Parlamentskorrespondenz Nr. 198 vom 20.03.2002

NATIONALRAT BESCHLIESST UMSTRITTENES NEUES VEREINSRECHT

----

Wien (PK) - Mit den Stimmen der Regierungsfraktionen beschloss der Nationalrat das umstrittene neue Vereinsgesetz. Während die Regierungsfraktionen die Vorlage als Vereinfachung und Entlastung für Vereine rühmten, sahen die Sprecher der Opposition mit dem neuen Vereinsrecht eher Belastungen auf die Vereine zukommen.

Abgeordneter PARNIGONI (S) kritisierte eingangs, dass die Regierung schon bislang zahlreiche Belastungen für die österreichischen Vereine hervorgerufen habe und nun mit dem neuen Vereinsrecht ein weiteres diesbezügliches Beispiel schaffe. Das neue Vereinsgesetz sei "völlig unbrauchbar" und stelle eine eindeutige Verschlechterung gegenüber dem bisherigen Regelwerk dar, weshalb seine Fraktion nicht zustimmen könne. Überdies brachte Parnigoni einen Entschließungsantrag betreffend die Erhöhung des Verpflegsgeldes der Zivildiener ein.

Abgeordneter KISS (V) konnte die Kritik seines Vorredners nicht teilen und meinte, dieser ginge von einer falschen Argumentation aus. Das neue Gesetz sei gut für die Vereine, sodass der heutige Tag ein "Jubeltag" für sie sei. Konkret forderte der Redner die Vertreter des ÖGB auf, sich auch künftig an das Vereinsrecht zu halten.

Präsident Dr. FISCHER kündigte an, den Antrag Parnigonis mangels inhaltlichen Zusammenhangs mit dem Verhandlungsgegenstand nicht zur Abstimmung zu bringen.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) zeigte sich unzufrieden mit dieser Initiative, werde hier doch das Vereinsrecht ohne Notwendigkeit einer Änderung unterzogen. Es gebe zwar Reformbedarf, doch seien just jene Punkte, die den Vereinen ein Anliegen seien, nicht berücksichtigt worden. Konkret sprach die Rednerin steuerrechtliche Aspekte an.

In einer tatsächlichen Berichtigung wies Abgeordneter VERZETNITSCH darauf hin, der ÖGB werde sich auch weiterhin an alle gesetzlichen Regelungen halten, doch werde er den Streikfonds auch in Hinkunft nicht offen legen.

Abgeordnete HALLER (F) unterstrich, Vereine und deren freiwilligen Mitglieder seien ein unverzichtbarer Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Deren Aktivitäten seien zu unterstützen und zu fördern. Das sei Aufgabe des Vereinsrechts. Durch das neue Vereinsgesetz wird Haller zufolge das finanzielle Risiko von Funktionären reduziert, zudem würden Vereinsgründungen einfacher und billiger. Die Kritik der Opposition wertete sie als unbegründete "Panikmache".

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) sieht im vorliegenden Gesetzentwurf hingegen ein "Vereinsverhinderungsgesetz", das ständestaatlichen Geist atme. Er fragt sich beispielsweise, warum jeder Verein zumindest zwei Rechnungsprüfer haben müsse. "Man kann von einem Jahr der Verhöhnung der Freiwilligen sprechen", resümierte Jarolim.

Abgeordneter GAHR (V) hielt fest, die Vereine seien Rückhalt und Absicherung vieler Bürger. Um den Stellenwert der Vereine zu erhalten bzw. diesen auszubauen, brauche es ein neues Vereinsgesetz. Als positiv an der Vorlage hob er u.a. die Beschleunigung von Vereinsgründungen, weniger Bürokratie und die Angleichung der Haftung des Obmanns an die Haftung einer GmbH hervor.

Abgeordnete HAIDLMAYR (G) wertete es als Skandal, dass ein Vertreter der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, des Dachverbandes aller Behindertenorganisationen, zwar zu einer Diskussion über das neue Vereinsgesetz ins Innenministerium eingeladen worden sei, aufgrund eines nicht behindertengerechten Zugangs jedoch wieder unverrichteter Dinge heimfahren musste. Ihrer Ansicht nach werden kleine Vereine außerdem durch das Vereinsgesetz gefährdet.

Abgeordnete Dr. PAPHAZY (F) machte auf die enorme Vereinsdichte in Österreich aufmerksam und verwies darauf, dass das neue Gesetz Gründungen erleichtere und mehr Transparenz schaffe. Kritik übte sie an der Gründung einer Privatstiftung des ÖGB zur Verwaltung des Streikfonds.

Justizminister Dr. BÖHMDORFER sprach von einem guten und notwendigen Gesetz, das zusätzlich um Verständlichkeit bemüht sei. Er glaubt, dass die Opposition bei näherer Betrachtung und tiefergehender Diskussion der Vorlage doch hätte zustimmen können.

Abgeordnete BURES (S) widersprach Justizminister Böhmdorfer, wonach das Gesetz klar und deutlich formuliert sei. Auch eine Vereinfachung der Bestimmungen kann sie nicht erkennen. Zudem seien Schlupflöcher für Vereine, die Spendengelder widmungswidrig verwenden, nicht geschlossen worden.

