Parlamentskorrespondenz Nr. 548 vom 09.07.2002

NATIONALRAT BESCHLIESST VERMUMMUNGSVERBOT

----

Wien (PK) - Mit den Stimmen der Koalitionsparteien beschloss der Nationalrat am Nachmittag eine Änderung des Versammlungsgesetzes, mit der ein Vermummungsverbot von Teilnehmern an Demonstrationen normiert wird. Die Abstimmung fand in Abwesenheit der Mandatare der Grünen statt; die Fraktion hatte sich aus Protest gegen die Nichtzulassung ihres Dringlichen Antrags betreffend Verurteilung der Äußerungen von Volksanwalt Stadler aus der Plenardebatte zurückgezogen.

Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) schickte ihren Ausführungen zum Vermummungsverbot für Demonstranten voraus, dass das Demonstrationsrecht ein wichtiges demokratisches Grundrecht darstelle und es angesichts der weitgehend friedlichen Demonstrationen in Österreich keinen Grund für das vorgeschlagene generelle Vermummungsverbot gebe. Heinisch-Hosek äußerte den Verdacht, der einzige Grund für diese Vorlage sei die Tatsache, dass die Zahl der Demonstrationen seit der Bildung der blau-schwarzen Bundesregierung stark zugenommen haben. Dabei warf die Rednerin dem Innenminister vor, nichts dagegen unternommen zu haben, als am 8. Mai dieses Jahres Demonstranten mit Nazi-Parolen durch die Innenstadt gezogen seien.

Ein Vermummungsverbot, verbunden mit der Androhung von Haftstrafen von bis zu einem Jahr komme einer Vorverurteilung für Demonstranten gleich, klagte Heinisch-Hosek und unterbreitete die Vorschläge ihrer Fraktion, die darauf gerichtet sind, ein Vermummungsverbot jeweils dann auszusprechen, wenn anzunehmen sei, dass es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen könnte. Dies wäre ein geeigneter Beitrag zur Deeskalation, meinte Abgeordnete Heinisch-Hosek.

Abgeordneter Dr. MIEDL (V) unterstrich das Bekenntnis seiner Partei zum Demonstrationsrecht und trat für ein Vermummungsverbot ein, weil die Politik die Pflicht habe, Spielregeln für das gewaltfreie Austragen politischer Meinungsverschiedenheiten festzulegen. Das Vermummungsverbot sei richtig, weil Polizeiexperten nachgewiesen hätten, dass das Motiv, sich zu vermummen, in der Regel ein gewalttätiges sei. Das Vermummungsverbot diene dem Schutz des Eigentums und der körperlichen Integrität, auch jener der Demonstranten. In diesem Zusammenhang bekräftigte Miedl die Absicht, das Vermummungsverbot als ein Gerichtsdelikt auszusprechen und es nicht der Polizei zu überlassen, von Fall zu Fall über Vermummungsverbote zu entscheiden, weil eine solche Vorgangsweise bei Großdemonstrationen nicht praktikabel sei.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) konzentrierte sich in seiner Wortmeldung auf die Nicht-Zulassung des Dringlichen Antrags seiner Fraktion zu den "skandalösen Äußerungen" von Volksanwalt Ewald Stadler, der keinen Unterschied zwischen der Besatzungszeit von 1945 bis 1955 und den Jahren 1938 bis 1945 sah, in denen Österreich nicht existiert hat. Die Grünen wollten mit ihrem Antrag internationalen Schaden von Österreich abwenden. Dass es nicht möglich sei, über dieses ernste Thema im Nationalratsplenum zu diskutieren, veranlasse die Grünen, an der heutigen Debatte nicht länger teilzunehmen, sagte G-Klubobmann van der Bellen und zog an der Spitze seiner Fraktion aus dem Plenarsaal aus.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) erinnerte an gewalttätige Ausschreitungen bei Demonstrationen im Jahr 2000, bei denen auch die Pallas Athene gestürmt, das Parlamentsgebäude beschädigt und insgesamt 88 Polizeibeamte verletzt wurden sowie Kosten in der Höhe von 55 Mill. S angefallen seien. Partik-Pable machte auf den eindeutigen Zusammenhang zwischen Vermummung und Gewaltbereitschaft bei den Demonstranten aufmerksam und wies die "weltfremden Vorschläge der SPÖ" zurück. Verlautbarungen von Seiten der Polizei seien bei Massendemonstrationen kaum wirksam, es sei vielmehr notwendig, sofort zu reagieren, wenn vermummte Demonstranten auftreten. Dies sei aus den Ausführungen der Experten im Innenausschuss klar hervorgegangen. Demonstranten vermummten sich häufig deshalb, um Gewalttaten begehen und sich durch die Vermummung der Verantwortung entziehen zu können, dies sah Abgeordnete Partik-Pable als erwiesen an.

