Parlamentskorrespondenz Nr. 45 vom 30.01.2002

NATIONALRAT DEBATTIERT BERICHT DER VOLKSANWALTSCHAFT 2000

In Zukunft auch Aussagen über Grund- und Menschenrechte

Wien (PK) - Präsident Fischer nahm zu Beginn der Sitzung die Angelobung von Peter MARIZZI (S) - er übernimmt das Ende des Vorjahres aus dem Nationalrat ausgeschiedenen Mandatars Arnold GRABNER (S) - vor. Marizzi gehörte dem Nationalrat schon von 1987 bis 1999 an, von 1999 an war er Mitglied des Bundesrats. Außerdem teilte Fischer mit, dass Abgeordneter Mag. Gilbert TRATTNER (F) auf sein Mandat verzichtet hat.

Der Frächterskandal wird, wie der Präsident bekannt gab, ab 15 Uhr Gegenstand einer Debatte sein. Die Regierungsparteien haben in diesem Zusammenhang einen Dringlichen Antrag betreffend Maßnahmen gegen die Ausbeutung illegal beschäftigter Fremder eingebracht.

Im Anschluss daran wird sich der Nationalrat auf Verlangen der SPÖ in einer kurzen Debatte mit einer Anfragebeantwortung des Bundeskanzlers betreffend Filmförderung befassen.

Erster Tagesordnungspunkt der ersten Sitzung des Nationalrats im neuen Jahr war dann der Bericht der Volksanwaltschaft über das Jahr 2000. Dr. WITTMANN (S) setzte sich als erster Redner kritisch mit Volksanwalt Stadler auseinander. Er erinnerte daran, dass über Stadler wegen Verweigerung der Zeugenaussage eine Beugestrafe verhängt wurde, und warf ihm Missachtung der Rechtsordnung vor. Der F-Vertreter in der Volksanwaltschaft sei nicht geeignet, über die Einhaltung des Rechtes zu wachen. Wittmann sah die Objektivität der Volksanwaltschaft durch Stadler gefährdet.

Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V) hob die Tätigkeit der Volksanwaltschaft positiv hervor und sprach sich in Anspielung an ihren Vorredner gegen Vorverurteilungen aus.

Abgeordneter Dr. KRÜGER (F) bezeichnete die Volksanwaltschaft als ideal besetzt: Ewald Stadler sei als scharfsinniger Politiker bestens geeignet, den Beamten genau auf die Finger zu schauen. Peter Kostelka als exzellenter Verfassungsexperte und Rosemarie Bauer "mit ihrem Herz auf dem rechten Fleck" wiederum seien Garanten dafür, dass den Bürgern zu ihrem Recht verholfen werde.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) mahnte, die Feststellungen des Berichtes der Volksanwaltschaft, insbesondere jene betreffend den Umgang mit den Grundrechten, sollten Anlass zum Handeln seitens des Nationalrates sein.

Auf Krüger replizierte Stoisits, sie gehe davon aus, dass auch die beiden Herren Volksanwälte ein Herz haben. Bei Stadler sei sie jedenfalls sicher, dass dessen Herz tatsächlich auf dem rechten Fleck schlage.

Abgeordnete Dr. MERTEL (S) sah zahlreiche Forderungen der SPÖ durch die Volksanwaltschaft bestätigt. Sie sprach in diesem Zusammenhang von Anregungen betreffend Wiedereinführung der Heimfahrtbeihilfe für Schüler bzw. von Bedenken der Volksanwaltschaft gegen die Herabsetzung der Volljährigkeit.

Abgeordneter DONABAUER (V) würdigte die Qualität der Arbeit der Volksanwaltschaft. Die Häufung der Sozialanliegen zeige aber, dass gerade dieser Bereich bürgerfreundlicher und verständlicher geregelt werden müsse, gab er zu bedenken.

Abgeordneter Dr. BÖSCH (F) knüpfte bei Donabauer an und klagte, viele Materien seien heute schon so kompliziert, dass sie nicht mehr klar administriert werden können.

Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) kritisierte, zahlreiche Anregungen der Volksanwaltschaft würden vom Nationalrat ignoriert. Sie nannte insbesondere Anliegen der Frauenförderung und des Umweltschutzes.

Volksanwalt Dr. KOSTELKA machte darauf aufmerksam, dass in den nächsten Monaten der erste Bericht der neuen Volksanwaltschaft vorgelegt werde, der auch die Menschenrechte beinhalten wird. Positiv hob Kostelka die seit 12. Jänner wöchentlich stattfindende Sendung über den Volksanwalt hervor und unterstrich, dass es dabei nicht um Konfrontation mit der Verwaltung gehe, sondern um Aufklärung und Information des Bürgers über seine Rechte.

Im Zusammenhang mit der Erweiterung der Rechte der Volksanwaltschaft wies Kostelka auf die Problematik der ausgegliederten Rechtsträger hin, da sie weiterhin öffentliche Aufgaben erfüllen und zum Teil wie Behörden auftreten, und bedauerte, dass die Volksanwaltschaft in diesem Bereich ihre Zuständigkeit verloren hat.

Auch machte der Volksanwalt u.a. darauf aufmerksam, dass der Raufhandel im StG und ASVG unterschiedlich behandelt wird, weil z.B. bei einem ehelichen Streit, in dessen Rahmen der Ehegatte gewalttätig wird und die Gattin verletzt, die verletzte Frau kein Krankengeld erhält. Dies ist für ihn nur ein Beispiel, das an die Volksanwaltschaft herangetragen wird.

Volksanwalt Dr. STADLER strich vorerst heraus, dass er nie an seiner politischen Gesinnung Zweifel gelassen habe und er mit seiner Wahl zum Volksanwalt "weder geschlechts- noch gesinnungslos" geworden sei. Den künftigen Berichten wolle man einen Grundrechtsteil anschließen, um klar zu machen, dass Grundrechte in der Verwaltung etwas stärker berücksichtigt werden sollten. Positiv merkte Stadler an, dass die Volksanwaltschaftssendung zurückerobert werden konnte, und schloss eine Steigerung der Beschwerdefälle nicht aus. Ausdrücklich dankte er dem ORF für die Zusammenarbeit mit den Volksanwälten. Eine gute Kooperation würde sich Stadler auf parlamentarischer Ebene mit dem Petitionsausschuss wünschen.

Volksanwältin BAUER sprach davon, dass vieles, was im Bericht drinnenstehe, noch immer Aktualität besitze. Als ein Beispiel führte sie etwa im Bereich des Gebührenwesens  den Wunsch nach einheitlicher Einhebung von Gebühren an, ist es doch dem Bürger gleichgültig, ob es sich um eine Bundes- oder eine Landesabgabe handelt. Auch das Finanzressort war ihrer Meinung nach bemüht, Vorschläge der Volksanwälte aufzugreifen: Es wird auf die Verpflichtung zur Zahlung von Stundungszinsen dezidiert hingewiesen, damit der Bürger unter Umständen auf eine andere Zahlungsart, die für ihn kostengünstiger ist, ausweichen kann. Verbessert wurde auch der Service im Bereich des Bankwesens.

Abgeordneter Dr. KRÄUTER (S) meinte, die Volksanwaltschaft werde viel Arbeit erhalten, da der Sozialstaat abgebaut, die Ellbogengesellschaft forciert, die Zwei-Klassen-Medizin etabliert werde sowie die Einkommen der älteren Generation verkürzt und die Perspektiven der Jugend verbaut werden. Besonders prangerte der Redner den "Kahlschlag bei den Bezirksgerichten" an, sollten für Kräuter doch die Bezirksrichter die Sorgen und Probleme der Bürger auffangen.

Abgeordnete Dr. FEKTER (V) kam auf das von Kostelka angesprochene ASVG-Problem zu sprechen, bedauerte, dass der Opferschutz zu kurz komme und gab zu, dass es sich hiebei um eine Gesetzeslücke handelt, die beseitigt werden müsste. Fekter griff auch das Problem der Beschattung auf, sprach sich gegen die Selbsthilfe, Pflanzen zu entfernen oder Bäume zurückzustutzen, aus. Vielmehr plädiert sie für ein Schadenersatzrecht bzw. für das Recht auf Fremdvornahme.

