Parlamentskorrespondenz Nr. 404 vom 04.06.2002

BUNDESSTRASSEN-MAUTGESETZ PASSIERT BAUTENAUSSCHUSS

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Wien (PK) - Die Pläne für die Einführung der lange angekündigten LKW-Maut reifen Schritt für Schritt ihrer Verwirklichung entgegen. Heute hat der Bautenausschuss dem Entwurf der Bundesregierung für ein Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 zugestimmt. Das neue Gesetz schafft die rechtlichen Voraussetzungen für die Einführung einer fahrleistungsabhängigen LKW-Maut unter Einsatz elektronischer Geräte auf den Bundesautobahnen und Bundesschnellstraßen und integriert auch die bisher im Bundesstraßenfinanzierungsgesetz enthaltenen Bestimmungen für die zeitbezogene Maut (Vignette). Die Regierungsvorlage wurde unter Berücksichtigung formaler Abänderungen, die Abgeordneter Reinhard Firlinger (F) in der ausführlichen Debatte beantragt hatte, mit S-F-V-Mehrheit verabschiedet.

Grundsätzlich positiv äußerte auch die Tiroler G-Abgeordnete Evelin Lichtenberger, sie machte eine Zustimmung der Grünen im Plenum aber davon abhängig, dass die Möglichkeit, Mauteinnahmen zur Quersubventionierung sensibler Gebiete, etwa in den Alpen, einzusetzen, im Gesetz berücksichtigt werde.

Dies sei aufgrund der geltenden EU-Richtlinie nicht möglich, erwiderte Verkehrsminister Mathias Reichhold, und für ihn verkehrspolitisch auch nicht wünschenswert, denn sein Ziel sei es, bei den Verhandlungen mit der EU für die sensiblen Gebiete höhere Mauten zu erreichen.

Die SPÖ-Sprecher Rudolf Parnigoni und Doris Bures klagten über die Verzögerungen bei der Einführung der LKW-Maut, für die sie die ÖVP verantwortlich machten, und kündigten für das Plenum Entschließungsanträge zu der ihrer Meinung nach zu geringen Höhe der in Aussicht genommenen Maut von 22 Cent pro Kilometer sowie zugunsten der Berufslenker an, denen die Verantwortung für Mautvergehen nicht alleine aufgebürdet werden dürfe.

Die Vertreter der Regierungsparteien lobten das Gesetz als gut und bekannten sich zu der in Aussicht genommenen Mauthöhe, die laut F-Abgeordnetem Reinhard Firlinger dem Finanzierungsbedarf des Straßenbauprogramms gemäß Generalverkehrsplan entspreche und für V-Verkehrssprecher Helmut Kukacka ein klares Signal an die Wirtschaft darstelle, dem Kostenfaktor Transport einen höheren Stellenwert zuzuordnen. "Wir kommen der Kostenwahrheit im Güterverkehr ein gutes Stück näher. Wer einen höheren Mauttarif verlangt, sollte dazusagen, dass letztlich nicht die Frächter die Maut zahlen werden, sondern die Konsumenten, etwa wenn sie sich Erdbeeren aus Südspanien schmecken lassen wollen".

