Parlamentskorrespondenz Nr. 363 vom 22.05.2002

NATIONALRAT DEBATTIERT BILDUNGSVOLKSBEGEHREN

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Wien (PK) - Nationalratspräsident Dr. FISCHER teilte vor Eingang in die Tagesordnung mit, dass der Grüne Klub verlangt hat, den Antrag 673/A[E] betreffend Umsetzung des Ökosteuerkonzepts der Bundesregierung dringlich zu behandeln. Weiters wurde von den Sozialdemokraten das Verlangen eingebracht, eine Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung 3579/AB zur Anfrage 3750 der Abgeordneten Silhavy betreffend Schutz der BürgerInnen vor selbsternannten Bürgerwehren durch den Innenminister abzuhalten.

Das Bildungs-Volksbegehren (966 d.B.), zwei Petitionen (10 PET und 11 PET), sechs Bürgerinitiativen (11, 12, 14, 15, 16, 17 BI) und ein S-Antrag zum Thema Qualitätsoffensive an Schulen und in der Erwachsenenbildung standen zunächst zur Debatte. Abgeordneter Dr. ANTONI (S) kam auf das Bildungsvolksbegehren zu sprechen, mit dem mehr als 200.000 Bürger ihre Sorgen und Unzufriedenheit über aktuelle Entwicklungen im Bildungswesen zum Ausdruck gebracht haben. In Zukunft werde mehr denn je eine gute Bildung darüber entscheiden, ob die jungen Menschen den Herausforderungen der Zukunft (z.B. Internationalisierung, Vielfalt von Kulturen, ungeheurer Zuwachs von Wissen, neue Technologien, tiefgreifende Änderungen der Arbeitsorganisationen) gewachsen sind. Es sei daher hoch an der Zeit, eine umfassende Diskussion über ein zukunftsfähiges Bildungswesen zu führen und entsprechende Antworten zu finden, forderte Antoni.

Die Sozialdemokraten wünschen sich ein breites und flexibles Angebot mit hoher Qualität, das demokratisch, solidarisch, dynamisch, flexibel und durchlässig ist. Trotz der vielen Probleme sehe die Regierung keinen Handlungsbedarf, bedauerte Antoni, und wies in diesem Zusammenhang u.a. auf die permanent steigenden Klassenschülerzahlen, die unzureichende Anzahl von Schulplätzen (v.a. in den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen) sowie auf die untragbare Situation am Lehrstellenmarkt hin. Schließlich brachte er noch einen Entschließungsantrag betreffend Gewalt in der Schule ein, der u.a. die Einführung von flächendeckenden Konfliktlösungsmodellen zum Inhalt hat.

Er halte die Ansätze in diesem Volksbegehren für falsch, meinte Abgeordneter AMON, MBA (V), aber man wolle die Debatte darüber zum Anlass nehmen, um der Bevölkerung gewisse Ängste zu nehmen. Er denke, dass dieses Ziel auch erreicht wurde, denn man habe an drei Tagen sehr ausführlich, konstruktiv und intensiv debattiert und über 80 Experten gehört. Man müsse allerdings auch sehen, dass das Bildungsvolksbegehren eines der schwächsten in der Geschichte der Zweiten Republik war, was aber nicht heißen soll, dass die Sorgen der Bürger gering geschätzt werden. Er verwahrte sich auch gegen den Vorwurf, dass diese Regierung die Bildung kaputt spare und machte darauf aufmerksam, dass es derzeit das höchste Bildungsbudget seit 1945 gibt und dass jeder siebente Steuer-Euro in die Bildung investiert wird. Zudem bestätige die PISA-Studie der OECD, dass Österreich für die Ausbildung der Schüler von der ersten Klasse bis zum 15. Lebensjahr weltweit am meisten ausgibt.

