Parlamentskorrespondenz Nr. 263 vom 12.04.2002

DIE POSITIONEN VON PARTEIEN UND REGIERUNG ZU TEMELIN

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Wien (PK) - 914.973 Personen haben das Volksbegehren "Veto gegen Temelin" unterzeichnet und damit ein Bundesverfassungsgesetz verlangt, das sicherstellt, dass Österreich einem EU-Beitrittsvertrag Tschechiens erst dann zustimmt, wenn eine völkerrechtlich bindende Erklärung der Republik Tschechien vorliegt, "das AKW Temelin auf Dauer stillzulegen, und diese Stilllegung auch tatsächlich erfolgt ist". Als Hauptargument führen die Unterzeichner ins Treffen, dass ein Reaktorunfall in Temelin nicht ausgeschlossen werden könne, wobei sie auf "vernichtende" Risikostudien hinweisen und Experten zitieren, die vor möglichen Unfallfolgen "in der Größenordnung der Tschernobyl-Katastrophe" warnen. Der "Melker Prozess" und das UVP-Verfahren hätten die Sorgen der Bevölkerung um ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder nicht gemindert, heißt es in der Begründung des Volksbegehrens. Zugleich wird festgestellt, dass sich das verlangte Bundesverfassungsgesetz nicht gegen die tschechische Bevölkerung richte, sondern "allein gegen den staatlich-industriellen Atom-Komplex in Tschechien" (1065 d.B.).

Der Besondere Ausschuss, den der Nationalrat am 21. März zur  Vorberatung des Volksbegehrens eingesetzt hat, hat unter dem Vorsitz seines Obmannes Georg Oberhaidinger seine Arbeit mit einer Generaldebatte aufgenommen, die von Umweltminister Wilhelm Molterer, Verteidigungsminister Scheibner, dem Bevollmächtigten des Volksbegehrens, dem oberösterreichischen Landesrat Hans Achatz, und den Abgeordneten Josef Cap (S), Peter Westenthaler (F), Michael Spindelegger (V) und Eva Glawischnig (G) als Fraktionsführern der Parlamentsparteien mit grundsätzlichen Stellungnahmen eingeleitet wurde.

WILHELM MOLTERER SETZT AUF HALTUNGSÄNDERUNG IN PRAG UND AUF VERHANDLUNGEN MIT NEUER REGIERUNG ÜBER NULLOPTION

Umweltminister Wilhelm Molterer erinnerte zunächst an die generelle Ablehnung der energetischen Nutzung der Kernenergie durch Österreich, wozu ein von der Mehrheit der Bevölkerung getragener parteienübergreifender Konsens bestehe, der darin begründet sei, dass die Kernenergie keine nachhaltige Energieform sei. Da es bis vor kurzem die Stärke Österreichs in der internationalen Öffentlichkeit gewesen sei, gemeinsam aufgetreten zu sein, müsse es das Ziel sein, zu diesem gemeinsamen Grundkonsens als Grundlage des Erfolges in der Anti-AKW-Politik zurückzufinden.

Das Volksbegehren bringe die Sorge der Menschen über die Atomkraft und das Kernkraftwerk Temelin klar zu Ausdruck. Die Frage eines Vetos gegen einen tschechischen EU-Beitritt werde aber unterschiedlich bewertet, daher sei die Zahl der Menschen, die eine kritische Haltung zur Atomkraft haben, größer als die der Unterzeichner des Volksbegehrens.

Die Bundesregierung reagiere auf die Sorgen der Menschen offensiv, habe die nukleare Sicherheit zu einem Thema im Erweiterungsprozess gemacht und Sicherheitsüberprüfungen für alle Kernkraftwerke der Kandidatenländer durchgesetzt. Eine österreichische Initiative hat auch die Schaffung europäischer Sicherheitsstandards für AKW auf die europäische Tagesordnung gesetzt, das Anliegen werde aber nicht von allen EU-Ländern unterstützt. Österreich beteilige sich auch an den Schließungsfonds für die Reaktoren Ignalina, Kosloduj und Bohunice und halte an der Einhaltung der Schließungsdaten konsequent fest. Zudem informierte Molterer über Initiativen zur Reform des EURATOM-Vertrages und für Atom-Ausstiegsszenarien auf europäischer Ebene.

