Parlamentskorrespondenz Nr. 242 vom 05.04.2002

MINDERHEITENRECHTE, MEDIENFREIHEIT, LÄNDERKOMPETENZEN UND PRIVILEGIEN

Verfassungsausschuss diskutiert Oppositionsanträge

Wien (PK) - Im Anschluss an die Debatte zur Dienstrechtsreform beschäftigten sich die Mitglieder des Verfassungsausschusses mit zahlreichen Anträgen der Opposition, die sich mit Minderheitenrechten, Informationsfreiheit, Privilegien in Ministerbüros, Länderkompetenzen hinsichtlich des Landschaftsschutzes und mit der möglichen Befangenheit des Justizministers befassen. All diese Anträge wurden mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt.

AUSLÄNDERWAHLRECHT AUF KOMMUNALER EBENE?

Ein Antrag der Grünen (650/A), der darauf abzielt, allen AusländerInnen, die ihren Wohnsitz in Österreich haben, das Wahlrecht auf kommunaler Ebene zu gewähren, wurde einstimmig dem Unterausschuss des Verfassungsausschusses zugewiesen, der sich mit dem von der Koalition vorgeschlagenen "Demokratiepaket" und anderen Anträgen zu diesem Themenkomplex befasst. Die Grünen machen in ihrem Antrag geltend, dass StaatsbürgerInnen der Europäischen Union seit dem EU-Beitritt Österreichs auf kommunaler Ebene wahlberechtigt sind und es keine sachliche Rechtfertigung für den Ausschluss anderer AusländerInnen, die in Österreich ihren Wohnsitz haben, vom kommunalen Wahlrecht gebe. Zudem wollten die Grünen mit ihrem Antrag ausdrücklich klar stellen, dass in Bezug auf die Wahlberechtigung zum Wiener Gemeinderat generell die verfassungsrechtlichen Bestimmungen für Gemeinderatswahlen und nicht für jene für Landtagswahlen gelten.

PROGRAMME FÜR MINDERHEITEN IN RUNDFUNK UND FERNSEHEN:

VIELES IST GESCHEHEN, VIELES IST NOCH ZU TUN

Vom Verfassungsausschuss ein weiteres Mal vertagt wurde ein Entschließungsantrag der Grünen (157/A[E]), in dem Abgeordnete Terezija Stoisits und ihre FraktionskollegInnen eine Ausdehnung der Radio- und Fernsehsendungen für Volksgruppen und MigrantInnen fordern. Konkret sprechen sie sich u.a. für einen kontinuierlichen Ausbau der Hörfunk-Sendezeit für die ungarische und kroatische Volksgruppe in Wien und im Burgenland und für die slowenische Volksgruppe in Kärnten zu einem Ganztagsprogramm aus. Im Fernsehen soll nach Ansicht der Grünen in den bundesländereigenen Sendungen zumindest ein Beitrag in der Sprache der dort lebenden Volksgruppen bzw. MigrantInnen - mit deutschen Untertiteln - ausgestrahlt werden.

In ihrer Begründung konzedierte Stoisits der Bundesregierung, auf diesem Sektor Positives geleistet zu haben. Sie hob vor allem die Leistungen des Landesstudios Burgenland hervor, das sich besonders um die Volksgruppe der Roma bemüht habe. Auch die PR-Aktivitäten zu den hundert Worten in Ungarisch und Kroatisch bewertete sie als wichtige Schritte zur Integration. Ebenso lobte sie die Arbeit des Minderheitenvertreters im Publikumsrat, der ein positives Klima geschaffen habe. An Staatssekretär Morak richtete sie die Bitte, das ORF-Online-Angebot für Minderheiten in den Teletext zu stellen.

Trotzdem sei der ORF nicht die einzige Institution zur Erhaltung der Sprachen von Minderheiten, sagte Stoisits, sondern hier sei in erster Linie die Republik Österreich durch den Artikel 7 Staatsvertrag sowie durch die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen angesprochen. So ließe die Situation der Slowenen in der Steiermark sowie der Tschechen und Slowaken in Wien und der MigrantInnen allgemein zu wünschen übrig.

