Parlamentskorrespondenz Nr. 800 vom 21.11.2001

VERWALTUNGSREFORM: GROSSER WURF ODER GROSSER MURKS?

Vor Beschluss Lob der Regierungsfraktionen, Kritik der Opposition

Wien (PK) - Dem verbalen Schlagabtausch über die Anti-Atom-Politik Österreichs in der Aktuellen Stunde folgte in der ersten Sitzung des Nationalrats in dieser Woche eine nicht minder scharfe Auseinandersetzung über die Verwaltungsreform. Gemeinsam mit dem Verwaltungsreformgesetz wurden das Deregulierungsgesetz und die 2. Dienstrechts-Novelle 2001 debattiert.

Am Beginn seiner Ausführungen stellte Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) als erster Redner in dieser Debatte fest, dass das Versprechen, das Nulldefizit in erster Linie durch Einsparungen zu erzielen, nicht eingehalten worden sei. Vielmehr gebe es heuer zusätzliche Belastungen für die Bevölkerung in der Höhe von 45 Mrd. S, was ein Minus von 15.000 S pro Jahr für jeden Haushalt bedeute. Die vermeintliche Verwaltungsreform bringe lediglich 350 Mill. S an Einsparungen und habe sich somit als "Budgetmaus" entpuppt, meinte der S-Klubobmann und fügte sofort seine Befürchtungen hinzu, dass ein neues Paket kommen werde, das mit Kosten für die BürgerInnen verbunden sein werde.

Das ganze Vorhaben habe wenig mit Verwaltungsreform zu tun, die Realitäten seien andere. Gusenbauer führte in diesem Zusammenhang die Einführung der Chipkarte an, die dazu gedacht war, den "Verwaltungskram bei den Krankenscheinen" abzuschaffen. Was jetzt aber auf dem Tisch liege, bedeute mehr Verwaltung und werde durch eine Bürgerkarte ergänzt, die zusätzlich zu einer "Überwachungskarte" geworden sei, für die jeder zahlen müsse.

Die SPÖ hingegen habe ein echtes Verwaltungsreformpaket vorgelegt und sei für die Einrichtung von Landesverwaltungsgerichten, für bürgernahe Verfahren bei den Gemeinden, für eine tatsächliche Kostenrechnung und einen Leistungskatalog in der Verwaltung, für New-Public-Management sowie für Zielvorgaben für einzelne Organeinheiten eingetreten. Nichts davon sei jedoch diskutiert worden. Vielmehr habe man sich für den einfacheren Weg der Belastung der ÖsterreicherInnen entschieden.

Der Redner konnte den Neuerungen im Beamtendienstrechts-Gesetz nichts Positives abgewinnen. Das ganze sei für ihn ein "sozialpolitischer Skandal" und eine der teuersten Frühpensionierungsaktionen in der österreichischen Geschichte. Während Stahlarbeiter laut Bundeskanzler bis 65 Jahre arbeiten sollten, könnten nun Sektionschefs mit 55 Jahren in Pension geschickt werden, und zwar mit 80 % des Letztbezuges. Dies alles bringe keine Kosteneinsparung, sondern eine Umschichtung des Problems in die Pensionsversicherung.

Gusenbauer ging in weiterer Folge seines Debattenbeitrages auf die Personaleinsparungen und Schließungen von Finanzämtern, Bezirksgerichten, Gendarmerieposten und Postämtern ein, womit seiner Meinung nach ein Gutteil der öffentlichen Infrastruktur im ländlichen Raum beseitigt werde. Er bezeichnete dies als eine verfehlte Politik auf dem Rücken breiter Bevölkerungsschichten, die in keiner Weise auf die Entwicklung des gesamten Landes Rücksicht nehme, einen schlechteren Zugang zum Recht und Einschränkungen der öffentlichen Sicherheit und öffentlichen Dienstleistungen brächten. Mit dem gesamten Paket werde weder die Verwaltung reformiert noch würden die Pensionen saniert. Das ganze sei für ihn ein "Armutsbeispiel für diese Bundesregierung".

