Parlamentskorrespondenz Nr. 555 vom 10.07.2002

NEUERLICHE TEMELIN-ENTSCHLIESSUNG NUR VON FPÖ, ÖVP und G GETRAGEN

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Wien (PK) - Vor Eingang in die Tagesordnung der heutigen Sitzung gab Präsident Fischer bekannt, dass die Sozialdemokraten eine Dringliche Anfrage an den Finanzminister betreffend "Täuschung der österreichischen Bevölkerung über die tatsächlichen Kosten der sündteuren Kampfflugzeuge" (4154/J) eingebracht haben. Außerdem beantragten die Sozialdemokraten, den Tätigkeitsbericht der Volksanwaltschaft für das Jahr 2001 bis spätestens 18. September 2002 zu debattieren. Die Dringliche Anfrage wird um 15 Uhr aufgerufen, im Anschluss daran findet eine Debatte über den Fristsetzungsantrag statt. Die Abstimmung über diesen Antrag erfolgt nach Erledigung der Tagesordnung.

Unter einem wurde ein ganzes Paket von Vorlagen verhandelt: Bericht des besonderen Ausschusses zur Vorberatung des Volksbegehrens "Veto gegen Temelin", Vier-Parteien- Entschließungsantrag betreffend Umsetzung des "Protokolls von Melk" bezüglich KKW Temelin, G- Entschließungsantrag zur Änderung der EU-Atompolitik, G- Entschließungsantrag hinsichtlich Schlussfolgerungen aus österreichischem Expertenbericht KKW Temelin, G- Entschließungsantrag bezüglich Vorschläge zur Umsetzung des Temelin Volksbegehrens, Petition betreffend "Gegen Temelin - für unsere Zukunft" und der G- Entschließungsantrag hinsichtlich Umstellung der Stromversorgung der Bundesgebäude auf Ökostrom.

Was ist mit dem Anti-Temelin-Volksbegehren geschehen? - Diese Frage stellte der erste Debattenredner, S-Abgeordneter Dr. CAP, in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Es habe einen Sonderausschuss gegeben, in dem seine Fraktion sich um einen "rot-weiß-roten Konsens" bemüht habe. Die Regierung aber habe das Volksbegehren nicht als Arbeitsauftrag verstanden, die Ängste und Interessen der ÖsterreicherInnen nicht ernst genommen, ihre Untätigkeit sei evident. Es gebe einen "fadenscheinigen" Vertrag von Brüssel sowie, durch die Zustimmung zum Abschluss des Energiekapitels mit Tschechien, einen Verzicht, dieses Thema auf EU-Ebene weiter zu verhandeln. Seine Fraktion sei auch jetzt noch zu Verhandlungen bereit, auch zu einer Parlamentarierdelegation nach Prag, führte Cap aus, forderte aber von der Regierung zu erklären, was sie mit der tschechischen Regierung verhandeln wolle. Außerdem solle auf den Einsatz der "Vetokeule" verzichtet werden.

Anders als sein Vorredner sieht VP-Klubobmann Dr. KHOL durchaus Teilerfolge der Regierung in der Sache Temelin bzw. Atomkraft. "Einigkeit macht stark", betonte Khol und erinnerte an vier Punkte, über die bis Ende des Vorjahres Konsens bestanden habe: Österreich ist und bleibt kernkraftfrei; Ziel sei ein atomfreies Europa; da dies nicht sofort erreichbar sei, müsste für europäische Sicherheitsstandards gesorgt werden, die sich am Stand der Technik orientierten; Temelin solle nicht in Betrieb gehen - und wenn dieses Ziel nicht erreichbar sei, müssten die besten Sicherheitsstandards gelten. An die neue tschechische Regierung appellierte Khol, an den Verhandlungstisch zurück zu kehren.

