Parlamentskorrespondenz Nr. 849 vom 05.12.2001

VERFASSUNGSAUSSCHUSS BEFASST SICH MIT BERICHT DER VOLKSANWALTSCHAFT

Neuwahlantrag der SPÖ kommt nicht auf die Tagesordnung

Wien (PK) - Der Tätigkeitsbericht der Volksanwaltschaft über das Jahr 2000 stand heute im Mittelpunkt der Beratungen des Verfassungsausschusses des Nationalrates. Dabei kamen insbesondere Mängel in der Justizverwaltung und im Innenressort sowie der Umgang des Nationalrates mit legistischen Anregungen der Volksanwaltschaft zur Sprache. Vor allem seitens der Grünen wurde beklagt, dass Vorschläge der Volksanwaltschaft in Bezug auf Gesetzesänderungen "beharrlich ignoriert" würden, was jedoch sowohl von ÖVP-Seite als auch vom derzeitigen Vorsitzenden der Volksanwaltschaft, Peter Kostelka, zurückgewiesen wurde. Kostelka wies darüber hinaus darauf hin, dass sich im Jahr 2001 wieder eine steigende Zahl von Beschwerden bei der Volksanwaltschaft abzeichne. Am Beginn der Ausschusssitzung hatte Abgeordneter Josef Cap namens der SPÖ den Antrag gestellt, die Tagesordnung um den von seiner Fraktion kürzlich eingebrachten Neuwahl-Antrag zu ergänzen, dies wurde jedoch von den Koalitionsparteien abgelehnt.

Im Rahmen der Beratungen über den Bericht der Volksanwaltschaft beklagten insbesondere die Grünen, dass legistische Anregungen der VolksanwältInnen vom Gesetzgeber "beharrlich ignoriert" würden, wie Abgeordnete Terezija Stoisits sagte. Ein tabellarischer Anhang im Bericht zeige, dass bei zwei Dritteln der Vorschläge keine Umsetzung beabsichtigt sei. Gewisse Anregungen würden sich dabei über Jahrzehnte hinziehen. Ihre Fraktionskollegin Madeleine Petrovic schloss sich dieser Kritik an und gab zu bedenken, dass es keine richtige Verwaltungsreform ohne Änderung der materiellen Gesetze geben könne. Klarere Bestimmungen in manchen Bereichen würden ihrer Ansicht nach die Verwaltung merklich entlasten.

Stoisits hielt darüber hinaus fest, dass die von der Volksanwaltschaft aufgezeigten Fälle einen guten Überblick darüber darstellten, wie die österreichische Verwaltung arbeite und welchen manchmal geradezu unmenschlichen Umgang die Bürokratie mit Bürgern und Parteien pflege. Als Beispiel nannte sie die Ladung zu Vernehmungen mittels offener Postkarte, was jeden Regeln des Datenschutzes widerspreche. Überhaupt übte Stoisits besondere Kritik am Innenressort und verwies in diesem Zusammenhang auf den vorliegenden Bericht, in dem die Volksanwaltschaft die teils extrem lange Antwortdauer seitens des Innenressorts bemängle und festhalte, dass dadurch Prüfungen erschwert seien.

Von mehreren Abgeordneten angesprochen wurden Mängel in der Justizverwaltung. So machte Abgeordneter Johann Maier (S) darauf aufmerksam, dass es im Justizbereich eine Steigerung der Beschwerden um über 25 Prozent gebe, wobei ein Großteil die lange Dauer von Gerichtsverfahren und die lange Dauer bei der Ausfertigung und Zustellung von Gerichtsentscheidungen betreffe. Grund dafür seien nicht zuletzt personelle Engpässe. Maier kritisierte in diesem Sinn die in Aussicht genommenen Planstelleneinsparungen im Justizbereich seitens der blau-schwarzen Koalition und äußerte die Befürchtung, dass dadurch die Beschwerden weiter zunehmen und insbesondere Verfahren im zivilrechtlichen Bereich noch länger dauern werden.

Abgeordnete Theresia Fekter (V) hielt dazu fest, sie irritiere es, dass, wenn die Volksanwaltschaft Missstände in der Justiz aufzeige, die Richtervereinigung stets auf die Unabhängigkeit der Justiz poche. Justizminister Böhmdorfer hat ihr zufolge versucht, Unzulänglichkeiten bei der Aktenbehandlung durch die Einrichtung von Vertretungsrichtern beizukommen, was aber wiederum zu Protesten von Seiten der Medien und der Richterschaft geführt habe.

Allgemein unterstrich Fekter, der Nationalrat habe legistische Anregungen der Volksanwaltschaft sehr wohl im Auge. Ihr zufolge könnte es beispielsweise "im Frühling" in zwei wichtigen Fragen - im Heimvertragsrecht und in Bezug auf das "Recht auf Licht" in Nachbarschaftsangelegenheiten - zu einer Lösung kommen.