Für Abgeordneten Ing. WESTENTHALER (F) hat sich Gusenbauer "als Schlechtmacher vom Dienst" präsentiert, ohne eigene Ideen zu bringen. Der freiheitliche Klubobmann erinnerte daran, dass in der SPÖ seit 1989 die Verwaltungsreform als wichtigster Reformbereich gegolten habe, die SPÖ-dominierten Regierungen hätten jedoch nichts zustande gebracht, im Gegensatz zur gegenwärtigen. Diese habe das Nulldefizit geschafft, was keine neuen Zinsen und keine neuen Belastungen bedeute.

Westenthaler verteidigte das Vorruhestandsmodell für die BeamtInnen, weil es sonst nicht anders gehe, und warf im Gegenzug der SPÖ Pensionsungerechtigkeit vor. Er sprach dabei insbesondere den Pensionistenbrief Vranitzkys, die Klima-Pension, die Postgewerkschaft und die Pension von Karl Blecha an. Die V-F-Regierung sei gegen eine allgemeine Erhöhung der Pensionen um 2,9 %, weil sie die kleineren Pensionen durch einen Fixbetrag stärker anheben wolle.

Diese Aussagen provozierten später Abgeordneten Dr. EINEM (S) zu einer tatsächlichen Berichtigung, der feststellte, dass Blecha aufgrund des Bezügegesetzes keine Vorteile von einer Erhöhung von 2,9 % habe.

Das vorliegende Gesetzespaket bezeichnete Westenthaler als einen "großen Wurf, auf den man stolz sein könne", als ein "Jahrhundertprojekt", das die Verwaltung zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen und Servicebetrieb umwandle. Dass dies gelungen sei, könne als Beweis für die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung angeführt werden. Es zeige auch, dass es ihr mit den Anliegen der BürgerInnen ernst sei: Die Verwaltungsverfahren würden vereinfacht, es werde mehr Bürgernähe geben, die vielschichtigen Aufgaben würden optimiert, Doppelgleisigkeiten abgebaut und maßgebliche Verfahren reduziert. Damit sei eine bessere Qualität von öffentlichen Leistungen verbunden, die darüber hinaus 21,2 Mrd. S an Einsparungen bringe, so Westenthaler. Das One-Stop-Shop-Prinzip werde eingeführt, "der Akt wird laufen und nicht der Bürger".

Westenthaler ging am Ende seiner Wortmeldung auf die Reformen in den Ministerien selbst ein, die 2,6 Mrd. S an Einsparungen brächten. Es werde dort 17 Sektionen und 52 Gruppen weniger geben, ebenso würden Abteilungen und Referate rigide abgebaut. Als eine besondere Leistung hob er die Möglichkeit der elektronischen Steuer- und Abgabenerklärung hervor und nannte dies "Service pur, Bürokratie null". Auch die Wirtschaft werde von zahlreichen Vereinfachungen profitieren und schließlich gebe es auch für alle AutofahrerInnen Verbesserungen. Alles in allem würde mehr Kapazität für den Dienst am Bürger frei werden.

Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) konnte sich dem Lob für das vorliegende Gesetzespaket durch ihren Vorredner nicht anschließen. Dies sei kein großer Wurf, sondern eine "problemerzeugende Pseudo-Lösung", meinte sie.

Die Grünen wären ihr zufolge durchaus interessiert gewesen an einer Bundesstaatsreform, die in eine Aufgaben- und Verwaltungsreform mündet und einen Bürokratieabbau zur Folge hätte. Damit wäre auch Transparenz in der Verwaltung gewonnen worden. Diese Regierung sei aber nicht systematisch, sondern eher nach dem Zufallsprinzip vorgegangen und habe auch an der Tatsache nichts geändert, dass unser Föderalismus ein "Vollzugs- und Abschiebeföderalismus" sei.