 

Gemäß Entschließungen des Nationalrates habe die Bundesregierung den Melker Prozess eingeleitet, weil Probleme nur im Dialog, nicht aber in Konfrontation gelöst werden können. Der mit Tschechien unterzeichnete Vertrag erlaubte Einblicke in technische und in Umweltverträglichkeitsprobleme des Kernkraftwerks Temelin. Sicherheitsprobleme und Fragen der Umweltverträglichkeit seien sehr offensiv identifiziert worden und ihre Lösung im Vertrag von Brüssel auf eine solide rechtlich verbindliche Basis gestellt worden, berichtete Molterer, man habe ein "Maximum an Sicherheitsauflagen und Umweltverträglichkeitsprüfung" erreicht. Klar sei aber auch geworden, dass Österreich eine breitere Partnerschaft brauche. Mit Bayern bestehe ein breiter Konsens, mit der deutschen Bundesrepublik bestehe er noch nicht.

Der Umweltminister berichtete weiter, dass die spanische EU-Präsidentschaft die Sicherheitsüberprüfung von den Kandidatenländern einfordern und bis zum Sommer einen Zwischenbericht über die Erfüllung der Auflagen vorlegen und auf die Einhaltung der Sicherheitsauflagen mit Punkt und Beistrich achten werde.

Das Nuklearinformationsübereinkommen werde mit Tschechien neu verhandelt und die Energiepartnerschaft ausgebaut. Mit der neuen tschechischen Regierung will der Umweltminister über die Null-Option verhandeln und die Chance ergreifen, sobald sich eine Änderung der Haltung der neuen tschechischen Regierung abzeichne.

Die Bundesregierung habe das Ziel des europaweiten Ausstiegs aus der Kernenergie im Auge, als Zwischenschritt gehe es um hohe Sicherheitsstandards und die Schließung problematischer Anlagen. Die EU-Erweiterung sei eine Chance, dieses Ziel zu erreichen.

HERBERT SCHEIBNER: WIR HABEN DAS ENERGIEKAPITEL OHNE PRÄJUDIZ ZUR SEITE GELEGT, ES GEHT WEITER UM NULLOPTION UND AUSSTIEGSSZENARIEN 

Verteidigungsminister Herbert Scheibner sprach von einem wichtigen Signal von 915.000 Österreichern und bekannte sich zur Verpflichtung der Bundesregierung, für die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung zu sorgen. Der Sonderausschuss wecke in ihm die Hoffnung auf eine Rückkehr zu dem in den letzten Wochen und Monaten brüchig geworden Konsenses in der Anti-Atom-Politik, der wichtig sei, um mit einer klaren gemeinsamen Sprache gegenüber der tschechischen Regierung auftreten zu können. Österreich muss laut Scheibner seine Sicherheitsinteressen auf allen Ebenen durchsetzen und auf die Umsetzung des Fahrplanes im Sinne des Melker Prozesses achten.

Vorrangige Aufgabe neben den Sicherheitsvorkehrungen sei es aber, Ausstiegsszenarien einzubringen, denn nur ein abgeschaltetes Kernkraftwerk sei ein sicheres Kernkraftwerk. Kritik an der tschechischen Seite ließ der Verteidigungsminister bei seinen Hinweis darauf anklingen, dass es zu Verletzung des Flugverbots über dem Kraftwerk gekommen sei, ohne dass tschechischerseits darauf reagiert oder darüber informiert worden sei. Hier müsse auf Verbesserungen gedrängt werden.

Minister Scheibner rückte die Absicht, mit der neuen tschechischen Regierung über Nullvariante und Ausstiegsoptionen zu verhandeln in den Mittelpunkt seiner Stellungnahme, hielt dabei aber fest, dass es ihm nicht darum gehe, unüberwindliche Schranken gegen einen tschechischen EU-Beitritt aufzurichten. Es sei aber ein positives Druckmittel zur Durchsetzung österreichischer Sicherheitsinteressen, Ausstiegsszenarien und Nulloptionen seien im Rahmen der Erweiterung zu behandeln. Die Beitrittskriterien müssen von den EU-Kandidaten eingehalten werden. Das Energiekapitel sei bei den Verhandlungen mit Tschechien ohne Präjudiz "vorläufig" zur Seite gelegt worden. Nullvariante und Ausstieg müsse bis zum Beitritt weiter verhandelt werden, sagte Scheibner, der auf konstruktive Verhandlungen mit der neuen tschechischen Regierung hofft.

