Arbeit durch ein solches Gesetz besonders zu belobigen.

Dem gegenüber betonte Abgeordneter Karl Donabauer (V), dass gemäß Artikel 65 B-VG die Verleihung von Ehrenzeichen kein Alleinrecht des Bundespräsidenten sei. Das Recht des Bundespräsidenten werde damit nicht geschmälert, denn bereits jetzt obliege es den Ländern und auch einzelnen Ministerien, Ehrenzeichen zu verleihen. Das geltende Recht werde keineswegs eingeschränkt, vielmehr handle es sich um eine Erweiterung. "Wir stellen den Bürger in den Mittelpunkt und nicht den Funktionsträger", meinte Donabauer, und man wolle damit die Leistung der BürgerInnen anerkennen. Dem schloss sich auch Abgeordneter Andreas Khol (V) an, indem er diesen Gesetzentwurf als ein "wichtiges Instrument der Bürgergesellschaft" bezeichnete. Auch biete sich der Nationalfeiertag seiner Meinung nach an, die Leistungen der Bürgergesellschaft besonders hervorzuheben. Abgeordneter Michael Krüger (F) ergänzte, dass es darum gehe, BürgerInnen zu ehren, die im Interesse des Gemeinwohls auch unter Einsatz ihres Lebens besondere Leistungen erbringen.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel erinnerte in seiner Stellungnahme an das UNO-Jahr der freiwilligen Arbeit, weshalb er den vorliegenden Antrag als eine "sinnvolle Ergänzung der UNO-Kampagne" betrachte. Der Vorwurf der SozialdemokratInnen, wichtige Organisationen würden durch dieses Gesetz ausgeschlossen, beruhe auf einem Missverständnis. Es würden auch nach diesem Bundesgesetz Ehrenzeichen an Mitglieder solcher Organisationen verliehen werden können, wenn es sich um Verdienste handle, die für den Gesamtstaat von Bedeutung sind. Schüssel betonte weiters, dass es nicht um Bundeskanzler oder Bundespräsident gehe, sondern jeder Ressortchef solle in seinem Bereich Ehrenzeichen verleihen können.

Daraufhin sagte Abgeordneter Maier (S), dass sich die sozialdemokratische Fraktion mit den vorgebrachten Argumenten noch einmal auseinandersetzen werde und regte an, auch das Vereinsgesetz sobald wie möglich zu diskutieren.

VERWALTUNGSVERFAHRENSGESETZE: SCHILLING WEICHT EURO

Im Anschluss daran nahmen die Abgeordneten des Verfassungsausschusses die Verwaltungsverfahrensnovelle 2001 (723 d.B.) in Verhandlung, die vor allem die bevorstehende Umstellung vom Schilling auf den Euro zum Inhalt hat, mittels dessen aber auch rechtliche Klarstellungen vorgenommen, Anregungen aus der Praxis berücksichtigt und Redaktionsversehen beseitigt werden. So wird etwa die Frage der Zustellung von Schriftstücken ausländischer Behörden in Verwaltungssachen klar geregelt, zudem sind bei den Unabhängigen Verwaltungssenaten Verwaltungsvereinfachungen vorgesehen. Ein von Abgeordnetem Gottfried Feurstein (V) eingebrachter V-F-Abänderungsantrag enthält lediglich eine weitere legistische Klarstellung hinsichtlich einer Zitierungsbestimmung im Rahmen des Inkrafttretens.

Im Rahmen der Beratungen brachte Abgeordnete Madeleine Petrovic (G) einen Abänderungsantrag ein, in dem die Grünen die Streichung jener Passage des Gesetzentwurfs fordern, wonach der unabhängige Verwaltungssenat künftig nur noch auf Antrag, bzw. wenn er dies selbst für erforderlich hält, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen hat. Sie sehen darin eine Beschneidung der bisherigen Rechte des Berufungswerbers. Dazu meinte Abgeordneter Michael Krüger (F), die geplante Vorgangsweise stehe nicht im Widerspruch zu Artikel VI der EMRK. Er halte diese auch für sachlich gerechtfertigt, da sich jeder überlegen müsse, ob man im Falle einer Berufung eine Verhandlung haben wolle oder nicht. Die Bestimmung zwinge nun den Betreffenden, diese Überlegung anzustellen. Krüger gab jedoch zu, dass damit auch eine Reduktion der Berufungsverhandlungen bezweckt werde. Staatssekretär Morak ergänzte, dass der Text des Gesetzentwurfes auf einen Vorschlag der unabhängigen Verwaltungssenate zurückzuführen sei.