Negativ beurteilte Amon die Forderung nach einer Vollzeitberufsschule, da er eine Verschulung der Berufsausbildung für nicht zielführend erachte. Denn nicht die "Aufbewahrung der Jugendlichen" solle im Mittelpunkt stehen, sondern das Schaffen von individuellen Angeboten (z.B. Vorlehre, AMS etc.). Österreich liege in diesem Bereich auch sehr gut und weise EU-weit die zweitniedrigste Quote an jugendlichen Arbeitslosen auf, betonte Amon. Auch hinsichtlich der Klassenschülerzahlen schneide Österreich im internationalen Vergleich sehr gut ab, führte Amon weiter aus. Da zudem die Schülerzahlen rückläufig sind, sei es seiner Meinung nach viel wichtiger, die Schulstandorte im ländlich strukturierten Raum zu erhalten.

Abgeordneter BROSZ (G) hielt seinem Vorredner entgegen, dass das Familienvolksbegehren nur um 10.000 Stimmen mehr bekommen hat als das Bildungsvolksbegehren; dort habe die Regierung aber anscheinend genug Anlass gesehen, um die Forderungen in vielen Bereichen umzusetzen.

Der G-Mandatar ging sodann auf die Frage der Kooperation zwischen den Schularten ein. In der PISA-Studie wurde klar festgestellt, dass es in Österreich eine sehr starke sozio-ökonomische Gliederung gibt. Dies heißt, dass Kinder, deren Eltern aus einer höheren sozialen Schicht stammen, über ein höheres Einkommen verfügen und ein höheres Bildungsniveau aufweisen, weit bessere Chancen im österreichischen Bildungssystem haben. Daraus könne man die deutliche Aufforderung ablesen, diese frühe Trennung - aufgrund der negativen sozialen Auswirkungen für die Schüler - abzubauen. Die Grünen treten daher - auch auf Basis der Ergebnisse der PISA-Studie - dafür ein, in Richtung einer gemeinsamen Schule zu gehen.

Brosz machte weiters darauf aufmerksam, dass es seit zwei, drei Jahren steigende Klassenschülerzahlen gibt, obwohl es aufgrund der demographischen Entwicklung immer weniger Schüler gibt. Was die Vollzeitberufsschule anbelangt, so sehen die Grünen diese Maßnahme als additive Maßnahme für jene, die keine Lehrausbildung erhalten. Für nicht richtig hält er die Aussage, wonach keine Kürzungen im Bildungsbereich vorgenommen wurden, da es laufenden Kostensteigerungen in der Höhe von 4 % bis 5 % gibt. Sodann brachte er einen Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die Forderungen des Bildungsvolksbegehrens umzusetzen.

Abgeordneter Mag. SCHENDER (F): Bildungspolitik zeichne dafür verantwortlich, dass die Jugendlichen die beste Ausbildung erhalten, die zudem auf ihre individuellen Bedürfnisse Rücksicht nimmt. Es war selbstverständlich, dass das Bildungsvolksbegehren von den Freiheitlichen zum Anlass genommen wurde, eine ausführliche Diskussion über diese wichtigen Fragen zu führen. Gerade in diesem Bereich wäre es wünschenswert, dass alle politischen Kräfte zusammenarbeiten, betonte er. Aber bedauerlicherweise führe die Opposition einen parteipolitisch motivierten Feldzug gegen die Bundesregierung und verunsichere die Lehrer, Schüler und Eltern. Aber die Österreicher haben diese Strategie durchschaut und erkannt, dass die Bildung bei der blau-schwarzen Bundesregierung bestens aufgehoben ist.

Jedes Land, das in Bildung, Forschung und Wissenschaft investiert, stelle die Weichen für die Zukunft. Deshalb sei für die Regierung die Schwerpunktsetzung in diesen Bereichen so wichtig, erklärte Bildungsministerin GEHRER. Mit Nachdruck stellte sie fest, dass die Studierenden zwar einen finanziellen Beitrag leisten, aber das Studienangebot zum überwiegenden Teil doch von den Steuerzahlern bezahlt werde. Aus diesem Grund bedankte sie sich beim Parlament dafür, dass diese Kosten immer wieder im Budget aufgenommen und beschlossen werden.