Der Brüsseler Vertrag sei keineswegs "fadenscheinig": Es handle sich um einen geltenden völkerrechtlichen Vertrag, der im EU-Primärrecht verankert sei. 21 Sicherheitsmängel und 7 große Komplexe seien darin aufgezählt, ein darauf bezogener Kontrollprozess sei im Laufen, der Vertrag werde "auf Punkt und Beistrich abgearbeitet". Im tschechischen Wahlkampf hätten Verhandlungen allerdings keinen Sinn gehabt, man sollte aber rasch auf parlamentarischer Ebene aktiv werden und noch im Juli eine Fact-finding-Mission nach Prag schicken, meinte Khol, und warb um die Zustimmung der Sozialdemokraten zum F-V-G-Entschließungsantrag.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) kam zunächst auf den Auszug ihrer Fraktion bei der gestrigen Plenarsitzung zu sprechen: Dieser sei erfolgt, weil die Klubobleute der Regierungsfraktionen, Westenthaler und Khol, eine Debatte über die bekannten Äußerungen von Volksanwalt Stadler verhindert hätten - eine Aussage, die Klubobmann Khol tatsächlich berichtigte: Nicht er und Westenthaler hätten eine Debatte verhindert, sondern der Präsident habe eine Debatte aus Geschäftsordnungsgründen nicht zugelassen.

Der Drei-Parteienantrag zu Temelin trage die Handschrift der Grünen, kam Abgeordnete Glawischnig zum Thema: Erstmals seien darin finanzielle Ausstiegshilfen festgeschrieben, erstmals gebe es ein klares Bekenntnis dazu, in Zukunft EU-Kredite für neue Reaktoren zu verhindern, Österreich habe das Ausstiegsprojekt und eine entsprechende Umorientierung des EURATOM-Forschungsprogramms zum Thema gemacht. Während der 20-stündigen Verhandlungen im Ausschuss habe sie sich oft die Frage nach dem Sinn der Verhandlungen gestellt, bekannte Glawischnig. Ihre Fraktion würde jetzt genau beobachten, ob der Antrag ernst genommen werde und im Herbst Bilanz über Erfolg oder Misserfolg ziehen. Als Wermutstropfen sah die Mandatarin das Festhalten der FPÖ an der "Drohpolitik". Sie erinnerte an den ursprünglichen Wunsch, in der Causa Temelin dazu zu kommen, Außen-, Umwelt-, Wirtschafts- und Energiepolitik zusammen zu denken.

Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) setzte sich kritisch mit den Äußerungen Caps auseinander, die er als Maulkorberlass für die österreichischen Politiker interpretierte. Der SP-Klubobmann sei offenbar nicht einmal bereit, auf die Linie seiner eigenen Partei einzugehen, er vertrete mit seinem Antrag die Interessen Tschechiens, meinte Schweitzer.

Der Redner betonte, es gehe seiner Fraktion nicht um die "Vetokeule", sondern um die berechtigten Anliegen der österreichischen Bevölkerung. Diese seien mit allen Instrumenten zu verfolgen. Eines dieser Instrumente sei der EU-Beitritt Tschechiens, betonte Schweitzer. Er erinnerte Cap zudem auch an die Forderung "kein EU-Beitritt Tschechiens mit Temelin", die die SP-Politiker Klima und Prammer noch vor drei Jahren erhoben hatten.

Den vorliegenden Zwischenbericht wertete Schweitzer als Erfolg, wobei er insbesondere den Bericht der Energieverwertungsagentur als ausgezeichnete Verhandlungsgrundlage begrüßte. Klar war für ihn dabei, dass sich ein Betrieb Temelins weder aus ökologischer noch aus ökonomischer Sicht lohnt.