GRUNDSÄTZLICHE ZUSTIMMUNG, ABER DIFFERENZEN IN DEN DETAILS ZWISCHEN REGIERUNG UND OPPOSITION

Abgeordnete Evelin Lichtenberger (G) klagte eingangs ihrer Wortmeldung über die endlosen Verzögerungen bei der Einführung der LKW-Maut und sprach von einer "Vorlage der vergebenen Chancen". Sie problematisierte die Zweckbindung der Mauteinnahmen für den Straßenbau und appellierte an den Bundesminister und die Regierungsfraktionen, Querfinanzierungen und höhere Mautsätze zugunsten von Verkehrsprojekten in sensiblen Gebieten nach deutschem Vorbild im Gesetz zu verankern und dabei Bezug auf die Alpenkonvention zu nehmen. Detailfragen der Abgeordneten galten dem Strafausmaß für Mautsünder, den vorgesehenen Ausnahmen und einer effizienten Kontrolle der Bemautung. Lichtenberger zeigte sich zunächst skeptisch gegenüber der privaten Mautpolizei und bezweifelte, dass die vorgesehene Zahl der "Mautsheriffs" ausreichen werde. Schließlich regte sie an, bestimmte Ausweichrouten in die Bemautung aufzunehmen, um Verkehrsbelastungen in bestimmten Regionen zu vermeiden.

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (S) warf der ÖVP vor, durch die Verzögerung bei der Einführung der LKW-Maut dem Ausbau des Straßennetzes so seit 1999 1,5 Mrd. € entzogen zu haben. Die ins Auge gefassten Maut von 22 Cent pro Kilometer nannte der Verkehrssprecher der Sozialdemokraten einen äußerst bescheidenen Betrag der Frächter, der die Frage aufwerfe, ob tatsächlich alle notwendigen Vorhaben zugunsten der Verkehrsinfrastruktur bedeckt werden können.

Abgeordneter Reinhard Firlinger (F) hielt fest, die Mauthöhe werde nicht durch das Gesetz festgelegt, und nannte die im Raum stehenden 22 Cent - dreimal mehr als die Wirtschaftskammer ursprünglich vorschlug - einen guten Kompromiss. Das Straßenbauprogramm gemäß Generalverkehrsplan brauche diesen Tarif, sagte Firlinger, der sich dafür aussprach, die eingenommenen Mittel voll dem Straßenbau zuzuführen. Die Frage der Quersubventionen sei auf EU-Ebene noch nicht endgültig geklärt, auch wisse man noch nicht, wie die Ökozonen aussehen werden. Das vorliegende Gesetz sei ein taugliches Instrument, um den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten zu finanzieren.

Weitere Zusatzfragen des Abgeordneten Franz Riepl (S) richteten sich auf Ausnahmen von der Bemautung und auf die Beschäftigungswirkungen des Infrastrukturausbaus.

Abgeordneter Helmut Kukacka (V) bedauerte die kritischen Stellungnahmen der Opposition angesichts eines guten und zukunftweisenden Gesetzes. Der Verkehrssprecher der ÖVP zeigte sich erleichtert, dass statt des ursprünglich diskutierten "Mauthütten"-Systems nun eine elektronische Bemautung eingeführt werde, die in Errichtung und Betrieb wesentlich billiger sei. Die während der letzten Jahre entgangenen Einnahmen werden sehr rasch kompensiert werden. Die Verschiebung der Mauteinführung für LKW sei daher volkswirtschaftlich mehr als gerechtfertigt gewesen. Querfinanzierungen seien grundsätzlich richtig, aufgrund der derzeit geltenden EU-Richtlinien aber derzeit nicht möglich. Kukacka plädierte dafür, die Möglichkeit zur Querfinanzierung in der neuen Wegekostenrichtlinie zu verankern. Die privaten Mautorgane seien einem Einsatz der Exekutive zur Kontrolle der Mauteinhebung vorzuziehen, weil sie wesentlich kostengünstiger seien als voll ausgebildete Exekutivbeamte.

Die Festlegung der Mauthöhe liege nicht nur in der Autonomie Österreichs, man habe sich an den Nachbarländern, insbesondere Deutschland, zu orientieren und einen entsprechenden Zuschlag für die topographischen Schwierigkeiten in Österreich zu berechnen. Dieses Gesetz ist ein klares Signal an die Wirtschaft, dem Kostenfaktor Transport einen höheren Stellenwert zuzuordnen. "Wir kommen der Kostenwahrheit im Güterverkehr ein gutes Stück näher. Wer einen höheren Mauttarif verlangt, sollte dazusagen, dass letztlich nicht die Frächter die Maut zahlen werden, sondern die Konsumenten, wenn sie sich beispielsweise Erdbeeren aus Südspanien schmecken lassen wollen", sagte Abgeordneter Kukacka.