Die Lehre hielt die Ressortleiterin für einen wichtigen Bestandteil der Berufsausbildung. Sie bedauerte aber, dass 3.388 Lehrstellensuchenden 2.823 offene Lehrstellen gegenüber stehen. 2.000 zusätzliche Plätze - 500 seien derzeit noch frei - seien mit dem Jugendausbildungssicherungsgesetz geschaffen worden, betonte Gehrer, machte zugleich darauf aufmerksam, dass es den größten Lehrstellenmangel in Wien gebe, und forderte die hierfür Verantwortlichen auf, Änderungen herbeizuführen.

Der vorsitzführende Präsident DI PRINZHORN gab bekannt, dass Abgeordneter Dr. Cap (S) gemäß § 33 Abs.1 GOG die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (Vergabeaufträge für Radaranlagen in den Jahren 1994 und 1995 und Einflussnahmen darauf) beantragt habe. - Debatte und Abstimmung darüber nach Erledigung der Tagesordnung.

Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) bedauerte, dass aktuelle Themen von der zuständigen Ressortministerin nicht aufgegriffen und behandelt werden. So sehe Gehrer Bildungschancen im Vorschulalter als eine Belästigung an, statt - wie in anderen Ländern - Kindern im Vorschulalter zu ermöglichen, ihren Wissensdurst zu befriedigen. Nach Ansicht der Rednerin wäre es an der Zeit, einen Weg einzuschlagen, der den Kindern bessere Zukunftschancen bietet.

Abgeordneter DDr. NIEDERWIESER (S) bestritt in einer tatsächlichen Berichtigung, die Universitätsbediensteten als Söldner bezeichnet zu haben, was von der Ressortchefin behauptet wurde.

Die Unterstellung, das österreichische Bildungssystem befinde sich in einer Sackgasse, lässt Abgeordnete Dr. BRINEK (V) nicht gelten und wies darauf hin, dass es für jede Schule eine Anschlussmöglichkeit an eine weiterführende Schule gebe; letzte Lücken wurden geschlossen. Die Behauptung, seit der Einführung der Studiengebühren würden manche Schüler/innen, vor allem finanzschwache, nicht mehr die Universität besuchen, wies Brinek zurück und hob die Förderungsmöglichkeiten, die nunmehr den Studierenden geboten werden, hervor, räumte aber ein, dass die Unterstützungen ausgeweitet werden könnten. 

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) zeigte sich erfreut darüber, dass nicht mehr davon gesprochen wird, dass jeder Studierende dem Staat weit über 200 000 S kostet, und wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass AHS- und Fachhochschul-Schüler den Steuerzahlern teurer als Abgänger der Universitäten kommen.

Eingehend befasste sich der Abgeordnete mit den Arbeitsbedingungen an den Universitäten und meinte, dass es kein Zufall sei, wenn manche Ausschreibungen mehrfach getätigt werden, damit sich ein, zwei oder drei Bewerber melden, da diese Personen, die in der Regel in Forschung und Lehre nicht wenig arbeiten, etwas mehr als 14 000 S Gehalt erhalten. Auch erachtete er es als nicht sinnvoll, dass aufgrund des Dienstrechtes Vortragende kürzer an der Universität "verweilen" als die Studierenden.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) kam auf die Uni-Reform der S-Ministerin Firnberg zu sprechen, die darauf abzielte, dass auch Arbeiterkinder studieren können, wies darauf hin, dass die Studierenden arbeiten gehen mussten, um sich ihr Studium leisten zu können, und dass arbeitslose Akademiker die Folge waren. Kritisch äußerte sich der Sprecher zum Begriff "Verweildauer", der von seinem Vorredner verwendet wurde, und meinte, "verweilen" sei zu wenig, auch an den Universitäten müssten Leistungen erbracht werden. Die Bildungspolitik der Koalition lobte der Redner und meinte, mit der Einführung der Studiengebühr sei ein enormer Studienbeendigungsschub erfolgt, den es in diesem Umfang in den vergangenen Jahren nicht gegeben habe.