Auch Staatssekretär Morak begrüßte die Bemühungen des ORF hinsichtlich seiner Minderheitenprogramme und unterstrich, dass erstmals ein Minderheitenvertreter Sitz und Stimme in einem Gremium des ORF habe und nun auch der ORF einen besonderen gesetzlichen Auftrag zugunsten der Minderheiten zu erfüllen habe. Dementsprechend seien auch die Budgetansätze für Minderheitenprogramme substanziell erhöht worden. Der in manchen Regionen vorkommende schlechte Empfang von Minderheitenprogrammen könne durch die Frequenzlage erklärt werden, die jedoch verbessert werde.

Dem schlossen sich die Abgeordneten der Koalitionsparteien Gerhard Kurzmann, Michael Krüger (beide F) und Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) an. Krüger begründete den Vertagungsantrag damit, dass die Regulierungsbehörde ein Gutachten über die Verteilung neuer Frequenzen in Auftrag gegeben habe. Man müsse daher das Ergebnis abwarten, um festzustellen, ob eventuell Frequenzen für Minderheitenprogramme freigegeben werden können. Die Forderung von Ganztagsprogrammen im Burgenland für die ungarische und kroatische Minderheit hält er auf Grund des dortigen knappen Frequenzangebotes für problematisch.

RASCHERER BAU DES SEMMERING-BASISTUNNELS DURCH KOMPETENZVERLAGERUNG VON DEN LÄNDERN ZUM BUND?

Ebenfalls vertagt wurde ein Antrag der SPÖ (254/A) auf Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes. Angestrebt wird eine Kompetenzverlagerung von den Ländern zum Bund im Bereich des Natur- und Landschaftsschutzes im Zusammenhang mit dem Bau von Eisenbahn-Hochleistungsstrecken. Dadurch will die SPÖ einen raschen Weiterbau des Semmering-Basistunnels ermöglichen. Der Antrag beruht auf einem Gutachten, das die steirische Landesregierung in Auftrag gegeben hat.

Die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ sowie Staatssekretär Morak lehnten es ab, den Konflikt um den Semmering-Basistunnel zum Anlass zu nehmen, die bestehende Kompetenzverteilung der Bundesverfassung zu ändern. Für problematisch hielt man es auch, damit in ein laufendes Verfahren einzugreifen. Abgeordneter Michael Krüger (F) kritisierte, dass dies einen Schritt zu mehr Zentralismus darstellen würde und wies auf das föderalistische Prinzip der Bundesverfassung hin, wo Bauangelegenheiten grundsätzlich in die Länderkompetenz fallen. Eine solche Änderung könne nur nach Zustimmung aller Bundesländer erfolgen, so Krüger. Abgeordnete Cordula Frieser (V) führte ergänzend ins Treffen, dass man derzeit ohnehin eine umfassende Verfassungsdiskussion führe und daher auch dieser Punkt dort zu behandeln sei.

Nachdem sie auch anzweifelte, die vorgeschlagene Kompetenzänderung würde das Verfahren zum Bau des Semmering-Basistunnels beschleunigen, betonte Abgeordneter Günther Kräuter (S), dass offensichtlich er den "Botschafter der steirischen ÖVP" hier spielen müsse, wogegen sich Frieser strikt verwahrte. Er appellierte an die Länder, endlich mit deren eifersüchtigem Spiel aufzuhören und wurde dabei von seinem Klubkollegen Johannes Jarolim unterstützt, der sogar meinte, die Handlungsweise des niederösterreichischen Landeshauptmannes reiche "an die Grenze des Rechtsmissbrauchs". Der Antrag wurde schließlich mit den Stimmen von FPÖ und ÖVP vertagt.

VERFASSUNGSRECHTLICHE REGELUNGEN ZUR BEFANGENHEIT VON MINISTERN NOTWENDIG

Ein weiteres Anliegen der SPÖ, die Ergänzung des Staatsanwaltschaftsgesetzes, wurde ebenfalls mit den Stimmen von FPÖ und ÖVP vertagt und gab zu einer emotionalen Debatte Anlass (314/A).

