Parlamentskorrespondenz Nr. 560 vom 11.07.2002

ERSATZLOSE STREICHUNG DES § 209 STGB - NEUER § 207B STGB

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Wien (PK) - Im Rahmen der Debatte über das 2. Abgabenänderungsgesetz 2002, der Änderung des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955, und zweier BG über die Veräußerung von beweglichen bzw. unbeweglichem Bundesvermögen wies Abgeordneter Dr. HEINDL (S) darauf hin, dass das 2. Abgabenänderungsgesetz 2002 eine wichtige Erleichterung bei den Prüfungen bringt. In Zukunft werden nämlich alle lohnabhängigen Abgaben (Lohnsteuer und DB, SV-Beiträge, Kommunalsteuer) im Rahmen eines Vorganges geprüft werden, hob er hervor. Zustimmen werde seine Fraktion auch der Erhöhung der Tabaksteuer, da nun eine Zweckbindung vorgesehen ist. Wichtig erscheinen ihm auch die Änderungen, die die Bauwirtschaft betreffen, weil die vorgesehenen Regelungen zur Bekämpfung des Steuerbetruges beitragen.

Abgeordneter BÖHACKER (F) bedankte sich bei den Sozialdemokraten für die Zustimmung zum Abgabenänderungsgesetz, das folgende wichtige Materien beinhalte: Maßnahmen zur Verwaltungsreform, Abbau der Steuerbürokratie, Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges, Gleichmäßigkeit der Besteuerung und bürgerfreundliche Steuerverwaltung. Positiv hob er vor allem die Regelungen bezüglich der Prüfung der lohnabhängigen Abgaben hervor, weil damit dem vorherrschenden Prüfungs-Overkill der Garaus gemacht werde.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) befasste sich in seiner Wortmeldung mit der Veräußerung des beweglichen Bundesvermögens, wobei es vor allem um Panzer gehe. Er halte den Verkauf für moralisch fragwürdig, weil es im vorgesehenen Abnehmerland Ägypten nicht nur nachweislich zu Menschenrechtsverletzungen komme, sondern weil vor allem nicht gesichert sei, ob die Kriegsgeräte nicht binnen kurzer Zeit an den Sudan weitergeleitet werden. Klarstellungen erwartete er sich noch hinsichtlich der Zweckbindung der Erhöhung der Tabaksteuer.

Er habe sich deshalb zu Wort gemeldet, weil zwar unter dem Titel Abgabenänderungsgesetz keine großen Reformen vorgesehen sind, aber Maßnahmen, die seit Jahrzehnten nicht umgesetzt werden konnten, zeigte Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) auf. Dieses Gesetz sei daher für ihn ein Beispiel für die Reformkraft dieser Bundesregierung. Im Bereich des Umsatzsteuerrechts gehe es darum, die vielen zehntausenden braven Betriebe vor jenen zu schützen, die das System ausnützen.

Abgeordneter Mag. HETZL (F) schloss sich seinem Vorredner an und wies ebenfalls auf die vielen Vorteile hin, die sich durch dieses Gesetz für die Wirtschaft ergeben. Er sei froh darüber, dass es diese Regierung geschafft hat, "alte Zöpfe der Bürokratie" abzuschneiden.

Abgeordneter Mag. MÜHLBACHLER (V) war überzeugt davon, dass die Kommunen einen großen Vorteil daraus ziehen, dass in Hinkunft nur mehr ein Prüfer - entweder aus dem Bereich der Sozialversicherung oder der Finanzverwaltung - die Kontrollen durchführen wird. Sodann brachte er noch zwei Abänderungsanträge, und zwar betreffend das Abgabenänderungsgesetz 2002 sowie zum Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz ein.

Staatssekretär Dr. FINZ ging auf die Frage des Abgeordneten Kogler ein und stellte klar, dass die Preiserhöhung durch die Austria Tabak verursacht war. Wir ziehen jetzt nach und die Mehreinnahmen werden dem Gesundheitswesen zur Verfügung gestellt, erläuterte er.

