Parlamentskorrespondenz Nr. 812 vom 23.11.2001

INNENMINISTER STRASSER IN DER FRAGESTUNDE DES NATIONALRATS

Die Freigabe weicher Drogen in der Schweiz bereitet Strasser Sorgen

Wien (PK) - Eingangs der heutigen Plenarsitzung stand Innenminister Ernst Strasser den Abgeordneten Rede und Antwort. Die Themen der Fragestunde reichten von der Sicherheitsakademie über den Kampf gegen die Drogenkriminalität, die Betreuung von Asylwerbern, die Einrichtung des Bundeskriminalamtes, die Auflösung des Mobilen Einsatzkommandos und den Integrationsvertrag bis hin zur Situation im Flüchtlingslager Traiskirchen.

Abgeordneter PARNIGONI (S): Welche Auswirkungen auf die Qualität der österreichischen Sicherheitsexekutive ergeben sich durch die Nichtinstallierung der Sicherheitsakademie als Fachhochschule?

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Bundesminister für Inneres STRASSER erläuterte sein neues Gesamtkonzept für die Aus- und Fortbildung in seinem Ressort und beschrieb das modulartige, stärker bedarfsorientierte Ausbildungsangebot, von dem wesentliche Qualitätsverbesserungen in der Arbeit der Exekutive zu erwarten seien. Für den von Abgeordnetem EGGHART (F) aufs Tapet gebrachten akademischen Grad sah der Ressortleiter aber keinen Bedarf.

Statt des veralteten Ausbildungskonzepts für Führungskräfte und Lehrer gehe es ihm um eine integrale Ausbildungsstätte für alle Mitarbeiter der Sicherheitsexekutive, an der auch Forschungen durchgeführt und internationale Kontakte gepflegt werden sollen. Zudem soll in jedem Bundesland ein Ausbildungszentrum für Sicherheitsexekutive und Kriminaldienst eingerichtet werden, sagte Strasser.

Von Abgeordnetem BROSZ (G) auf Polizeiübergriffe angesprochen, führte der Innenminister aus, dass Österreich mit dem Menschenrechtsbeirat über das modernste Instrumentarium der gesamten westlichen Welt verfüge, das zuletzt auch reges Interesse bei US-Stellen ausgelöst habe.

Abgeordneter Mag. MAINONI (F): Welche organisierten Gruppierungen betreiben derzeit überwiegend organisierten Suchtgifthandel (va. mit Heroin, Kokain...) in Österreich?

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Der INNENMINISTER antwortete mit dem Hinweis darauf, dass Österreich kein Quellenland für den Suchtgifthandel, wohl aber Transit- und Zielland sei. Kokain komme aus Südamerika; Heroin zu 90 % über die Balkanroute, wobei die Tätergruppen großteils türkischer, zunehmend aber auch albanischer Herkunft seien. Ecstasy werde von österreichischen und niederländischen Tätergruppen gehandelt. Im Bereich der synthetischen Drogen begegne man polnischen, ungarischen und österreichischen Kriminellen.

Die Beschäftigung mit schwarzafrikanischen Tätergruppen, die im Drogenhandel in Ost- und Südösterreich in Erscheinung treten, werde einer der Schwerpunkte der kriminalpolizeilichen Arbeit im nächsten halben Jahr sein, erfuhr der Anfragesteller auf eine diesbezügliche Zusatzfrage.

Abgeordneter Dr. PUTTINGER (V) erkundigte sich nach der speziellen Rolle der Exekutive im Kampf gegen die Drogenkriminalität. Innenminister Strasser führte aus, dass neben Aufklärung und Prävention der Exekutive der Kampf gegen die organisierte Kriminalität als Schwerpunkt zukomme. Sie könne auf schöne Erfolge in den Bereiche Heroin und Ecstasy verweisen und setze künftig auf verstärkte internationale Zusammenarbeit, um an die Zentren der Drogenmafiosi heranzukommen.

Abgeordneter BROSZ (G) sprach die staatliche Abgabe von Heroin an Schwersüchtige in Zürich an und fragte, ob Überlegungen in diese Richtung auch im Innenressort angestellt werden. Innenminister Strasser sagte, ihm bereite die Drogenpolitik der Schweiz große Sorgen. Die dortige Freigabe weicher Drogen lasse schwerwiegende Auswirkungen auf Vorarlberg befürchten.

Die Kritik der Abgeordneten Mag. WURM (S), die Zahl der Drogentoten sei trotz Verschärfung des Suchtmittelgesetzes gestiegen, wies Minister Strasser mit dem Hinweis darauf zurück, dass der Zeitraum seit dem Inkrafttreten der Suchtmittelverordnung zu kurz sei, um Schlüsse zu ziehen. Er betonte seine Entschlossenheit, Straftäter zu verfolgen, die auf Kosten unserer Jugend blutiges Geld verdienen.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G): Wie werden Sie angesichts des Winters und der ausgeschöpften Unterbringungsmöglichkeiten von nichtstaatlichen Betreuungsorganisationen drohende Obdachlosigkeit von AsylwerberInnen bekämpfen?