Abgeordnete PARFUSS (S) unterstrich, Gewalt und Aggression seien nicht tolerierbar, nicht jeder, "der eine Zipfelmütze trägt", sei aber ein gefährlicher Täter. Ihrer Ansicht nach ist es fahrlässig, friedliche Demonstranten, die gute Gründe hätten, sich vor Erkennen zu schützen, beispielsweise weil sie Repressalien seitens ihres Dienstgebers fürchteten, generell zu kriminalisieren. Zudem hält Parfuss die Strafandrohungen für unverhältnismäßig hoch. Unbescholtene Bürger könnten wegen des Tragens einer Zipfelmütze oder eines Tuches mit bis zu einem halben Jahr Freiheitsentzug bestraft werden.

"Die Vermummung ist die Keimzelle der Gewalt", meinte demgegenüber Abgeordneter KÖSSL (V). Deshalb sei es wichtig, dass die Polizei Personen in Hinkunft bereits im Vorfeld von Demonstrationen Gegenstände abnehmen dürfe, die gezielt zur Vermummung oder zur Gewaltanwendung gegen Personen eingesetzt werden können. Er hält ein Vermummungsverbot aber auch vor allem deswegen für angebracht, weil damit friedliche Demonstranten geschützt werden könnten. Schließlich mischten sich immer häufiger "gewaltbereite Gruppen von Chaoten" unter friedliche Demonstranten.

Abgeordnete PFEFFER (S) erklärte, die SPÖ sei gegen Gewalt bei Demonstrationen, stehe einem generellen Vermummungsverbot aber ablehnend gegenüber. Sie sieht darin einen unverhältnismäßigen Eingriff in Bürgerrechte. So hätten zwei Experten beim Hearing im Innenausschuss gemeint, jeder müsse das Recht haben, sich anonym in der Öffentlichkeit und damit auch bei Demonstrationen zu bewegen. Auch die Strafhöhe sei von Experten als "ein wenig kühn" beurteilt worden, skizzierte Pfeffer.

Abgeordneter JUNG (F) gab zu bedenken, dass immer öfter kleine, gewaltbereite Gruppen Demonstrationen nutzten, um im Schutz der Masse "zu randalieren und zu prügeln". Wer solche Randalenakte setze, wolle natürlich unerkannt bleiben, meinte er, und vermumme sich daher. Solche Menschen würden nun von der SPÖ verteidigt, kritisierte Jung. Zu sagen, auch Exekutivbeamte seien bei Demonstrationen vermummt, wertete er als Verhöhnung der Beamten.