Abgeordneter Johannes Jarolim (S) meinte in Richtung Abgeordneter Fekter, die von der Volksanwaltschaft aufgezeigten Probleme im Justizbereich könnten "sicher nicht" durch Vertretungsrichter gelöst werden. Weiters kritisierte er wie schon zuvor Abgeordnete Stoisits die lange Beantwortungszeit des Innenministeriums auf Anfragen der Volksanwaltschaft.

Abgeordneter Michael Krüger (F) räumte ein, dass es bei Zivilprozessen oft zu Verzögerungen komme. Er macht dafür vor allem die nicht rechtzeitige Ausfertigung von Sachverständigengutachten verantwortlich und will daher in diesem Bereich ansetzen. Seiner Ansicht nach sollte man auf die Gerichtspräsidenten dahingehend einwirken, Personen von der Sachverständigenliste zu streichen, wenn sie ihre Aufträge nicht in angemessener Zeit erfüllen.

Sowohl von Krüger als auch seitens der Abgeordneten Gottfried Feurstein und Ulrike Baumgartner-Gabitzer (beide V) angesprochen wurde die Absicht, im ORF wieder eine Sendung für die Volksanwaltschaft einzuführen. Krüger erwartet sich dadurch ein stärkeres Gewicht der Volksanwaltschaft und machte geltend, dass der Erfolg der Volksanwaltschaft nicht zuletzt von der ihr zugemessenen Bedeutung abhänge.

Skeptischer äußerte sich dazu Abgeordneter Feurstein. Er hat Bedenken, dass sich die Behörden bei im Fernsehen aufgezeigten Fällen großzügiger verhalten und rascher reagieren als im Normalfall, was zu einer ungleichen Behandlung von Bürgern führen würde.

Abgeordnete Baumgartner-Gabitzer bekräftigte allgemein, es würden sehr viele Anregungen der Volksanwaltschaft aufgenommen. Sie sehe das nicht so negativ wie die Grünen. Zudem stellte sie der Verwaltung ein gutes Zeugnis aus, räumte aber ein, dass es zweifellos viele Einzelfälle gebe, wo Verbesserungen notwendig seien.

Abgeordnete Gisela Wurm (S) schnitt einige ihrer Meinung nach "wirklich haarsträubende Fälle" aus dem Verwaltungsbereich des Innenministeriums an und nannte etwa Leibesvisitationen "ohne Schamgefühl und Hygiene", Alko-Tests in Schlafzimmern und Perlustrierungen von Jugendlichen, mit denen man massiv in deren persönliche Integrität eingegriffen habe. Ihrer Auffassung nach sollte die Volksanwaltschaft Grundrechtsverletzungen deutlicher als bisher aufzeigen.

Peter Kostelka, derzeitiger Vorsitzender der Volksanwaltschaft, bekräftigte, dass legistische Anregungen der Volksanwaltschaft immer wieder umgesetzt würden. Die tabellarische Aufstellung im Anhang des Berichts der Volksanwaltschaft ist ihm zufolge insofern kein Maßstab, da man offene Anregungen der Volksanwaltschaft aus den letzten Jahren immer wieder anführe, während umgesetzte Empfehlungen lediglich im Jahr der Umsetzung aufschienen.

Als "echtes Problem" wertete Kostelka die Tatsache, dass die Ressorts Anfragen der Volksanwaltschaft sehr unterschiedlich beantworten würden. Mittlerweile gehe man seitens der VolksanwältInnen einheitlich so vor, zunächst eine Frist von fünf Wochen zu setzen und dann eine Antwort zu urgieren, erläuterte er, weitere Urgenzen folgten nach vier und dann nach drei Wochen. Einen gewissen "erzieherischen Effekt" erwartet sich der Volksanwalt vom Vorhaben, im Bericht der Volksanwaltschaft künftig darzustellen, wie oft und in welchem Umfang verspätete Antworten der einzelnen Ressorts einträfen. Zudem hat die Volksanwaltschaft ihm zufolge den Grundsatzbeschluss gefasst, in dem Bericht künftig einen eigenen "Grundrechtsteil" einzufügen.

Die Verfahrensdauer im Justizbereich hält Kostelka, wie er sagte, "fürwahr für ein Problem". Als zweites ungelöstes Problem zwischen Volksanwaltschaft und Justizressort nannte er darüber hinaus die Frage der Auskunftserteilung im Gnadenrecht. Seiner Meinung nach wären Überprüfungen in diesem Bereich sinnvoll.