Bundesminister Mag. MOLTERER nannte die Schließung der unsicheren Reaktoren, einheitliche Sicherheitsstandards für bestehende AKW sowie den Ausstieg aus der Atomenergie in Europa als die zentralen Punkte der österreichischen Strategie. Er appellierte an die österreichischen EU-Parlamentarier, im Sinne des Entschließungsantrages eine neuerliche Initiative für eine Ausstiegskonferenz zu setzen. Mit scharfen Worten sprach sich Molterer darüber hinaus gegen Bestrebungen aus, Klimaschutz und Atomenergie zu verknüpfen. Er lehnte in diesem Sinn eine entsprechende Initiative der EU-Kommissarin De Palacio entschieden ab und stellte klar, das Nachhaltigkeitsziel sei nur über erneuerbare und alternative Energieformen, nicht aber durch Atomenergie erreichbar.

Das Ziel der österreichischen Bemühungen sei die Null-Variante, unterstrich Molterer. Es gehe dabei darum, den tschechischen Partnern klar zu machen, dass ein Betrieb Temelins eine ökologisch wie ökonomisch falsche Entscheidung sei. Sollte Tschechien bereit sein zum Verzicht auf das AKW, dann werde Österreich diesen Ausstieg auch unterstützen, kündigte Molterer an.

Der Minister rief die SPÖ auf, ihre Position noch einmal zu überdenken und ihre Kontakte zum neuen tschechischen Ministerpräsidenten zu nutzen. Der tschechischen Seite wiederum sagte Molterer mit Nachdruck die Dialogbereitschaft Österreichs zu.

Abgeordnete Mag. SIMA (S) knüpfte bei ihrer Kritik am Brüsseler Vertrag an, den sie als Eingeständnis der Unfähigkeit der Regierung qualifizierte. Eine Veto-Drohung hielt Sima nicht für geeignet, Temelin zu verhindern. Dieses Instrument führe bloß zur Zerstörung des Verhandlungsklimas, meinte sie. In letzter Instanz würde ein Veto darüber hinaus bedeuten, dass Tschechien nicht der EU beitritt, Temelin aber trotzdem ans Netz geht, gab Sima zu bedenken.

Die Rednerin wünschte einen konkreten Verhandlungsfahrplan der Bundesregierung und verlangte Initiativen Österreichs für eine europäische Ausstiegskonferenz sowie eine Offensive der Bundesregierung in der EU gegen Atomenergie. Diese Punkte waren Teil eines SP-Entschließungsantrages, den Sima im Rahmen ihrer Wortmeldung einbrachte.

Abgeordneter Ing. FALLENT (F) betonte, es gehe nicht um die Verhinderung der Osterweiterung, sondern darum, alle rechtlichen und politischen Mittel auszuschöpfen, um Temelin zu verhindern. Das Einstimmigkeitsprinzip in der EU diene dem Schutz nationaler Interessen vor allem der kleineren Mitgliedsstaaten. In dieser Lebensfrage für Österreich dürfe kein demokratisches Mittel bereits im Vorfeld aufgegeben werden, stellte Fallent klar.

Der SPÖ warf der Redner vor, jahrelang nichts gegen Temelin unternommen zu haben und nun den gemeinsamen Anti-Atomweg zu verlassen und sich damit in das Boot Spidlas und De Palicios zu begeben. Seine Vorrednerin Sima erinnerte er daran, dass sie selbst einst die Forderung "Kein EU-Beitritt Tschechiens mit Temelin" vertreten habe.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) plädierte im Kampf gegen Temelin für einen Neubeginn und führte die derzeitige Situation auf Versäumnisse der Bundesregierung, insbesondere der ÖVP, zurück. Sie warnte überdies vor allzu großen Hoffnungen in die parlamentarischen Verhandlungen mit Tschechien und meinte, wesentlicher seien konstruktive Ausstiegsangebote mit finanziellen Instrumenten.

Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V) würdigte die geleistete Ausschussarbeit als außerordentlich positiv, habe man doch die wichtigen Fragen konstruktiv mit Experten sachlich und kompetent diskutiert und besprochen. Das Thema selbst könne nur auf europäischer Ebene adäquat gelöst werden, und so sei es das Verdienst der Bundesregierung, dass die Sicherheitsfrage eine europäische geworden sei, wie auch die Aussagen der EU-Kommissarin Palacio belegten. Diese Ankündigungen müssten nun entsprechend genützt werden, betonte die Rednerin. Konkret gehe es darum, die Ergebnisse des Melker Prozesses in die europäischen Verträge einfließen zu lassen, und daran arbeite die Bundesregierung konsequent und nachhaltig. Dies solle auch die SPÖ anerkennen.