Abgeordneter SODIAN (F) machte darauf aufmerksam, dass es

im Bereich des Baugewerbes zu massiven Steuerausfällen kam, indem für Leistungen von Subunternehmern an Generalunternehmer Rechnungen mit offenem Ausweis der Umsatzsteuer zwar gelegt werden, die betreffende Umsatzsteuer vom Subunternehmer jedoch nicht an das Finanzamt abgeführt wird. Hier gingen Milliarden verloren und die Zeche zahlen nicht nur die Steuerzahler, sondern auch jene Firmen, die keinen Auftrag mehr erhalten. Nun werde diesen Praktiken mit dem Abgabenänderungsgesetz ein Riegel vorgeschoben.

Die Abstimmung erfolgte am Ende der heutigen Sitzung.

Erster Redner zum Austria Wirtschaftsservice -Errichtungsgesetz und zum F-V- Antrag betreffend Änderung des Bankwesengesetzes und des Kartellgesetzes war Abgeordneter Dr. HEINDL (S). Die Vorgangsweise bei diesen beiden Tagesordnungspunkten habe äußerstes Befremden ausgelöst, gab er zu bedenken. So sei es etwa zu fehlerhaften und ergänzungsbedürftige Formulierungen gekommen und viele Fragen offen geblieben. Grundsätzlich stimme seine Fraktion aber dem Vorhaben zu, ein zentrale Stelle für die Wirtschaftsförderung einzurichten. Unverständlich sei auch, dass die Vorlage zur Änderung des Bankwesen- und Kartellgesetzes nicht mit den Betroffenen abgesprochen wurde.

Abgeordnete lic.oec. HSG SCHOETTEL-DELACHER (F) kam auf die Schaffung des Austria Wirtschaftsservice zu sprechen. Durch die Zusammenführung von Institutionen der unternehmensbezogenen Wirtschaftsförderung des BMF und des BMWA bzw. von deren Aktivitäten unter einem Dach werden Doppelgleisigkeiten abgebaut und die Service- und Kundenorientierung in den Mittelpunkt gestellt. Außerdem sei mit einer jährlichen Kosteneinsparung in der Höhe von 18 Mill. € zu rechnen.

Auch Abgeordneter Mag. KOGLER (G) bezeichnete das Austria Wirtschaftsservice-Gesetz als sinnvoll, da es sicher von Vorteil sei, wenn mehrere Anlaufstellen zusammengefasst werden. Kritisch beurteilte er jedoch - ebenso wie Heindl - die Novellierung des Bankwesen- und Kartellgesetzes, und zwar insbesondere was das mit der Sektorkonsolidierung einhergehende Weisungsrecht der Zentralinstitute betrifft.

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) befasste sich ausschließlich mit der Novelle zum Bankwesengesetz. Aus seiner Sicht bringe sie eine Stärkung der Kreditwirtschaft, einen besseren Kundenschutz sowie die Berücksichtigung von internationalen Standards. Nicht richtig sei es, dass es sich dabei um eine "lex Erste Bank" handelt; er habe von allen Seiten "grünes Licht" erhalten.

Aus der Sicht des Finanzministeriums ist die Bankwesengesetznovelle, die eine Stärkung in Form einer Sektorkonsolidierung bringt, zu begrüßen, konstatierte Staatssekretär Dr. FINZ. Es werde ein Frühwarnsystem eingerichtet, das dazu diene, Fehlentwicklungen rechtzeitig zu erkennen, urteilte er.

Abgeordneter SCHWEMLEIN (S) kam auf den Vier-Parteien-Entschließungsantrag zu sprechen, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, einen Bericht vorzulegen, der u.a. eine Evaluierung der Tätigkeiten der neuen Austria Wirtschaftsservice GesmbH. im Hinblick auf die kleinen und mittleren Unternehmen sowie die Tourismusbetriebe vornehmen soll.

Abgeordneter MÜLLER (F) erläuterte die Inhalte der Bankwesengesetznovelle. So soll u.a. den Sparkassen eine freiwillige Sektorkonsolidierung ermöglicht werden. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht sei eine positive Auswirkung auf den Einlegerschutz sowie eine Stärkung des Standortes Österreich zu erwarten.

