Parlamentskorrespondenz Nr. 602 vom 19.08.2002

KAMPFFLUGZEUGE UND GEGENGESCHÄFTE IM WIDERSTREIT DER PARTEIEN

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Wien (PK) - Das zweite große Thema der Sondersitzung des Nationalrats war die Beschaffung von Kampfflugzeugen. Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) untermauerte in der Begründung des Dringlichen Antrags neuerlich das Nein seiner Fraktion zum Ankauf der Abfangjäger und verwies auf den Erfolg des diesbezüglichen Volksbegehrens. Angesichts der Hochwasserkatastrophe seien neue Prioritäten zu setzen. Der Umstand, dass die Zahl der Kampfjets von 24 auf 18 herabgesetzt wurde, zeige ja sehr wohl, dass auch die Regierung einen Zusammenhang zwischen der Hochwasserkatastrophe und den Abfangjägern sieht, betonte Gusenbauer.

Der SP-Chef warf der Koalition vor, die derzeitige Situation zu missbrauchen, um auf das Erreichen sämtlicher Ziele, wie etwa Nulldefizit, Vollbeschäftigung und Steuerreform, zu verzichten, gleichzeitig aber auf der Beschaffung der Abfangjäger zu beharren. Dies werde vor dem Hintergrund der aktuellen Notlage von immer weniger Menschen verstanden, stellte Gusenbauer fest und forderte die Bundesregierung auf, über den Ankauf der Abfangjäger eine Volksabstimmung abzuhalten.

Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL stellte klar, Österreich sei verfassungsrechtlich verpflichtet, seinen Luftraum zu schützen. Es sei nicht zu verantworten, ab 2005 auf jegliche Abfangjäger zu verzichten. Österreich müsse zum Schutz seiner Bürger einen glaubwürdigen eigenen Beitrag leisten, unabhängig davon, ob das Land neutral ist oder Teil eines europäischen Verteidigungsbündnisses wäre.

Den Vorstoß der SPÖ wies Schüssel als "zu billig" zurück, wobei er meinte, die Sozialdemokraten würden sich damit von der sicherheitspolitischen Kontinuität, die sie in der gesamten Zweiten Republik geübt hatten, verabschieden. Für die SPÖ sei Sicherheitspolitik offenbar kein Thema mehr. Schüssel zog die positive Einstellung der SPÖ zur Sicherheitspolitik in Zweifel und merkte an, wann immer das Bundesheer in jüngster Zeit bedeutende Investitionen gebraucht hatte, seien die Sozialdemokraten zunächst einmal dagegen gewesen.

Abgeordneter Dr. CAP (S) bezeichnete die Anschaffung der Kampfflugzeuge angesichts der Hochwasserkatastrophe als puren Zynismus und befürchtete, dass die Bundesregierung zur Finanzierung der Jets weitere Sparpakete schnüren werde. Auch sachlich sei die Beschaffung "absurd", da Österreich nach der Beendigung des Kalten Krieges nur mehr von Freunden umgeben werde, argumentierte Cap. Er forderte mit Nachdruck die Bundesregierung auf, die Stimmung in der Bevölkerung nicht weiter zu ignorieren und eine Volksabstimmung zuzulassen.

Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) meinte, seinen Vorredner Cap sollte man nicht immer ernst nehmen, denn Cap stehe zu seinen Ausführungen etwa zur Neutralität und zur Landesverteidigung am nächsten Tag nicht mehr. Schweitzer erinnerte daran, dass laut Verfassungsgesetz das Bundesheer die Verpflichtung habe, den österreichischen Luftraum zu überwachen. Bereits 1975 sei der Grundstein für diese Verpflichtung gelegt worden. Hinzu komme, dass im "Regierungsprogramm", erarbeitet von SPÖ und ÖVP im Jänner 2000, ein klares Bekenntnis zur Anschaffung der Abfangjäger enthalten war.

Diese Regierung handle unbürokratisch und stelle mehr als 1 Mrd. Euro sofort zur Verfügung. Ginge es nach der SPÖ, würden die Hochwasseropfer erst im Jahr 2006 mit 200 Mill. Euro, der ersten Rate der Abfangjägerbeschaffung, unterstützt werden.

