Parlamentskorrespondenz Nr. 484 vom 26.06.2002

JUSTIZAUSSCHUSS VERABSCHIEDET ANTI-TERROR-PAKET

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Wien (PK) - Das Strafrechtsänderungsgesetz 2002, das in seinen Kernpunkten internationale Verpflichtungen zur Bekämpfung des Terrorismus umsetzt, wurde heute im Justizausschuss mit den Stimmen der Regierungsparteien verabschiedet, einer Beschlussfassung des so genannten Anti-Terror-Paketes im Plenum des Nationalrates noch vor der Sommerpause sollte damit nichts mehr im Wege stehen.

Als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 finden nun in Erfüllung von Vorgaben der Vereinten Nationen und der EU neue Deliktstatbestände wie "Terroristische Vereinigung" und "Terrorismusfinanzierung" Eingang in das österreichische Strafgesetzbuch, für allgemeine Delikte mit terroristischem Hintergrund wiederum soll der Strafrahmen um die Hälfte angehoben werden, überdies ist zum Zweck der Terrorbekämpfung eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses vorgesehen.

Hand in Hand mit dem Anti-Terror-Paket setzt die StGB-Novelle aber auch die Cyber-Crime-Konvention des Europarates in die österreichische Strafrechtsordnung um, was ebenfalls eine Neuschaffung bzw. Ausweitung von Deliktstatbeständen zur Folge hat. "Widerrechtlicher Zugriff auf ein Computersystem", "Missbräuchliches Abfangen von Daten", "Störung der Funktionsfähigkeit eines Computersystems" oder "Datenfälschung" werden damit Teil des Instrumentariums zur Bekämpfung der Computerkriminalität.

Während das Paket von den Abgeordneten der Regierungsparteien ausdrücklich begrüßt wurde, kam seitens der Opposition Ablehnung. Abgeordneter Johannes Jarolim (S) kritisierte insbesondere, dass im Zuge der Novelle auch der Tatbestand der Neutralitätsgefährdung gestrichen wurde, und sah darin einen weiteren Schritt zur Abschaffung der Neutralität. Bei der Terrorismusbekämpfung wiederum werde nach Meinung des SP-Abgeordneten der Frage der Verantwortlichkeit juristischer Personen zu wenig Rechnung getragen.

Abgeordneter Peter Pilz (G) warf der Koalition vorauseilenden Gehorsam vor und bemerkte, auf EU-Ebene gebe es noch keinerlei diesbezügliche substanzielle Beschlüsse. Irritiert zeigte sich Pilz über die Rufdatenerfassung. Die Abstellung bereits auf Sachbeschädigungen gehe zu weit und würde auch die Kontrolle von Umweltaktivisten ermöglichen, argumentierte er. Mit scharfen Worten lehnte Pilz überdies die Streichung der Neutralitätsgefährdung ab.

Abgeordneter Werner Miedl (V) zeigte kein Verständnis für die Bedenken der Grünen und hielt Pilz entgegen, die Rufdatenerfassung sei eine bloße Standortfeststellung und keine inhaltliche Überprüfung. Auch sei diese Maßnahme zum Zweck der Terrorismusbekämpfung durchaus gerechtfertigt.

§ 209 StGB: KOALITION FÜR ERSATZREGELUNG, GEGEN SCHNELLSCHUSS

Im Mittelpunkt der Debatte über das Strafrechtänderungsgesetz stand allerdings das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs betreffend § 209 StGB. Abgeordnete Terezija Stoisits (G) forderte als Reaktion auf die Entscheidung in einem Abänderungantrag die sofortige ersatzlose Streichung der Bestimmung. In einem Entschließungsantrag verlangten die Grünen eine generelle Amnestie bzw. einen Aufschub des Strafvollzuges für Verurteilte nach § 209 sowie eine Überprüfung von Entschädigungsmöglichkeiten.