Abgeordneter Dr. BAUER (S) hielt Abgeordnetem Stummvoll entgegen, dass rund um das neue Bankgesetz nicht alles so klar sei. Es gebe eine Reihe von Bedenken, u.a. in Bezug auf die Beherrschung durch ein Spitzeninstitut. Hinsichtlich der Austria Wirtschaftsservice GesmbH. merkte Bauer an, dass die Zusammenfassung des Förderwesens grundsätzlich zu unterstützen ist, wenngleich der Zugang zu den Förderungen auch primär durch die Hausbank erfolgt. Die Tätigkeiten der neuen Einrichtungen dürfen aber nicht an der Landesgrenze Halt machen, mahnte er ein.

Abgeordneter BÖHACKER (F) machte darauf aufmerksam, dass das Bankwesengesetz derzeit für alle Institute offen sei. Sodann brachte er einen Abänderungsantrag zum Austria Wirtschaftsservice-Einrichtungsgesetz ein.

Bundesminister Dr. BARTENSTEIN war der Auffassung, dass die "Schaffung eines Daches für die Wirtschaftsförderung" einen großen Schritt darstellt. Durch die Verwirklichung des one-stop-shop-Prinzips werde es vor allem für die kleinen und mittleren Betriebe einfacher sein, zu den Förderungen (insgesamt 110 Millionen € pro Jahr) zu kommen, war er überzeugt. Die Ausrichtung der Geschäftsfelder schaffe zudem eine praxisnahe Struktur und helfe Doppelgleisigkeiten abbauen.

Abgeordnete HUBER (S) bedauerte, dass weder zu den demokratiepolitischen noch den eventuellen EU-rechtlichen Problemen des neuen Bankwesen- und Kartellgesetzes Stellung genommen wurde. Es werde wieder einmal eine wichtige Gesetzesänderung ohne eine Begutachtung und an den Betroffenen vorbei durchgepeitscht, kritisierte sie. Ihre Fraktion werde dieser Gesetzesvorlage daher nicht zustimmen. Huber brachte dann noch einen Vier-Parteien-Entschließungsantrag betreffend Förderung von Klein- und Mittelbetrieben ein.

Abgeordnete LENTSCH (V) bezeichnete das Austria Wirtschaftsservice-Gesetz als weiteres Reformwerk dieser Bundesregierung. Eine Reform war längst überfällig, meinte sie, denn bisher war das Unternehmerwerden in Österreich ein einziger Hürdenlauf. Nun gebe es ein kundenfreundliches Servicecenter, das die zersplitterte Struktur ersetze, Doppelgleisigkeiten abstelle und Synergien nutze.

Bei der Abstimmung wurde das Austria Wirtschaftsservice-Errichtungsgesetz in der Fassung eines S-F-V-Abänderungsantrages einstimmig verabschiedet. Einstimmig angenommen wurde auch der Vier-Parteien-Entschließungsantrag betreffend die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben. Die Novellierung des Bankwesen- und Kartellgesetzes wurde sodann mehrheitlich beschlossen.

Weiterer Punkt der Tagesordnung war das Strafrechtsänderungsgesetz 2002.

Es gehöre wohl zum innovativen Stil der Regierung, dass die Vorschläge von Experten nicht ernst genommen werden, meinte Abgeordneter Dr. JAROLIM (S). Dies treffe nun auch auf das Strafrechtsänderungsgesetz zu, wo trotz massiver Bedenken völlig überschießende Bestimmungen festgelegt wurden. Was den § 209 angeht, war es absehbar, dass der Verfassungsgerichtshof zu einem entsprechenden Erkenntnis kommt. Als Antwort darauf wurde nun in aller Eile ein "grauenhaftes Exzerpt" präsentiert, das weder im Justizausschuss noch mit Experten diskutiert wurde. Man müsse sich endlich mit den Meinungen der Experten auseinandersetzen und eine grundlegende Diskussion über die Schutzbedürfnisse der Jugend sowie das Sexualstrafrecht führen, forderte er.