Die Verlagerung von Kompetenzen auf die Bezirkshauptmannschaften hält Lichtenberger für grundsätzlich richtig, grundsätzlich falsch ist für sie aber das Vorhaben, unter Einsparungsdruck, Service für Bürger schaffen zu wollen. Die erwarteten Einsparungen gingen voll auf Kosten der Länder, die zusätzliche Aufgaben übernehmen müssten. Bei der Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung sieht die Rednerin auch ein Verfassungsproblem. Sie kritisierte, dass die Bezirksbehörde festlegen könne, ob die Berufungsbehörde überhaupt über die Sache entscheiden darf. Das widerspricht ihrer Meinung nach der Rechtsstaatlichkeit. Die Rednerin trat auch dafür ein, die unabhängigen Verwaltungssenate in Landesverwaltungsgerichte umzuwandeln.

Einen dringenden Appell richtete sie im Zusammenhang mit dem Deregulierungsgesetz an die Bundesregierung, da dort festgelegt wird, dass europäische Standards nicht mehr übererfüllt werden dürften. Damit wolle man uns in allen Bereichen auf die unterste Ebene der EU herunterdrücken, und das sei ein Skandal. Lichtenberger sprach sich auch gegen die Verlängerung der Intervalle für das Umweltpickerl aus, weil das nicht im Interesse der Umwelt und der Sicherheit liege.

Abschließend brachte sie zwei Abänderungsanträge zum Deregulierungsgesetz ein. In einem wird der behindertengerechte Ausbau bei den Eisenbahnen gefordert, der andere richtet sich gegen Art. 2 Z. 10, der eine Erleichterung hinsichtlich der Einstellung von Nebenbahnen bringen würde. Im Gegensatz dazu, meinte Lichtenberger, brauchen wir Nebenbahnen. Allgemein sei das gesamte Gesetzespaket als unzureichend zu bezeichnen und bringe mehr Chaos in die Verwaltung.

Abgeordneter Dr. KHOL (V): "30 Jahre lang haben sozialistische Bundeskanzler von einer Verwaltungsreform geredet, heute machen wir sie". Es werde ein "großer Wurf" beschlossen, nämlich die erste Säule der Verwaltungsreform, die auch von den Ländern und Gemeinden gutgeheißen wird. Große Vorteile ergeben sich für die Bürger u.a. dadurch, dass die Bezirkshauptmannschaften zu zentralen Servicestellen ausgebaut werden. Die zweite Säule beinhalte ein Deregulierungspaket, das eine schlankere und leistungsfähigere Bürokratie zum Ziel hat, führte Khol weiter aus. Überdies  werde eine große Strukturreform durchgeführt, die dazu führe, dass der Behördenaufbau an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst wird. Auch die Reorganisation der gesamten staatlichen Verwaltung sei bereits in Umsetzung begriffen, wobei alle Maßnahmen mit der Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst abgestimmt sind.

Die Bundesregierung sei mit dem Ziel angetreten, einen leistungsfähigen Staat sowie eine effiziente Verwaltung zu schaffen, die den Bürger in den Mittelpunkt stellt, unterstrich Vizekanzlerin Dr. RIESS-PASSER. Sie wies darauf hin, dass die von ihr eingesetzte Aufgabenreformkommission im März einen Bericht mit 60 Vorschlägen vorgelegt hat, wobei rund 75% dieser Anregungen in das vorliegende Verwaltungsreformpaket eingeflossen sind. Die restlichen 25% betreffen Materien, für die eine Zweidrittelmehrheit erforderlich sei, erläuterte die Vizekanzlerin. In Richtung des Abgeordneten Gusenbauer machte die Vizekanzlerin darauf aufmerksam, dass bei der Ausgliederung der Post von der früheren Regierung kein ausreichender Nahversorgungsauftrag festgelegt wurde und dass die "roten" Personalvertreter nichts gegen die Schließung der Postämter unternommen haben.

