Parlamentskorrespondenz Nr. 702 vom 23.10.2001

KINDERARBEIT, JUGENDAUSBILDUNG, WIRTSCHAFTSTREUHÄNDER

Nächtliche Debatte im Nationalrat

Wien (PK) - Maßnahmen gegen die schlimmsten Formen der Kinderarbeit, eine Novelle zum Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, die Änderung des Wirtschaftstreuhandberufs-Gesetzes und ein Katastrophenschutzabkommen mit der Schweiz waren die Themen, die das Plenum des Nationalrats in den späten Abend- und Nachtstunden debattierten.

MASSNAHMEN GEGEN KIDERARBEIT

Abgeordnete Sophie BAUER (S) berichtete über die jüngsten Entwicklungen auf dem Gebiet der Kinderarbeit und setzte sich vehement für ein allumfassendes Verbot solcher Beschäftigungsformen ein.

Abgeordneter Bernd BRUGGER (F) sprach sich für die Annahme des gegenständlichen Abkommens aus und nannte in der Folge einige besonders erschütternde Zahlen aus dem Bereich der Kinderarbeit. Es müsse das Ziel aller sein, die Kinder weltweit von Sklaverei, Prostitution und Kriegsdienst zu befreien.

Abgeordnete Edeltraud GATTERER (V) schloss sich den Ausführungen ihrer Vorredner an und plädierte ebenfalls für die Annahme dieses Abkommens.

In diesem Sinne äußerte sich auch Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G). Diese schlimmen Formen müssten geächtet werden, wobei man nicht vergessen dürfe, dass Millionen Kinder nicht nur zur Arbeit gezwungen würden, sondern auch zu Kriegseinsätzen. Überdies wies Öllinger auf den Zusammenhang zwischen Armut und Kinderarbeit hin.

Ebenfalls Zustimmung signalisierten die Abgeordneten Norbert STAFFANELLER (F), Ridi STEIBL und Josef TRINKL (beide V).

Das Abkommen wurde einstimmig angenommen.

JUGENDAUSBILDUNGS-SICHERUNGSGESETZ VERLÄNGERT

Abgeordnete Gabriele HEINISCH-HOSEK (S) unterstrich, es herrsche große Unsicherheit bei vielen Jugendlichen, eine Lehrstelle bzw. einen Arbeitsplatz zu finden. Mit den im vorliegenden Gesetz vorgesehenen Maßnahmen, die von der SPÖ mitgetragen würden, könne man zwar 800 Jugendliche "von der Straße holen", weitere 3.000 Jugendliche würden aber noch immer ohne Lehrstelle bzw. Arbeitsplatz sein, fürchtet sie. Heinisch-Hosek zufolge müssten daher mehr als die vorgesehenen 100 Mill. S zusätzlich für Lehrlingsstiftungen und andere Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden. Sie kündigte einen entsprechenden Abänderungsantrag der SPÖ an. 

Abgeordneter Sigisbert DOLINSCHEK (F) wies darauf hin, dass sich stets alle Fraktionen im Parlament zum System der dualen Berufsausbildung bekannt hätten. Auch die jetzige Regierung sei bestrebt, für jeden Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zu schaffen bzw. zu erhalten. Nicht zuletzt mit der vorliegenden Gesetzesnovelle sei man auf dem besten Weg dazu. Dolinschek zeigte sich überdies davon überzeugt, dass auch die betroffenen Länder Mittel für das geplante Auffangnetz bereitstellen werden, da sie selbst größtes Interesse daran haben, Jugendliche in Ausbildungsplätzen unterzubringen.

Abgeordneter Dr. Günter PUTTINGER (V) erklärte, Ziel der vorliegenden Gesetzesnovelle sei eine wesentliche Verbesserung der Chancen für Jugendliche am Arbeitsmarkt. Seiner Ansicht nach ist die Situation am Lehrstellenmarkt aber nicht so dramatisch, wie es die SPÖ darzustellen versuche. Puttinger wies darauf hin, dass die Zahl der Lehrstellensuchenden im September 2001 niedriger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres gewesen sei und es um 477 Lehrstellen mehr gebe. Österreich habe außerdem nach den Niederlanden die zweitniedrigste Jugendarbeitslosigkeit in der EU.

Abgeordneter Mag. Werner KOGLER (G) signalisierte die Zustimmung der Grünen zum vorliegenden Gesetzentwurf und begründete dies damit, dass der Vorschlag "besser als nichts" sei. Dennoch gäbe es Verbesserungsmöglichkeiten, die Grünen würden daher, so Kogler, auch dem Abänderungsantrag der SPÖ ihre Zustimmung geben.