HANS ACHATZ' APPELL AN DIE ABGEORDNETEN: ALLES UNTERNEHMEN, UM TEMELIN STILLZULEGEN 

Landesrat Dr. Hans Achatz führte als Bevollmächtigter des Volksbegehrens aus, dass dieses Volksbegehren nicht von parteipolitischen Intentionen, sondern vom Konsens gegen die Atomkraft getragen sei. Achatz erinnerte daran, dass beim österreichischen EU-Beitritt von der Chance gesprochen wurde, den Anti-Atomkraftstandpunkt auf europäischer Ebene zur Geltung zu bringen. Nun sei die Chance gekommen, einen Schritt in diese Richtung zu setzen. Österreich habe bei den Beitrittsverhandlungen ein Druckmittel in der Hand, das es legitimerweise einsetzen könne, da die Kernenergie nicht nur keine nachhaltige, sondern eine äußerst gefährliche Energiequelle sei. Daher sei die Nullvariante das Ziel das Volksbegehrens, wobei ein Veto bei den Beitrittsverhandlungen nicht ausgeschlossen werden soll. Da die Sicherheit unserer Bevölkerung und ganz Mitteleuropas auf dem Spiel stehe, seien Atomkraftwerke keine nationale Frage - Atomgefahren machen an den Grenzen nicht halt. Es wäre ein "Hohn", von einem Atomausstieg in Europa zu reden, die Inbetriebnahme eines Kernkraftwerks aber nicht zu verhindern, das allgemein als gefährlich angesehen werde. Konkret wies Achatz darauf hin, dass die Beladung des Blocks II mit Brennstäben allen auch noch so bescheidenen EU-Standards widerspreche und machte klar, dass es für ihn kein sicheres AKW gebe. Daher gehe es um die Stilllegung. Jeder, der die Möglichkeit dazu habe, sei verpflichtet, die Gefahr, die von Temelin ausgehe, abzuwenden, insbesondere die Parlamentarier, die über den tschechischen EU-Beitritt abzustimmen haben.

JOSEF CAP: RATLOSIGKEIT UND NICHTSTUN BEI DER REGIERUNG 

Abgeordneter Josef Cap (S) leitete seine Ausführungen mit Kritik an Bundeskanzler Schüssel und Vizekanzlerin Riess-Passer ein, weil diese an der heutigen Ausschusssitzung nicht teilnahmen und damit den Stellenwert zum Ausdruck brachten, den sie den 915.000 Unterzeichnern beimessen. Cap ortete eine Mischung aus Ratlosigkeit und Nichtstun in der Anti-Atompolitik der Bundesregierung. Man warte auf die neue Regierung in Tschechien und verzichte auf Schritte für einen europaweiten Atomausstieg. Der Klubobmann der SPÖ bat daher um Auskunft, was die Regierung in den letzten Monaten konkret unternommen habe, ob sie sich für eine Partnerschaft der bereits aus der Kernenergie ausgestiegenen Länder einsetze, eine europäische Ausstiegskonferenz und die Einsetzung einer Ausstiegskommission initiiert habe. Cap vermutete, dass die Regierung tatenlos über die Runden kommen und das Volksbegehren "schubladieren" wolle.

"Was ist eigentlich im Vertrag mit Tschechien festgeschrieben worden?" fragte Abgeordneter Cap weiter und äußerte die Befürchtung, dass bis zum EU-Beitritt Tschechiens Österreich keinerlei Einfluss auf mehr Sicherheit im AKW Temelin nehmen könne. Dieser Vertrag sei ein "Sicherheitsplacebo", mit dem substantiell nichts erreicht worden sei. Die wesentlichen Sicherheitsfragen seien der Prager Atombehörde überlassen worden. Auch habe man auf die Durchrechnung der Nulloption verzichtet, kritisierte Cap, und die Tschechen nicht gezwungen, über einen Ausstieg aus der Kernenergie nachzudenken. Bemerkenswerter Weise habe es die Koalition auch abgelehnt, die Außenministerin im Hauptausschuss zu binden, dem Energiekapitel keine Zustimmung zu geben. Damit habe man das einzige Mittel aus der Hand gegeben, Tschechien zu mehr Sicherheit bei AKW Temelin zu zwingen.

Dass das Energiekapitel nur "vorläufig" bei Seite gelegt sei, habe keine rechtliche Relevanz, klagte Josef Cap und warf der Regierung vor, die Unterzeichner des Volksbegehrens getäuscht zu haben, weil es keine Möglichkeit geben werde, bis zum tschechischen EU-Beitritt Einfluss auf das AKW Temelin zu nehmen.

