Parlamentskorrespondenz Nr. 282 vom 18.04.2002

MINISTERIN GEHRER WILL UNIVERSITÄTEN NEUE FREIHEIT GEBEN

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Wien (PK) - Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) behauptete in der Debatte zur Dringlichen Anfrage betreffend die geplante Beseitigung der Autonomie der österreichischen Universitäten, Österreichs Universitäten bräuchten den internationalen Vergleich nicht zu scheuen und sprach von einem Weltruf, den österreichische Wissenschaftler in vielen Bereichen besäßen. Auch organisatorisch seien die Universitäten auf Toplevel gewesen, man könne daher von einer "absoluten Erfolgsbilanz von drei Jahrzehnten sozialdemokratischer Wissenschaftspolitik" sprechen.

Nun aber erlebe man eine konservative Wende, die sich in Studiengebühren, einem demotivierenden Dienstrecht und einem Rückgang der Studierendenzahlen ablesen lasse. Dem aber erteile seine Fraktion eine klare Absage. Es sei vielmehr eine Reform vonnöten, um die Herausforderungen der Zeit meistern zu können. Auch gebe es aktuelle Problembereiche - eine relativ geringe Akademikerquote, eine relativ hohe Drop-Out-Rate, wenige Professorinnen, ein immer noch schwerfälliger Verwaltungsapparat, geringe Drittmittelfinanzierung und dergleichen mehr. Daher sei eine breite Debatte über die Zukunft der Universitäten zu führen.

Diese Reform werde man aber nicht durch eine Demotivation des wissenschaftlichen Personals erreichen, wie generell festgehalten werden müsse, dass die betroffenen Gruppen den Vorstellungen der Regierung mehr als skeptisch gegenüberstünden. Wenn es Fremdbestimmung statt universitärer Selbstbestimmung gebe, dann könne das nicht goutiert werden. Die Bewertung des Ressortentwurfes komme einem "vernichtenden Urteil" gleich, seine Fraktion hingegen habe im Dialog mit den Universitätslehrern, dem Mittelbau und der Studentenschaft einen Alternativvorschlag entwickelt, der den Bedürfnissen und Zielen im universitären Bereich entspreche, so der Redner, der erklärte, seine Partei wolle eine wirkliche Verankerung der österreichischen Universitäten in der Bevölkerung und eine "echte Autonomie als Ziel der Reform".

Bundesministerin GEHRER zeigte sich eingangs erfreut darüber, dass auch ihr Vorredner den Universitäten ein gutes Zeugnis ausgestellt und sich zur Notwendigkeit einer Reform bekannt habe. Enttäuschend sei aber der sozialdemokratische Vorschlag, der zu 80 % den Regierungsentwurf kopiert habe, während die restlichen 20 % dem "alten Kuriendenken" entsprächen. Es sei des weiteren nicht richtig, dass hier Parteiendenken herrsche, vielmehr sei dies die erste Regierung, die mit diesem Denken geendet habe.

Im übrigen sei der Entwurf noch in der Begutachtung gewesen, als sich bereits Proteste erhoben hätten, was "unüblich" sei. Es habe auch bei früheren Entwürfen immer wieder kontroversielle Debatten gegeben, auch bei jenen, die von sozialdemokratischen Ressortverantwortlichen eingebracht wurden, so die Ministerin, die in der Folge die gestellten Detailfragen beantwortete. Konkret merkte das Regierungsmitglied an, zur Demotivation trügen auch die Wortmeldungen der Opposition bei, die Debatte sollte aber sachlich geführt werden. Es sei sinnvoll, gemeinsam weiterzureden und den Universitäten eine neue Freiheit zu geben, zu welcher man "Mut haben" sollte.

Abgeordneter Dr. NIEDERWIESER (S) bemängelte, dass viele Fragen seiner Fraktion nur sehr allgemein beantwortet wurden, sodass es schwer sei, darauf aufzubauen. Die Universitätsreform 1975 habe sich breiter Unterstützung erfreut, auf die jetzige treffe dies nicht zu. Die Gespräche müssten sinnvoll geführt werden, dazu sei es aber nötig, die Kosten des Hauses zu kennen, ehe man mit seinem Bau beginne. Die Grundprobleme seien bestehen geblieben und harrten einer Lösung, zu der seine Fraktion entsprechende Ansätze geboten habe, sagte der Redner, der für eine "Kultur der Zusammenarbeit" plädierte. Für seine Fraktion gebe es keine Reform gegen die Universitäten, sondern nur eine mit den Universitäten, hielt Niederwieser abschließend fest.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) erinnerte daran, dass schon die Universitätsreformen 1975 und 1993 auf heftigen Widerspruch gestoßen seien. An die Forderungen, die die Sozialdemokratie jetzt erhebe, habe sie sich seinerzeit selbst nicht gehalten. Der Entwurf der Sozialdemokratie sei teilweise in sich widersprüchlich und nicht umsetzbar. Die Regierung halte sich im Übrigen nur an den von den Sozialdemokraten 1999 selbst geforderten Zeitrahmen. Der oppositionelle Entwurf wolle nicht die Standes-, sondern die Parteipolitik an den Universitäten verankern, die Regierung hingegen versetze die Universitäten in die Lage, selbständig zu agieren und die gestellten Herausforderungen zu meistern. Hier böten sich neue Chancen, was erste Auswirkungen der Reform durch die Regierung seien.