Abgeordneter Heidrun SILHAVY (S) machte geltend, dass, vergleicht man offene Lehrstellen und Lehrstellensuchende, 4.000 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz da stünden. Sie brachte daher einen Abänderungsantrag ein, dem zufolge 2.500 Ausbildungsplätze für Jugendliche in Lehrgängen und 1.500 Ausbildungsplätze in Lehrlingsstiftungen geschaffen werden sollen. Dafür sollen 500 Mill. S jährlich zur Verfügung stehen. Positiv wertete Silhavy, dass die Vorlehre von Jugendlichen nicht gut angenommen werde, da eine solche Vorlehre ihrer Ansicht nach nichts mit einer qualitativ hochwertigen Ausbildung zu tun habe.

Wirtschaftsminister Dr. Martin BARTENSTEIN unterstrich die Notwendigkeit, Jugendarbeitslosigkeit entschieden entgegen zu treten. Vor allem jenen, die vergeblich einen Lehrplatz suchen, müsse im Sinne eines Auffangnetzes eine entsprechende Alternative angeboten werden. Das habe in der Vergangenheit gut funktioniert und werde auch in Zukunft gut funktionieren, konstatierte er. Warum die Lehrlingsstiftungen künftig nicht verlängert werden, begründete Bartenstein damit, dass Lehrgänge effizienter seien als Stiftungen. Er ist zudem zuversichtlich, dass mit den vorgesehenen 100 Mill. S alle in Frage kommenden Jugendlichen in Lehrgängen untergebracht werden können. Positiv wertete der Minister, dass Unternehmen wieder mehr Lehrverträge anbieten würden.

Abgeordneter Helmut HAIGERMOSER (F) bekräftigte, die Koalition bekenne sich zur dualen Ausbildung aber nicht "zum alten Hut der Stiftungen". Seiner Auffassung nach hat die SPÖ außerdem so lange überhaupt nichts Glaubwürdiges zum Thema Lehrlinge zu sagen, so lange die Causa Euroteam nicht bereinigt ist. Schließlich seien dort dreistellige Millionenbeträge "verpulvert" worden.

Abgeordneter Mag. Martina PECHER (V) hielt fest, die Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft werde immer mehr von der Qualität der Mitarbeiter abhängen. Das wüssten auch die Unternehmen, deshalb würden sie pro Jahr geschätzte 15 Mrd. S in Weiterbildung investieren. Jene 100 Mill. S, die nunmehr für Auffangmaßnahmen für arbeitslose Jugendliche zur Verfügung gestellt werden, sind für Pecher ein beachtlicher Betrag, vor allem da auch eine Kofinanzierung der Länder vorgesehen sei. 6.000 S bis 7.000 S pro Monat und Lehrgangsbesucher müssten ihrer Ansicht nach ausreichend sein.

Abgeordneter Franz RIEPL (S) meinte zur ablehnenden Haltung der Koalition zu Lehrlingsstiftungen, ihm seien überbetriebliche Projekte, wo man sich engagiert um eine Ausbildung der Jugendlichen bemüht, immer noch lieber, als dass junge Menschen auf der Straße stehen und überhaupt keine Ausbildung bekämen. Bedauern äußerte er darüber, dass trotz zahlreicher Anreize für die Unternehmen von diesen zu wenig Lehrstellen angeboten würden.

Abgeordneter DI Maximilian HOFMANN (F) machte geltend, die Regierung habe mit der Tatsache, dass Österreich die zweitniedrigste Jugendarbeitslosigkeit in der EU habe, nie "Schönfärberei" betrieben, da auch sie es als Problem sehe, wenn Jugendliche keinen Arbeitsplatz hätten. In diesem Sinn begrüßte er es auch, dass man nunmehr 100 Mill. S als Maßnahme gegen Jugendarbeitslosigkeit zur Verfügung stelle, die zusätzlich von den Ländern kofinanziert würden.

Abgeordneter Dr. Günter STUMMVOLL (V) skizzierte, Österreich sei Europameister in der Qualität der Ausbildung und Vize-Europameister, was die Jugendbeschäftigung betrifft. Man müsse dankbar über die Situation in Österreich sein, bekräftigte er.

Abgeordneter Helmut DIETACHMAYR (S) führte aus, es müsse das Ziel aller sein, für jeden Jugendlichen einen Arbeitsplatz in Österreich zu haben. Er sieht aber keinen nachhaltigen Erfolg der Bemühungen in diese Richtung. So stünden aktuell in Oberösterreich noch immer 1.250 Jugendliche ohne Lehrstelle da.

Abgeordnete Ilse BURKET (F) erinnerte daran, dass der Unwille von Unternehmen, Lehrlinge auszubilden, vor rund zehn Jahren seinen Höhepunkt erreicht hatte, weil zu diesem Zeitpunkt die Vorschriften für Gewerbebetriebe "ein unerträgliches Ausmaß" erreicht hätten. "Das ist das Verdienst der linken Reichshälfte", sagte sie. Zuletzt habe sich die Situation aber wieder verbessert.

