Parlamentskorrespondenz Nr. 330 vom 07.05.2002

VERFASSUNGSAUSSCHUSS BESCHLIESST NEUES BUNDESVERGABEGESETZ

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Wien (PK) – Mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und ÖVP wurde heute im Verfassungsausschuss ein neues Bundesvergabegesetz beschlossen, das materiellrechtlich einheitliche Vergaberichtlinien vorsieht, nachdem ein im Jahr 2000 eingebrachter Entwurf nicht die parlamentarische Hürde genommen hatte und man sich lediglich auf eine "Rumpfnovelle" einigen hatte können. Damit ist auch der Weg für die im Plenum des Nationalrates erforderliche Zweidrittelmehrheit frei.

Grundlage des nunmehrigen Beschlusses ist ein gesamtändernder Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage 1087 d.B., da man sich erst nach deren Weiterleitung an das Parlament mit den Ländern auf eine kompetenzrechtliche Änderung hinsichtlich der Vereinheitlichung des Vergaberechts hatte einigen können. Diese erfolgt nun durch einen neuen Artikel 14b Bundes-Verfassungsgesetz, mit dem der Kompetenztatbestand "öffentliches Auftragswesen" eingeführt wird, wobei es sich dabei um ein "Sonderzivilrecht für die Vergabe öffentlicher Aufträge" handelt.

Die Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und ÖVP (Ulrike Baumgartner-Gabitzer –V, Sylvia Paphazy, Michael Krüger – beide F, Peter Wittmann, Johannes Jarolim – beide S) hoben die konstruktive Zusammenarbeit bei den schwierigen Verhandlungen zu diesem Gesetz hervor und lobten das Ergebnis dieser "Marathonarbeit" (Staatssekretär Morak) als einen guten Kompromiss. Dieser versetze die Rechtsanwender in die Lage, den Erfordernissen entsprechende Ausschreibungen durchzuführen und gewährleiste den Anbietern einen einheitlichen Rechtsschutz.

GRÜNE KRITISIEREN LANDESGESETZLICHE REGELUNG DER RECHTSSCHUTZEINRICHTUNGEN

Die Grünen stimmten gegen das neue Gesetz, da sie nicht nur für eine materiellrechtliche Vereinheitlichung eintreten. Abgeordnete Gabriela Moser (G) kritisierte in diesem Zusammenhang, dass die Länder den Rechtsschutz im Vergabeverfahren landesgesetzlich regeln können. Außerdem erfüllen ihrer Einschätzung nach die nun geplanten Neuerungen jene Vorgaben des Entschließungsantrags des Nationalrates vom 24. November 2000 nicht, die eine Reihe besonderer Maßnahmen, wie frauen-, behinderten-, beschäftigungs- und umweltpolitische Belange, zum Inhalt haben.

Dem widersprach Abgeordnete Baumgartner-Gabitzer (V) und bezeichnete dieses Gesetz als einen Fortschritt für die Wirtschaft, die in Hinkunft nur mit einer materiellrechtlichen Grundlage zu arbeiten hätte. Für sie ist es auch legitim, dass die Länder ihre Rechtsschutzeinrichtungen selbst regeln. Auch Abgeordneter Wittmann (S) meinte, dass die Errungenschaft dieses einheitlichen Vergabegesetzes bei weitem mehr als einen kleinsten gemeinsamen Nenner darstelle und es schwer genug gewesen sei, dieses übergeordnete Ziel auch zu erreichen.  

SPÖ, FPÖ UND ÖVP SEHEN FORTSCHRITT FÜR WIRTSCHAFT

Ziel des neuen Bundesvergabegesetzes ist insbesondere eine Vereinheitlichung und Liberalisierung des öffentlichen Auftragswesens. Zudem werden - nicht zuletzt aufgrund mehrerer Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs - der Rechtsschutz für unterlegene Bieter neu ausgestaltet und die vergabespezifischen Rechtsschutzbestimmungen auch auf öffentliche Aufträge ausgedehnt, die unter jenem Schwellenbereich liegen, für den EU-Vorschriften jedenfalls detaillierte Verfahrensbestimmungen und -garantien verlangen. Im Wesentlichen sind das Liefer- und Dienstleistungsaufträge mit einem geschätzten Auftragswert unter 200.000 € bzw. Bauaufträge und Baukonzessionsverträge unter 5 Mill. €.

Konkret ist u.a. vorgesehen, das Bundesvergabeamt als bundesverfassungsrechtlich abgesicherte Sonderkontrollbehörde in Form einer unmittelbaren Bundesbehörde mit hauptberuflich tätigen Vorsitzenden einzurichten. Zuständig für Beschwerden gegen Bescheide des Bundesvergabeamtes wird der Verwaltungsgerichtshof sein, diesem wird aber die Möglichkeit eingeräumt, Beschwerden unter bestimmten Voraussetzungen abzulehnen. Als Mediationsstelle wird eine Bundes-Vergabekontrollkommission fungieren. Beide Stellen sollen beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit angesiedelt sein. 

Die Verfahrens- und Rechtsschutzbestimmungen für den Unterschwellenbereich werden grundsätzlich an jene für den Oberschwellenbereich angeglichen, allerdings gibt es im Sinne einer praxisgerechten Vorgangsweise einige Sonderregelungen, etwa in Bezug auf Fristenregelungen und Bekanntmachungen. Um auch im Unterschwellenbereich gewisse Mindeststandards zu gewährleisten, muss der Auftraggeber jedenfalls zugunsten potenzieller Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen, der den betreffenden Markt dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht.