Abgeordneter Dr. KHOL (V): Es ist Teil der Verpflichtung eines Landes, seine Souveränität mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu schützen. Glauben Sie, dass es ein Vergnügen ist, Abfangjäger anschaffen zu müssen, um die Draken, die bei Nacht und Schlechtwetter nicht fliegen können, zu ersetzen? Wir können eine Politik der Gefühle, der Stimmung, wie sie Cap will, nicht vertreten, denn wir haben die Verantwortung für die Sicherheit unserer Landsleute zu tragen, strich Khol heraus.

Khol machte auch darauf aufmerksam, dass van der Bellen gesagt habe, wenn es eine Verfassungspflicht sei, werden die Grünen in den sauren Apfel beißen; Heinz Fischer habe bereits 1999 mit der ÖVP darüber verhandelt, wie die Verpflichtung zum Abfangjägerkauf in das Regierungsprogramm, das letztendlich nicht zu Stande gekommen ist, aufgenommen werden könne. Fest stand für Khol, dass sich an dieser Verantwortung keine Partei vorbeischwindeln könne.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) strich die Anliegen der Grünen heraus und gab auch zu, für eine Erhöhung der Sozialversicherungsabgaben zu sein, "wenn und sobald für die unteren Einkommen eine Entlastung" geschaffen werde.

Die Entscheidung über den Ankauf der 24 Eurofighter hielt der G-Sprecher für militärpolitisch falsch, finanzpolitisch unvertretbar und wirtschaftspolitisch für einen Unfug ersten Ranges. Die Kompensationsgeschäfte werden "nie und nimmer wie ein Voodoo funktionieren", meinte er. Mehr Professionalisierung beim Bundesheer, mehr Berufssoldaten seien angesagt, aber kein Ankauf von Abfangjägern, noch dazu, wo es auf mittlere Sicht eine europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion geben werde.

Bundesminister SCHEIBNER wies darauf, was man alles nicht wollte: keine Hubschrauber, keine Spezialkräfte, keine ABC-Abwehr, keine Luftraumüberwachung, alles wurde als Geldverschwendung angesehen. In diesem Fall gehe es aber um einen klaren Verfassungsauftrag. Mit der Sicherheit eines Landes sollte man keine Parteipolitik machen, führte der Minister weiter aus.

Der Antrag der SPÖ, den künftigen Ankauf von Abfangjägern einer Volksabstimmung zu unterziehen, erachtet Scheibner als verfassungswidrig, hat doch gemäß Bundesverfassung der Staat seinen Luftraum zu überwachen. Dem Vorschlag für die praktische Luftraumüberwachung, bestehend aus Luftraumüberwachung durch Radarsystem und Fliegerabwehrraketen, kann sich der Minister nicht anschließen. Auch dem Vorschlag, andere Staaten mögen die Aufgabe übernehmen, erteilte er eine Absage, denn Österreich habe möglichst aus eigener Kraft seine Souveränitätsaufgaben zu erfüllen. Auch unterstrich der Ressortchef, dass in den nächsten vier Jahren kein Euro für die Neuanschaffung der Abfangjäger aufgewendet werde, denn "das Nützliche müsse auf das Notwendige reduziert werden".

Bundesminister Mag. GRASSER meinte, die Bundesregierung habe unter dem Eindruck der Hochwasserkatastrophe klare Prioritäten für das Land gesetzt. In den Mittelpunkt seien die Entschädigungen und der Wiederaufbau des Landes zu stellen. Es gehe darum, den Menschen wieder Hoffnung und Sicherheit zu geben. Die Regierung gebe aber ihre Ziele nicht auf und stehe weiterhin zu einer Steuerreform und zur grundlegenden Entlastung der Bevölkerung. Wenn die Regierung den Hochwasseropfern mehr als 1 Mrd. Euro an Soforthilfe zur Verfügung stellen werde, dann zeige dies die Prioritätensetzung. Aber weiterhin habe zu gelten: ein Ja zur Entlastung, ein Ja zur Steuerreform. Besonders hob Grasser hervor, dass Minister Scheibner den Kauf der Abfangjäger um ein Jahr verschieben werde und nur mehr 18 Abfangjäger angekauft werden sollen.