Für Abgeordnete Mag. MUTTONEN (S) wird bei diesem Themenbereich die Einfallslosigkeit der Bundesregierung sichtbar. Man führe Scheinverhandlungen, beharre aber letztlich auf Bisherigem. Auch die wichtige Forderung der Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen auf 25, untermauert von Petitionen und Bürgerinitiativen, werde nicht umgesetzt. In übervollen Klassen werde individuelle Betreuung und zwischenmenschliche Kommunikation unmöglich gemacht, unterstrich sie und brachte einen Entschließungsantrag zur Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen auf 25 ein.

Abgeordneter GROSSRUCK (V) würdigte die hervorragende schulpolitische Arbeit der Bundesministerin Gehrer, einer Frau, die mit beiden Beinen im Leben stehe und aus ihrer eigenen Unterrichtspraxis noch wisse, was es bedeute, Klassen mit 50 Kindern zu unterrichten. Die Kritik der Opposition sei nur vor dem Hintergrund ihrer marxistisch-materialistischen Ideologie zu verstehen, sagte Grossruck und hielt dem seine christlich-soziale Überzeugung entgegen: Der Mensch ist nicht nur Materie, sei nicht beliebig formbar, daher sollte man auch nicht versuchen, allen den selben "bildungspolitischen Bürstenhaarschnitt" zu verpassen. Die Menschen sind in ihren Begabungen und Talenten verschieden, daher sollte Chancengleichheit durch Chancengerechtigkeit ersetzt werden, sagte Großruck und wandte sich entschieden gegen die Gesamtschule, für die die Opposition mit Engelszungen und Schalmeienklängen werbe. Eine Lanze brach der Abgeordnete auch für die duale Ausbildung, die er keineswegs durch eine Vollzeitberufsschule ersetzt sehen wollte.

Abgeordnete HAIDLMAYR (G) erinnerte daran, dass in der Geschichte des Petitionsausschusses noch nie so viele Petitionen und Bürgerinitiativen zu einem einzigen Thema behandelt wurden, wie zuletzt aufgrund der Sorge der Bürger um die Bildung. Als Behindertensprecherin ihrer Partei konzentrierte sich Haidlmayr auf die fehlenden Fortschritte, die aus ihrer Sicht bei der schulischen Integration behinderter Menschen zu beklagen seien. Niemand bestreite zwar das Recht der behinderten Kinder auf Bildung, die Einschnitte im Bildungssystem machten es behinderten Kindern und ihren Eltern aber immer schwerer, ihr Recht auf Integration wahrzunehmen. Die Behinderten brauchen, so Haidlmayr, einklagbare Rechte, damit sie ihre Stärken entwickeln können. Haidlmayrs Aufforderung an die Regierungsparteien lautete daher, für ein Bundesbehindertengleichstellungsgesetz einzutreten.

Abgeordneter Dr. GROLLITSCH (F) sprach der Forderung nach Erhaltung von Klein- und Kleinstschulen nicht grundsätzlich jede Berechtigung ab, gab aber zu bedenken, dass es auch Extremfälle wie jene Schule mit sechs Kindern gebe, von denen drei den beiden an der Schule tätigen Lehrern gehörten. Zur Diskussion um die Klassenschülerhöchstzahl merkte der Redner an, er sei davon überzeugt, dass für die Qualität des Unterrichts die Qualifikation des Lehrers, das familiäre Umfeld der Schüler und die Lehrmittel wesentlich ausschlaggebender seien als die Klassenschülerzahl. Internationale Vergleiche zeigten, dass Österreich ein gutes Schulsystem habe, "auf das wir alle stolz sein können", schloss Grollitsch.

