Parlamentskorrespondenz Nr. 270 vom 17.04.2002

NATIONALRAT: AKTUELLE STUNDE ZUM THEMA UNIVERSITÄTSREFORM

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Wien (PK) - Die von der Regierung geplante Universitätsreform - ein entsprechender Ministerialentwurf befindet sich derzeit in Begutachtung - stand heute im Rahmen der Aktuellen Stunde im Mittelpunkt des ersten Teils der Debatte des Nationalrats bei dessen 100. Sitzung in der laufenden Gesetzgebungsperiode. Die Meinungen der Regierungsfraktionen und der Opposition prallten dabei hart aufeinander.

Nachdem die Grünen ursprünglich "Verhunzte Universitätsreform" für den Titel der Aktuellen Stunde gewählt hatten und dies nach Auffassung des vorsitzführenden Nationalratspräsidenten Dr. FISCHER möglicherweise die Würde des Hohen Hauses verletzt hätte, räsonierte Klubobmann Dr. VAN DER BELLEN (G) kurz über das Wort "verhunzt": Das Österreichische Wörterbuch umschreibe dieses mit den Begriffen "entstellen, verderben und verunstalten", und in der Tat seien, so Van der Bellen, die guten Ideen der Universitätsreform durch die konkreten Vorschläge entstellt worden. Daher seien die Ziele als verdorben und verunstaltet anzusehen.

Die Regierung habe ein detailverliebtes Gesetz vorgelegt, statt sich auf Richtlinien zu beschränken. Die Entscheidungskompetenzen würden an der Spitze beim Universitätsrat konzentriert, obwohl eine forschungsorientierte Organisation dezentral geführt werden müsse. Das bewiesen Standorte wie Harvard und Stanford, wo Einheiten auf unterer Ebene selbstverständlich Entscheidungskompetenzen hätten. Der Universitätsrat soll aber, laut Entwurf, von der Uni nicht absetzbar sein, er selbst könne hingegen das Rektorat jederzeit ohne Angabe von Gründen abberufen. Der Universitätsrat unterliege keinerlei Pflichten, wie sie ein Aufsichtsrat habe. Für Van der Bellen ist die angestrebte Autonomie daher lediglich eine scheinbare, wobei das Kostenrisiko an die Universitäten verlagert und nicht in einer partnerschaftlichen Vereinbarung mit der Republik aufgeteilt werde.

Als Konsequenz der geplanten Reform befürchtet der grüne Abgeordnete den Wunsch jeder Fakultät, sich zu verselbständigen, was höhere Personal- und Verwaltungskosten nach sich ziehen werde. Vor allem kritisierte er die neuen Regelungen zur Mitbestimmung, die einer teilweisen Re-Etablierung der alten Ordinarienherrschaft gleichkomme. Hinsichtlich Qualität, Entscheidungsabläufe und Transparenz sei dies seiner Ansicht nach das Schlimmste aller Systeme.

Bundesministerin GEHRER verteidigte den Reformvorschlag zur Neugestaltung der Universitäten als eine "neue Qualität des Denkens und des miteinander Umgehens". Es würden schlanke Strukturen geschaffen, wobei die Entscheidungs- und Verantwortungskompetenzen zusammengeführt würden. Das Ministerium selbst übertrage Kompetenzen an die Universitäten, betonte die Ressortchefin. Die Universitätsreform sei ein Meilenstein, sie bringe mehr Autonomie, ein gesichertes Budget und Mitsprache der Studierenden.

Die Mitbestimmung der Achtziger Jahre habe sich laut Gehrer aber überlebt. Als Beispiel dafür führte sie die 232 Kommissionen an der Universität Graz an. Nach den neuen Vorstellungen würden die Studierenden sehr wohl dann mitreden, wenn es um die Qualität der Lehre gehe, wobei auch Konsequenzen gezogen würden. Die Studierenden sollten bei der Verteilung der Studienbeiträge sowie bei der Erstellung der Studienpläne eingebunden sein. Die Bildungsministerin unterstrich auch, dass zum ersten Mal ein Vorschlag ohne gedeckeltes Budget, sondern mit einem dynamischen Budget vorgelegt worden sei und dass Österreich pro Studierendem 156.000 S ausgebe, während der Durchschnitt innerhalb der OECD bei 130.000 S liege.

Aufs schärfste wies Gehrer den Vorwurf zurück, man gehe autoritär vor und pflege mit den Betroffen einen schlechten Umgang. Als Vorzüge der geplanten Umgestaltung der Universitäten nannte sie den Übergang von einer Verordnungskultur zu einer Entscheidungskultur, vom Abschieben der Verantwortung hin zum Tragen der Verantwortung. Dies könne man den Universitäten zutrauen, meinte sie abschließend.

Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) fragte, von welcher Vorlage die Ministerin gesprochen habe. Denn das, was sie gesagt habe, habe seiner Meinung nach mit dem Entwurf nichts zu tun. Seine Kritik werde auch von den ablehnenden Stellungnahmen aller Universitätskörper unterstützt. Vor allem habe die Regierung keine tatsächliche Autonomie vor Augen, sondern nur Scheinautonomie.

Kein Unternehmen könne es sich leisten, eine Umstrukturierung gegen den Willen seiner MitarbeiterInnen durchzuführen, sagte Gusenbauer und schloss daran die Forderung, die Betroffenen an den Universitäten in den Reformprozess stärker einzubinden. Gusenbauer wandte sich vehement gegen die komplette Beseitigung der Mitbestimmung, wie er sagte, und bezeichnete dies als einen Demokratieabbau und einen Rückfall in universitäre Formen, die man längst überwunden glaubte.

Der SP-Klubobmann befürchtet auch, dass die entstehenden Mehrkosten, die auf 20% geschätzt würden, keine Deckung im Budget finden, sodass diese auf Kosten von Forschung und Lehre gehen. Eine Chance für eine gelungene Reform sieht Gusenbauer nur dann, wenn es dem Hohen Haus gelingt, während der Ausschussberatungen auf die wesentlichen Kritikpunkte einzugehen und den vorliegenden Entwurf stark zu verändern.

Als einen misslungenen Spagat zwischen dem Ministerialentwurf und den in der Öffentlichkeit vorgebrachten Kritikpunkten bezeichnete Abgeordnete Dr. BRINEK (V) das Konzept der SPÖ. Worin liege der Vorteil, wenn in einem Universitätsrat von elf Personen nur drei aus dem Bereich der Universitäten kommen, fragte sie. Was solle besser werden, wenn Bundesländer und Kammern verpflichtend Leute in den Universitätsrat entsenden?

Brinek betonte, dass man derzeit noch in der Phase des Begutachtungsverfahrens stehe und trat dafür ein, Dialogbereitschaft zu zeigen, statt auf die Straße demonstrieren zu gehen. Die Opposition solle den Teufel nicht an die Wand malen, appellierte sie in Richtung SPÖ und Grüne und meinte, dass derjenige, der das Geld der Steuerzahler - treuhändisch verwaltet vom Ministerium - haben wolle, sich auch bestimmten Kriterien der Kooperation unterwerfen müsse. Internationale Experten bewerteten den Entwurf positiv, auch 82 % der Bevölkerung und 90 % der MaturantInnen träten für eine Universitätsreform ein. Die Universitäten von morgen seien liberaler und kompetenter, der Reformvorschlag sei in dieser Hinsicht ein großzügiger, fasste Brinek ihr Urteil zusammen.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) vermutet, dass die Opposition den Entwurf nicht gelesen hat. Es stimme, dass es keine teilrechtsfähigen Institute mehr geben werde, denn sie alle würden die Vollrechtsfähigkeit erhalten. Der Vorwurf Gusenbauers hinsichtlich fehlender Haftungsbestimmungen für den Universitätsrat gehe ins Leere, da der Entwurf klar die Anwendbarkeit des ABGB vorsehe. Die Kritiker der geplanten Reform wollten in erster Linie ihre Standesrechte schützen, mutmaßte der Redner, weshalb die Politik entscheiden müsse. Der Opposition gehe es seiner Meinung nach nur um die Entsendungsrechte, wie dies der Vorschlag der SPÖ unter Beweis stelle. Sie hätte es geschafft, dass Studierende erstmals für Pragmatisierte auf die Straße gehen.

Graf widersprach der Ansicht, alle Universitätsangehörigen stellten sich gegen das Reformvorhaben, und nannte die Professorenkonferenz sowie die Mehrheit der Rektoren als Befürworter der Reform.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) warf der Regierung vor, Dialog mit Diktat zu verwechseln und darunter offensichtlich die "neue Qualität des Denkens" zu verstehen. Die Regierung verwechsle offensichtlich auch die Universitätsreform mit der Diskussion um den Hauptverband und den ORF. Denn die Vorgangsweise, Kritik zu denunzieren, habe nichts mit Dialog zu tun. Denken ist nicht nur im Ministerium beheimatet, sagte Grünewald.

Auch er glaubt nicht an ein Mehr an Autonomie, da der neue Universitätsrat wesentlich mehr Macht als der Senat haben werde. Alte Hierarchien würden aufgebaut, MitarbeiterInnen und StudentInnen demotiviert, indem man die Mitbestimmung massiv beschneidet. Das Gesetz sei nicht schlank, sondern dürr und gefährlich. Er, Grünewald, biete aber seine Gesprächsbereitschaft an.