Abgeordneter Dr. OFNER (F) konzentrierte sich in seiner Wortmeldung auf § 209, um den es eine jahrelange Diskussion gegeben hat und der im internationalen Kontext nicht zu halten war. Die einzige Kritik, die von der Opposition geäußert wurde, sei, dass die Regierung nun zu schnell reagiert habe. Mit den neuen Regelungen soll nun verhindert werden, dass die Zwangslage von sexuell unreifen Jugendlichen ausgenützt werde. Nicht betroffen davon sind Liebesbeziehungen zwischen annähernd gleich alten Menschen, unterstrich er.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) erklärte, es habe schon zahlreiche Debatten zur Streichung des § 209 StGB im Nationalrat gegeben. So sei man 1996 ganz nahe daran gewesen, "diesen menschenrechtswidrigen und unmenschlichen Paragraphen" aus dem österreichischen Strafrecht zu entfernen. Die ÖVP habe das aber bis heute verhindert. Stoisits brachte einen Abänderungsantrag ein, der die ersatzlose Streichung des § 209 StGB zum Inhalt hat.

Kritik übte Stoisits daran, dass der § 209 StGB nunmehr ohne Diskussion und ohne Beiziehung oder auch nur schriftliche Anhörung von Experten durch einen neuen § 207b ersetzt werden solle. Ihrer Ansicht nach sollte man sorgsamer mit dem Strafrecht im generellen und einer Bestimmung im speziellen umgehen, die enorme Auswirkungen für Jugendliche habe. Die Abgeordnete fragt sich zum Beispiel, was unter mangelnder Reife eines Jugendlichen zu verstehen ist.

Stoisits bemängelte aber auch andere Teile des Strafrechtsänderungsgesetzes. Die Neutralität werde wieder "ein Scheibchen entsorgt", und es gebe durch die Änderung der Strafprozessordnung in Bezug auf Telefonüberwachungen einen weiteren Schritt zum gläsernen Menschen, klagte sie. Ihr zufolge können die Grünen nur den neuen Bestimmungen über Tierquälerei zustimmen.

Abgeordnete Dr. FEKTER (V) brachte einen Abänderungsantrag der Koalitionsparteien zum Strafrechtsänderungsgesetz ein, um, wie sie sagte, die vom Verfassungsgerichtshof festgestellte Lücke im Sexualstrafrecht zu schließen. Dieser habe in seinem Erkenntnis zum § 209 nämlich eindeutig festgestellt, dass nicht alle Verurteilungen nach diesem Paragraphen per se verfassungswidrig seien, sondern es sehr wohl angebracht sei, Personen vor allzu frühem, ausbeuterischem Sex zu schützen, skizzierte sie.

Fekter zufolge wird mit dem Abänderungsantrag ein neuer Tatbestand mit der Überschrift "Missbrauch von Jugendlichen" als § 207b in das Strafgesetzbuch eingefügt. Wer Jugendliche unter 16 Jahren, die aus bestimmten Gründen noch nicht reif genug sind, sexuell ausnützt, kann demnach mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden. Bei Ausnutzen einer Zwangslage von Jugendlichen unter 16 Jahren droht eine Strafe von bis zu drei Jahren, gleiches gilt für Personen, die unter 18-Jährige durch ein Entgelt zu sexuellen Handlungen verleiten. Der § 209 soll laut Abänderungsantrag gänzlich entfallen.

Fekter brachte darüber hinaus einen Entschließungsantrag zum Strafrechtsänderungsgesetz ein, der detaillierte Begründungen zu den vorgenommenen Abänderungen enthält. Der Justizminister wird ersucht, diese Erläuterungen den Gerichten und Staatsanwälten zur Kenntnis zu bringen.

Abgeordnete BURES (S) urgierte eine seriöse Auseinandersetzung mit dem Thema Sexualstrafrecht. Die Koalition peitsche ohne Einbeziehung von Experten Dinge durch, die sich intensiv auf das Leben von Menschen auswirkten, klagte sie. Das Strafrecht sei aber zu wichtig, "um damit politisches Kleingeld zu machen". Für Bures ist es unglaubwürdig, wenn Abgeordnete Fekter von Jugendschutz spreche, ihrer Auffassung nach geht es der Koalition vielmehr um "Beischlafbespitzelung".