Das Verwaltungsreformgesetz 2001 bringe u.a. eine Zusammenfassung und Konzentration der Verfahren bei der Bezirkshauptmannschaft, unterstrich sie. Dies stelle eine enorme Erleichterung für die Bürger dar, die nunmehr nicht mehr von einer Stelle zur anderen laufen müssten. Die Bezirksverwaltungsbehörde könne alle Bundesverfahren gemeinsam abwickeln und stelle nur mehr einen gemeinsam Bescheid aus, erläuterte Riess-Passer. Zahlreiche weitere Vereinfachungen sind in vielen Gesundheitsgesetzen sowie bei den Amtsbeschwerden vorgesehen, während unnötige Gesetze gänzlich abgeschafft werden. Nicht ganz nachvollziehen könne sie derzeitige Diskussion rund um das "Kfz-Pickerl", da jene Autofahrerklubs, die die Neuregelung kritisieren, die Einführung der jährlichen Pickerl-Überprüfung als "Abzockerei der Autofahrer" bezeichnet haben. Es werde lediglich eine Anpassung an europäische Standards vorgenommen, versicherte die Vizekanzlerin, und es komme weder zu einer Gefährdung der Umwelt noch zu einem Anschlag auf die Sicherheit.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Deregulierungspaket, das eine Durchforstung des Rechtsbestandes sicherstellen soll, aber keine Nivellierung nach unten bringt. Weitere Vorteile für den Bürger ergeben sich durch die gemeinsame Prüfung von Lohn- und Kommunalsteuer sowie den Sozialversicherungsbeiträgen, die schnellere Passaustellung ("Pass in 20 Minuten"), die "Abgabenerklärung vom Wohnzimmer aus", den elektronischen Akt sowie die massive Reduktion bei Zentralstellen der Verwaltung. Insgesamt könne ein Einsparungsvolumen erzielt werden, das weit über dem liegt, was sich die Regierung vorgenommen hat, und zwar bei 21,21 Mrd. S.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) sprach von einer Mogelpackung, da etwa die Erhöhung der Verwaltungsstrafen kein Sparpaket darstelle, sondern die Bürger massiv belaste. Die Sozialdemokraten haben sehr wohl konstruktive Vorschläge gemacht, meinte der Redner in Richtung des Abgeordneten Khol, und zwar sollten nach Auffassung des SPÖ die Gemeinden gestärkt, die Bezirkshauptmannschaften zur Gänze eingespart, die erste Instanz demokratisiert und statt den UVS Landesgerichtshöfe eingerichtet werden. Dieses Gesetz sei jedoch ausschließlich auf die Machterhaltung der Landeshauptleute ausgerichtet und nehme in Kauf, dass Nachteile für den Bürger entstehen. Kritisch beurteilte er zudem die Zustellungsregelungen beim e-Government, sowie die Verschlechterung der Sicherheitsstandards beim Eisenbahngesetz.

Die Aufregung in den Reihen der SPÖ sei verständlich, meinte Abgeordneter Dr. KRÜGER (F), da sie jahrzehntelang von einer Verwaltungsreform nur gesprochen habe und jetzt mitansehen müsse, dass in kürzester Zeit ein Jahrhundertwerk aus dem Boden gestampft wurde. Das Verwaltungsreformgesetz 2001 stehe unter dem Motto "Service für den Bürger", da es sowohl zu einer Deregulierung, einem mehr an Föderalismus und einer Auslagerung von hoheitlichen Kompetenzen (z.B. im Apotheken- und Ärztegesetz) komme.

Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) bezeichnete das Paket als Flickwerk und meinte, eine Verwaltungsreform ohne Bundesstaatsreform könne nur auf Kosten des Rechtsschutzes gehen. Die Rednerin vermisste vor allem eine echte Landesverwaltungsgerichtsbarkeit, kritisierte die Verknüpfung der Chipkarte mit den Meldedaten und lehnte die elektronische Abwicklung von Akten mangels Zustellregelungen als "Austricksen der Bürger" ab.

Abgeordnete Dr. GABITZER-BAUMGARTNER (V) sah die Reform als Ausdruck des Dienstleistungsgedankens und der Bürgerfreundlichkeit. In einem Entschließungsantrag forderte sie die Bundesregierung auf, bei der Umsetzung von EU-Recht Sorge zu tragen, dass es im Umwelt- und im Lebensmittelbereich nicht zu einer Nivellierung nach unten kommt. Ein Abänderungsantrag der Rednerin wiederum hatte Detailregelungen im Eisenbahnrecht zum Inhalt.

Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL wertete die Reform als spektakulären Verhandlungserfolg, der gemeinsam mit dem neuen Finanzausgleich 55 Mrd. S an Einsparungen möglich macht. Für die Bevölkerung bringen die einzelnen Bestimmungen mehr Bürgernähe, es komme auch zu einer radikalen Abschlankung der Bundesverwaltung.

Mit Nachdruck wies Schüssel die Vorwürfe der Opposition zurück. Die Chipkarte ermögliche eine freiwillige Speicherung von Daten, von Überwachungsstaat könne da keine Rede sein. Die Konzentration auf die Bezirksverwaltungen wiederum bedeute, dass nun die Akten, und nicht die Bürger laufen.

Abgeordneter Mag. GASSNER (S) konterte, die Bürgernähe bestehe jetzt darin, dass die erste Instanz von der nahen Gemeinde auf die meist weiter entfernte Bezirkshauptmannschaft verlagert wurde. Das vielzitierte One-Stop-Shop sei zudem unpraktikabel, da es weder das Baurecht noch das Gewerberecht mit einbezieht.

Abgeordneter Dr. BÖSCH (F) betonte, die Regierung spare mit dieser Reform bei sich selbst. Durch die Reduktion des Personalaufwandes in den Zentralstellen sei ein Mehr an Dienstleistungen möglich. Kein Verständnis zeigte Bösch, dass die Opposition Einsparungen von 20 Mrd. S ablehnt.

Abgeordneter KOGLER (G) kritisierte, die Konzentration auf die Bezirkshauptmannschaften bringe keine Bürgerfreundlichkeit, sondern bloß mehr Überwachungsstaat. Besser wäre es gewesen, eine autonome Landesverwaltungsgerichtsbarkeit einzuführen. Das Vorruhestandsmodell für Beamte dient nach den Worten Koglers zu Säuberungsaktionen auf Steuergeldbasis.

Abgeordneter Mag. KUKACKA (V) verteidigte die Neuregelung der Fahrzeugkontrolle als Folge des technischen Fortschritts. Autos seien heute sicherer ausgerüstet, was eine Lockerung der Prüfungsintervalle sachlich rechtfertige. Auch würde kein anderes EU-Land die einjährige Untersuchung vorsehen.

Abgeordnete Dr. MERTEL (S) widersprach dem Bundeskanzler, der gesagt hatte, Vizekanzlerin Riess-Passer sei mit der Verwaltungsreform ein großer Wurf gelungen. Diese Reform bringe Nachteile für die Bürger und sei ausschließlich nach finanzpolitischen Gesichtspunkten konzipiert. Man sage, man wolle den Staat abschlanken, in Wahrheit wolle man Menschen loswerden. Verfahrensbeschleunigungen seien nicht zu erwarten, beim Strahlenschutz rechnet Mertel sogar mit neuen Doppelgleisigkeiten. Und mit dem Sozialplan, dem die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst nicht zugestimmt habe, werde den Betroffenen Sand in die Augen gestreut. In einem Entschließungsantrag forderte Abgeordnete Mertl die Bundesregierung auf, eine Vorlage auszuarbeiten, durch die die medizinische Versorgung an den Universitätskliniken und die Erhaltung eines qualitativ hochstehenden wissenschaftlichen Nachwuchses gewährleistet werde.