Abgeordneter KNERZL (F) wies in einer tatsächlichen Berichtigung den Vorwurf von Kräuter, bei der Schließung der Bezirksgerichte sei es um Freunderlwirtschaft zwischen ÖVP und FPÖ gegangen, zurück.

Abgeordnete Dr. PAPHAZY (F) forderte mehr Transparenz bei der Institution Verfassungsgerichtshof, um ihn aus dem tagespolitischen Schussfeld zu bringen. Ein Antrag der ÖVP und der Freiheitlichen zum Demokratiepaket beinhalte dieses Anliegen, merkte sie an. Dank stattete die Rednerin den Volksanwälten Korosec, Krammer und Schender für den Tätigkeitsbericht 2000 ab.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) wünschte sich als Sozialsprecher, dass das Parlament die legistischen Vorschläge der Volksanwaltschaft etwa im Bereich des Arbeitslosenversicherungsgesetzes intensiver debattieren würde. Auch in Zukunft sollten dem Parlament Sonderberichte der Volksanwaltschaft zugemittelt werden, vor allem jener über die Vergabe von Heizkostenzuschüssen in der Heizperiode 2000/2001, in dem der Gesetzgeber aufgefordert wird, sich verstärkt darüber Gedanken zu machen, wie man angesichts der unterschiedlichen Handhabung durch die Länder zu einer bundesweiten Vereinheitlichung kommen könne. Dies war auch Inhalt eines Entschließungsantrages, der vom Vorsitz führenden Präsidenten gemäß der Geschäftsordnung nicht zugelassen wurde.

Abgeordneter PRÄHAUSER (S) erinnerte daran, dass die Volksanwaltschaft vor 25 Jahren von einer SPÖ-Alleinregierung geschaffen wurde. Seit damals konnte den Bürgern gemeinsam mit der Volksanwaltschaft zu ihrem Recht verholfen werden. Zufrieden könne man immer noch nicht sein, da es noch immer zu viele offene Anliegen gibt, merkte er an.

Abgeordnete Mag. WURM (S) würdigte den detaillierten und informativen Bericht der Volksanwaltschaft, die als Mediator für BürgerInnen diene und oft als letzte Schlichtungsstelle zwischen diesen und den Behörden fungiere. In diesem Sinne sei die Volksanwaltschaft auch ein wichtiges Korrektiv. Sie sei aber auch, so Wurm, ein wichtiges Instrument zur Sensibilisierung für die Wahrung der Menschen- und Grundrechte. Denn gerade im Bereich des Innenressorts und der Justiz fehle es, wie die Volksanwaltschaftsberichte immer wieder auflisteten, an Fingerspitzengefühl und Verhältnismäßigkeit. Als Vorsitzende des Petitionsausschusses sprach sich die Rednerin ebenfalls für eine engere Zusammenarbeit zwischen Volksanwaltschaft und Petitionsausschuss aus, und zwar "in einer Form, die den BürgerInnen hilft".

Abgeordneter ÖLLINGER (G) nahm mit Bedauern zur Kenntnis, dass sein Antrag als nicht geschäftsordnungskonform angesehen werde, obwohl es einen Bericht der Volksanwaltschaft und ein Gespräch mit Abgeordneten zu den Heizkostenzuschüssen gegeben habe. Dieser Umgang mit der Volksanwaltschaft sei seiner Meinung nach "kindisch". Öllinger brachte einen neuen Antrag ein, wonach der Nationalrat aufgefordert wird, den Schlussfolgerungen des Berichts Beachtung zu schenken.

Bei der anschließenden Abstimmung wurde der Bericht der Volksanwaltschaft einstimmig zur Kenntnis genommen. Der Entschließungsantrag des Abgeordneten Öllinger wurde mit V-F-Mehrheit abgelehnt. (Schluss Volksanwaltschaft/Forts. NR)