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Innenminister STRASSER erläuterte die Vollziehung des Bundesbetreuungsgesetzes, das eine Betreuung aller bedürftigen Asylwerber vorsehe, die an der Feststellung ihrer Identität mitwirken. Die Zahl der derzeit vom Bund betreuten Asylwerber bezifferte der Minister mit rund 4.200. Er hoffe, dass die neue Situation in Afghanistan zu einem Rückgang der zuletzt stark gestiegenen Zahl an Asylwerbern führen werde (Zusatzfrage des Abgeordneten KÖSSL, V). Ein Teil der Asylwerber sei in Privatquartieren untergebracht, sein Ressort arbeite aber intensiv an der Professionalisierung der Unterbringung und der Betreuung der Asylwerber.

Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) sprach die Feststellung des Verfassungsgerichtshofes an, der die Slowakei als kein sicheres Drittland eingestuft habe. Der Innenminister erinnerte an die in diesem Zusammenhang kürzlich verabschiedete Novelle des Asylgesetzes und an konkrete Gespräche mit der Slowakei, die sich bereits auf einem guten Weg befinde.

Abgeordneter KISS (V): Welche Vorteile sind durch die Einrichtung eines Bundeskriminalamtes für die Kriminalitätsbekämpfung zu erwarten?

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Der INNENMINISTER erinnerte daran, dass die Diskussion um die Professionalisierung der Kriminalitätsbekämpfung in Österreich schon seit 10 Jahren geführt werde. Ihm sei es gelungen, innerhalb von 10 Monaten ein fertiges Konzept auszuarbeiten und dem Hohem Haus ein Gesetz vorzulegen. Das Bundeskriminalamt werde eine wesentliche Verbesserung in der Auswertung und Analyse von Ermittlungsergebnissen bringen. Die Kriminaltechnik werde ausgebaut, Aus- und Fortbildung sowie das Informationsmanagement verbessert. Die Beamten erhalten damit eine kompetente Ansprechstelle auf Bundesebene, die Kriminalitätsbekämpfung werde damit auf internationales Niveau gehoben.

In seinen Antworten auf Zusatzfragen der Abgeordneten Mag. STOISITS (G) und LEIKAM (S) stellte Minister Strasser die Prüfung etwaiger Landeskriminalämter in Aussicht.

Die Frage des Abgeordneten EGGHART (F), ob daran gedacht sei, bei den Bezirksverwaltungsbehörden Juristen für Kriminaldelikte einzusetzen, verneinte der Innenminister.

Abgeordneter GAAL (S): Wie wollen Sie sicherstellen, dass das hohe Sicherheitsniveau Wiens durch die von Ihnen verordnete Polizeireform weiterhin erhalten bleibt?

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Bundesminister STRASSER wies die Behauptung zurück, die Polizeireform sei von ihm verordnet worden. Er habe sich auf die hervorragenden Vorarbeiten gestützt, die gerade von der Wiener Polizei geleistet worden seien. Es gehe ihm um eine optimale Organisation, um mehr Effizienz der Einsätze, die Optimierung der Aufgabenerfüllung, die Konzentration der Exekutivbeamten auf ihre Kernaufgaben, die Entlastung von artfremden Tätigkeiten und um die Straffung der Verwaltungsabläufe. Auf diesem Weg werde es gelingen, 100 bis 120 Beamte mehr auf die Straße zu bringen, zeigte sich der Innenminister überzeugt.

Auf die Klage des Abgeordneten JUNG (F), in Wien müssten Beamte 24-Stunden-Dienste leisten, sagte der Innenminister zu, den Sachverhalt zu prüfen.

Abgeordneten FREUND (V) informierte Minister Strasser über die Einführung des Fachsystems in Wien, mit dem die Wiener Polizeiarbeit wieder eine internationale Führungsrolle einnehmen wird.

Das familienfeindliche "Fünferradl", das Abgeordnete STOISITS (G) kritisierte, veranlasste den Innenminister, über Modellversuche zu berichten, mit denen in einigen Wiener Bezirken nach Alternativen gesucht werde. Tatsache sei, dass die Polizeiarbeit ein harter Job sei, der auch an Wochenenden und Feiertagen erledigt werden müsse.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F): Was veranlasst Sie, die totale Auflösung der Mobilen Einsatzkommandos (MEK) zu planen?