Kritisch äußerte sich die Abgeordnete außerdem zur Änderung der Überschrift des § 320 StGB (Neutralitätsgefährdung). Ihrer Ansicht nach gibt es keinen Grund, die Paragraphenüberschrift zu streichen. Ein von Bures eingebrachter Abänderungsantrag der SPÖ bezieht sich sowohl auf diesen Paragraphen als auch auf die §§ 207 und 209.

Justizminister Dr. BÖHMDORFER führte aus, es seien offenbar zahlreiche Irrtümer bei der Opposition vorhanden. Der § 209 werde bereits jetzt ersatzlos gestrichen, obwohl er dem VfGH-Erkenntnis zufolge noch bis Februar 2003 in Kraft bleiben könnte, bekräftigte er. Zudem werde auch keine Ersatzregelung für diesen Paragraphen getroffen, sondern mit dem neuen § 207b begleitende Maßnahmen gesetzt, die dem Jugendschutz dienen. Menschen, die eine verzögerte Reife aufweisen, würden, so Böhmdorfer, vor Menschen mit altersbedingter Überlegenheit geschützt. Außerdem hält er es für geboten, Menschen unter 18 Jahren vor sexuellen Handlungen gegen Entgelt zu schützen.

Abgeordnete Dr. PAPHAZY (F) hält es, wie sie sagte, für richtig, dass der Verfassungsgerichtshof den § 209 StGB aufgehoben hat. Damit werde echte Liebe entkriminalisiert. Genauso richtig ist es ihrer Ansicht nach aber auch, Jugendliche, sowohl Mädchen als auch Buben, vor sexuellem Missbrauch zu schützen. In diesem Sinn begrüßte sie den neuen § 207b StGB.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) zeigte sich darüber erfreut, dass der Verfassungsgerichtshof den § 209 StGB aufgehoben hat. Sie kritisierte allerdings, dass die Koalition nun, anstatt den § 209 und damit die Diskriminierung von Homosexuellen ersatzlos abzuschaffen, eine Ersatzlösung beschließe. Durch den neuen § 207b werde nicht, wie die Koalition behaupte, mehr Sicherheit für junge Leute geschaffen, sondern im Gegenteil neue Unsicherheit, glaubt Lunacek. Eltern könnten einschreiten, wenn sie der Meinung seien, ihre Kinder seien zu unreif für eine sexuelle Beziehung. Sie fürchtet außerdem, dass die Gerichte bei homosexuellen Beziehungen strenger urteilen werden.

Lunacek urgierte darüber hinaus begleitende Maßnahmen zur Aufhebung des § 209 StGB durch den Verfassungsgerichtshof und brachte einen entsprechenden Entschließungsantrag der Grünen ein. Geht es nach den Grünen, sollen alle Vormerkungen im Strafregister auf Grund von § 209 StGB gelöscht, alle überwiegend nach § 209 verurteilten Personen aus der Haft entlassen sowie Entschädigungen von Verurteilten nach § 209 ermöglicht werden.

Abgeordneter Mag. TANCSITS (V) befasste sich mit jenen Bereichen des Strafrechtsänderungsgesetzes, die die Terrorbekämpfung betreffen. Im Wesentlichen gehe es darum, die österreichische Rechtsordnung in Folge der Ereignisse des 11. September vergangenen Jahres "fit zu machen", erläuterte er. Es sei das Wesen von Terrorbekämpfung, betonte Tancsits, dass sie präventiv gestaltet werden müsse. In diesem Sinn hält er die damit im Zusammenhang stehenden §§ 278 b und d StGB für "gut gelungen". Zur Änderung der Überschrift des § 320 StGB merkte Tancsits an, die Überschrift "Neutralitätsgefährdung" werde deshalb gestrichen, weil nur ein Staat, aber keine einzelne Person, die Neutralität gefährden könne.

Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) fragt sich, warum die Koalition nicht ein schärferes Waffengesetz beschließe, wenn sie für mehr Jugendschutz sei. In diesem Sinn brachte sie einen Abänderungsantrag ein, der ein generelles Waffenverbot für private Haushalte zum Inhalt hat.

Den neuen § 207b StGB sieht Heinisch-Hosek als drastische Einschränkung des Selbstbestimmungsrechtes von Jugendlichen. Sie wies darauf hin, dass es in Österreich bereits seit 1803 ein generelles Schutzalter von 14 Jahren in Bezug auf sexuelle Handlungen gebe, darüber hinaus würden mehr als 20 Bestimmungen Jugendliche vor sexuellem Missbrauch schützen. Um etwaige gesetzliche Lücken im Sexualstrafrecht zu schließen, plädierte die Abgeordnete für die Einsetzung einer Arbeitsgruppe im Justizministerium. Dazu brachte sie auch einen entsprechenden Entschließungsantrag ihrer Fraktion ein.

Abgeordneter Mag. SCHENDER (F) erklärte, es sei keine Überraschung gewesen, dass der Verfassungsgerichtshof den § 209 StGB aufgehoben habe. Er selbst zeigte sich darüber erfreut und meinte, das Strafrecht sei kein geeignetes Mittel, um über die sexuelle Neigung einer Person zu entscheiden. Den neuen § 207b StGB hält Schender jedoch für notwendig, damit sollten junge Menschen geschützt werden, die sich nicht wehren könnten.

Abgeordneter PENDL (S) äußerte sich in Bezug auf die geplante Übersiedelung der Jugendstrafvollzugsanstalt in die Justizanstalt Josefstadt beunruhigt. Er glaubt der Versicherung von Justizminister Böhmdorfer nicht, dass die Jugendlichen dort nicht mit anderen Häftlingen in Berührung kommen werden. Sowohl im Interesse der Beschäftigten der Justizanstalten als auch im Interesse der Haftinsassen sollte man sich eine andere Lösung überlegen, forderte der Abgeordnete.

Abgeordneter GAHR (V) ist überzeugt, dass die vorgesehene Änderung des Strafgesetzbuches einen stärkeren Schutz der Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch bringen wird. Damit würden bestehende gesetzliche Lücken geschlossen.

Abgeordnete PARFUSS (S) befasste sich mit dem Thema Tierschutz und begrüßte die Verschärfung des § 222 StGB betreffend Quälen von Tieren. Bedauert wird von ihr allerdings, dass es noch immer kein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz gibt.

Für Abgeordneten Dr. GROLLITSCH (F) bringt die Änderung des Strafgesetzbuches einen Quantensprung im Tierschutz. Durch einen neuen § 222 würden "maßvolle strengere Bestimmungen" gegen Tierquälerei geschaffen, erläuterte er. Grollitsch bedauerte, dass diese Änderung von der Opposition nicht stärker gewürdigt werde.

Abgeordneter MIEDL (V) bekräftigte, der neue § 207b StGB sei kein Ersatz für die Streichung des § 209, sondern ein längst erforderlicher gesetzlicher Lückenschluss. Er versetze die Exekutive in die Lage, etwas gegen Kinderprostitution oder das Ausnutzen einer Zwangslage von Jugendlichen zu tun. Die gesetzlichen Bestimmungen würden den Jugendlichen und ihrer Entwicklung zugute kommen.

Abgeordneter SCHIEDER (S) führte aus, er sei vor 31 Jahren im Parlament gesessen, als die generelle Strafbarkeit von Homosexuellen gefallen sei, und freue sich darüber, dass der Verfassungsgerichtshof nun auch den § 209 StGB aufgehoben habe. Das Europäische Parlament und der Europarat hätten diesen Schritt von Österreich seit langem erwartet. Sorge hat Schieder, wie er sagte, dass der neue § 207b Angst, Unsicherheit und Unklarheit bei den Menschen schaffen wird und wieder Menschen aus Liebe mit einem Fuß im Kriminal stehen könnten.

