Parlamentskorrespondenz Nr. 556 vom 10.07.2002

NATIONALRAT DEBATTIERT LUFTREINHALTEGESETZ UND ALPENKONVENTION

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Wien (PK) - Gemäß der Tagesordnung gelangten sodann das Bundesluftreinhaltegesetz und ein Strahlenschutz-EU- Anpassungsgesetz 2002 zur Beratung.

Abgeordnete Mag. SIMA (S) begrüßte das vorliegende Gesetz, weil die Grundintentionen richtig seien. Keine Zustimmung finde der im Ausschuss eingebrachte Abänderungsantrag, der ungerechtfertigte Ausnahmen für die Bauern bringe. Deshalb werde die SPÖ auch dagegen stimmen. Abermals habe offensichtlich der Landwirtschaftsminister gegenüber dem Umweltminister gewonnen.

Abgeordneter HORNEGGER (F) skizzierte die Zielsetzung des Luftreinhaltegesetzes mit der Gewährleistung von Gesundheit und Schutz des Lebens von Mensch und Tier. Keineswegs seien die Bestimmungen ein Freibrief für viele, erwiderte er seiner Vorrednerin. Alle wüssten, so der Redner, dass bei Wirtschaftsdüngerausbringung die Witterungsbedingungen wesentlich seien, und deshalb diene der Abänderungsantrag dem Schutz der kleinen Bauern. Hätte man keine Ausnahmen geschaffen, hätte dies das Aus für viele kleine Betriebe bedeutet.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) kritisierte ebenfalls die Ausnahme für die Landwirtschaft. Die Regierungsfraktionen würden ein romantisches Bild der Landwirtschaft zeichnen, sie verleugneten jedoch, dass die industriellen Tierhalteanlagen enorme Geruchsbelästigungen verursachten, und um die gehe es. Im Gegensatz zur übrigen Industrie habe die Landwirtschaft keinerlei Auflagen, wodurch eine enorme Schieflage entstehe. Glawischnig brachte daher einen Abänderungsantrag ein, wonach die Ausnahmen für die Landwirtschaft wieder herausfallen würden.

Zum Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz meinte Glawischnig, dass die Kosten für die Entsorgung sehr hoch seien, was sie sehr erstaunt habe. Sie warnte auch davor, bei der Endlagerung von Atommüll Kooperationen mit Staaten einzugehen, die sich nicht zu einem Atom-Ausstieg entschlossen haben, um nicht erpressbar zu werden.

Abgeordneter HORNEK (V) bedauerte, dass SPÖ und Grüne den vorliegenden Bundesluftreinhaltegesetz nicht zustimmen und die Bauern an den Pranger stellen. Die Vorschriften könnten von kleineren Betrieben nicht eingehalten werden, sagte Hornek. Bauern müssten ohnehin Umweltverträglichkeitsprüfungen bei kleineren Tierbeständen durchführen und hätten weit strengere Auflagen als im übrigen Europa. Zur Problematik der Wirtschaftsdünger meinte er, es sei unsinnig, so restriktiv vorzugehen, dass Betriebe Wirtschaftsdünger nicht mehr einsetzen dürften und diese dann durch chemische Dünger ersetzen müssten.

Abgeordneter HEINZL (S) begrüßte ebenfalls grundsätzlich das Bemühen, die Luftreinhaltung bundeseinheitlich zu regeln. Daher sei es ärgerlich, dass es sich Bauern und Großbauern auf Kosten der großen Mehrheit der Bevölkerung richten könnten. Jeder Landwirt könne nun wieder nach seinem Gutdünken die "Nachbarschaft verstinken", so Heinzl.

Umweltminister Mag. MOLTERER unterstrich, die österreichische Bundesregierung sei auf dem Gebiet der Umweltpolitik äußerst effizient und erfolgreich tätig. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an die Novellierungen des Abfallwirtschaftsgesetzes und des Umweltförderungsgesetzes und wies darauf hin, dass die Umweltförderungen in Österreich zuletzt zahlenmäßig das größte Volumen in der Geschichte erreicht hätten.

Das Bundesluftreinhaltegesetz wertete Molterer ebenfalls als wesentlichen Meilenstein in der Umweltpolitik, da es zu einer bundesweiten Vereinheitlichung der gesetzlichen Bestimmungen führe. Mit diesem Gesetz würden 11 landesgesetzliche Regelungen und mehrere Verordnungen wegfallen, skizzierte er. Zur Kritik der Opposition an der Ausnahmeregelung für die Landwirtschaft merkte der Minister an, ohne diese Bestimmung würde es zu einer Schlechterstellung kleiner und mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe gegenüber anderen Betrieben kommen. Daher sage er "absolut ja" zu dieser vom Umweltausschuss beschlossenen Abänderung. Erfreut zeigte sich Molterer über die breite Zustimmung zum Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz.