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Der INNENMINISTER berichtete, bei seinem Amtsantritt 20 verschiedene Sondereinheiten vorgefunden zu haben, die unterschiedliche Aufnahmekriterien und Ausbildungskonzepte aufweisen. Er halte dies für keine optimale Sicherheitsarchitektur und plane daher, die Sondereinheiten auf zwei, die WEGA in Wien und die COBRA außerhalb Wiens, zu reduzieren. Die Befürchtung der Anfragestellerin, der Kampf gegen die mittelschwere Kriminalität könnte durch die Auflösung der MEK leiden, teilte der Innenminister nicht.

Zur Kritik des Abgeordneten DIETACHMAYR (S) an Postenschließungen und Umstrukturierungen, die die Stimmung unter den Exekutivbeamten in den Keller rutschen ließen, stellte der Innenminister fest, er wolle die Gendarmeriebeamten von bürokratischem Kram entlasten, dafür sorgen, dass sie rasch ihre Vorgaben bekommen und der Kontakt mit ihren Offizieren verbessert werde. Die Entlastung von Verwaltungstätigkeiten soll mehr Beamte auf die Straße bringen.

Gegenüber Abgeordneter Mag. STOISITS (G), die die Förderung von Sprachkenntnissen wie Türkisch, Serbisch und Kroatisch unter den Exekutivbeamten verlangte, hielt der Innenminister fest, dass für alle Beamten die selben Aufnahmekriterien gelten.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G): Wann werden Sie einen Gesetzesentwurf für den von der Bundesregierung angekündigten sogenannten "Integrationsvertrag" vorlegen?

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Bundesminister STRASSER kündigte an, dass der Entwurf noch heuer in Begutachtung gehen werde. Den Ausdruck "Zwangssprachkurse" wies der Minister zurück und machte darauf aufmerksam, dass Sprachkurse in vielen europäischen Ländern Realität seien und eine wichtige Rolle bei der Integration von Zuwanderern spielen. Der Spracherwerb sei eine wesentliche Vorraussetzung für die Integration, stimmte der Innenminister auch Abgeordnetem Dr. KRÜGER (F) zu.

Die Gefahr einer Aufrechnung der Familienzusammenführung und der Zuwanderung von Arbeitskräften, wie sie Abgeordnete PARFUSS (S) befürchtete, sah der Innenminister nicht.

Der Integrationsvertrag werde für Zuwanderer aus Drittstaaten nach 1998 gelten, deren Aufenthalt noch nicht verfestigt sei. Ausgenommen seien Kinder und Schlüsselkräfte, die sich nicht länger als zwei Jahre in Österreich aufhalten, erfuhr Abgeordneter LOOS (V).

Abgeordneter MIEDL (V): Welche Maßnahmen unterstützen Sie auf europäischer Ebene im Zusammenhang mit der Euro-Umstellung?

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Der INNENMINISTER informierte die Abgeordneten über ein Maßnahmenbündel in Zusammenarbeit mit Banken und Nationalbank, das darauf gerichtet sei, die Bevölkerung aufzuklären und die Verteilung der neuen Zahlungsmittel sicher abzuwickeln. Beim Transport und bei  der Verteilung der neuen Geldscheine und Münzen sei es zu keinem einzigen Vorfall gekommen, berichtete der Innenminister mit Stolz.

Bei der Euro-Umrechnung von Strafgebühren sei zugunsten der Bürger nach unten abgerundet worden, erfuhr Abgeordnete Dr. MOSER (G). Auf Anregung des Abgeordneten KIERMAYR (S) wird sich der Innenminister für die Möglichkeit der bargeldlosen Entrichtung von Gebühren an den Grenzübertrittsstellen einsetzen.

Abgeordneter PENDL (S): Welche Maßnahmen werden Sie treffen, um den Anforderungen der sich laufend erhöhenden Belegungsstärke der Bundesbetreuungsstelle Traiskirchen gerecht zu werden?

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Bundesminister STRASSER teilte mit, dass er die Höchstbelagsstärke des Flüchtlingslagers Traiskirchen mit 1.000 festgesetzt habe und dafür gesorgt habe, dass diese Zahl in der Regel um 200 unterschritten werde. Um das subjektive Sicherheitsgefühl der Traiskirchner Bevölkerung zu heben, habe er einen verstärkten Einsatz von Exekutivbeamten, auch in den Zügen der Badner Bahn, angeordnet.

Die von Abgeordneter PARTIK-PABLE (F) zur Sprache gebrachten Probleme mit Personen, die sich illegal in Traiskirchen aufhalten, will der Innenminister durch eine Novelle des Fremdengesetzes lösen.

Abgeordnetem KÖSSL (V) teilte der Innenminister Maßnahmen zur Beschleunigung der Asylverfahren mit, u.a. den Einsatz einer "Asylstraße", die die Dokumentation der relevanten Daten erleichtern soll. (Schluss Fragestunde/Forts. NR)