Das Strafrechtsänderungsgesetz 2002 wurde unter Berücksichtigung des F-V-Abänderungsantrages mit Stimmenmehrheit verabschiedet. In zweiter Lesung hatten zuvor auch SPÖ und Grüne der Streichung des § 209 und den Änderungen des § 222 StGB (Tierquälerei) zugestimmt. Die Abänderungsanträge der SPÖ und der Grünen zum Strafrechtsänderungsgesetz blieben in der Minderheit.

Mehrheitlich angenommen von den Abgeordneten wurde auch der Entschließungsantrag der Koalitionsparteien betreffend Strafrechtsänderungsgesetz 2002. Der Entschließungsantrag der Grünen betreffend begleitende Maßnahmen nach Aufhebung von § 209 StGB durch den Verfassungsgerichtshof und der Entschließungsantrag der SPÖ betreffend bestmöglichen Jugendschutz und verantwortungsvolle Weiterentwicklung des Sexualstrafrechts wurden hingegen abgelehnt.

Abgeordnete Dr. HLAVAC (S) kam auf das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof zu sprechen. Die SPÖ habe die Schaffung eines derartigen Gerichtshofes ausdrücklich begrüßt, betonte sie. Sie würde sich wünschen, dass die Gelegenheit genutzt wird, um auch über materiell-rechtliche Regelungen nachzudenken. So sollten etwa für den spezifischen Bereich der Folter eigene Regelungen geschaffen werden, schlug sie vor. Sie hoffe zudem, dass auch innerhalb der USA noch ein Meinungsumschwung stattfinden wird.

Abgeordneter Dr. KRÜGER (F): Für Kriegsverbrechen gab es bisher nur die Möglichkeit, ad-hoc-Tribunale einzusetzen, die aber nur rückwirkend tätig werden konnten. Nun soll es einen Internationalen Strafgerichtshof geben, dessen Statut aber von einigen wichtigen Staaten, wie den USA, nicht ratifiziert werden soll, da sie Immunität für ihre Soldaten verlangen, stellte Krüger mit Befremden fest.

Das vorliegende Bundesgesetz bringe die Umsetzung des Römischen Statuts in das österreichische Rechtssystem, erläuterte Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V). 74 Staaten haben inzwischen dieses Statut ratifiziert und sind darin übereingekommen, dass der Gerichtshof bei Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen tätig wird. Sodann brachte sie noch einen Abänderungsantrag ein.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) bat den Justizminister darum, dass sich auch Österreich bei der Nominierung von Richtern für diesen Gerichtshof beteiligt. Denn dies sei der wichtigste Beitrag, den Österreich dort leisten könne, war sie überzeugt.

Bei der Abstimmung wurde das Bundesgesetz in der Fassung eines F-V-Abänderungsantrages einstimmig beschlossen.

Gemeinsam behandelt wurden hierauf das Zinsenrechts-Änderungsgesetz, die Änderung des Rechtspraktikantengesetzes, Erklärung en Österreichs gemäß Art. 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) wies darauf hin, dass seine Fraktion dem

Zinsenrechts-Änderungsgesetz nicht zustimmen werde. Die neue Regelung führe nämlich dazu, dass die Konsumenten, wenn sie einen Zahlungsbefehl erhalten, dagegen Einspruch erheben müssen. Angesichts der Tatsache, dass es bei Inkassobüros und Rechtsanwälten oft eine Art "Raubrittertum" gibt, lehne er die Vorlage ab.

Abgeordneter Mag. MAINONI (F) machte darauf aufmerksam, dass das Zinsenrechts-Änderungsgesetz eine Harmonisierung im Bereich des Zahlungsverkehrs bringe. Nun gebe es eine flexible Lösung, die der wirtschaftlichen Praxis entspricht. Er hoffe, dass damit die Zahlungsverzögerungen zurückgedrängt werden und die Liquidität der Unternehmen verbessert wird.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) befürchtet, dass der Konsumentenschutz im Justizministerium nicht gut aufgehoben ist. Denn durch diese Vorlage komme es zu Verschlechterungen, da die Konsumenten selbst aktiv werden müssen. Kritisch beurteilte sie auch die Anrechnungsregelungen.