Abgeordnete Mag. WURM (S) unterzog die Bildungspolitik der Bundesregierung einer scharfen Kritik und wandte sich insbesondere gegen Privatisierungstendenzen, da der Bildungsertrag sinke, wenn Menschen aus dem Bildungssystem ausgeschlossen werde. Daher lehnte Wurm Studiengebühren und andere Schranken beim Zugang zum Bildungssystem entschieden ab. "Wir Sozialdemokraten treten für die Chancengleichheit ein." Die Abgeordnete klagte über die Benachteiligung von Schülern im ländlichen Raum und von Menschen, die nach einer Berufsausbildung einen zweiten Bildungsweg einschlagen wollen. Sie seien oft gezwungen, ihren Wohnort zu wechseln. Wurm warf der Regierung vor, durch die Einführung der Studiengebühren die Zahl der weiblichen Erstinskribenten an der Universität Innsbruck um 20 % gesenkt zu haben. Auch ignoriere die Bundesregierung die Tatsache, dass 80 % der Studierenden berufstätig seien. Es sei nicht gerecht, berufstätige Studenten zweimal zur Kasse zu bitten, einmal als Steuerzahler und das zweite Mal durch Studiengebühren. In zwei Entschließungsanträgen ihrer Fraktion forderte Abgeordnete Wurm die Abschaffung der Studiengebühren, die Verbesserung der Studienbeihilfen und der Rahmenbedingungen für berufstätige Studierende sowie eine Verbesserung der SchülerInnenbeihilfe ab der neunten Schulstufe.

Abgeordnete Dr. WOLFMAYR (V) plädierte dafür, die Frage der Klassenschülerhöchstzahlen nicht herunterzuspielen, sie aber auch nicht überzubewerten. Die Abgeordnete räumte ein, dass die Situation der Lehrer in den Ballungsräumen oft schwierig sei, sie warnte aber vor dem Mythos, dass weniger Schüler pro Klasse mehr Bildung pro Kind bedeuten. Es bestehe kein direkter Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und Klassenschülerzahlen. Wesentlich wichtiger sei die Persönlichkeit des Lehrers, das Wie des Unterrichts sowie die Fähigkeiten und das Interesse der Schüler.

Abgeordneter RIEPL (S) unterstrich den Willen seiner Fraktion, zu verhindern, dass Fünfzehnjährige auf der Straße stehen. "Wir wollen, dass alle Fünfzehnjährigen einen Ausbildungsplatz in einer Schule oder in einem Betrieb haben." Abgeordneter Riepl vermisste diesen Willen auf Seiten der Bundesregierung. Sie reiße immer größere Löcher in die Auffangnetze für Jugendliche und mache es für junge Menschen immer schwieriger, Lehrstellen zu finden. Die Hoffnung, durch eine Senkung der Lohnnebenkosten Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen, habe sich nicht erfüllt, kritisierte Riepl und unterstrich den sozialdemokratischen Vorschlag, das duale Ausbildungssystem durch eine Vollzeitberufsschule für jene Jugendlichen zu ergänzen, die keine Lehrstelle finden.

Abgeordneter Mag. HETZL (F) stellte fest, dass bei keiner Gebühr die Betroffenen so gut abgesichert seien wie bei der Studiengebühr. Als positiv bewertete der Abgeordnete auch das Angebot vieler Banken, Studenten mit zinsgünstigen Krediten zu unterstützen. (Diese Aussage quittierten SPÖ-Abgeordnete in Zwischenrufen mit dem Vorwurf, Hetzl wolle junge Menschen in die Schuldenfalle drängen.) Hetzl wies darauf hin, dass mit wesentlich erhöhten Stipendien ein sozialer Ausgleich für die Studiengebühren geschaffen worden sei und sprach angesichts sinkender Studentenzahlen von einem Anpassungsprozess: "Nun studieren jene, die ernsthaft zu einem Abschluss kommen wollen."