Abgeordneter Dr. KURZMANN (F) lobte die Bundesregierung für ihre Entschlossenheit, das Problem der Verwaltungsreform nicht länger vor sich her zu schieben, sondern tatkräftig in Angriff zu nehmen. Bis 2003 sollen 15.000 Bundesbedienstete abgebaut werden, wobei ausschließlich an die Nicht-Nachbesetzung von durch Pensionierungen frei werdende Planstellen gedacht sei. Seit 1999 wurde die Zahl der Beamten und Vertragsbediensteten bereits um 7.757 reduziert, was bedeute, dass die Regierung ihr Personalziel im öffentlichen Dienst bereits zur Hälfte erreicht hat.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) zeigte sich skeptisch, dass die neuen One-Stop-Shops auf Bezirksebene geeignet sein werden, gesundheitspolitische Frage sachkompetent zu klären. "Bürgernähe ist nicht alles, es kommt auch auf die Qualität der Entscheidungen an", sagte der Gesundheitssprecher der Grünen und äußerte die Befürchtung, dass die bundeseinheitliche Vollziehung der Gesundheitspolitik nun auf einen Prüfstand gestellt werde.

Abgeordnete Mag. FRIESER (V) erinnerte daran, dass die Volkspartei viele Jahre lang für eine Verwaltungsreform eingetreten sei und machte auf die Bücher aufmerksam, die Bundeskanzler Schüssel dazu geschrieben hat. Die SPÖ wollte aber nie von ihrem Dogma des "Übervaters Staat" abgehen, daher sei es nie möglich gewesen, mit der SPÖ eine Verwaltungsreform herbeizuführen. Für richtungweisend hielt die Rednerin die bereits vollzogene Reform der steirischen Landesverwaltung, die laut Umfrage auch unter den Landesbediensteten auf ein hohes Maß an Zustimmung stößt. - Die ÖVP wird auch in Zukunft für eine permanente Reform der Verwaltung eintreten, versicherte Frieser.

Abgeordneter GRADWOHL (S) machte zunächst darauf aufmerksam, dass außer dem niederösterreichischen Landeshauptmann Pröll kein anderer Landeshauptmann der Verwaltungsreformgesetz ohne Einschränkungen zugestimmt habe. Auch die Präsidenten des Gemeinde- und Städtebundes haben ihre Bedenken angemeldet. Gradwohl kritisierte, dass der versprochene Dialog über die Verwaltungsreform nicht stattgefunden habe. Den Fall einer Reinigungskraft, der mit der Kündigung gedroht wurde, falls sie nicht bereit sei, ihre Wochenstundenzahl erheblich herabzusetzen, schilderte Gradwohl, um zu demonstrieren, wie sehr der Politik dieser Regierung die soziale Dimension fehle. Und dies gelte auch für den Sozialplan. Diese Reform sei unsozial, sie gehe zu Lasten der Bürger und werde die Rechtssicherheit verschlechtern, zeigte sich Gradwohl überzeugt.

Abgeordneter KNERZL (F) würdigte die Verwaltungsreform als einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum Nulldefizit und zeigte sich erfreut über die Erleichterungen, die die Autofahrer bei der Überprüfung ihrer Fahrzeuge in Zukunft erwarten können. Vizekanzlerin Riess-Passer gratulierte der Redner, indem er sagte: "Sie haben eine Arbeit erledigt, an der acht Minister und mehrere Staatssekretäre vor Ihnen gescheitert sind."

Abgeordneter Mag. MAIER (S) warf der Regierung vor, Beamte mit 55 Jahren in Pension schicken zu wollen, aber mit keinem Wort zu sagen, wer diese Maßnahme finanzieren soll. Es gehe um die Pensionsgerechtigkeit, sagte der Abgeordnete und schilderte den Fall eines schwerkranken Mannes, dem es auch mit 38 Beitragsjahren nicht vergönnt sei, in Pension zu gehen. Die von der Regierung genannten Einsparungen durch das Verwaltungsreformgesetz seien für ihn nicht nachvollziehbar, zumal künftig nicht neun, sondern 121 oder 199 Behörden zuständig sein werden. Komplizierte Verfahren werden künftig liegen bleiben oder nur schlampig bearbeitet werden, befürchtet Maier. Diese Verwaltungsreform verdiene diesen Namen nicht, sagte Maier und kündigte die Ablehnung durch die SPÖ an.