ÖVP-Klubobmann Dr. KHOL zeigte sich überzeugt davon, dass am Ende der Diskussion über die Universitätsreform ein Gesetz stehen wird, das die Handschrift der Koalitionsparteien trage und das ein gutes Gesetz sein werde. Der Diskussionsprozess sei auf einem sehr guten Weg, betonte er. Für selbstverständlich hält es Khol, dass das Gesetz ausschließlich verfassungskonforme Regelungen enthalten wird, jede Bestimmung würde genau geprüft.

Kritik übte der Klubobmann der ÖVP am Entwurf der SPÖ zur Hochschulreform. Die SPÖ schlage im Wesentlichen das Gleiche wie die Bundesregierung vor, allerdings "minus 20 %, und das drei Jahre später". Die Koalition werde sich aber weder davon noch von den Grünen in ihrem Reformeifer "verlangsamen" lassen, sagte er. Kritisch bewertete Khol außerdem, dass es Streikdrohungen an den Universitäten gebe, bevor überhaupt ein endgültiger Vorschlag auf dem Tisch liege. Seiner Auffassung nach haben die Studierenden ein Recht auf Vorlesungen und Prüfungen.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) wies darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der Betroffenen die von der Regierung vorgeschlagene Universitätsreform ablehne, sei es die Rektorenkonferenz, die Professoren, der Mittelbau oder die Studierenden. Man müsse daher skeptisch sein, wenn Abgeordneter Khol sage, die Bundesregierung werde sich von niemandem abhalten lassen, die Reform schnell zu beschließen. Wenn man von Deregulierung und Autonomie der Universitäten spreche, müsse man auch Kritik akzeptieren, meinte der Abgeordnete.

Die Grünen haben Grünewald zufolge eine Universitätsreform zum Ziel, die von einer großen Mehrzahl der Betroffenen mitgetragen wird. Es sollten nicht nur einige wenige sein, die Einfluss und Macht ausüben könnten. Er habe prinzipiell nichts dagegen, dass die Regierung über ein Aufsichtsgremium die Universitäten in gewisser Weise kontrollieren könne, sagte der Wissenschaftssprecher der Grünen, es müsse aber eine Balance zwischen den Rechten des Universitätsrates und den Gremien der Universitäten wie dem Universitätssenat geben. Die Abschaffung des Kuriensystems wertete er als "vielleicht sogar vernünftig". 

Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) meinte, es hätte sie überrascht, wenn die Koalition am Entwurf der SPÖ zur Universitätsreform ein gutes Haar gelassen hätte. Dennoch zeigte sie sich enttäuscht, dass die ÖVP die Vorschläge reflexartig als "Verpolitisierung" der Universitäten abgetan habe, ohne eine sachliche Diskussion führen zu wollen. Zustimmung zum Entwurf kam Kuntzl zufolge hingegen von jenen, die an den Universitäten lehren und lernen.

Die Ankündigung von Wissenschaftsministerin Gehrer, die "vernünftigen" Stellungnahmen aus dem Begutachtungsverfahren in den Gesetzentwurf der Regierung zur Universitätsreform einzubauen, beurteilte die Abgeordnete skeptisch. Die Frage sei, was die ÖVP als vernünftig erachte, erklärte sie. Kritik übte Kuntzl außerdem daran, dass es nach wie vor keine Folgekostenabschätzung gebe.

Wissenschaftsministerin GEHRER hielt fest, die Rede von Abgeordneter Kuntzl sei ein gutes Beispiel dafür, wie - ohne Grund - verunsichert und Angst gemacht werde. Schließlich würden die Universitäten ein gesichertes, dynamisches Budget für drei Jahre bekommen, auch von einem drastischen Abbau von Demokratie und Mitbestimmung könne keine Rede sein. Vielmehr würden Studierende weiterhin in weiten Bereichen Mitspracherechte haben. Was die Streikdrohung betrifft, vermisst Gehrer die Zusicherung der Universitätsangehörigen, dass Streiks nicht auf dem Rücken der Studierenden ausgetragen werden.

Abgeordnete Dr. PAPHAZY (F) wies auf einen Bericht der Zeitschrift "Format" hin, wonach es immer häufiger Unstimmigkeiten zwischen SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer und Generalsekretärin Andrea Kuntzl gebe. Das neue Universitätsorganisationsgesetz wertete sie als einen großen Schritt nach vorn. Ihrer Ansicht nach sind gerade die Vertreter des Mittelbaues Gewinner der vorgeschlagenen Reform. Die UOG-Reform werde zudem, so Paphazy, die gute Position Österreichs als Bildungsland untermauern.