Abgeordneter MIEDL (V) erklärte, er sei selbst Obmann von fünf Vereinen und kenne daher sowohl das alte als auch das neue Vereinsgesetz gut. Die Kritik der Opposition ist für ihn unverständlich. Das Gesetz sei jetzt viel einfacher zu lesen, betonte Miedl, auch würden Vereinsorgane künftig nicht mehr mit ihrem Privatvermögen haften. Dass große Vereine künftig eine Buchhaltung machen müssten, qualifizierte er als Selbstverständlichkeit.

Abgeordneter Mag. WURM (S) führte aus, das neue Vereinsgesetz, das heute von den Regierungsparteien uneingeschränkt gelobt werde, sei in wesentlichen Punkten jenem Expertenentwurf von 1998 ähnlich, der seinerzeit von der ÖVP "in Grund und Boden verdammt wurde". Damals sei von Regulierungswut und Schikanen gegenüber Vereinen die Rede gewesen. Wurm selbst ortet einen "Bürokratisierungsschub" durch die neuen gesetzlichen Bestimmungen.

Ein von Abgeordneter Wurm eingebrachter Abänderungsantrag der SPÖ hat zum Ziel, dass Vereinsorgane eine schriftliche Zustimmung zu ihrer Bestellung geben müssen.

Abgeordneter REINDL (F) unterstrich, den vielen freiwilligen Vereinsfunktionären gebühre besonderer Dank. Zur Kritik der Opposition merkte er an, kleine und mittlere Vereine seien von der Verpflichtung, künftig eine Gewinn- und Verlustrechnung zu machen, nicht betroffen. Nur Vereine mit erheblicher wirtschaftlicher Kraft, die zwei Jahre hintereinander einen Umsatz über eine Million € hätten, müssten eine Bilanz vorlegen. Dagegen sei im Sinn einer größeren Transparenz nichts einzuwenden.

Abgeordneter PENDL (S) betonte, er bekenne sich zu den österreichischen Vereinen. Seiner Meinung nach behindert die Regierung durch das Vereinsgesetz, aber auch durch andere Maßnahmen die engagierte Arbeit der Funktionäre und Funktionärinnen.

Innenminister Dr. STRASSER zitierte aus einem Brief der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion, in dem im Zusammenhang mit dem neuen Vereinsgesetz von bürokratischen Hindernissen, einer überzogenen Verschärfung der Haftungsregeln und aufwändigen Rechnungslegungsvorschriften die Rede sei. Er kann, wie er sagte, diese Kritik nicht nachvollziehen, und auch in der heutigen Debatte sei diese Argumentation nicht untermauert worden. Strasser bekräftigte, der vorliegende Gesetzesvorschlag entscheide sich deutlich von dem zu Recht kritisierten Entwurf des Jahres 1998. Die Darstellung von Abgeordneter Haidlmayr bezüglich des behindertengerechten Zuganges zu einer Diskussionsveranstaltung zum neuen Vereinsgesetz wies er als falsch zurück.

Abgeordneter Mag. DONNERBAUER (V) erklärte, er vermisse nach wie vor sachliche Argumente seitens der Opposition, die belegen, dass das neue Vereinsgesetz tatsächlich Verschärfungen, Verschlechterungen und Probleme für Vereine bringe. Auch seitens der Vereine seien keine konkreten Kritikpunkte gekommen.  

Abgeordneter LEIKAM (S) skizzierte, er habe das neue Vereinsgesetz mehrmals gelesen, könne aber keine Spur von einem großen Wurf erkennen. Er vermutet, dass es der Regierung lediglich um eine Offenlegung der Mittel des Streikfonds des ÖGB gegangen sei. Nach Auffassung Leikams ist das neue Gesetz auch schwerer zu lesen als das alte.

Abgeordneter Mag. MAINONI (F) qualifizierte den "Kettenbrief" der SPÖ-Parlamentsfraktion als "plumpe Vorgangsweise". Mit einem von Mainoni eingebrachten F-V-Abänderungsantrag wollen die Koalitionsparteien Bedenken des Roten Kreuzes Rechnung tragen.

In einer zweiten Wortmeldung zeigte sich Abgeordnete HAIDLMAYR (G) über die Erklärung von Innenminister Strasser in Bezug auf den behindertengerechten Zugang zu einer Diskussionsveranstaltung zum neuen Vereinsgesetz empört.

Innenminister Dr. STRASSER versicherte, er habe volles Verständnis für die Situation von behinderten Menschen.

Abgeordnete STADLER (V) sagte, viele Österreicher seien Mitglied in einem oder mehreren Vereinen. Durch das neue Vereinsgesetz komme es zu Verwaltungsvereinfachungen und mehr Rechtssicherheit für Funktionäre. Innenminister Strasser und Justizminister Böhmdorfer hätten zudem viele Verbesserungsvorschläge in den ursprünglichen Gesetzentwurf eingebaut.

Abgeordneter Dr. GROLLITSCH (F) stellte fest, die Kritik der Opposition sei auch nicht annähernd durch den Wortlaut der Bestimmungen des neuen Vereinsgesetzes gerechtfertigt. Vielmehr würden die Vereinsfunktionäre durch das neue Vereinsgesetz erleichtert und entlastet. Alles andere seien Unterstellungen.

Das Vereinsgesetz wurde unter Berücksichtigung des V-F-Abänderungsantrages mit Stimmenmehrheit beschlossen. Der Abänderungsantrag der SPÖ blieb in der Minderheit.

(Schluss Vereinsgesetz/Forts. NR)