Abgeordneter DONABAUER (V) sprach die Vermutung aus, die SPÖ habe deshalb so große Probleme mit der Verwaltungsreform, weil sie sich zwar jahrelang selbst darum bemüht, aber nichts zusammengebracht habe. Der große Wurf sei nun dieser Regierung gelungen, sagte Donabauer und forderte Abgeordneten Gradwohl auf, hinsichtlich der Zustimmung der Landeshauptleute die Protokolle der Landeshauptleutekonferenz zu lesen. Die Anlagenbewilligungsverfahren werden wesentlich verkürzt, alle Rechtsnormen, auch die für die Anrainer, eingehalten und gleichzeitig ein Sozialpaket verabschiedete, dass dafür sorge, dass niemand unfreiwillig nach Hause geschickt werde. "Wir wollen die Zukunft gestalten, nicht die Vergangenheit verwalten".

In einer Tatsächlichen Berichtigung zitierte Abgeordneter Gradwohl (V) aus dem Sitzungsprotokoll der Landeshauptleutekonferenz, in dem es heißt, dass mit der grundsätzlichen Zustimmung der Länder zum Verwaltungsreformgesetz keine pauschale Zustimmung zu einzelnen Gesetzen verbunden sei.

Abgeordneter PENDL (S) unterstrich, dass die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst dem Sozialplangesetz nicht zustimme. Man könne nicht von Freiwilligkeit reden, wenn jemand innerhalb von 14 Tagen zustimmen müsse oder Gefahr laufe, finanziell ins Bodenlose zu stürzen. Dieser Sozialplan bevorzuge Hochlohngruppen und berücksichtige Nebengebühren nicht. Unberücksichtigt seien auch die Exekutivbeamten geblieben, klagte Pendl und machte darauf aufmerksam, dass die Ausweitung des Vorruhestandes für die Betroffenen Abschläge von bis zu 26 % mit sich bringe. "Dem können wir nicht zustimmen" betonte der Redner.

Abgeordnete Dr. PAPHAZY (F) unterstrich das Anliegen, den Bürgern einen effizienten Leistungsstaat anzubieten und würdigte den Erfolg der Bundesregierung, die nun den Prozess der Verwaltungsreform in Gang gesetzt hat. Für die Zukunft verlangte Paphazy ein klares Konzept zur Umsetzung des e-Government und unterstrich den Anspruch der Bürger auf eine zeitgemäße Gerichtsorganisation.

Ein Abänderungsantrag, den Paphazy einbrachte, diente Klarstellungen, der Korrektur von Redaktionsversehen und einer Abstimmung mit der Regierungsvorlage für ein Euro-Umstellungsgesetz, Verkehr, Innovation und Technologie.

Abgeordneter Dr. KRÄUTER (S) problematisierte die Aufhebung mehrerer Gesundheitsgesetze und kritisierte Vertreter der Freiheitlichen wie Finanzminister Grasser und Vizekanzlerin Riess-Passer, die sich zwar in Zeitungsinterviews für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz aussprechen, aber nicht die Kraft aufbringen, es herbeizuführen.

Abgeordnete STADLER (V) bezeichnete die Verwaltungsreform 2001 als eines der größten Reformvorhaben in der Zweiten Republik. Sie bekannte sich nachdrücklich zur Aufwertung der Bezirksverwaltungsbehörden und zur Einrichtung von One-Stop-Shops. Die Konzentration der Verfahren werde dazu führen, dass künftig nicht mehr die Bürger, sondern die Akten von Stelle zu Stelle laufen. Das erspare den Menschen Zeit und Geld. Erfreut zeigte sich die Rednerin, dass auch manche Sozialdemokraten, sie nannte Bundesrat Gasteiger, die föderalistischen Aspekte dieser Reform erkennen und begrüßen.

Abgeordneter Kurt EDER (S) erachtete das Problem der Behinderung im Rahmen der Verwaltungsreform als ungelöst und brachte deshalb einen Abänderungsantrag ein, wonach zusätzliche Maßnahmen körperbehinderten, älteren und gebrechlichen Personen die Benützung der Betriebsanlagen und der Fahrzeuge der ÖBB erleichtern sollen.