Abgeordnete SCHASCHING (S) betonte die Auffassung der Sozialdemokraten, dass Studiengebühren unsozial seien und bekundete die Absicht ihrer Partei, diese Gebühren abzuschaffen, sobald sie nach den nächsten Wahlen die Gelegenheit dazu haben werde. Die SPÖ nehme die Anliegen des Bildungsvolksbegehrens und der Bürgerinitiativen und Petitionen sehr ernst und gebe den anderen Fraktionen durch ihre Anträge Gelegenheit, die Ziele des Bildungsvolksbegehrens umzusetzen. Kritik an der Bildungspolitik der Bundesregierung sei angebracht, sagte Schasching und klagte über Einschränkungen bei den Klassen für Schwererziehbare, den Beratungslehrern, den Logopädielehrern, den Heilstättenklassen, den Personalreserven und beim Förderunterricht. Schasching warnte vor drohenden Einsparungen in niederösterreichischen AHS und hielt es für pädagogisch bedenklich, Schülern durch den Abbau von unverbindlichen Übungen die Lust am Schulbesuch zu nehmen. Denn es gehe nicht nur um die Qualität des Unterrichts, sondern auch um die Freude am Lernen und die Förderung der Eigenständigkeit junger Menschen. Schließlich setzte sich die Rednerin für das Modell der kooperativen Mittelschule in Wien ein und forderte von der Ministerin in einem Entschließungsantrag eine verstärkte horizontale und vertikale Kooperation zwischen verschiedenen Schultypen.

Für Abgeordneten PRINZ (V) präsentierte sich das österreichische Bildungssystem wesentlich besser, als es der Opposition recht sei. Jeder siebente Euro gehe in die Bildung, in den Schulen arbeiten engagierte Lehrer, das Stipendiensystem sei gerecht, das Berufsausbildungssystem international führend und die Universitäten werden durch das neue Gesetz schneller werden, damit jene Studenten, die schnell studieren wollen, dies auch können, sagte Abgeordneter Prinz.

Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) warf der Bundesregierung "fundamentale Ignoranz" gegenüber den Anliegen des Bildungsvolksbegehrens und dessen Unterzeichnern vor. Desinteresse zeige die Regierung auch gegenüber der Situation der arbeitslosen Jugendlichen. Obwohl die Wirtschaft seit 1995 viele Erleichterungen erhalten habe, die insgesamt mehr als 6 Mrd. S gekostet haben, sei die Zahl der jungen Menschen ohne Lehrstelle zuletzt auf 3.400 angestiegen. Anträge der SPÖ auf Verlängerung des Jugendausbildungssicherungsgesetzes seien vertagt oder abgelehnt und an ihrer Stelle eine "Mickey-Mouse-Lösung" verabschiedet worden. In einem Entschließungsantrag forderte die Rednerin daher die Einrichtung einer Vollzeitberufsschule als Ergänzung zum dualen Ausbildungssystem.

Abgeordneter SEVIGNANI (F) vermutete hinter dem Volksbegehren eine parteipolitische Motivation und warf der Opposition Panikmache vor. Damit wolle diese mit Halb- und Unwahrheiten die Regierung schlecht machen und Eltern sowie SchülerInnen verunsichern. Er stellte auch in Abrede, dass sich junge Menschen durch Studiengebühren vom Studium abhalten ließen und führte als Beispiel die Studentenzahlen an der Uni Innsbruck an. Außerdem seien die Stipendien und Leistungsstipendien im Interesse der sozialen Gerechtigkeit ausgeweitet worden. Noch nie sei in unserem Land soviel Geld für die Bildung ausgegeben worden wie heute, schloss der F-Abgeordnete.

Auch Abgeordnete Mag. MIKL-LEITNER (V) "stimmte es traurig", dass die Opposition versuche, wie sie sagte, Verunsicherung zu verbreiten. Das Ergebnis des Volksbegehrens wertete die Rednerin als ein Vertrauen der Bevölkerung in die Ministerin und eine Bestätigung der Tatsache, dass das österreichische Bildungssystem im internationalen Vergleich gut dastehe. Mikl-Leitner würdigte die intensive Diskussion im Unterausschuss, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass dieses Thema nicht auf dem Rücken von SchülerInnen und Studierenden ausgetragen werden dürfe. Heftig widersprach sie der Behauptung, Bildung werde kaputt gespart. Im Gegenteil, es sei noch niemals so viel Geld in die Bildung investiert worden, nämlich jeder siebente Euro und zusätzlich 509 Mill. € für Forschungsinvestitionen. Selbstverständlich müsse das System auch im Hinblick auf mehr Qualität weiterentwickelt werden.