Abgeordneter Ing. WEINMEIER (F) wies darauf hin, dass die Änderung des Strahlenschutzgesetzes aufgrund von drei EU-Richtlinien notwendig geworden sei. Zwar seien die bestehenden österreichischen Regelungen weitgehend EU-konform, manche Normen sowie die Melde- und Bewilligungspflichten müssten jedoch an EU-Recht angeglichen werden. Zudem werde mit dem Gesetz Rechtssicherheit für das Forschungszentrum Seibersdorf in Bezug auf die dort zwischengelagerten radioaktiven Abfälle geschaffen.

Abgeordneter Ing. KAIPEL (S) machte geltend, dass Massentierhaltung für viele Anrainer ein ernsthaftes Problem sei. In diesem Sinn bedauerte er, dass die Landwirtschaft durch einen im Umweltausschuss eingebrachten Abänderungsantrag "aus der Verantwortung entlassen wird". An und für sich sei die SPÖ mit den Zielen und Kernpunkten des Bundesluftreinhaltegesetzes einverstanden und wollte diesem auch zustimmen, erklärte Kaipel, dies sei durch die nunmehr vorgesehenen Ausnahmeregelungen für die Landwirtschaft aber nicht mehr möglich.

Abgeordneter ELLMAUER (V) hielt fest, die Luftreinhaltung sei einer der sensibelsten Bereiche im Umweltschutz. Durch das neue Gesetz wird die Luft seiner Meinung nach nunmehr besser geschützt. Besonders hob er das Verbot des Verbrennens nicht biogener Materialien außerhalb von Heizanlagen hervor. In Bezug auf die Änderung des Strahlenschutzgesetzes zeigte sich Ellmauer darüber erfreut, dass es zu einem expliziten Verbot der Beimengung radioaktiver Substanzen in Lebensmittel oder Spielzeug kommt.

Abgeordneter OBERHAIDINGER (S) wies darauf hin, dass man in der Vergangenheit Milliarden Schilling für Abwasserreinigung ausgegeben habe, was dazu geführt habe, dass die biologische Gewässergüte mittlerweile hervorragend sei. Negativ bewertete er allerdings, dass die Abfallmengen ständig steigen und es bei deren Beseitigung zu großen Problemen komme. Oberhaidinger vermisst in diesem Bereich ein konkretes Konzept. In Bezug auf das Zwischenlager für radioaktive Abfälle in Seibersdorf forderte er, dem Sicherheitsaspekt größeres Augenmerk zu widmen.

Abgeordnete Dr. POVYSIL (F) meinte, als jemand, der beruflich mit Röntgenstrahlen, Ultraschall und Magnetfeldern zu tun habe, freue sie sich ganz besonders darüber, dass die Regierung einen weiteren Schritt zur Verstärkung des Strahlenschutzes setze. So würden beispielsweise die Dosisgrenzwerte sowohl für die Bevölkerung als auch für die betroffenen Arbeitskräfte im Gesundheitsbereich deutlich reduziert. Auch für Röntgengeräte gebe es strengere Standards. Es gelte, einen richtigen Weg zwischen Hysterie einerseits und Schutz vor Strahlen andererseits zu finden, betonte die Abgeordnete.

Für Abgeordneten LOOS (V) ist die Änderung des Strahlenschutzgesetzes ein wesentlicher Fortschritt für den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung. Es gebe nicht nur die Gefahr von Atomkraftwerken, sondern auch eine schleichende Gefährdung vor diversen Strahlen im Alltag, skizzierte er. Deshalb sei es zu begrüßen, dass es zu einer Senkung der erlaubten Strahlendosen komme.

Das Bundesluftreinhaltegesetz wurde vom Nationalrat mit den Stimmen der Koalitionsparteien beschlossen. Der Abänderungsantrag der Grünen wurde lediglich von der Opposition unterstützt und blieb damit in der Minderheit. Einstimmig billigten die Abgeordneten das Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002.