Bundesminister Dr. BARTENSTEIN wehrte sich gegen den Vorwurf Van der Bellens, bei den Gegengeschäften würde es sich um Voodoo-Ökonomie und um wirtschaftspolitischen Unsinn ersten Ranges handeln. So stehe beispielsweise in "Le Monde", dass die Abfangjägerbeschaffung das Eintrittsticket in den Klub der Hochtechnologie sei. Auch betonte Bartenstein, dass unser Land seit 1978 positive Erfahrungen mit Gegengeschäften gemacht habe, die Gegengeschäftsverhandlungen mit EADS "nicht schlecht" laufen, kritische Punkte wie Schiedsgerichtsverfahren und die Pönale noch offen seien. Besonders wichtig ist für den Minister, dass EADS bereits am 7. Juli zugesagt habe, dass bereits im kommenden Jahr 2003 Gegengeschäfte im Auftragswert von 1 Mrd. Euro umgesetzt werden sollen. Auch sprach Bartenstein von seiner Absicht, diesen Vertrag über Internet zur Verfügung zu stellen.

Abgeordneter GRADWOHL (S) stellt die Seriosität der Wortmeldungen der Regierungsmitglieder in Frage. Es sei nicht seriös, wenn der Finanzminister aufstehe und sage, wir könnten die Abfangjäger aus Budgetüberschüssen finanzieren, wenn die SPÖ nicht dreißig Jahre lang Schulden gemacht hätte. Seiner Meinung nach will die Regierung in Wirklichkeit bewaffnete Kampfflugzeuge kaufen, die zur Überwachung des Luftraumes nicht notwendig seien.

Aus einer Anfragebeantwortung von Verteidigungsminister Scheibner liest Gradwohl heraus, dass ein Überwachungsflug eines Abfangjägers 130 Mill. S kostet. Wie viele Motorsägen für die Pioniere oder andere Truppen des Bundesheeres, die in der Katastrophenhilfe im Einsatz sind, könnte man davon kaufen? fragte er.

Abgeordneter JUNG (F) äußerte großes Lob für das österreichische Bundesheer. Er wies darauf hin, dass derzeit 11.000 Soldaten in der Katastrophenhilfe im Einsatz sind, weitere 2.000 seien im Grenzschutz tätig und 1.000 im Rahmen von Auslandseinsätzen. Es gebe in Europa im Augenblick keine vergleichbare Armee, die derartige Leistungen erbringe, bekräftigte der Abgeordnete.

In Bezug auf den Kauf von Abfangjägern erinnerte Jung daran, dass man zu Zeiten der Jugoslawien-Krise in der Steiermark sehr wohl Abfangjäger gebraucht habe. In guten Zeiten vergesse die Opposition auf das Heer, in schlechten rufe sie danach, kritisierte er. Man sei nicht bereit, dem Heer zu geben, was es brauche. Jung zufolge ist ohne Flugzeuge außerdem die völkerrechtliche Wahrung der Neutralität nicht möglich.

Abgeordneter MURAUER (V) zeigte kein Verständnis dafür, dass SPÖ und Grüne gerade in Zeiten der Hochwasserkatastrophe sagten, Österreich brauche nicht vorzubeugen, eine Katastrophe im Luftraum könne nicht kommen. Für ihn ist das "Zynismus". Die Österreicher hätten ein Recht darauf, dass ihr Land entsprechend abgesichert werde, zu Land und in der Luft, unterstrich er. Sollte man auf den Kauf von Abfangjägern verzichten, müsste nach Auffassung Murauers die Verfassung geändert werden. Er verwies außerdem darauf, dass die Gegengeschäfte zum Abfangjägerkauf Wirtschaftsimpulse auslösen werden.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) führte aus, es gebe ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Regierung in größte Schwierigkeiten geraten sei, nämlich, dass sie die Beherrschung der Grundrechnungsarten verloren habe. Verteidigungsminister Scheibner habe noch vor kurzem gemeint, 24 Abfangjäger seien die Mindestzahl zur Sicherung des österreichischen Luftraums, plötzlich würden 18 Abfangjäger ausreichen. Ähnlich dürfte die Regierung, so Pilz, das Nulldefizit, die Hochwasserentschädigungen und die Gegengeschäfte geplant haben. Pilz vermisst ein klares Bekenntnis der Regierung, dass in der jetzigen Katastrophensituation die Menschen zuerst kommen und nicht die Luftwaffe. Zumindest forderte er eine Volksabstimmung über die Anschaffung der Eurofighter.

Abgeordnete Mag. PRAMMER (S) ortete Widersprüchlichkeit und Polemik in den Stellungnahmen der Koalitionsparteien. Der SPÖ gehe es in Anbetracht der Hochwasserkatastrophe um Prioritätensetzung, betonte sie, auch die Abfangjäger müssten in die Diskussion mit einbezogen werden. Sollte die Regierung nicht einlenken, werde sie bei den nächsten Wahlen die Rechnung präsentiert bekommen, prophezeite Prammer. Generell hält sie soziale Sicherheit für einen wichtigen Sicherheitsaspekt.