Bundesminister SCHEIBNER berichtete von einem weiteren Störfall im KKW Temelin, was die Aktualität dieses Themas belege. Die Initiativen der Bundesregierung seien daher ebenso wichtig wie richtig. Nur eine "Null-Variante", das vollständige Abschalten Temelins, könne die Sicherheit der Österreicher garantieren. Daher sei es die Verantwortung der Bundesregierung, alles zu tun, um dies zu erreichen. Und die Regierung sei auch keineswegs untätig gewesen, sondern habe in den letzten Monaten mehr Erfolge erzielt, als dies in den Jahren 1990 bis 2000 der Fall gewesen sei. Und man werde auch mit der neuen tschechischen Regierung in einen entsprechenden Dialog treten.

Dazu gebe es im Hohen Haus ja auch einen prinzipiellen Konsens, wie er, Scheibner, den Debattenbeiträgen entnommen habe. Und darum frage er sich, warum es dann nicht einen hundertprozentigen Konsens für den vorliegenden Entschließungsantrag geben könne, brauche es doch Geschlossenheit, um dieses gemeinsame Ziel stark nach außen zu vertreten. Konkret forderte Scheibner die Sozialdemokraten auf, sich diesem Ansinnen wieder anzuschließen und nicht aus dem Konsens auszuscheren.

Abgeordneter OBERHAIDINGER (S) plädierte dafür, nicht vom bislang erfolgreichen Weg abzuweichen. Es hätte des Volksbegehrens nicht bedurft, um in Erfahrung zu bringen, dass die Österreicher sich vor diesem KKW fürchteten, und deshalb sei die Sozialdemokratie seit jeher für die Schließung von Temelin eingetreten. Es sei an der Bundesregierung, die Forderungen des Nationalrates umzusetzen. Konkret forderte der Redner von der Bundesregierung einen Fahrplan, wie sie mit der neuen tschechischen Regierung zu verhandeln gedenke. Die Bundesregierung möge den Anliegen der Sozialdemokraten Rechnung tragen, dann könne es auch einen rotweissroten Konsens geben.

Abgeordneter DI HOFMANN (F) brachte einen V-F-G-Entschließungsantrag ein, der bereits von Abgeordneten Schweitzer eingehend vorgestellt und in seinen Kerninhalten erläutert worden sei. Sodann setzte sich Hofmann mit den Argumenten einiger seiner Vorredner auseinander, dabei betonend, man müsse die Österreicher, die sich vor diesem Reaktor in ihrer Gesamtheit fürchteten, vertreten, zumal die Experten die Bedenken der Bevölkerung geteilt und unterstrichen hätten. Daher sollte sich auch die Sozialdemokratie diesem Konsens anschließen, so der Redner.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) betonte, es gebe zwar einen österreichischen Anti-Atom-Konsens, das Problem sei aber, dass über die Frage, wie man mit der tschechischen Regierung umgehe, Dissens herrsche. Die Haltung der F, andauernd Vetodrohungen gegen Tschechien zu formulieren, sei hier nicht dienlich. Damit widerspreche man nicht nur der eigenen Regierungserklärung, diese Drohungen liefen auch den Interessen der österreichischen Bevölkerung zuwider. Schließlich brachte die Rednerin einen Entschließungsantrag betreffend Eintreten der Bundesregierung für eine rasche EU-Erweiterung ein, wonach weder die Frage Temelin noch jene der Benes-Dekrete mit dem Beitritt Tschechiens junktimiert werden sollten.