Nächste Tagesordnungspunkte waren: das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Tourismus, Berglandwirtschaft, Raumplanung und nachhaltige Entwicklung, Bergwald, Verkehr, Bodenschutz, Naturschutz und Landschaftspflege, Energie, über die Beilegung von Streitigkeiten und zwei G-Anträge betreffend Umsetzung Natura 2000 alpiner Raum und mangelnde Umsetzung von Natura 2000 in Österreich.

Abgeordneter REHEIS (S) wies darauf hin, dass die Alpenkonvention dem Alpenraum einen Sonderstatus innerhalb der EU zubillige. Die vorliegenden Durchführungsprotokolle verpflichteten die Unterzeichnerstaaten nunmehr zu einer ganzheitlichen Politik im Alpenraum in den Bereichen Verkehr, Tourismus, Raumplanung und auf anderen Gebieten.

Als besonders wichtig erachtet es Reheis, dass im Verkehrsprotokoll auch der Verzicht auf den Bau neuer hochrangiger Straßen zum Alpentransit verankert ist. Damit erhält Österreich seiner Ansicht nach Rückendeckung bei der Neuverhandlung des Transitvertrages. In diesem Zusammenhang übte der Abgeordnete Kritik an der Bundesregierung und insbesondere an Bundeskanzler Schüssel, dem er "vorauseilenden Gehorsam" gegenüber der EU vorwarf.

Abgeordneter Ing. FALLENT (F) gab zu bedenken, dass der Alpenraum ein sehr sensibler und erhaltenswürdiger Lebensraum sei. Er sieht es als Aufgabe der Politik, diesem Lebensraum Zukunft zu geben. In diesem Sinn begrüßte er es, dass nunmehr acht Durchführungsprotokolle zur Alpenkonvention zur Ratifizierung vorliegen. Der vereinbarte Interessenausgleich zwischen Umwelt und Wirtschaft sei eine große Herausforderung, betonte der Abgeordnete. Die Unterzeichnerstaaten seien zur Zusammenarbeit aufgefordert.

Abgeordneter GAHR (V) machte darauf aufmerksam, dass Österreich die Alpenkonvention selbst bereits 1994 ratifiziert habe und nunmehr etliche Durchführungsprotokolle zur Diskussion stünden. Dass ein Konsens bei den Durchführungsprotokollen erreicht werden konnte, sei zu begrüßen, betonte er, da die Alpenkonvention dadurch an Bedeutung gewinne und gestärkt werde. Schließlich bräuchten die Alpen als sensibelste Zone Europas einen besonderen Schutz. Zudem würde Österreich bei der Nachfolgeregelung für den Transitvertrag gestärkt.

Gahr brachte einen gemeinsamen Entschließungsantrag von ÖVP und FPÖ ein, dem zufolge Umweltminister Molterer aufgefordert wird, durch geeignete Reorganisationsmaßnahmen in seinem Ressort das Forschungsfeld für nachhaltige Entwicklung zu stärken.

Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) führte aus, der Unterzeichnung der Protokolle zur Alpenkonvention seien jahrelange Auseinandersetzungen vorangegangen. Man habe gegen den Widerstand von "Asphaltkaisern" und "Kaputterschließen" ankämpfen müssen, die es auch in den Alpen gebe. Letztendlich seien es diverse NGOs gewesen, die die Verhandlungen immer wieder vor dem Scheitern gerettet hätten.

Mit der Unterzeichnung der Protokolle ist es Lichtenberger zufolge aber nicht getan, jetzt gelte es, Projekte umzusetzen und Maßnahmen gegen den alpenquerenden Transit zu forcieren. So biete die Alpenkonvention die Chance für höhere Mauten und Fahrverbote für Schwerverkehr zum Schutz der Natur und der Bevölkerung, umriss sie. Zur Durchsetzung solcher Schritte innerhalb der EU brauche es aber das Engagement der gesamten Bundesregierung.

Umweltminister Mag. MOLTERER erklärte, Österreich könne mit der Ratifizierung der Durchführungsprotokolle zur Alpenkonvention einen wichtigen Beitrag zum Inkraftsetzen der Konvention leisten. Diese werde nämlich rechtsgültig, wenn drei Vertragsstaaten die Urkunden und Dokumente hinterlegt haben. Die Alpen seien eine der größten Wasserressourcen in Europa und ein wichtiger Teil der Biodiversität, unterstrich der Minister und meinte, er würde sich hinsichtlich der Ratifizierung der Alpenkonvention mehr Initiative von der EU-Kommission erwarten.

