Parlamentskorrespondenz Nr. 641 vom 18.09.2002

FINANZAUSSCHUSS: HOCHWASSERHILFE, LEHRLINGE UND KONJUNKTURBELEBUNG

Hochwasserhilfe passierte den Ausschuss einstimmig

Wien (PK) - Mehr als eine Milliarde Euro wird der Bund aufwenden, um den Betroffenen der jüngsten Hochwasserkatastrophe zu helfen und die zerstörte Infrastruktur in weiten Gebieten Österreichs wiederaufzubauen. Dies ist der hauptsächliche Inhalt des Hochwasseropferentschädigungs- und Wiederaufbau-Gesetzes 2002 (1277 d.B.), das der Finanzausschuss des Nationalrates heute unter der Verhandlungsführung seines Obmannes Kurt Heindl verabschiedete. Der Beschluss erfolgte unter Berücksichtigung eines umfangreichen F-V-Abänderungsantrages, der von den Abgeordneten Hermann Böhacker (F) und Günter Stummvoll (V) in der Debatte vorgelegt wurde. Er enthält Vorkehrungen für eine gerechte Aufteilung der Mittel an die Betroffenen, darüber hinaus aber auch eine Reihe konjunkturbelebender Maßnahmen und ein Paket zur Förderung der Lehrlingsausbildung. Dazu gehören die Förderung von Forschung, Umschulung, Bildung und Investitionen und die Einrichtung eines neuen, mit einer Prämie geförderten und steuerlich begünstigten Finanzprodukts namens "Zukunftsvorsorge". Es soll allen Steuerpflichtigen unter 63 Jahren zugute kommen, die bereit sind, Kapital mindestens zehn Jahre lang zu veranlagen.

Im inhaltlichen Zusammenhang mit der Hochwasserhilfe (§27-Antrag der Abgeordneten Böhacker und Stummvoll) befürworteten die Abgeordneten weitere Gesetzesänderungen, die die Frist für Konkursanträge von Betroffenen auf 120 Tage verlängern sowie eine Gerichtsgebührenbefreiung und Finanzhilfen für Sportvereine bringen und Vorkehrungen zur Behebung von Gewässerverunreinigungen treffen. In einer einstimmigen Ausschussfeststellung verlangten die Abgeordneten vom Finanzminister, steuerliche Härten bei Einnahmen/Ausgaben-Rechnern im Vollzug zu vermeiden.  

Während die Maßnahmen zur Hochwasserhilfe in der getrennten Abstimmung Einstimmigkeit erzielten, wurden die darüber hinaus gehenden Teile des Abänderungsantrages mit den Stimmen der Koalitionsparteien verabschiedet. - Das Gesetzespaket soll morgen vom Plenum beschlossen werden, am Donnerstag der nächsten Woche den Bundesrat passieren und am 1. Oktober in Kraft treten.

KRITIK UND DIFFERENZIERTES ABSTIMMUNGSVERHALTEN DER OPPOSITION

Die Sprecher der Opposition leiteten die Debatte mit Kritik an der Absicht der Regierungsparteien ein, die für sie außer Streit stehenden Maßnahmen zur Hochwasserhilfe durch ihren Abänderungsantrag mit Themen zu vermengen, die "beim besten Willen" nichts mit Katastrophen-Entschädigung und Wiederaufbau zu tun haben. In diesem Sinne plädierten die Abgeordneten Hannes Bauer und Kurt Gassner (beide S) für eine gesonderte Behandlung der verschiedenen Materien. Abgeordneter Karl Öllinger (G) konnte sich zwar eine gemeinsame Behandlung von Hochwasserhilfs- und Konjunkturbelebungsmaßnahmen vorstellen, sah aber keinen Zusammenhang zwischen Katastrophenhilfe und Lehrlingsförderung, "wenn man davon absieht, dass die Lehrlingspolitik der Bundesregierung eine Katastrophe ist", so Öllinger pointiert.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) entgegnete, es gehe darum, den Betrieben mehr zu geben als eine Schadensabgeltung, denn so mancher Unternehmer stehe jetzt vor der Frage, ob er seinen Betrieb wieder aufbauen oder nicht doch abwandern solle. Es gehe also um Arbeitsplätze in einer Katastrophenregion, die Menschen warten auf Impulse für Konjunktur und Jugendbeschäftigung. Daher gehen gehe der F-V-Abänderungsantrag über bloße Katastrophenhilfe hinaus.

Dieser Argumentation schloss sich auch Abgeordneter Hermann Böhacker (F) an und unterstrich die Notwendigkeit, nicht nur Hochwasserschäden abzufedern, sondern Zukunftsperspektiven für die Betriebe zu schaffen.