Abgeordneter HORNEK (V) unterstrich, dass für ihn Anti-Atompolitik seit mehr als zwei Jahrzehnten ein zentrales Anliegen sei und sich nicht in der Frage Temelin erschöpfe. Die konsequente Position Österreichs müsse es sein, einen generellen Ausstieg aus der Atompolitik zu fördern und sich für höchstmögliche Sicherheitsstandards einzusetzen, wie dies ja auch von der Bundesregierung konsequent umgesetzt werde, wodurch bereits konkrete Erfolge erzielt werden konnten.

Abgeordnete Mag. PRAMMER (S) erinnerte, dass Österreich bei seinem Beitritt zur EU in eine neue Dimension der Anti-Atom-Politik eingetreten sei und damit eine neue Chance erhalten habe. Der Schlüssel dabei sei die Initiative zu einer Änderung des EURATOM-Vertrages. Die FPÖ stelle aber nicht den Anti-Atom-Kurs ins Zentrum ihrer Politik, sondern einen Stopp der Erweiterung, kritisierte Prammer. Die Regierung habe es verabsäumt, mit der deutschen Bundesregierung und der EU - wie von der vorangegangenen Regierung beabsichtigt - Schritte zu setzen, um zu klären, wie es denn tatsächlich mit der Sicherheit des Kraftwerkes Temelin stehe. Die nunmehrige Regierung habe aber die Hände in den Schoß gelegt und nichts mehr getan. Sie beschuldigte auch den ehemaligen Außenminister, wichtige Passagen aus dem Anti-Atom-Plan der Bundesregierung herausgestrichen zu haben, der am 30. Juni 1999 beschlossen worden war. Man wollte damals ursprünglich das Signal aussenden, dass auch bei den Rektoren in Mitgliedstaaten mit gleichem Maß wie bei Temelin gemessen werde. Nur so hätte uns Tschechien verstanden und nur so hätte man etwas weitergebracht. Nun aber messe man mit zweierlei Maß, so Prammer.

Abgeordneter Ing. WEINMEIER (F) konterte, dass die SPÖ ihre Wahlversprechen gebrochen habe und es rote Bundeskanzler gewesen seien, die es verabsäumt hätten, das Thema Temelin an geeigneter Stelle zur Sprache zu bringen. Der Redner ging dann auf die Ausschussverhandlungen des Besonderen Ausschusses zu Temelin ein, wo Experten bestätigt hätten, dass der Weg der Nullvariante der richtige und Temelin ökonomisch sinnlos sei. Die SPÖ beschuldigt er, keinen konstruktiven Beitrag in den Verhandlungen geleistet zu haben. Einen Maulkorb-Erlass für Regierungsmitglieder, wie es die SPÖ verlangt habe, komme für ihn nicht in Frage. Ohne Druck von ÖVP und FPÖ hätte es keine Abkommen von Melk und Brüssel gegeben, keine Thematisierung auf EU-Ebene, keinen Post-Melk-Prozess, der in die Nullvariante münden soll. Die FPÖ werde daher die Unterstützer des Volksbegehrens weiterhin vertreten. Wenn ein Nachbar nicht dialogfähig sei, sei er auch nicht gemeinschaftsfähig und dann sei es legitim, über ein Veto nachzudenken, sagte Weinmeier.

Abgeordneter Dr. BAUER (S) beschwor die Abgeordneten, den Grundkonsens über die Ausstiegs-Strategie nicht zu verlassen. Er bedauerte, dass es zu keiner Einigung mit der SPÖ gekommen sei, denn es hätte nur wenige Schritte der Regierung zu einem gemeinsamen Vorgehen bedurft. Bauer sprach sich für eine Deeskalierung zwischen Wien und Prag aus, denn Drohgebärden nützten seiner Meinung nichts.

Abgeordneter Mag. MÜHLBACHLER (V) wies darauf hin, dass man seit Jahren aus Tschechien sehr eindeutige Signale erhalte. Er übte Kritik an der heutigen Diskussion, die nicht den Erwartungen der Österreicherinnen und Österreicher entspreche und keinen Beitrag dazu leiste, Tschechien in irgendeiner Art und Weise in der Causa Temelin und Benes-Dekrete zu bewegen.

