Parlamentskorrespondenz Nr. 552 vom 09.07.2002

DEREGULIERUNG IM ÖFFENTLICHEN DIENST BESCHLOSSEN

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Wien (PK) Reformen in der öffentlichen Verwaltung, darunter die Auflösung der Verwaltungsakademie des Bundes (1182 d.B., 709/A), sowie eine Entlastung des Verwaltungsgerichtshofs bei Massenverfahren (234/A, 318/A, 1126 d.B.) waren die Themen, mit denen der erste Plenartag dieser Woche ausklang.

Abgeordnete Dr. MERTEL (S) bezeichnete das vorliegende Deregulierungsgesetz für den öffentlichen Dienst als "fragwürdige Angelegenheit". Positiv sei lediglich, dass Doppel- und Mehrfachzuständigkeiten beseitigt werden. Kritisch beurteilte sie hingegen die Einschränkungen, in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis übernommen zu werden, sowie die Auflösung der Verwaltungsakademie. Die VAB stelle ihrer Meinung nach eine "gemeinsame Klammer" dar, wodurch auch die Mobilität der öffentlichen Bediensteten gefördert wurde. Der politisch brisanteste Punkt sei jedoch der Antrag zum Bundespersonalvertretungsgesetz, weil damit die Wahlen unterbunden werden sollen, zeigte Mertel auf.

Abgeordneter Dr. FEURSTEIN (V) widersprach seiner Vorrednerin vehement. Das Deregulierungsgesetz stelle eine wesentliche Verwaltungsvereinfachung dar, weil etwa Doppel- und Vielgleisigkeiten abgestellt werden. Man könne wohl auch nichts dagegen haben, wenn die Nebenbeschäftigungsmöglichkeiten für Beamte in gewissen Bereichen erleichtert werden. Mit gutem Grund werde auch das Ausbildungssystem für die öffentlich Bediensteten verändert, argumentierte Feurstein. Weiters hob der V-Mandatar noch die Verbesserungen bei der Familienhospiz-Karenz sowie die Klarstellungen hinsichtlich der Bestätigungen für die Dienstunfähigkeitspensionen hervor.

Abgeordneter PENDL (S) erinnerte daran, dass die

pensionsrelevanten Änderungen sowie die Neuregelung der Familienhospiz-Karenz nicht in der ursprünglichen Vorlage enthalten waren. Ablehnend stand Pendl der Auflösung der VAB gegenüber, da es im öffentlichen Dienst viele Querschnittsmaterien gebe. Was den Antrag betreffend die Wahlen zur Personalvertretung betrifft, so sei diese Vorgangsweise mit Nachdruck abzulehnen. Die Bundesregierung werde die Rechnung dafür präsentiert bekommen, war er überzeugt.

Das vorliegende Gesetz sei ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung, erklärte Abgeordneter REINDL (F). Zudem würden obsolet gewordene Regelungen endlich aufgehoben und ein modernes Verwaltungsmanagement forciert. Positiv erwähnte Reindl die einheitliche Vorgangsweise bei krankhaft bedingten Ruhestandsversetzungen, denn "tatsächlich Kranke gehören in die Pension und tatsächlich Gesunde an die Arbeitstelle". Schließlich brachte er noch zwei Abänderungsanträge ein.

Vizekanzlerin Dr. RIESS-PASSER hielt in Richtung Abgeordnetem Pendl fest, die Regelungen in Bezug auf die Personalvertretungen hätten einen simplen Grund. In einer Zeit, wo es große Organisationsänderungen gebe, sollten nicht auch noch Personalvertretungswahlen stattfinden und so Mitarbeiter blockieren. Die Rechte der Personalvertreter seien aber dadurch in keiner Weise eingeschränkt.

Ein wichtiger Punkt des Deregulierungsgesetzes ist Riess-Passer zufolge der Abbau von Mitwirkungsbefugnissen ihres Ressort bei Personalangelegenheiten in anderen Ministerien. Dadurch werde der Aktenanfall in ihrem Ressort massiv reduziert. Darüber hinaus würden zahlreiche überholte Vorschriften aufgehoben und andere Rechtsbereinigungen vorgenommen.