Abgeordneter Mag. SCHENDER (F) sprach davon, dass die Opposition wieder einmal versuche, die Arbeit der Regierung pauschal schlecht zu machen. Mit dem Verwaltungsreformgesetz sei aber nach langen und harten Verhandlungen eine Reform gelungen, die die SPÖ jahrzehntelang versprochen hat.

Es könne keine Rede davon sein, dass für alle Beamten ein Vorruhestandsmodell eingeführt wird, betonte Abgeordneter Mag. TANCSITS (V). Dieses neue Modell werde Einsparungen in der Höhe von 23 bis 26 % des Jahresbruttobezuges bringen und sei ein befristetes Angebot, unterstrich der Redner.

Abgeordneter REINDL (F) merkte an, mit der Reform werde aus dem veralteten Verwaltungsstaat ein moderner Bürger- und Leistungsstaat gemacht. Er wies auch darauf hin, dass die Beamten keine Schuld hätten, dass derartige Maßnahmen notwendig seien. Niemand werde hinausgeekelt und niemand werde zu etwas gezwungen, was er nicht will, erklärte der Redner im Zusammenhang mit dem Vorruhestand.

Abgeordneter EGGHART (F) machte darauf aufmerksam, dass mit der Schaffung von kostenlosen Rechtsberatungsstellen durch den Justizminister der Zugang zum Recht verbessert werde. Stolz merkte er an, die Reform werde Einsparungen von 21 Mrd. S bringen.

Abgeordnete ZIERLER (F) sah allen Grund, heute euphorisch zu sein, könne doch nun ein Reformkonzept, das über Jahrzehnte von den Sozialdemokraten angekündigt wurde, umgesetzt werden. Würde die SPÖ ihre Totalopposition aufgeben, könnten zusätzliche Reformschritte gesetzt werden.

Abgeordneter Mag. HETZL (F) wies darauf hin, dass eine Partei nur dann einen elektronischen Bescheid erhält, wenn sie diesen ausdrücklich wünscht. Jeder Bürger könne frei entscheiden, ob er sich für eine elektronische Zustellung ausspricht oder nicht. Gelingt die elektronische Hinterlegung nicht, dann gilt die Verständigung als nicht erfolgt, fügte er hinzu.

Abgeordnete HALLER (F) meinte, man könne bei einem Einsparungspotential von 21 Mrd. S weder von einem Armutsbeispiel noch von einem Kahlschlag sprechen, wären doch laut einer Studie in Österreich Einsparungen von insgesamt 50 Mrd. S möglich.

Abgeordneter Dr. PUMBERGER (F) begrüßte den Rückzug des Staates auf seine Kernaufgaben und sprach Auswirkungen auf das Gesundheitswesen an. Durch die Verwaltungsreform werde man insgesamt 20.000 Dienstposten einsparen, betonte auch er.

Abgeordneter Ing. PRÄHAUSER (S) sprach von einer vertanen Chance und davon, dass man aus einer Gesetzesmücke einen Elefanten mache. Das unterschiedliche Pensionsalter führe in der Bevölkerung zu Diskussionen, das Pensionsantrittsalter mit dem 65. Lebensjahr sollte aber seiner Meinung angestrebt werden.

Bei der Abstimmung wurde unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages der Regierungsparteien das Verwaltungsreformgesetz mit der Mehrheit von FPÖ und ÖVP beschlossen. Mehrheitliche Billigung in dritter Lesung gab es für das Deregulierungsgesetz, wobei die F-V-Anträge angenommen bzw. die G- und S-Anträge abgelehnt wurden. Mit F-V-Mehrheit wurde ein Entschließungsantrag der Regierungsparteien zur Vollziehung des Deregulierungsgesetzes beschlossen. Die Koalitionsfraktionen stimmten auch für die 2. Dienstrechts-Novelle. Der Entschließungsantrag der Sozialdemokraten zur Verbesserung des Dienstrechtes für Ärztinnen an den Universitätskliniken fand keine Mehrheit. (Schluss Verwaltungsreform/Forts. NR)