Aufs Schärfste wies Bundesministerin GEHRER den Vorwurf Grünewalds zurück, sie denunziere Kritik. Auch die 380 Veranstaltungen zum Thema Universitätsreform seien kein Wanderzirkus gewesen, wie der grüne Abgeordnete dies ausgedrückt hatte. Sie sei aber nach wie vor gesprächsbereit, weshalb sie nach Ende der Begutachtungsfrist am 19. April Dr. Gusenbauer und Dr. Van der Bellen zu einem ausführlichen Gespräch einladen werde. Dem SP-Vorschlag, den Hauptausschuss des Nationalrates für Fragen der Universitäten zuständig zu machen, könne sie aber nicht zustimmen, da dies zu einer Verpolitisierung führen würde. Auch sie betonte, dass es viele Pro-Stimmen zu ihrem Vorschlag gebe, und sie sei sicher, dass die Reform einen Meilenstein für die Zukunft und ein Sprungbrett zur Welt bedeutet.

Nachdem Klubobmann Dr. KHOL (V) die Prüfung des stenographischen Protokolls der Rede von Abgeordnetem Grünewald verlangt hatte, um die Aussage, die Ministerin denunziere Kritiker, nachzuprüfen und eventuell einen Ordnungsruf zu erteilen zu können, sagte Präsident Dr. FISCHER die Prüfung des stenographischen Protokolls zu. Er habe aber bereits mit der Ministerin gesprochen und sie habe das, was notwendig war, selbst gesagt.

Abgeordneter Dr. NIEDERWIESER (S) ging auf den angekündigten Streik der Universitätsangehörigen ein und hob hervor, dass sich hochangesehen Professoren und linke StudentInnen nunmehr Notwehrmaßnahmen überlegten. Dass es so weit gekommen sei, liege am Inhalt und an den Methoden. Statt Autonomie werde es zur Abhängigkeit kommen, die Bundesregierung habe längst das europäische Spielfeld verlassen, an Weltklasse sei daher gar nicht zu denken. Die Wortmeldung der Ministerin habe einmal mehr unter Beweis gestellt, dass sie die Arbeit in den Gremien für entbehrlich hält. Die Mitbestimmung werde abgeschafft, stellte er fest. Niederwieser warf der Bildungsministerin vor, dass man zwar die Betroffenen zu Gesprächen einlade, Ergebnisse und Vereinbarungen aber negiere. Den Vorschlag der SPÖ verteidigte er damit, dass das Parlament der Ort der Entscheidung sei und die Verpolitisierung nicht durch den Hauptausschuss erfolge, sondern durch den Vorschlag der Regierung. Denn das habe es noch nie gegeben, dass sich die Regierung die Universitätsleitung selbst bestellt.

Abgeordneter AMON, MBA (V) versuchte, drei Vorwürfe der Opposition zu entkräften. Man diskutiere bereits seit eineinhalb Jahren über die Universitätsreform und nun sei nicht einmal noch das Begutachtungsverfahren abgeschlossen. Der Vorwurf, man habe zu wenig Zeit, die Vorschläge zu diskutieren, sei daher völlig absurd. In der Phase der Verhandlungen einen Streik durchzuführen und damit zu diesem Zeitpunkt zur schärfsten Waffe der Demokratie zu greifen, sei ein schlechter Stil, so Amon. Dass im Universitätsrat zwei VertreterInnen der SteuerzahlerInnen sitzen sollen, sei legitim, zumal aus dem Budget 2,2 Mrd. € an die Universitäten gingen. Die Opposition gehe in höchstem Maße unseriös vor, meinte Amon, und träume davon, dass alles beim Alten bleibe.

Abgeordneter Dr. GROLLITSCH (F) warf Abgeordnetem Van der Bellen vor, die Gewalt des Wortes in die Debatte eingebracht zu haben. Er trat dafür ein, die gesteckten Ziele nicht aus den Augen zu verlieren, da die Universitäten Freiheit hinsichtlich des Personals und des Budget brauchten. Sie sollten auch ihre Studien frei organisieren können. Die geplante Reform der Universitäten sei ein Befreiungsschlag in Richtung Vollautonomie, betonte Grollitsch.

Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) bekannte sich klar zur Aufgabe der Grünen, die geplante Universitätsreform zu kritisieren und wies auf die vielen Briefe und E-Mails hin, die diese Kritik bestätigen. Eine Oppositionspartei könne sich nicht von der Bundesministerin vorschreiben lassen, wie sie ihre Kritik zu formulieren habe, hielt Petrovic fest und warf der Ministerin vor, den demokratisch legitimierten Vertretern der Universitäten den Dialog zu verweigern. "Sie wollen sich auf keinerlei Argumente einlassen", klagte die Rednerin. Überdies sollte der Rückgang der Zahl der Frauen unter den Erstinskribenten infolge der Einführung von Studiengebühren Gehrer zu einem umfassenden Gender Mainstreaming veranlassen, schloss Abgeordnete Petrovic. (Schluss Aktuelle Stunde/Forts. NR)