Als unabdingbare Notwendigkeit beurteilte Kostelka die von SPÖ-Abgeordnetem Maier geforderte Einrichtung eines verschuldensunabhängigen Haftungsfonds im Sozialversicherungsbereich, insbesondere bei der Pensionsversicherung. Er gab zu bedenken, dass das Sozialversicherungsrecht so komplex sei, dass beispielsweise ein einzelner nicht beurteilen könne, ob der Nachkauf von Versicherungszeiten für die Pension Sinn mache oder nicht. Er müsse sich daher auf Auskünfte der Sozialversicherungsträger verlassen, die aber nicht immer richtig seien. Kostelka erachtet es als "unerträglich", dass für falsche Auskünfte kein Schadenersatz geltend gemacht werden könne.

Als weiteres Problem für die Volksanwaltschaft führte Kostelka die fehlende Prüfungszuständigkeit bei ausgegliederten Rechtsträgern an. Dadurch klaffe in zunehmendem Maß auch die Zuständigkeit des Rechnungshofes und der Volksanwaltschaft auseinander, bedauerte er. Seiner Auffassung nach ist es außerdem nicht befriedigend, dass die Volksanwaltschaft abseits der jährlichen Berichte dem Nationalrat keine aktuellen Sonderberichte - etwa eine Untersuchung der Gewährung von Heizkostenzuschüssen - übermitteln könne.

Die geplante ORF-Sendung für die Volksanwaltschaft wurde von Kostelka begrüßt. Er teilte mit, dass zwei Fälle pro Sendung gezeigt werden sollen, wobei es einen konfrontativen Fall und einen Fall, der gelöst werden konnte, geben werde. Die Bedenken von Abgeordnetem Feurstein teilte der Vorsitzende der Volksanwaltschaft nicht und betonte, die VolksanwältInnen würden sich nicht als Interventionisten sehen, vielmehr müsse eine vernünftige Lösung auch für alle anderen Fälle gelten. Es werde auch nicht "zu einem wöchentlichen Abschlachten eines Beamten" kommen, zeigte sich Kostelka zuversichtlich.

Der Tätigkeitsbericht der Volksanwaltschaft über das Jahr 2000 wurde einstimmig zur Kenntnis genommen. Daraus geht hervor, dass sich im vergangenen Jahr 8.605 BürgerInnen an die Volksanwaltschaft wandten. In 3.806 Fällen wurde ein Prüfungsverfahren eingeleitet, weitere 44 Mal wurden die VolksanwältInnen von sich aus aktiv. Die häufigsten Beschwerden auf Bundesebene betrafen dabei das Sozialministerium (588) und das Justizministerium (506), in der Bundesländerstatistik führt das Burgenland vor Wien und Vorarlberg die Beschwerdeliste an. Insgesamt wurden von der Volksanwaltschaft im Jahr 2000 4.704 Prüfungsverfahren erledigt, wobei es in zwei besonders schwer wiegenden Fällen zu einer formellen Empfehlung und in einem Fall zu einer Missstandsfeststellung kam.

ANTRÄGE DER KOALITION UND DER GRÜNEN WURDEN UNTERAUSSCHUSS ZUGEWIESEN

Ein Entschließungsantrag der beiden Koalitionsparteien, der auf einen besseren Schutz von Tieren vor Tierquälerei abzielt, wurde einstimmig dem zum Thema Tierschutz eingerichteten Unterausschuss des Verfassungsausschusses zugewiesen. Diesem Unterausschuss liegen auch mehrere Anträge der Opposition zur Schaffung eines bundeseinheitlichen Tierschutzgesetzes zur Vorberatung vor.

Ebenfalls einem Unterausschuss zugewiesen - und zwar jenem, den der Verfassungsausschuss zur Vorberatung des von der Koalition beantragten "Demokratiepaketes" eingesetzt hat - wurden ein Antrag und ein Entschließungsantrag der Grünen zur Erweiterung der Kompetenzen der Volksanwaltschaft. Unter anderem wollen die Grünen die Prüfungsbefugnis der Volksanwaltschaft auf ausgegliederte Rechtsträger erstrecken und der Volksanwaltschaft die Möglichkeit einräumen, Gesetzesanträge einzubringen. Zudem soll ihrer Ansicht nach der Wahlmodus für die VolksanwältInnen geändert werden.

Sowohl der Tierschutz-Unterausschuss als auch der zum "Demokratiepaket" eingesetzte Unterausschuss des Verfassungsausschusses werden ihre Beratungen am Freitag, den 14. Dezember fortsetzen. FPÖ und ÖVP fordern im "Demokratiepaket" u.a. die Einführung der Briefwahl und die verpflichtende Abhaltung einer Volksabstimmung für den Fall, dass ein Volksbegehren von mehr als 15 % der Stimmberechtigten unterstützt wird. Außerdem beinhaltet der VP-FP-Vorschlag gleichfalls die Möglichkeit der Gesetzesinitiative durch die Volksanwaltschaft. Dem Unterausschuss liegt darüber hinaus ein Antrag der Grünen zur Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre vor. (Schluss)