Die Bundesregierung habe ihren Handlungsspielraum freiwillig eingeengt und eingeschränkt, stellte der SP-Klubobmann fest und unterstrich die Notwendigkeit, unter den vielen EU-Ländern, die bereits aus der Kernenergie ausgestiegen seien, Verbündete für einen Ausstieg zu gewinnen, dies habe die Regierung verabsäumt. ÖVP und FPÖ befänden sich in einer atompolitischen Sackgasse und sie trieben ein schändliches Spiel mit den 915.000 Unterzeichnern und darüber hinaus mit den vielen Österreichern, die das Volksbegehren nicht unterzeichnet haben, aber auch einen Atomausstieg wollen.

PETER WESTENTHALER: VETO IST LETZTES MITTEL, WENN SICH TSCHECHIEN NICHT BEWEGT

Abgeordneter Peter Westenthaler (F) bedauerte die "parteipolitischen Stehsätze" Josef Caps, wo es doch darum gehe, einen Grundkonsens in der Anti-Atom-Politik zu finden. Einmal mehr zeige die SPÖ, dass sie von ihrer staatspolitischen Verantwortung Abschied genommen habe. Westenthaler stimmte Cap aber darin zu, dass Temelin dauerhaft stillgelegt werden müsse, und plädierte dafür, in diesem Sonderausschuss Lösungsansätze für dieses Ziel zu erreichen.

In der Frage des vorläufigen Abschlusses des Energiekapitels habe sich Abgeordneter Cap völlig unwissend gezeigt. Damit sei "kein Zug abgefahren", denn der einzig rechtlich relevante Schritt werde bei der Beitrittskonferenz stattfinden, bei der die EU-Mitgliedsländer einstimmig über den Beitritt eines Kandidaten abzustimmen haben. Der Auftrag des Volksbegehrens laute auf eine Stilllegung des Kernkraftwerks Temelin. Dieses Ziel möchte Klubobmann Westenthaler zum Grundkonsens der Parteien machen, wobei die praktische Frage laute: Was sind die Alternativen zu Temelin, was können wir tun, um die Stilllegung Temelins herbeizuführen. Westenthalers Vorschläge gehen in Richtung einer noch stärkeren Europäisierung, wobei er auf die bayrischen Stilllegungsforderungen hinwies und er setzte auf die Arbeit des Sonderausschusses, der einen Vier-Parteien-Grundkonsens erarbeiten soll, sowie auf Gespräche mit einem neuen Parlament und einer neuen Regierung in Prag.

Hauptziel des Ausschusses müsse es sein, neue Daten und Fakten zu sammeln, Experten zu hören, Wirtschaftlichkeitsrechnungen anzustellen und einer neuen tschechischen Regierung klar zu machen,  dass die Nullvariante Tschechien wirtschaftlich mehr bringe als die Fortsetzung des Projekts AKW Temelin. Das Veto sei das letzte Mittel, sollte es auf Seiten Tschechiens keine Bewegung geben. Dann laute die Frage, ob ein Land in die EU kommen soll, das als Eintrittskarte die Bedrohung anderer EU-Länder mitbringe. Es gehe darum, jetzt Verhandlungen über eine Nullvariante aufzunehmen, dabei aber nicht auf den letzten Tag zu vergessen.

Abgeordneter Stefan Prähauser (S) stellte richtig, dass die SPÖ die nukleare Sicherheit beim EU-Rat in Köln zum Thema der Erweiterung gemacht habe.

EVA GLAWISCHNIG: VETODROHUNG SCHADET TSCHECHISCHER ANTI-ATOM-BEWEGUNG

Abgeordnete Eva Glawischnig (G) leitete ihre Stellungnahme mit der Feststellung ein, die letzten Jahre seien von Misserfolgen in der Anti-Atompolitik gekennzeichnet gewesen. Es habe ein Parteienkonsens geherrscht, aber die Regierung habe stets zu spät gehandelt.  Glawischnig erinnerte daran, dass die Grünen bereits Anfang der neunziger Jahre versucht haben, die Finanzierung des AKWs Temelin zu verhindern und ein ökonomisches Problembewusstsein gegenüber der Kernkraft zu erzeugen. Nunmehr gehe es um ein umfassendes Gesamtkonzept, das ein Bündel von Maßnahmen in der EU, aber auch in Österreich sowie neue Initiativen gegenüber Tschechien vorsehen müsse. Statt Parteienstreits sollte man einen Neuanfang setzen, wobei die Frage zu beantworten sei, ob die Vetodrohung, die ja gegen alle Beitrittskandidaten gerichtet sei, vom Tisch sei. Denn die Veto-Strategie schade den tschechischen Atomgegnern.