Abgeordnete WOCHESLÄNDER (F) kritisierte die SPÖ, diese habe versucht, die Gesamtschule in die Diskussion "hineinzumanövrieren". Gesamtschule sei aber eine unlautere Gleichmacherei von Bildung, weshalb sie, Wochesländer, zu einer vertikalen Kooperation ja sage, zu einer Fusion in Form einer Gesamtschule jedoch ihr striktes Nein artikulierte. Hinsichtlich der Klassenschülerzahlen meinte die Rednerin, dass Teilungen und Projektgruppen ohnehin auch die Möglichkeit gäben, die Schülerzahlen in den Klassen zu verringern. Die Lehrlingsausbildung wird ihrer Meinung nach auch in Zukunft große Bedeutung haben.

Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) warf der SPÖ vor, die Realität zu verweigern und führte aus seiner Sicht dazu drei Beispiele an: Es sei Tatsache, dass sich nach Einführung der Studiengebühren die Zahl der StudienanfängerInnen nicht geändert habe. Eine gewaltige Bereinigung habe es aber bei den Scheinstudierenden gegeben, und zwar in der Größenordnung von 65.000, was zu einer Entlastung aller geführt habe, die wirklich studieren wollen. In Österreich würden 170.000 S pro Jahr und Studierendem ausgegeben, womit wir an der Spitze der OECD lägen. Ein sozial gerechtes Schüler- und Studienbeihilfensystem sei bereits realisiert worden, da durch die Anhebung der Einkommensgrenze der Kreis der BezieherInnen um 12.500 ausgeweitet worden sei. Die Mittel seien von 1,55 Mrd. S auf 2 Mrd. S aufgestockt worden, der Anteil der StudienbeihilfenbezieherInnen liege heute bei 25 %, in Zeiten der SPÖ-Regierung hätte der Anteil  14 % betragen. Bei den Klassenschülerhöchstzahlen könne man mit Abstand die niedrigsten Werte in der EU aufweisen. "Wir machen Politik für die Leute und nicht für die Partei", resümierte Schweitzer.

Abgeordneter DDr. NIEDERWIESER (S) hielt es für auffallend, dass die Regierungsparteien keine Mittel gescheut hätten, mit nichtigen Fakten zu operieren. Seinem Vorredner widersprach er insofern, als es zwar mehr Anträge auf Studienbeihilfe gebe, die Bewilligungen aber sich nur um 5.900 erhöht hätten.

Bei der Abstimmung wurde der Bericht des Unterrichtsausschusses über das Bildungsoffensive- und Studiengebührenvolksbegehren 966 d.B. sowie über die Petitionen Nr. 10 und 19, über die Bürgerinitiativen Nr. 11, 12, 14, 15, 16 und 17, und über den S-Entschließungsantrag 399 A(E) mit den Stimmen der beiden Regierungsfraktionen mehrheitlich angenommen (negativer Ausschussbericht).

Die S-Entschließungsanträge betreffend Gewalt in der Schule, Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen auf 25, Abschaffung der Studiengebühren und Reform der Studienförderung, ein sozial gerechtes Schülerbeihilfensystem, Kooperation zwischen verschiedenen Schularten, sowie betreffend die Einrichtung von Berufsfachschulen blieben mit der Unterstützung von SozialdemokratInnen und Grünen ebenso in der Minderheit wie der G-Entschließungsantrag betreffend Umsetzung der Forderungen des Bildungsvolksbegehrens.

(Schluss Bildungsvolksbegehren/Forts. NR)


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