Abgeordneter Dr. Reinhold MITTERLEHNER (V) sieht die kritische Situation am Lehrstellenmarkt als Übergangsproblematik, da die Schülerzahlen rückläufig seien. Schon bald werde man Lehrlinge "wie die berühmte Stecknadel im Heuhaufen suchen", ist er überzeugt. Die vorgesehenen 100 Mill. S sind ihm zufolge ausreichend zur Weiterführung des Auffangnetzes für jene, die keinen Lehrplatz finden.

Abgeordneter Emmerich SCHWEMLEIN (S) appellierte an die Abgeordneten, von den Zahlen wegzugehen, da dahinter Menschen mit Schicksalen stünden. Mit der nun vorgesehenen "verspäteten und halbherzigen Lösung" zeigte er sich nicht zufrieden. Seiner Auffassung nach soll man auch nicht so tun, als ob es ein Gnadenakt wäre, Lehrlinge auszubilden, schließlich zögen auch die Unternehmen einen Nutzen aus der Lehrlingsausbildung.

Die Änderung des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes wurde vom Nationalrat einstimmig angenommen. Der Abänderungsantrag der SPÖ blieb in der Minderheit.

ÄNDERUNG DES WIRTSCHAFTSTREUHÄNDERBERUFSGESETZES

Abgeordneter Dr. Kurt HEINDL (S) wies darauf hin, dass eine einvernehmliche Lösung in der Frage der Pensionsversicherung der Wirtschaftstreuhänder gefunden werden konnte. Auch drei Viertel der Wirtschaftstreuhänder hätten sich für eine verpflichtende Zusatzversicherung zur gesetzlichen Pensionsversicherung ausgesprochen. Es gehe zwar um keine große Berufsgruppe, meinte er, aber sie werde in Zukunft sicher noch mehr Bedeutung erlangen als jetzt.

Abgeordneter Helmut HAIGERMOSER (F) erläuterte, mit der vorliegenden Gesetzesnovelle reagiere man auf ein VfGH-Urteil. Auch die überwiegende Mehrheit der Wirtschaftstreuhänder wolle ein zweites Standbein bei der Pensionsvorsorge haben, betonte er.

Abgeordneter Dr. Christof ZERNATTO (V) hielt fest, es sei wichtig, dass mit der vorliegenden Gesetzesänderung wieder Rechtssicherheit hergestellt werde. Das vorgesehene zweite Standbein in der Pensionsvorsorge für Wirtschaftstreuhänder könnte seiner Meinung nach auch Vorbild für andere Bereiche sein.

Abgeordneter Mag. Werner KOGLER (G) kündigte namens der Grünen die Zustimmung zur Gesetzesnovelle an, da mit dieser ein verfassungsmäßiger Zustand hergestellt werde. Wesentlich ist für ihn zudem, dass die gesetzliche Pensionsversicherung durch die verpflichtende Zusatzversicherung nicht "angeknabbert" werde.

Abgeordneter DI Maximilian HOFMANN (F) gab zu bedenken, dass sich drei Viertel der Wirtschaftstreuhänder die in Aussicht genommene verpflichtende zweite Pensionsvorsorge wünschten. Erfreut zeigte er sich, dass es sich beim Gesetzentwurf um eine Konsensmaterie handle.

Die Änderung des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes wurde einstimmig verabschiedet.

KATASTROPHENSCHUTZABKOMMEN MIT DER SCHWEIZ

Abgeordneter Anton GAAL (S) begrüßte das gegenständliche Abkommen. Er sieht aber die Notwendigkeit, den Katastrophen- und Zivilschutz in Österreich auszubauen. Kritisch äußerte er sich etwa zum bestehenden "Kompetenz-Wirrwarr" in diesem Bereich.

Abgeordneter Hermann REINDL (F) machte darauf aufmerksam, dass mit Deutschland, Liechtenstein, Ungarn, Slowenien und der Slowakei bereits Katastrophenschutz-Abkommen bestünden, ein entsprechendes Abkommen mit der tschechischen Republik stehe kurz vor dem Inkrafttreten. Auch mit Italien werde bereits über ein Abkommen verhandelt.

Abgeordneter Anton LEIKAM (S) äußerte sich ebenfalls zustimmend zum Katastrophenschutz-Abkommen mit der Schweiz. Es gebe unter den europäischen Staaten gerade jetzt das große Bedürfnis, bei etwaigen Katastrophen entsprechende gegenseitige Hilfeleistungen zu gewährleisten, konstatierte er.

Auch Abgeordneter Robert EGGHART (F) hält es für wichtig, dieses Abkommen zu unterstützen. Österreich soll sich seiner Meinung nach aber auch in anderen Fragen der Sicherheit kooperativ verhalten.

Der Nationalrat  genehmigte das Katastrophenschutz-Abkommen zwischen Österreich und der Schweiz einstimmig. (Schluss)