Abgeordneter Mag. GASSNER (S) warnte davor, mit der Angst der Menschen zu spielen, denn einmal spreche man sich gegen ein Veto aus und ein anderes Mal mache man ein Volksbegehren "Veto gegen Temelin". Die Regierung habe auch die vorläufige Zustimmung zum Energiekapitel gegeben, und die könne man kaum mehr zurücknehmen. Jetzt sei man gegen eine Ausstiegskonferenz und nun komme man auf die Idee einer Parlamentarier-Delegation. Hätten wir dem Energiepaket vorläufig nicht zugestimmt, so Gaßner, hätten wir jetzt die Möglichkeit, sehr intensive Gespräche zu führen.

Abgeordneter Ing. GRAF (F) meinte hingegen, dass Gespräche viel bewirken können, und sprach sich für eine Parlamentarier-Delegation nach Tschechien aus. Graf setzte sich in weiten Bereichen seiner Rede mit den technischen Gefahren in Temelin auseinander und schilderte, wie eine kürzliche Parlamentarier-Delegation aufgrund dieser Tatsachen zunächst ablehnende englische Abgeordnete für das Problem habe interessieren können. Die Verantwortung für die Anti-Atom-Politik könne man nicht nur der Regierung überlassen, sagte Graf. An die SPÖ appellierte er, ihre negative Haltung zum Entschließungsantrag nochmals zu überdenken.

Abgeordneter HEINZL (S) bekräftigte, dass Temelin in jeder Hinsicht sinnlos und darüber hinaus gefährlich sei. Heinzl thematisierte die Liberalisierung des Strommarktes und legte dar, dass man es technisch nicht verhindern könne, dass sich ausländische Stromlieferanten für den Verkauf am österreichischen Markt mit tschechischem Atomstrom eindecken. Der Regierung warf er vor, mit Temelin Wahlkampftaktik zu betreiben. Temelin sei ein Sicherheitsrisiko für Österreich und Tschechien, die Handlungsweise der Bundesregierung sei aber ein Risiko für die Interessen der österreichischen Bevölkerung. Die Veto-Keule bringe nichts, da die Außenministerin bereits der vorläufigen Schließung des Energiekapitels zugestimmt habe und nur zur Beeinträchtigung der bilateralen Beziehung führe. Der richtige Weg wäre, sich für die Änderung des Euratom-Vertrages stark zu machen.

Abgeordneter WENITSCH (F) versteht die Haltung der SPÖ nicht. Er möchte aber der SPÖ die Gelegenheit geben, gemeinsam mit der Regierung vorzugehen, weshalb er einen Rückverweisungsantrag bezüglich des Ausschussberichts über den Besonderen Ausschuss zur Vorbehandlung des Volksbegehrens "Veto gegen Temelin" einbrachte.

Bei der Abstimmung wurde der Antrag, den Bericht des Besonderen Ausschusses zur Vorberatung des Volksbegehrens "Veto gegen Temelin" in 1250 d.B. rückzuverweisen, einstimmig angenommen.

Die dem Ausschussbericht 1251 beigedruckte Entschließung wurde mehrheitlich angenommen.

Der Entschließungsantrag der SPÖ und der Grünen betreffend Bekenntnis zur raschen Erweiterung der EU wurde mehrheitlich abgelehnt.

Der S-G-Entschließungsantrag betreffend Initiativen im Rahmen der Anti-Atom-Politik Österreichs wurde mehrheitlich abgelehnt. Der V-F-G-Entschließungsantrag betreffend zukünftige Schwerpunkte der Anti-Atompolitik Österreichs unter besonderer Berücksichtigung des KKW Temelin wurde mehrheitlich angenommen.

Die (negativen) Berichte des Umweltausschusses zu den G-Entschließungsanträgen und zur Petition wurden mehrheitlich angenommen. (Fortsetzung)