Parlamentskorrespondenz Nr. 362 vom 22.05.2002

DIE ÖSTERREICHISCHE BILDUNGSPOLITIK AUF DEM PRÜFSTAND

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Wien (PK) - Bildungspolitische Themen prägten über eine weite Strecke die Debatte in der heutigen Sitzung des Nationalrats. Die Bildungsdebatte begann schon in der Aktuellen Stunde, mit der die heutige Sitzung eröffnet wurde und für die von der ÖVP das Thema Universitätsreform ausgewählt worden war.

Abgeordneter Dr. KHOL (V) betrachtete als Erstredner den Reformbedarf an den Universitäten als unbestritten: Es gehe darum, die österreichischen Hochschulen aus der Sackgasse herauszuführen, in die sie die SPÖ 1975 unter Firnberg hineingebracht hatte. Die Universitäten leiden nach den Worten Khols an Kommissionitis, an dem Vorherrschen von Sitzungsbräuchen und an der Zurückdrängung von Freiheit.

Nun hingegen sollen, kündigte Khol an, an die Stelle der staatlichen Gängelung volle Selbstverwaltung und vertragliche Partnerschaft treten, ein flexibleres Angestelltenrecht werde das erstarrte bisherige System ablösen, die Universitäten werden endlich ein leistungsfähiges Management erhalten. Der Universitätsrat wiederum werde staatlichen Einfluss ersetzen und Kontrolle wahrnehmen. In Summe erwartete sich Khol von der Reform neue Chancen für die Studierenden und meinte, mit diesem Gesetz werden Österreichs Universitäten in das 21. Jahrhundert eintreten.

Bundesministerin GEHRER leitete ihre Wortmeldung mit Klarstellungen ein, um, wie sie sagte, immer wieder geäußerten Unwahrheiten entgegenzutreten: Den Universitäten werde vom Staat das gesamte Budget zugesichert, die außerordentlichen Professoren haben sämtliche Rechte und Pflichten, die Studierenden werden in Studienangelegenheiten größere Mitsprache als bisher erhalten, der Universitätsrat werde kein politischer Einfluss für das Ministerium sein, zumal die Universitäten selbst mehr als die Hälfte der Mitglieder dieses Gremiums selbst wählen.

Ziel der Reform sei die Eigenständigkeit der Universitäten bei einem gesicherten Budget, das nicht gedeckelt ist, unterstrich Gehrer mit Nachdruck. Darüber hinaus führe die neue schlanke Verwaltung Verantwortung und Entscheidungsbefugnis zusammen. Die Reform gebe den heimischen Universitäten eine bessere Grundlage, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Österreich befinde sich mit diesem Gesetz auf dem Weg zur Weltklasse, resümierte die Ministerin.

Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) erwiderte, diese Universitätsreform gehe in die falsche Richtung. Die Kosten würden dadurch um 20 % steigen, eine Bedeckung dafür fehle allerdings. Diese Finanzierungslücke sei der Einstieg für künftige Zugangsbeschränkungen, warnte er. Die Einführung zusätzlicher Universitätsverwaltungen stehe zudem in krassem Widerspruch zum Ruf nach schlankeren Universitäten. Auch würde durch die Reform die Mitbestimmung eingeschränkt und die ÖH in ihrer Bedeutung reduziert werden, befürchtete Gusenbauer.

Abgeordnete Dr. BRINEK (V) bezeichnete die Behauptung ihres Vorredners von einer Finanzierungslücke unter Hinweis auf die Ergebnisse  der parlamentarischen Enquete als unrichtig und betonte, für die aktiv Studierenden sei auch im künftigen Budget ausreichend vorgesorgt. Die jetzige Verankerung der Mitbestimmung entspreche im Übrigen mindestens den bisherigen Standards, replizierte sie weiters auf Gusenbauer.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) erinnerte daran, dass die Reform wesentliche Wünsche der Universitäten erfülle: Die Universitäten bekommen nun Personalhoheit, Budgethoheit, Organisationshoheit und Ressourcenhoheit, sie werden aus der Kameralistik ausgegliedert und aus der Weisungspflicht entlassen.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) hielt hingegen die Kritik an der Reform aufrecht und beklagte einen Verlust von Mitspracherechten sowie Einschränkungen beim Mittelbau. Die Reform werde letztlich dazu führen, dass das Regelstudium der Zukunft das Baccalaureat wird, meinte der Redner und sprach von einem Zeichen des Abbaus der Universitäten.

Abgeordneter DDr. NIEDERWIESER (S) sah die Reform nicht als Meilenstein, sondern als Hinkelstein, wobei er vor allem ein Zurückdrängen der Demokratie an den Universitäten kritisierte. Er warf der Regierung vor, sie würde Demokratie durch Management ersetzen.

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) begrüßte die Reform als Quantensprung zur Stärkung des Wirtschaftstandortes und bemerkte pointiert, Österreich dürfe nicht weiter das Land mit den ältesten Studenten und den jüngsten Pensionisten sein.

Abgeordneter Dr. GROLLITSCH (F) wies, ebenso wie Klubobmann Dr. Khol, darauf hin, dass auch bisher Organisationsformen kaum ein Dezennium überlebt haben und dies war kein Schaden für die Universität. Es sei zu hoffen, dass die Universitäten die ihnen angebotenen Chancen ergreifen und bereit sind, die Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen.

Die Mängel kennen wir alle, meinte Abgeordnete Dr. PETROVIC (G), aber die Konsequenzen, die daraus gezogen werden, seien die falschen. Die Studenten erhalten nicht mehr Leistung und eine bessere Qualität, sondern müssen darauf vertrauen, dass es vielleicht einmal besser wird. "Zahlen für Vertrauen ist ein schlechtes Prinzip", kritisierte sie. Zudem würden die Rechte der Studenten zurückgestutzt, keine echte Autonomie verwirklicht, das Konzept einer Eliteuni weiter umgesetzt und der Studienzugang beschränkt. Insgesamt handle es sich ihrer Ansicht nach um keine wirkliche Reform, sondern um ein Armutszeugnis für die österreichische Bildungspolitik. (Schluss Aktuelle Stunde/Forts. NR)