Abgeordnete Mag. HAKL (V) sprach sich dafür aus, die Diskussion über die Universitätsreform nicht in die Länge zu ziehen. Kritisch setzte sich die Abgeordnete mit der Frage der Mitbestimmung an Universitäten auseinander. Derzeit hätten Studierende, der Mittelbau und das nicht wissenschaftlich arbeitende Personal auf allen Ebenen der Universitäten maßgeblichen Einfluss. Das gebe es, so Hakl, sonst nirgends in Europa. Auch würde dadurch nicht die Qualität der Lehre und der Forschung verbessert. Das neue Modell sieht ihrer Auffassung nach dem gegenüber ein richtiges Maß an Mitbestimmung vor.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) sieht eine große und breite Ablehnung der von der Regierung vorgeschlagenen Universitätsreform unter den Betroffenen, obwohl es an den Universitäten große Reformbereitschaft gebe. Sie forderte in diesem Sinne einen stärkeren Dialog ein. Für Glawischnig ist es beispielsweise nicht verständlich, warum die Mitbestimmung an den Universitäten deutlich reduziert werden soll und warum das Wissenschaftsministerium darauf bestehe, eine "autoritäre Hand" in die Universitäten hinein zu strecken. Generell betonte sie, die Universitäten sollten nicht eine reine Ausbildungsmaschine für den Markt und die Wirtschaft sein, sondern vor allem ein Ort der Erkenntnis sowie der Wissenschaft und der Lehre.

Abgeordnete Dr. POVYSIL (F) unterstrich, die sozialdemokratische Universitätspolitik habe lediglich zu Abhängigkeiten und zu Angst vor Autonomie und Eigenverantwortung geführt. Ihrer Ansicht nach gibt es außerdem keinen Grund, die Universitätsreform weiter zu verschieben, da es umfassende Diskussionsmöglichkeiten gegeben habe. Angesicht der Zustände auf den Universitäten brauche man, so Povysil, eine "Paukenschlagreform".

Abgeordnete Mag. MIKL-LEITNER (V) gratulierte Ministerin Gehrer zur Universitätsreform. Sie hob vor allem die notwendige Autonomie der Universitäten als Voraussetzung für eine erfolgreiche Zukunft hervor. Man dürfe sich internationalen Entwicklungen nicht verschließen, um auch im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Mikl-Leitner zitierte ausländische Experten, die dem Reformvorschlag und der Ministerin ein äußerst positives Zeugnis ausgestellt haben, und warf der Opposition vor, den Konflikt zu schüren. Die Studierenden seien auch weiterhin eingebunden, so die Rednerin, die SPÖ habe mit ihrem Entwurf bewiesen, dass sie in altem Denken verhaftet sei.

Abgeordneter Mag. POSCH (S) befürchtet einen erhöhten Einfluss von Regierung und Wirtschaft auf die Universitäten. Für ihn konzentriert sich die Kritik auf sechs Punkte im geplanten Gesetz, nämlich auf den Universitätsrat, auf die Reduzierung der Mitgestaltungsmöglichkeiten, auf die Demotivation von UniversitätslehrerInnen und Mittelbau, auf die Einbeziehung von Studierenden, die missglückt sei, und auf die mögliche Aufblähung des gesamten Verwaltungsapparates. Vor allem sei der Universitätsrat niemandem verantwortlich, betonte Posch.

Abgeordneter Dr. BRUCKMANN (V) betonte, noch die alte Ordinarienuniversität erlebt zu haben. Er habe auch vor dem neuen UOG unter dem Titel „missverstandene Demokratie“ gewarnt. Anhand von persönlichen Erfahrungen versuchte er zu beweisen, dass die Mitbestimmung nicht viel zum Besseren beigetragen und die Reform 1993 nichts gebracht habe. Die nun vorgeschlagenen Änderungen begrüße er daher vollinhaltlich.

Abgeordneter Mag. SCHENDER (F) kritisierte den angekündigten Streik und meinte, dass die Universitätsreform 2002 mehr Flexibilität bringen werde, wodurch die Universitäten ein eigenständiges Profil entwickeln könnten. Der ÖH warf er vor, gezielt Fehlinformationen zu verbreiten und Skandalisierung zu betreiben. Wahr sei viel mehr, dass Qualität statt Quantität bei der Mitsprache zum Tragen komme, es werde mehr Wettbewerb geben, mehr Internationalität und bessere Studienbedingungen, sagte Schender.

Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) zeigte sich skeptisch hinsichtlich der „blau-schwarzen Vorstellungen“ zur Autonomie. Diese bestehe offensichtlich aus drohender Amtshaftung, Ministeriumsdiktat und Notenverteilung durch die Politik, meinte die Rednerin. Als Grundmissverständnis seitens der Ministerin bezeichnete sie es, dass Gehrer offensichtlich glaube vorgeben zu müssen, was Aufgabe der ÖH sei. Die Ministerin wolle ihrer Ansicht nach offensichtlich nichts von einer modernen Universität wissen, in der es gleichberechtigte Partner gebe. (Schluss)