Darüber hinaus werden neue Vergabeinstrumentarien, wie elektronische Auktionen oder Rahmenvereinbarungen auf den Unterschwellenbereich beschränkt. Eine Verankerung der elektronischen Auktionen auch im Oberschwellenbereich sei, so die Erläuterungen, gemeinschaftsrechtlich (noch) nicht möglich, entsprechende Neuregelungen würden aber auf europäischer Ebene diskutiert.

Weiters werden mit dem Bundesvergabegesetz die Voraussetzungen für die Nutzung elektronischer Medien - etwa das Internet - im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge geschaffen sowie die im März 2000 neu gefasste ÖNORM A 2050 berücksichtigt. Die Bundesbeschaffungs-GmBH erhält die Möglichkeit, auch Vergabeverfahren für Auftraggeber abzuwickeln, die den Landesvergabegesetzen unterliegen. Damit sollen, wie es in den Erläuterungen heißt, die Einsparungspotenziale der Bundesbeschaffungsgesellschaft auch für die Länder fruchtbar gemacht werden können.

SPÖ, FPÖ und ÖVP nahmen darüber hinaus eine Ausschussfeststellung an, in der den Ländern für die erforderlichen Landesgesetze über den Rechtsschutz in den Vergabeverfahren eine Frist bis zum 30. Juni 2003 eingeräumt wird. Außerdem sollen die öffentlichen Auftraggeber bei Abschluss von Rahmenvereinbarungen auf die regionale Versorgungsstruktur durch Klein- und Mittelbetriebe Bedacht nehmen.

DISKUSSIONSPUNKTE: WERTGRENZE FÜR GEISTIG-SCHÖPFERISCHE WERKE, PROBLEMLAGE DER KLEINEN UND MITTLEREN UNTERNEHMEN UND FRAUENFÖRDERUNG

In der Diskussion zum neuen Bundesvergabegesetz kristallisierten sich mehrere Punkte heraus, die man gegebenenfalls noch bis zur zweiten Lesung im Plenum des Nationalrates verhandeln möchte.

Die F-Abgeordneten Paphazy und Krüger sprachen sich dafür aus, die Schwellenwerte bei geistig-schöpferischen Werken nochmals zu überdenken. Es handle sich nämlich dabei um Dienstleistungen, die nicht unter normale quantitative Normen fielen, weshalb man überlegen sollte, diese herauszunehmen oder zumindest den Schwellenwert auf 200.000 € anzuheben. Kreative Köpfe verdienten es nicht, mit bloßer Technokratie verglichen zu werden, so die beiden Mandatare. Diese Einwände hielt auch Abgeordneter Jarolim (S) für legitim und meinte, dass man bei geistig-schöpferischen Leistungen durchaus andere Maßstäbe anlegen müsse. Ebenso offen für eine diesbezügliche Diskussion zeigten sich Abgeordnete Baumgartner-Gabitzer (V) und Staatssekretär Morak, die ihrer  Hoffnung Ausdruck verliehen, bis zur zweiten Lesung im Plenum des Nationalrates eine Einigung erzielen zu können.

Auch über die von den F-Abgeordneten Michael Krüger und Wilhelm Weinmeier thematisierte Problematik der kleinen und mittleren Bauunternehmen zeigten sich alle gesprächsbereit. Krüger hielt fest, dass die Verrechtlichung des Vergabewesens zwar gut und richtig sei, räumte aber ein, dass das Vergabewesen tendenziell größere Betriebe begünstige und kleinere benachteilige. Er schlug daher vor, die Grenze für die freie Vergabe auf 350 000 € anzuheben. Weinmeier unterstützte diese Forderung, hob aber gleichzeitig hervor, dass die Möglichkeit der Teilvergabe auch durchaus zur Stärkung kleinerer und mittlerer Betriebe beitragen könne. Staatssekretär Morak gab zu bedenken, dass gerade im Bereich der Kleinaufträge die freihändige Vergabe problematisch gesehen werden könnte, und Abgeordnete Paphazy (F) wies auf die Ausschussfeststellung hin.

Ausführlich diskutiert wurde auch über die Bestimmung des § 21 Abs.7, wonach im Vergabeverfahren auf die Beschäftigung von Frauen, von Personen im Ausbildungsverhältnis, von Langzeitarbeitslosen, von behinderten und älteren Arbeitnehmern sowie auf Maßnahmen zur Umsetzung sonstiger sozialpolitischer Belange Bedacht genommen werden kann. Abgeordnete Gabriela Moser (G) nannte diese Kann-Bestimmung als einen wesentlichen Grund für die ablehnende Haltung der Grünen zu diesem Gesetz und Abgeordnete Ilse Mertel (S) fragte, warum eine verpflichtende Berücksichtigung dieser Personengruppen nicht möglich war. Staatssekretär Morak antwortete, dass man diese Bestimmung nicht isoliert sehen dürfe, sondern auch die Bestimmungen der ILO-Konvention (siehe § 71) und das Diskriminierungsverbot (siehe § 80 Z.14) mitberücksichtigen müsse. Abgeordnete Ilse Burket (F) bemerkte aus ihrer Sicht, dass diese Kann-Bestimmung einen Kompromiss darstelle und grundsätzlich derartige Regelungen in einem  wirtschaftlich normierten Bereich nichts zu suchen hätten. (Schluss)