Abgeordneter Rudolf Edlinger (S) stellte klar, dass die Sozialdemokraten "selbstverständlich" sämtlichen Maßnahmen der Hilfe für die Hochwasseropfer zustimmen werden. Er meinte jedoch, Teile des Abänderungsantrages der Koalitionsparteien würden bloß ein "etwas anders definiertes Budgetüberschreitungsgesetz darstellen, das mit dem Transportriemen der Hochwasserentschädigung ins Plenum gebracht werden soll". Nicht nachvollziehbar war für den SP-Finanzsprecher etwa, was die Finanzierung von Studien über die Rote Armee in Österreich zwischen 1945 und 1955 mit dem Hochwasser zu tun haben.

In diesem Sinn äußerte sich auch Abgeordneter Werner Kogler (G), der den Koalitionsparteien ebenfalls die volle Zustimmung seiner Fraktion zu sämtlichen Maßnahmen der Hochwasserhilfe im engeren Sinn zusagte, die darüber hinausgehenden Punkte allerdings in der heutigen Sitzung nicht mittragen wollte.

Nachdem Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S), aber auch Jakob Auer (V) auf das vor allem in Steyr aufgetretene Problem von Schäden an privat errichteten Bach- bzw. Ufermauern hingewiesen hatten, versicherte Staatssekretär Alfred Finz, dass in diesen Fällen sämtliche Beeinträchtigungen entweder über das Steuerrecht Berücksichtigung erfahren oder nach dem Katastrophenfondsgesetz abgegolten werden.

DIE HOCHWASSERHILFE

250 Mill. € werden den Ländern für Hilfeleistungen an geschädigte Personen zur Verfügung gestellt, weitere 250 Mill. € - davon 28 Mill. € für Sofortmaßnahmen - dienen dem Wiederaufbau der Infrastruktur. Zur Sanierung der Siedlungswasserwirtschaft wird eine Sondertranche von 50 Mill. € bereitgestellt. Bei der Entsorgung und Deponierung hochwasserbedingter Abfälle verzichtet der Bund auf 500.000 € an Altlastenbeiträgen. 2,7 Mill. € werden für den Zukauf von Raufutter umgeschichtet. Erleichterungen im Einkommensteuergesetz bringen den Hochwasseropfern insgesamt 400 Mill. €. Im Einzelnen sind Begünstigungen für katastrophenbedingte Anschaffungen und Hilfeleistungen, Fristerstreckungen bei Anträgen sowie der Entfall des Säumniszuschlags bei katastrophenbedingtem Zahlungsverzug vorgesehen. Verlorene Urkunden werden gebührenfrei ersetzt.

VORKEHRUNGEN FÜR DIE GLEICHBEHANDLUNG DER HOCHWASSEROPFER

Ziel einer Entschließung und zentraler Punkte eines umfangreichen Abänderungsantrages, den die Abgeordneten Hermann Böhacker (F) und Günter Stummvoll (V) in der Debatte vorlegten, war die Gleichbehandlung der Hochwasseropfer. Zur Entscheidung über allfällige Beschwerden werden bei den Ländern Kommissionen eingerichtet, die auch ausgleichende finanzielle Hilfen zusprechen können. Zudem werden Hochwasseropfer, die sich ungenügend entschädigt fühlen, die Möglichkeit haben, sich - über den zivilrechtlichen Klagsweg hinaus - über E ntscheidungen der Länder bei der Volksanwaltschaft zu beschweren. "Empfehlungen der Volksanwaltschaft, insbesondere bei Feststellung einer Ungleichbehandlung oder einer Verletzung fundamentaler Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens, sollen von den betroffenen Ländern nach Möglichkeit, auch durch entsprechende Ausgleichszahlungen, umgesetzt werden", verlangt der Finanzausschuss.

Schließlich sieht der einstimmig angenommene FP-VP- Abänderungsantrag vor, dass die vorzeitige Abschreibung für Ersatzbeschaffungen (und damit auch die besondere Investitionsprämie) bereits für Anschaffungen (Herstellungen) ab Juni 2002 gelten.

FINANZIELLE VORSORGEN - ÄNDERUNG DES BUNDESFINANZGESETZES 2002

Die Finanzierung des Hochwasserhilfsprogramms, aber auch der aktuelle Konjunkturrückgang, der zugleich Mindereinnahmen bei den Abgaben und höhere Ausgaben des Staates verursacht, machen überdies finanzielle Vorsorgen im Bundeshaushalt notwendig. Daher enthält der F-V-Abänderungsantrag auch weitere Ermächtigungen für den Finanzminister, Kredite aufzunehmen und Budgetmittel umzuschichten. Die Haftung des Bundes für Schäden aus Terror- und Kriegsereignissen wird bis Ende 2003 verlängert.