Glawischnig kritisierte, dass die Regierung von europaweitem Ausstieg aus der Kernenergie spreche, zugleich aber die Entscheidung für die Finanzierung von Atomprojekten mittrage. Sie verlangte die massive Förderung von Alternativenergien und Maßnahmen, die dazu führen, dass sich Atomstrom wirtschaftlich nicht rechne; dazu gehörten eine ökologische Steuerreform und Vorkehrungen gegen den Import von  Atomstrom. Auch Glawischnig trat für die Kooperation mit atomfreien Staaten ein und stellte die Frage, ob mit einer finanziellen Ausstiegshilfe für Tschechien nicht mehr für die Sicherheit Österreichs getan wäre als mit dem Ankauf von Abfangjägern. Glawischnig plädierte dafür, im Sonderausschuss eine seriöse Politik und ein Lösungspaket gegen Temelin auszuarbeiten.

MICHAEL SPINDELEGGER: NULLVARIANTE WÜNSCHENSWERT, ABER NICHT REALISTISCH, DAHER SICHERHEIT VERBESSERN 

Abgeordneter Michael Spindelegger (V) bezeichnete einen europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie als oberstes Ziel seiner Fraktion, gab aber zu bedenken, dies könne nur langfristig anvisiert werden. Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation gehe es der ÖVP darum, hohe einheitliche Sicherheitsstandards für bestehende AKW zu erreichen. Spindelegger schätzte eine Nullvariante für Temelin, die er persönlich wünschte, nicht als sehr realistisch ein und meinte, es müssten vor allem bessere Sicherheitsstandards für das AKW angestrebt und in einem Anhang zum EU-Beitrittsvertrag Tschechiens verankert werden. Ein Veto für den Fall, dass die Stilllegung scheitert, stufte der VP-Sprecher nicht als sinnvoll ein. Dies sei auch nicht im Interesse des Volksbegehrens, da nur ein Beitritt Tschechiens die Voraussetzung für die rechtliche Durchsetzbarkeit der Standards vor dem EuGH biete, betonte Spindelegger.

Bundesminister Herbert Scheibner stellte mit Nachdruck klar, es sei das gemeinsame Ziel der Koalition, mit der neuen tschechischen Regierung über Nulloption und Ausstieg zu verhandeln. Sollte es keinerlei Lösung geben, dann stehe als letzte Variante ein Veto im Raum. Diese Karte könne man bei der Verhandlung nicht aus der Hand geben. Scheibner qualifizierte ein mögliches Veto nicht als Drohung, sondern als eine verhandlungstaktische Selbstverständlichkeit.

Bundesminister Wilhelm Molterer präzisierte, die Nulloption sei von der ersten Minute an Gegenstand der Gespräche mit Tschechien gewesen, dafür wären aber zwei Partner notwendig. Was mit Tschechien erreicht wurde, sei ein verbindliches Regierungsübereinkommen. Vor dem EU-Beitritt Tschechiens gelte dafür das Völkerrecht, nach dem Beitritt seien zudem auch europäische Rechtsinstrumente anwendbar. Im Übrigen warnte Molterer davor, bei der Bevölkerung Illusionen zu wecken; kurzfristig sei ein Atomausstieg völlig unrealistisch.

Abgeordnete Ulli Sima (S) bemerkte, wenn man den europäischen Atomausstieg ernst nehme, dann müsse man beim Euratom-Vertrag ansetzen. Damit war sie einer Meinung mit dem Abgeordneten Maximilian Hofmann (F), der diesen Vertrag zu einem Atomausstiegsvertrag umfunktioniert sehen wollte.

Ausstieg und Nulloption müssten angestrebt werden, interpretierte Abgeordnete Gabriela Moser (G) die Vorgaben des Volksbegehrens. Dies könne nur auf der wirtschaftlichen Ebene erzwungen werden, dazu bedürfe es allerdings eines EU-Beitritts Tschechiens, sagte sie.

Im Lichte der gescheiterten Privatisierung der tschechischen Stromgesellschaft sollte sich der Ausschuss besonders auch der wirtschaftlichen Seite zuwenden und sichtbar machen, dass sich eine Inbetriebnahme Temelins nicht rechnet, schlug Moser vor.

Eine ökonomische Betrachtung der Nullvariante erachtete in diesem Sinn auch der Abgeordnete Gerhard Fallent (F) als wesentlich, um Tschechien darauf aufmerksam zu machen, dass Temelin keinerlei wirtschaftliche Zukunft hat.

Abgeordneter Josef Mühlbachler (V) sah im Melker Abkommen und den darin verankerten einklagbaren Standards bereits einen wichtigen Schritt in Richtung der Erreichung des Ziels der Nulloption. (Schluss)