Abgeordneter Dr. BÖSCH (F) erklärte, er sei der Opposition dankbar für die heutige Sondersitzung, da sie der Regierung die Gelegenheit gebe, ihre Prioritäten eindrucksvoll zu wiederholen. Die Regierung saniere den Haushalt, entlaste die Bürger, biete notwendige Hilfe bei Katastrophen und investiere dort, wo es notwendig sei, skizzierte er. Zu diesen notwendigen Investitionen gehöre auch die Luftraumüberwachung, "diese Investition ist zukunftweisend". Der SPÖ warf Bösch vor, in der Frage der Anschaffung von Abfangjägern "einen Salto rückwärts" gemacht zu haben.

Abgeordnete Mag. FRIESER (V) gab zu bedenken, dass das jährliche Defizit der ÖBB das Doppelte des Kaufpreises für Abfangjäger betrage. Sie selbst äußerte ein klares Ja zur Ersatzbeschaffung "für die alten Draken". Ein "oben ohne" gebe es in Fragen der Neutralität nicht. Sicherheit sei, so Frieser, unteilbar und umfassend. "Stolz" ist sie darauf, dass lediglich 9,7 % der Steirerinnen und Steirer das Anti-Abfangjäger-Volksbegehren unterschrieben haben.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) machte geltend, dass die Regierung mit ihrer Entscheidung, nur 18 statt 24 Abfangjäger zu kaufen, selbst einen Konnex zwischen der Hochwasserkatastrophe und dem Kauf von Abfangjägern hergestellt habe. "Geld hat kein Mascherl", sieht auch er diesen Zusammenhang. Die Nichtbeschaffung von Abfangjägern wäre ihm zufolge "ein hervorragender Beitrag" zur Budgetsanierung. Zweifel äußerte Kogler in Bezug auf die versprochenen Gegengeschäfte. "Nirgends wird soviel gelogen wie bei Grabreden und bei Gegengeschäften", meinte er.

Abgeordneter GAAL (S) war der Auffassung, dass es sich beim Kauf dieser Abfangjäger, die noch in keiner Armee verwendet werden, um die teuerste Fehlentscheidung der Regierung handelt. Zudem sei es eine schwere Missachtung der Sorgfaltspflicht, da es den Eurofighter bis dato nur im Testeinsatz gibt und Österreich daher "das Versuchskaninchen für einen Flieger" sei, der noch gar nicht serienreif ist. Es soll ein Kampfflugzeug mit einem enorm teuren Waffensystem gekauft werden, das ein neutrales Österreich sicherlich nicht braucht, bekräftigte Gaal die Ablehnung durch seine Fraktion.

Abgeordneter Dr. OFNER (F) machte darauf aufmerksam, dass Österreich sehr gute Wirtschaftsdaten aufweise. So liege man etwa bei der Arbeitslosenrate nach Luxemburg und Holland an dritter Stelle innerhalb der EU. Außerdem weise Österreich die höchste Beschäftigungsquote auf, die es je gegeben hat, wobei besonders die Frauen von diesem positiven Trend profitieren. Was die Abfangjäger anbelangt, so sei er der Meinung, dass "irgendetwas immer passieren könne"; dies habe auch der 11. September deutlich gezeigt. Es sei daher die Pflicht der Regierung, entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

Abgeordneter Dr. BRUCKMANN (V) brachte einen F-V-Entschließungsantrag betreffend Aufrechterhaltung der Luftraumüberwachung und -sicherung sowie geeignete Information der Bevölkerung ein. Man unterstütze die Entscheidung der Bundesregierung, Abfangjäger anzuschaffen, wobei mit der Rückzahlung der Kosten erst im Jahr 2006 begonnen werden soll. Bruckmann wies darauf hin, dass etwa die Schweiz eine Flotte von 154 Kampfflugzeugen besitzt. Er persönlich glaube daher, dass 18 Abfangjäger das absolute Minimum darstellen.

Bei der Abstimmung wurde der selbstständige Antrag der SPÖ betreffend Volksabstimmung über den Ankauf der Abfangjäger abgelehnt; der F-V-Entschließungsantrag fand hingegen eine Mehrheit. Sodann fand noch eine weitere Sitzung des Nationalrates statt, die geschäftsordnungsmäßigen Mitteilungen und Zuweisungen diente. (Schluss)