Die SozialdemokratInnen schlagen konkret vor, dass die Aufgaben des Justizministers in Bezug auf ein Strafverfahren auf den Generalprokurator übergehen, sollte der Justizminister selbst Verdächtiger oder Beschuldigter in dem betreffenden Strafverfahren sein oder beispielsweise als ehemaliger Verteidiger eines Beklagten der Befangenheit unterliegen. Die Oberstaatsanwaltschaft wäre in einem solchen Fall der Generalprokuratur unterstellt. Zudem sieht der Antrag vor, dass der Generalprokurator nach Abschluss oder Einstellung des Strafverfahrens einen Bericht über dieses Verfahren und aller vorgenommenen Ermittlungsschritte an den Nationalrat und an den Bundesrat zu erstatten hat. Als Grund für die Formulierung des Antrages nannte Abgeordneter Jarolim (S) die Begleitumstände und Äußerungen des Justizministers in der Spitzelaffäre, die er, Jarolim, als "bedauerliches Schauspiel" umschrieb.

Die Abgeordneten Sylvia Paphazy und Michael Krüger (beide F) sowie Maria Theresia Fekter (V) lehnten die Begründung des Antrags zwar ab, inhaltlich konnten sie diesem jedoch einiges abgewinnen. Die Befangenheit sei jedoch nicht das Problem eines, sondern aller Minister, weshalb sie sich für eine diesbezügliche Diskussion über Regelungen zu Befangenheit oberster Organe im Rahmen der geplanten größeren Verfassungsänderung aussprachen. Die Spitzelaffäre selbst hielt Krüger (F) für eine von der SPÖ "hochgespielte Staatsaffäre", von der so gut wie nichts übrig geblieben sei. Fekter (V) hob hervor, dass die SPÖ offensichtlich von der Forderung nach einem weisungsfreien Bundessstaatsanwalt Abstand genommen habe. Abgeordneter Jarolim (S) bestand insofern auf dem Antrag, als Binder erst kürzlich in der Öffentlichkeit ausgesagt habe, bei den Ermittlungen in der Spitzelaffäre sei es nicht immer mit rechten Dingen zugegangen.

ABGEORDNETE FÜR RECHTLICHE REGELUNG DER LEIHARBEITSVERTRÄGE

Vertagt wurde auch der Entschließungsantrag der SPÖ, in dem die Abgeordneten harsche Kritik an den Leiharbeitsverträgen in den Ministerbüros üben (464/A[E]). Die SP-MandatarInnen fordern darin die Bundesregierung auf, sämtliche für MitarbeiterInnen in den Ministerbüros abgeschlossene Leiharbeitsverträge gemäß den vom Rechnungshof aufgestellten Kriterien zu überprüfen und jene, die diesen Voraussetzungen nicht entsprechen, umgehend aufzukündigen. Darüber hinaus verlangen sie die Offenlegung dieser Verträge sowie der Einstufungen der BeamtInnen und Vertragsbediensteten samt Zulagen, Überstundenregelungen und Belohnungen.

In der Diskussion wurden insbesondere die Gehälter von MitarbeiterInnen in Ministerbüros sowie die Leiharbeitsverträge für MitarbeiterInnen des öffentlichen Dienstes thematisiert.

Staatssekretär Morak ging in seiner Stellungnahme eindringlich auf den unglaublichen Stress ein, den die Tätigkeit in einem Ministerbüro mit sich bringe, und unterstrich den "großen Humanverschleiß", der menschlich und finanziell seinen Preis habe. Die betreffenden Personen brauchten auch nach einem Regierungswechsel eine gewisse Sicherheit und es gehe auch nicht an, MitarbeiterInnen rechtzeitig in einem Ministerium "zu entsorgen". Die Leiharbeitsverträge stellten daher aus seiner Sicht ein möglicherweise falsches, aber probates Mittel dar, vorzusorgen. Der derzeitige Zustand sei aber sicherlich unbefriedigend, gestand Morak ein, weshalb auch er dafür eintrete, Regelungen für eine geordnete Vorgangsweise zu schaffen.

Dem stimmte Abgeordnete Madeleine Petrovic (G) zu, und unterstrich die Notwendigkeit einer rechtlichen Grundlage, und zwar auch für den öffentlichen Dienst. Ansonsten hätten nur die Regierungsparteien die Möglichkeiten, BeamtInnen zur Mitarbeit heranzuziehen. Solche Möglichkeiten sollten jedoch auch der Opposition zur Verfügung stehen, wenn sie das Know-How öffentlich Bediensteter in Anspruch nehmen will. Petrovic sprach sich auch für Kriterien hinsichtlich der Bezahlung in den Ministerbüros aus.