Besondere Bedeutung für Österreich hat nach Ansicht Molterers das Verkehrsprotokoll zur Alpenkonvention. Dieses sei ein wichtiger Beitrag zur österreichischen Position in der Transitfrage, betonte er. Österreich beharre darauf, dass es nach Auslaufen des Transitvertrages und bis zum Inkrafttreten der neuen Wegekostenrichtlinie zu keiner Lücke in Bezug auf den Alpentransit komme.

Abgeordneter WENITSCH (F) begrüßte den Abschluss der Alpenkonvention, die dem Schutz des empfindlichen Öko-Systems der Alpen dient. Diese Region dürfe nicht dem Verkehrswahn der EU geopfert werden. Zudem sollte die EU in die Pflicht genommen werden, um die Bewirtschaftung der Alpen auch in Zukunft sicherzustellen.

Abgeordneter Mag. LANGREITER (V) erläuterte das Ziel des Naturschutzprogramms "Natura 2000" und erinnerte daran, dass im Bundesland Salzburg bereits 24 Schutzgebiete in das Programm aufgenommen und damit die Ziele des Programms erfüllt wurden. In diesem Zusammenhang unterstrich der Abgeordnete die Notwendigkeit, mit den Grundeigentümern zu sprechen, da sie für den Naturschutz Verpflichtungen übernehmen müssen. Von einer Nichterfüllung des "Natura 2000"-Programms, wie die Grünen in ihren Anträgen behaupten, könne zumindest im Bundesland Salzburg keine Rede sein.

Abgeordneter DI PIRKLHUBER (G) befasste sich mit dem Protokoll über die Berglandwirtschaft und unterstrich die Bedeutung von Forschungsanstrengungen zur Erhaltung der Artenvielfalt und für ökologisch sensible Zonen. Daher verlangte Pirklhuber, das Institut für Bergbauernfragen aufzuwerten, und brachte dazu einen gemeinsamen Entschließungsantrag der Oppositionsparteien ein.

Dann wandte er sich den Vorschlägen von EU-Kommissar Fischler zur Reform der europäischen Agrarpolitik zu und hielt es für beschämend, dass sich Minister Molterer hinter den Bauernbund und die Landwirtschaftskammern stelle, statt sich für mehr Qualität einzusetzen und gegen agrarindustrielle Entwicklungen zu stellen.

Abgeordneter Ing. SCHEUCH (F) bekannte sich zum "Natura 2000"-Programm mit den Zielen der Arterhaltung und der Vernetzung von Naturräumen. Befremdet zeigte er sich von den diesbezüglichen Entschließungsanträgen der Grünen, die die Beachtung wirtschaftlicher Interessen bei der Nominierung von "Natura 2000"-Gebieten als nicht zulässig bezeichneten. Scheuch plädierte für eine Vorgangsweise in Abstimmung mit den Grundbesitzern und machte auf die große Akzeptanz der Bevölkerung für "Natura 2000"-Projekte in Kärnten aufmerksam. Dort seien 3,6 Mill. € für "Natura 2000"-Projekte beschlossen worden und darüber hinaus Mittel für den Naturpark Dobratsch und einen Bärenkorridor zur Verfügung gestellt worden. Der Kärntner Naturschutz könne sich sehen lassen.

Abgeordneter WITTAUER (F) begrüßte die Alpenkonvention, die von acht Alpenländern unterzeichnet wurde, und bezeichnete es als wichtig, die Alpen als eine gesunde und lebenswerte Region zu erhalten. Wittauer betonte die Bedeutung nachhaltigen Wirtschaftens im Alpenraum und wollte dabei das Thema Verkehr nicht außer Acht lassen. Die Nachbarstaaten müssten akzeptieren, dass die Alpen ein sensibles Gebiet darstellten, das des Schutzes bedürfe. Die Alpenkonvention sei ein Instrument, das im europäischen Kontext sowohl im Bereich der Verkehrspolitik als für den Schutz des Tiroler Wassers eingesetzt werden könne.

Bei der Abstimmung wurden die acht vorliegenden Protokolle zur Durchführung der Alpenkonvention jeweils einhellig genehmigt. Der V-F-Entschließungsantrag zur Stärkung des Arbeitsfeldes nachhaltige Entwicklung wurde einstimmig angenommen, jener der Opposition zur Aufwertung der Bundesanstalt für Bergbauernfragen verfiel der Ablehnung.

Die beiden Entschließungsanträge der Grünen zum Thema "Natura 2000" wurden durch Annahme der diesbezüglichen (negativen) Ausschussberichte jeweils mehrheitlich abgelehnt. (Fortsetzung)