Bundesminister Mathias Reichhold bestätigte, dass die ASFINAG im Rahmen der EU-Richtlinie, die die Berücksichtigung von Bau-, Erhaltungs-, Betriebs- und Finanzierungskosten zulässt, einen Tarif von 22 Cent pro Kilometer errechnet habe, der mit der EU bereits vorbesprochen sei. Er wolle statt der von Abgeordneter Lichtenberger vorgeschlagenen Quersubventionierung einen "Überling", also Mehreinnahmen für die Infrastruktur in sensiblen Gebieten erreichen. Hinsichtlich der Strafen für Mautprellerei wies Reichhold darauf hin, dass der vorgesehene Strafrahmen den Gerichten die Möglichkeit gebe, die Schwere des jeweiligen Vergehens zu berücksichtigen. Man werde sehen, ob das vorgesehene Enforcement, das auf der Basis des Verwaltungsstrafrechts erfolgen wird, ausreiche, um eine lückenlose Bemautung zu ermöglichen, das vollelektronische System lasse jedenfalls eine lückenlose Kontrolle zu. Auch der Verkehrsminister zeigte sich erleichtert darüber, dass keine "Mauthütten" kommen werden. Hinsichtlich der Mauthöhe machte der Minister darauf aufmerksam, dass die Einführung der LKW-Maut einer Vervierfachung der LKW-Bemautung entspreche, was die mit dem Finanzminister vereinbarten Kompensationen im Bereich der Straßenbenützungsabgabe für die Wirtschaft rechtfertige.

Die Mauteinnahmen bilden die Grundlage für die Umsetzung fast aller großen Vorhaben des Generalverkehrsplans im Umfang von 80 Mrd. S. Noch offen seien einzelne Projekte im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung. Die Zahl von 5.700 Dauerarbeitsplätzen infolge der Infrastrukturinvestitionen entspreche den Ergebnissen einer Wifo-Studie.

Abgeordneter Anton Wattaul (F) unterstrich die Bedeutung guter Rahmenbedingungen für die Frächter, die nicht nur die Arbeitsplätze in ihrer Branche sichern, sondern auch in jenen Wirtschaftszweigen, die auf einen kostengünstigen Abtransport ihrer Güter angewiesen  sind.

Abgeordnete Doris Bures (S) antwortete mit dem Hinweis darauf, dass für den Wirtschaftsstandort auch die Qualität der Verkehrswege wesentlich sei und warnte davor, dass zu niedrige Mauttarife eine Transitlawine auslösen könnten. Dazu, sowie zur Absicht der Regierung, die Verantwortung für die Entrichtung der Maut ausschließlich auf die LKW-Lenker abzuschieben, kündigte die Abgeordnete Entschließungsanträge ihrer Fraktion an, stimmte dem Gesetz aber grundsätzlich zu.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) machte demgegenüber auf die Haftung des Zulassungsbesitzers für die Entrichtung der Maut aufmerksam und erinnerte daran, dass das Kostendeckungsprinzip Kriterium bei der Festsetzung der Mauthöhe sei. Die Tätigkeit der Mautaufsichtsorgane sei nicht privat, sie werden privat angestellt, aber - analog zu den Schaffnern der ÖBB - als öffentliche Organe tätig werden.

Abgeordnete Evelin Lichtenberger (G) meinte, der vom Bundesminister angesprochene "Überling" werde nicht zu erreichen sein, wenn Österreich nicht schon jetzt alle Möglichkeiten zur Quersubventionierung sensibler Zonen nütze. Die Abgeordnete machte eine positive Klärung dieser Frage für die Zustimmung ihrer Fraktion zum Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 im Plenum abhängig. (Schluss)