Die Änderungen bei Voranschlagsansätzen im BFG 2002 dienen im Einzelnen teils der Hochwasserhilfe, teils der Konjunkturbelebung:

Förderung von Eigenkapital für Unternehmensgründungen, Errichtung privater Lehranstalten und Ausstattung von Unterrichtsräumen in privaten Bildungsinstitutionen, verstärkte Förderung des österreichischen Films, Förderung von Arbeitnehmerorganisationen und anderer Aktivitäten im Hinblick auf die EU-Erweiterung, Abgeltung der Normverbrauchsabgabe, EDV-Investitionen für die Gesundheits- und Ernährungssicherheit sowie für Gerichte und Justizanstalten, Förderung von Gesundheitsmaßnahmen (Mental health, HIV, Alkohol), Vorbereitung des Verkaufs von Bundesvermögen, verbilligter Verkauf von 30.600 t Getreide an hochwassergeschädigte Viehbauern, Förderung von Projekten im "Jahr der Berge 2002", zusätzliche Zahlungen an Opfer des Nationalsozialismus, Abdeckung des Mehraufwandes bei Restitutionszahlungen, Mobile Computing, E-Recht und beim Umbau von Klubsitzungsräumlichkeiten, Förderung des Festspielvereins Erl in Tirol, Förderung der wissenschaftlichen Tätigkeit des Hayek-Instituts, Förderung eines Forschungsprojekts über die Rote Armee in Österreich, Rückerstattung von Studienbeiträgen für Studenten aus Entwicklungsländern, Förderung des Verbandes der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs, Kosten bei der Umsiedlung des Außenministeriums, Mehrbedarf bei Vertretungsbehörden im Ausland wegen weltweit steigenden Sachaufwandes (Mieten, Energie, Wohnkosten, Übersiedlungen, Sicherheitsvorkehrungen), Hilfe für den Wiederaufbau Afghanistans, Justizbauten, Bau der KZ-Gedenkstätte "Mauthausen Memorial", Einrichtung der Bundes- Stabsstelle IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie), Förderung des Behindertensports aus Einnahmen eines neuen Rubbelspiels.

LEHRSTELLENFÖRDERUNG UND KONJUNKTURBELEBUNG

Zur Konjunkturbelebung sieht der FP-VP-Abänderungsantrag Zuschüsse für kleine Unternehmen (bis 50 Dienstnehmer) zum Entgeltfortzahlungsaufwand aus Mitteln der AUVA vor. Die Details wird Sozialminister Haupt per Verordnung regeln. Eine Beeinträchtigung von AUVA-Leistungen bei Unfallheilbehandlung, Prävention, Versehrtenrenten, Rehabilitation und Forschung schlossen die Antragsteller aus.

Dazu kommt die Anhebung des Forschungsfreibetrags auf 15 % sowie der Forschungsprämie auf 5 %. Umschulungsmaßnahmen von Personen aus Branchen mit geringen Arbeitsplatzchancen werden abzugsfähig, der Bildungsfreibetrag auf die innerbetriebliche Aus- und Fortbildung ausgedehnt. Der Zeitraum für die steuerneutrale Auflösung von Abfertigungsrückstellungen wird ein Jahr vorgezogen.

Als Investitionsanreiz wird eine Investitionszuwachsprämie von 10 % gewährt. Sie gilt für den Investitionszuwachs (neue bewegliche, materielle Wirtschaftsgüter) im Kalenderjahr 2002 bzw. 2003 gegenüber dem Durchschnitt der Investitionen in den drei vorangegangenen Wirtschaftsjahren.

Zur finanziellen Entlastung von Lehrbetrieben übernimmt die AUVA die auf 20 Mill. € jährlich geschätzten Kosten für den Unfallversicherungsschutz der Lehrlinge künftig zur Gänze. Im Gegenzug leisten Dienstgeber und Lehrlinge im 3. Lehrjahr künftig Beiträge zur Krankenkasse, was dort zu Mehreinnahmen von 20 Mill. € jährlich führen wird. Der bisherige Lehrlingsfreibetrag durch eine Lehrlingsausbildungsprämie ersetzt.

EINRICHTUNG EINER ZUKUNFTSVORSORGE

In Weiterentwicklung der "Abfertigung-Neu" soll eine mit einer Prämie geförderte Zukunftsvorsorge für alle Steuerpflichtigen (Unternehmer, Arbeitnehmer inklusive Beamte, Haufrauen und -männer) unter 63 Jahren eingerichtet werden. Die Prämie wird Bürgern zustehen, die sich unwiderruflich zu einer mindestens zehnjährigen absoluten Kapitalbindung verpflichten. Nach Ablauf der Zehnjahresfrist kann der Steuerpflichtige sein Kapital abziehen, muss in diesem Fall aber die Prämien zurückzahlen und die steuerfreien Kapitalerträge nachversteuern. Das neue Finanzprodukt dient der Förderung des Kapitalmarktes. Das Kapital soll zu 60 % in Unternehmen investiert werden, die in kapitalmarktschwächeren EWR-Staaten notieren.   

(Schluss)