Justizminister Dr. BÖHMDORFER wies darauf hin, dass die Beklagten immer schon aktiv werden mussten. Früher mussten sie einen Rekurs einbringen, jetzt können sie einen Teileinspruch einbringen, was seiner Ansicht nach ein Vorteil sei.

Der Zahlungsverzug belaste vor allem kleine und mittlere Unternehmen und dieses Problem soll durch die Umsetzung der EU-Richtlinie, die auch zwischen Unternehmen und der öffentlichen Hand gelte, behoben werden, urteilte Abgeordneter Dr. TRINKL (V). Inkassoinstitute werden gerade deshalb eingesetzt, damit Prozesse vermieden werden, merkte er in Richtung des Abgeordneten Maier an.

Abgeordneter HEINZL (S) begrüßte es, dass Rechtspraktikanten Teile ihrer Ausbildung nun auch in Justizanstalten absolvieren können. Eine Ausbildungsmöglichkeit sollte es seiner Meinung nach auch bei der Volksanwaltschaft geben, schlug er vor, weshalb er einen diesbezüglichen Abänderungsantrag einbrachte.

Er könne die Kritik des Abgeordneten Maier nicht nachvollziehen, erklärte Abgeordneter Dr. KRÜGER (F). Denn wenn jemand einen Vertrag bricht und außergerichtlich gemahnt wird, wieso solle man dann nicht die entstehenden Kosten geltend machen könne, fragte er.

Abgeordnete Dr. MERTEL (S) befürwortete die beiden Erklärungen der Republik Österreich gemäß Art. 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen, die nun mit Litauen und Lettland abgeschlossen werden.

Das Zinsenrechts-Änderungsgesetz wurde einstimmig angenommen. Einstimmige Annahme fand auch das Rechtspraktikantengesetz, der S-Zusatzantrag blieb jedoch in der Minderheit. Die beiden Staatsverträge wurden sodann auch einstimmig genehmigt.

Nächster Tagesordnungspunkt: Erste Lesung des S- Antrages betreffend Änderung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) war der Auffassung, dass die in der Vollziehung von Bundesgesetzen durch eine Bundespolizeibehörde eingehobenen Geldstrafen und der Erlös verfallener Sachen den Ländern zum Zwecke der Sozialhilfe bzw. bestehenden Sozialhilfeverbänden zufließen sollen.

Der Antrag wurde dem Justizausschuss zugewiesen.

Im Rahmen der Ersten Lesung des S- Antrages zur Änderung des Konsumentenschutzgesetzes wies Abgeordneter Mag. MAIER (S) darauf hin, dass Gehaltspfändungen in der Praxis schwer zu verifizieren sind. Viele Arbeitgeber seien schlicht überfordert, zwischen Pfändung, Verpfändung, Sicherung, Offenlegung, Verwertungsvereinbarung etc. zu unterscheiden. Daher sollte die Sonderstellung vertraglicher Pfandrechte im Konsumentenschutzgesetz, insbesondere der Gehaltspfändung bzw. der Gehaltsabtretung, gestrichen werden. Außerdem sollten Vormerkungen von vertraglichen Gehaltspfändungen erst dann zulässig und wirksam sein, wenn der Schuldner sich im Zahlungsverzug befindet und die zugrunde liegende Schuld wirksam fällig gestellt wurde.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) unterstützte das Anliegen des Abgeordneten Maier.

Der Antrag wurde ebenfalls dem Justizausschuss zugewiesen.

Sodann erfolgte die Abstimmung über das Abgabenänderungsgesetz und über andere Vorlagen, die im Finanzausschuss verhandelt wurden.

Das 2. Abgabenänderungsgesetz 2002 (in der Fassung des F-V-Abänderungsantrages) wurde ebenso wie die Novellierung des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes (in der Fassung eines F-V-Zusatzantrages) einstimmig angenommen.

Mehrheitlich angenommen wurde das Bundesgesetz über die Veräußerung von beweglichem Bundesvermögen; einstimmig hingegen das Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen. (Schluss)