Für eine solche rechtliche Regelung traten auch die Abgeordneten Jarolim und Kräuter (beide S) ein, zumal man heute nicht einmal wisse, mit welchen Firmen Leiharbeitsverträge geschlossen worden seien. Die vom Rechnungshof vorgegebenen Richtlinien sollten der Maßstab für eine solche Regelung sein. Nach Meinung Kräuters sollten die Bruttogehälter genauso wie die Gewinnanteile der Überlassungsunternehmen transparent gemacht werden, die Bezüge sollten nach oben begrenzt sein, über Nebentätigkeiten müsste Klarheit geschaffen werden und vor allem bedürfe es auch einer entsprechenden Qualifikation der MitarbeiterInnen.

Jarolim wandte sich vehement gegen eine Vertagung des Antrages. Wie notwendig dieser sei, stelle auch der neue Infrastrukturminister unter Beweis, der für eine schonungslose Aufklärung der Vorgänge unter Ministerin Forstinger öffentlich eingetreten war. Eine Vertagung würde auch, so Jarolim, dem widersprechen, was die Regierung in der Öffentlichkeit sage. Abgeordneter Prinz (V) wies dem gegenüber auf frühere Ministerbüros hin und warf SPÖ und Grünen vor, die Mitarbeit im kleinen Untersuchungsausschuss verweigert zu haben.

OPPOSITION FORDERT GRUNDSATZDISKUSSION ZU MEDIEN – UND INFORMATIONSFREIHEIT

Die Entwicklungen auf dem Mediensektor und die öffentliche Debatte um die Medienfreiheit veranlasste die SPÖ, einen umfassenden Entschließungsantrag zum Thema Medien- und Informationsfreiheit auszuarbeiten (498/A[E]). Auch dieser wurde mit den Stimmen der Koalitionsparteien mit dem Argument vertagt, er sei "unausgegoren" (Abgeordneter Michael Krüger, F) und diene dazu, "tagespolitisches Kleingeld zu schlagen" (Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer, V).

Geht es nach der SPÖ, soll die Bundesregierung umgehend einen Runden Tisch einrichten, der die Aufgabe hat, sich mit einem weitreichenden verfassungsrechtlichen Schutz der Medien- und Informationsfreiheit auseinander zu setzen und entsprechende Gesetzesvorschläge auszuarbeiten. Dabei sollte sich der Runde Tisch u.a. mit folgenden Themen beschäftigen: einer Charta der Freiheit der Journalisten, dem verfassungsrechtlichen Schutz des Redaktionsgeheimnisses, der verfassungsrechtlichen Verankerung des Redaktionsstatutes und einem entsprechenden Informationsrecht von Journalisten, einer Informationspflicht öffentlicher Einrichtungen - soweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen - sowie dem Schutz vor ungerechtfertigter strafrechtlicher Verfolgung. Die Medienfreiheit sollte nach Meinung der SPÖ zu einer allgemeinen Informationsfreiheit ausgebaut werden und eine eigene Staatszielbestimmung die Erhaltung der Medienvielfalt gewährleisten. Weiters regen die Abgeordneter im Antrag eine Reform des Medienrechts und der Presseförderung an.

Abgeordneter Johannes Jarolim (S) nannte als Beweggründe für den vorliegenden Antrag Aussagen des Kärntner Landeshauptmannes zu den Medien und den Vorschlag des Justizministers hinsichtlich strafrechtlicher Verfolgungen von JournalistInnen. Abgeordneter Krüger (F) konterte, dass diese immer wieder genannten Fälle der "Degradierung bestimmter Personen" dienten, und erinnerte an das Vorgehen von SP-Politikern gegen ihnen unliebsame Berichterstattung.

Krüger nannte es auch "lächerlich" zu meinen, der freie Journalismus sei derzeit gefährdet, da der Schutz der JournalistInnen sehr ausgeprägt sei, während jene, die von einer vernichtenden Darstellung betroffen seien, keinen Schutz genießen. Manche Punkte des Antrages halte er für "unsinnig", da man beispielsweise die Freiheit des Internets nicht garantieren könne, wo es um den Schutz von Grundrechten gehe. Abgeordnete Petrovic (G) regte eine medienrechtliche Enquete an, in der man darüber diskutiere, was denn der öffentlich-rechtliche Auftrag sei und welche Ziele die Presse- und Publizistikförderung verfolgen solle.(Schluss)