Verteidigt wurde von Riess-Passer die Neuordnung der dienstlichen Ausbildung im Bundesdienst, die ihrer Ansicht nach längst überfällig ist. Wenn die SPÖ die Verwaltungsakademie verteidige, rede sie der Steuerverschwendung das Wort, sagte sie, schließlich habe der Rechnungshof überhöhte Kosten und veraltete Lehrmethoden konstatiert sowie festgestellt, dass das Ausbildungsangebot der Verwaltungsakademie am Bedarf vorbei gehe. Riess-Passer wies zudem darauf hin, dass die Standorte der Verwaltungsakademie durchschnittlich nur zu 40 % ausgelastet seien.

Darüber hinaus skizzierte die Vizekanzlerin, dass es künftig nicht mehr möglich sein wird, dass Vertrauensärzte der ÖBB, der Telekom und der Post über krankheitsbedingte Frühpensionierungen von Bediensteten dieser Unternehmen entscheiden. Mit dem vorliegenden Entwurf werde der bestehenden Praxis ein gesetzlicher Riegel vorgeschoben.

Abgeordneter Mag. TANCSITS (V) beurteilte das Deregulierungsgesetz - Öffentlicher Dienst als wesentlichen und logischen Schritt der Verwaltungsreform. Durch die Abschaffung von Mehrfachzuständigkeiten bei Dienstrechtsangelegenheiten werde die innere Verwaltung schneller und effizienter gemacht, zeigte er sich erfreut. Die Änderung des Bundes-Personalvertretungsgesetzes stellt ihm zufolge sicher, dass sich an der Funktionsperiode der gewählten Personalvertretungsorgane nichts ändert.

Abgeordneter DOLINSCHEK (F) hielt der SPÖ vor, Angst vor Reformen und Neuregelungen zu haben. Seiner Ansicht nach bringt die vorliegende Gesetzesnovelle Vorteile für die Steuerzahler. Besonders hob er in diesem Zusammenhang die vorgesehenen Regelungen zur Eindämmung des Frühpensionsalters bei Post, Telekom und Bahn hervor. Damit komme es endlich zu einer Gleichstellung von Privatangestellten und öffentlich Bediensteten.

Sowohl das Deregulierungsgesetz - Öffentlicher Dienst 2002 als auch die Änderung des Bundes-Personalvertretungsgesetzes wurden, jeweils unter Berücksichtigung eines V-F-Abänderungsantrages, mit Stimmenmehrheit angenommen.

Der vorsitzführende Dritte Nationalratspräsident Dr. FASSLABEND erteilte SPÖ-Abgeordnetem Parnigoni für den Ausdruck "Sie Würstel" in Richtung Abgeordnetem Jung nachträglich einen Ordnungsruf.

ÄNDERUNG DES VfGH-GESETZES UND DES VwGH-GESETZES

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) kündigte die Zustimmung der SPÖ zur Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes an, da diese Gesetzesnovelle, wie er sagte, Vereinfachungen für den Verfassungsgerichtshof hinsichtlich der Personalauswahl bringe. Zur Änderung des Verwaltungsgerichtshofgesetzes äußerte er sich aufgrund von verfassungsrechtlichen Bedenken hingegen ablehnend und bedauerte in diesem Zusammenhang, dass darüber keine Verhandlungen mit der SPÖ geführt worden seien. Ihm zufolge gibt es in Bezug auf den Inhalt des Gesetzes, den Verwaltungsgerichtshof bei Massenverfahren zu entlasten, nämlich Konsens.

Nicht zustimmen wird die SPÖ, wie Wittmann ausführte, auch der Verwaltungsverfahrensnovelle. Diese Gesetzesnovellierung werde zu einem "Abzocken in ganz großer Manier beim Autofahrer" führen, prophezeite er und meinte, offensichtlich könne man die Abfangjäger nicht anders finanzieren.

Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V) zeigte sich darüber erfreut, dass die Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes auf einhellige Zustimmung stoße. Was die Änderung des Verwaltungsgerichtshofgesetzes betrifft, wies sie darauf hin, dass es Gespräche mit der SPÖ gegeben habe. Es sei aber deswegen zu keiner Einigung gekommen, weil die SPÖ die Frage der Entlastung der Höchstgerichte bei Massenverfahren mit einer anderen Forderung verknüpft habe. Die SPÖ sei dafür eingetreten, dass bereits außer Kraft getretene Gesetze nachträglich als verfassungswidrig erklärt werden können, erklärte Baumgartner-Gabitzer, was ihr zufolge aber dem Bürger nichts bringen, sondern nur dem parteipolitischen Hick-Hack dienen würde.

Die Kritik an der Verwaltungsverfahrensnovelle durch die SPÖ konnte Baumgartner-Gabitzer ebenfalls nicht nachvollziehen. Sie unterstrich, dass es hier lediglich um Verwaltungsvereinfachungen und nicht um eine Erhöhung von Verwaltungsstrafen gehe.

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) erklärte, er bedauere es sehr, dass die Koalition die entgegengestreckte Hand der Sozialdemokratie in der Frage Massenverfahren bei den Höchstgerichten nicht nur nicht genommen, sondern zurückgeschlagen habe. Jarolim zufolge ist die SPÖ sehr daran interessiert, nicht nur den Verwaltungsgerichtshof, sondern auch den Verfassungsgerichthof im Zusammenhang mit Massenverfahren zu entlasten. In Bezug auf die Verwaltungsverfahrensnovelle glaubt Jarolim wie Wittmann, dass dies zu Erhöhungen von Organstrafverfügungen zur Finanzierung von Abfangjägern führen wird.

Abgeordneter Dr. KRÜGER (F) bekräftigte hingegen, die Verwaltungsverfahrensnovelle werde nicht zu einer Erhöhung von Strafsätzen führen. Dazu gebe es auch eine entsprechende Ausschussfeststellung. Allerdings werde es durch Vereinfachungen im Zuge von Anonymverfügungen und Strafverfügungen zu Einsparungen im Ausmaß von sechs bis sieben Milliarden Euro jährlich kommen.

Ausdrücklich begrüßt wurde von Krüger, dass der Verwaltungsgerichtshof durch die Änderung des Verwaltungsgerichtshofgesetzes im Zusammenhang mit Massenverfahren deutlich entlastet wird. Ihm zufolge ist es notwendig, hier rasch eine Regelung zu treffen, da bereits im Sommer Massenverfahren auf den VwGH zukommen könnten.

Staatssekretär MORAK zeigte sich zuversichtlich, dass die Novellierung des Verwaltungsgerichtshofgesetzes verfassungskonform ist, da die Höchstgerichte selbst in die Formulierung miteingebunden gewesen seien. Die Verwaltungsverfahrensnovelle wird ihm zufolge zu Verwaltungsvereinfachungen führen.

Abgeordneter MARIZZI (S) wandte sich gegen die geplante Übersiedlung des Handelsgerichtes Wien von der Riemergasse in den City-Tower, da er enorme Mehrkosten befürchtet. Außerdem warf er der Regierung vor, die Autofahrer zu "schröpfen".

Abgeordnete Dr. FRIESER (V) wies darauf hin, dass sich allein die Länder durch die Verwaltungsverfahrensnovelle Einsparungen im Ausmaß von acht bis zehn Millionen Euro erwarteten. Durch die Gesetzesänderung komme es aber nicht, wie die Oppositionsparteien immer wieder behaupteten, zu höheren Strafen, unterstrich sie, vielmehr gehe es um die Erweiterung des Anwendungsbereiches für abgekürzte Verwaltungsstrafverfahren.

Abgeordneter Mag. DONNERBAUER (V) äußerte die Vermutung, dass die Opposition mit ihrer Argumentation, dass es durch die Verwaltungsverfahrensnovelle zu einer Erhöhung von Strafsätzen und Strafrahmen kommen werde, die Bürger bewusst täuschen und in die Irre führen wolle. Er betonte, Ziel der Gesetzesnovelle seien lediglich Verwaltungsvereinfachungen.

Die Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes wurde vom Nationalrat einstimmig beschlossen. Die Änderung des Verwaltungsgerichtshofgesetzes und die Verwaltungsverfahrensnovelle 2002 erhielten mehrheitliche Zustimmung. (Schluss)