Abgeordneter ELLMAUER (V) führte aus, die Änderung des Versammlungsgesetzes sei notwendig geworden, weil die Gewaltbereitschaft vermummter Gruppen bei Demonstrationen in den letzten Jahren enorm zugenommen habe und es dadurch sowohl zu Personen- als auch Sachschäden gekommen sei. Die Versammlungsfreiheit sei ein wertvolles Gut, unterstrich er, dieses gelte es zu schützen und für alle zu erhalten. Jeder müsse vom Recht auf Demonstrations- und Versammlungsfreiheit Gebrauch machen können, ohne Angst vor gewalttätigen Ausschreitungen haben zu müssen. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit ist für Kößl im Gesetzentwurf der Koalitionsparteien gewährleistet.

Für Abgeordneten Dr. BÖSCH (F) ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sichergestellt, dass das Demonstrationsrecht in Zukunft friedlich genutzt werden kann. Schließlich hätten gewalttätige Demonstranten das Recht auf Versammlungsfreiheit in der Vergangenheit eklatant missbraucht. Vollkommen fehl am Platz sind Bösch zufolge "die Beschwichtigungsversuche der SPÖ".

Abgeordneter EGGHART (F) betonte, Österreich sei mit dem Vermummungsverbot und der vorgesehenen Strafhöhe kein Einzelfall in Europa. Auch in Deutschland, Dänemark und Italien gebe es ähnliche Regelungen. Zudem sei beim Expertenhearing im Innenausschuss ganz deutlich herausgekommen, dass man nicht zuletzt zum Schutz der friedlichen Demonstranten ein Vermummungsverbot einführen müsse. Ein von Egghart eingebrachter Abänderungsantrag zum VP-FP-Antrag bezieht sich auf die Vollziehung des Gesetzes durch den Innenminister und den Justizminister.

Abgeordneter REINDL (F) kritisierte den vorliegenden Entschließungsantrag der Grünen, dem zufolge Exekutivbeamte gut sichtbare Namensschilder oder Dienstnummern tragen sollten. Seiner Meinung nach reicht die bestehende Regelung aus, wonach jemand, der sich ungerecht behandelt fühlt, üblicher Weise eine Visitenkarte mit Dienstnummer, Dienststelle des Beamten und Telefonnummer ausgehändigt erhalte.

Abgeordneter Mag. MAINONI (F) zeigte sich davon überzeugt, dass der von der Koalition vorgelegte Gesetzentwurf wesentlich zur Deeskalation bei Demonstrationen beitragen wird. Unverständnis äußerte er dafür, dass die SPÖ, namentlich Rapid-Präsident Rudolf Edlinger, zwar auf Fußballplätzen gefährliche Gegenstände verbiete und auch Platzverbote verhänge, gewaltbereite linke Demonstranten jedoch "in Schutz nimmt". Diese Einäugigkeit könne er nicht tolerieren, sagte Mainoni.

Abgeordneter PARNIGONI (S) stellte fest, auch die SPÖ sei für ein Vermummungsverbot, allerdings solle es in einer Art und Weise vollzogen werden können, die deeskalierend wirke. Wer Gewalt ausübe, habe damit zu rechnen, bestraft und von Gerichten verfolgt zu werden, erklärte er, ein generelles Vermummungsverbot durchzusetzen, sei aber schwierig, das hätten auch die Experten im Innenausschuss bestätigt. Außerdem hätten Rechtsexperten dort verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Gesetzentwurf der Koalitionsparteien geäußert und Kritik an der Verhältnismäßigkeit zwischen Delikt und vorgesehenem Strafausmaß geübt.

Der Antrag der Koalitionsparteien auf Änderung des Versammlungsgesetzes wurde unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages mit FP-VP-Mehrheit beschlossen. Ebenfalls mit FP-VP-Mehrheit nahm der Nationalrat den negativen Ausschussbericht über den Antrag der SPÖ auf Änderung des Versammlungsgesetzes zur Kenntnis. Bei Abwesenheit der Grünen einstimmig zur Kenntnis genommen wurden die beiden negativen Berichte des Innenausschusses über die Entschließungsanträge der Grünen (683/A[E] und 684/A[E]).

(Schluss Vermummungsverbot/Forts. NR)