Obwohl die sozialdemokratische Fraktion dem Gesetzentwurf zustimmte, brachte Abgeordneter Johann Maier einige Einwände vor, die sich vor allem auf bestehende Defizite im Zustellgesetz bezogen. Er kritisierte, dass es keine diesbezüglichen europaweiten einheitlichen Regelungen gebe, was vor allem die Frage der Vollstreckung von Verwaltungsstrafen betreffe. Auch im Zuge der Erweiterung der EU werde es aus rechtsstaatlichen Gründen notwendig sein, mit den neuen Mitgliedsländern entsprechende Vereinbarungen abzuschließen. Staatssekretär Morak sagte, dass ihm keine Initiative der EU hinsichtlich einheitlicher Zustellungsvorschriften bekannt sei, man aber dieser Frage nachgehen werde.

Maier stellte auch fest, dass das Gesetz abermals im Rahmen des E-Government überarbeitet werden müsse und erhob Vorwürfe in Richtung der Bundesländer, dass diese im Gegensatz zum Bund in der Frage der Euro-Anpassungen nicht korrekt vorgegangen seien und bei manchen Beträgen beträchtliche Erhöhungen vorgenommen hätten.

Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage unter Einschluss des von Abgeordnetem Feurstein eingebrachten Abänderungsantrages mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und SPÖ mehrheitlich angenommen. Der Abänderungsantrag der Grünen blieb in der Minderheit.

EUROPÄISCHES ÜBEREINKOMMEN ÜBER GRENZÜBERSCHREITENDES FERNSEHEN

Mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und SPÖ genehmigten die Abgeordneten des Verfassungsausschusses mehrheitlich ein von der Regierung dem Nationalrat zur Ratifikation vorgelegtes Protokoll zur Änderung des europäischen Einkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen

(670 d.B.). Die Grünen kündigten dazu eine abweichende Stellungnahme an. Mit diesem Protokoll soll das betreffende Übereinkommen an die neue EU-Fernsehrichtlinie angeglichen werden. Vorgesehen sind u.a. Mindeststandards für grenzüberschreitend ausgestrahlte Fernsehprogramme - insbesondere in den Bereichen Jugendschutz, Werbung, Sponsoring und Entgegnungsrechte -, zudem enthält das Übereinkommen eine Reihe von Programmgrundsätzen, etwa ein Ausstrahlungsverbot von zu Rassenhass oder Gewalt aufrufenden Sendungen.

Der Abstimmung ging eine heftige Debatte voraus, nachdem Abgeordneter Peter Schieder (S) fragte, ob die Bundesregierung beabsichtige, einen Vorbehalt gegen Artikel 32 einzubringen, um in Österreich die Werbung für schwere Alkoholika in Satellitenprogrammen, die ins Kabel eingespeist werden, zu verbieten. Schweden und die Schweiz hätten einen derartigen Vorbehalt eingebracht. Einem solchen Vorbehalt widersprach Abgeordneter  Krüger (F) insofern, als dies gegen die Fernsehrichtlinie verstoßen würde. Staatssekretär Morak wies darauf hin, dass es in Schweden und in der Schweiz ein absolutes Werbeverbot für Alkoholika gebe und Österreich mit diesem Protokoll jene Standards übernehme, die EU-weit gelten. Im nächsten Jahr werde jedoch die Werberichtlinie neu diskutiert und dort werde er auch diese Einwände einbringen.

Zu konkreten Fragen der Abgeordneten Petrovic (G) meinte Morak, dass es in Österreich aufgrund dieses Protokolls kaum einen Handlungsbedarf gebe, da sowohl das Rundfunkgesetz als auch das Exklusivrechtegesetz in Kraft seien. Die Standards des Fernsehübereinkommens seien damit in der österreichischen Rechtsordnung umgesetzt worden und auch die Möglichkeiten zur Durchsetzung von Gegendarstellungen seien durch das ORF-Gesetz und Privatfernsehgesetz erweitert worden. (Schluss)