Abgeordneter Johannes Jarolim (S) hielt es für wichtig nun sicherzustellen, dass es in der Zeit bis zur Sanierung des Paragraphen nicht noch zu weiteren Anklagen und Verurteilungen kommt.

Abgeordneter Josef Trinkl (V) konnte sich den Anliegen der Grünen nicht anschließen und warf ein, eine generelle Amnestie würde bloß neues Unrecht schaffen. Es gehe vielmehr nun darum, das Erkenntnis genau zu prüfen. Der Verfassungsgerichtshof verkenne nicht, dass ein besonderes Schutzbedürfnis für Jugendliche besteht, sonst hätte er keine Frist zur Sanierung gesetzt, sagte Trinkl. Das Erkenntnis mag für den Einzelfall richtig sein, meinte der VP-Abgeordnete weiter, äußerte aber Bedenken gegen eine generelle Beseitigung des § 209.

Abgeordneter Harald Ofner (F) unterstrich, das Gesetz sei noch bis Ende Feber 2003 in Kraft. Klar war für ihn auch, dass die Bestimmung nicht für die Vergangenheit aufgehoben wurde, Entschädigungen hielt er daher nicht für angebracht, schränkte aber ein, im Einzelfall wären Begnadigungen denkbar. Das Parlament sei, wie Ofner betonte, nun gut beraten, so rasch wie möglich der Vorgabe des VfGH zu entsprechen.

Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) betrachtete es als wesentlich, die verfassungswidrigen Elemente zu entfernen, den Schutz der Minderjährigen vor sexuellem Missbrauch aber durch eine Ersatzregelung weiterhin zu sichern.

Gegen Schnellschüsse sprach sich die Obfrau des Ausschusses Abgeordnete Maria Fekter (V) aus. Sie ging davon aus, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht bis Ende Feber 2003 dauern werde, bis man eine Lösung finden könne.

Bei der Abstimmung wurde das Strafrechtsänderungsgesetz in der Fassung eines Abänderungsantrages der Regierungsparteien, der Klarstellungen hinsichtlich der Verständigungspflichten der Sicherheitsbehörden beinhaltet, mit F-V-Mehrheit angenommen. Die Vorstöße der Grünen betreffend § 209 blieben in der Minderheit.

STRAFPROZESS-REFORM WIRD IN UNTERAUSSCHUSS BEHANDELT

Die Strafprozessnovelle, die auf eine Reform des Vorverfahrens abzielt, wird in einem Unterausschuss unter Beiziehung von Experten eingehend beraten werden. Die Abgeordneten werden sich in diesem Ausschuss auch mit Anträgen der Grünen betreffend Ersatz der Verteidigungskosten bei Einstellung des Verfahrens (655/A) bzw. Gesamtreform der Verfahrenshilfe (715/A(E)) befassen.

WEITERE BESCHLÜSSE: INTERNATIONALER STRAFGERICHTSHOF, RECHTSPRAKTIKANTEN, ABKOMMEN

Einstimmig nahm der Justizausschuss ein Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem internationalen Strafgerichtshof an, in dem sich Österreich insbesondere zu Rechtshilfeleistung, zur Überstellung von Beschuldigten und zu Übernahme von Verurteilten in den nationalen Strafvollzug verpflichtet.

Ein Zinsenrechts-Änderungsgesetz erhielt die Zustimmung der Koalitionsparteien und der SPÖ. Die Materie dient der Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr.

Eine Neuregelung der Ausbildung von Rechtspraktikanten wurde mit F-V-S-Mehrheit angenommen. Durch dieses Gesetz wird die Möglichkeit geschaffen, dass Rechtspraktikanten im Anschluss an ihre Gerichtspraxis Teile ihrer Ausbildung an Justizanstalten absolvieren.

Schließlich beschloss der Ausschuss mit Einstimmigkeit zwei Erklärungen der Republik Österreich zum Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen. Inhalt der Erklärungen ist der Beitritt Litauens und Lettlands zu diesem Übereinkommen. (Schluss)