Parlamentskorrespondenz Nr. 644 vom 19.09.2002

NATIONALRATSFRAKTIONEN BEWERTEN ARBEIT DER BUNDESREGIERUNG

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Wien (PK) - In der heutigen Sitzung des Nationalrates werden nicht nur die Erklärungen von Kanzler und Vizekanzlerin zu zweieinhalb Jahren FPÖ-ÖVP-Koalition debattiert, sondern auch das Hochwasserentschädigungs- und Wiederaufbau-Gesetz beschlossen. Dieses Gesetz bringt den Opfern nicht nur Direktzuschüsse, sondern enthält auch steuerliche Maßnahmen. So können Spenden als Betriebsausgabe und Wiederaufbaumaßnahmen ohne Begrenzung als Sonderausgabe abgesetzt werden.

Präsident Dr. FISCHER gab zudem bekannt, dass die Fraktion der Grünen einen Dringlichen Antrag (750/A[E]) betreffend Stopp der Beschaffung von Abfangjägern eingebracht habe. Dieser Antrag wird um 15 Uhr aufgerufen. Je ein Antrag der Sozialdemokraten und der Grünen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Thema Abfangjäger-Beschaffung wird Gegenstand einer Debatte nach Erledigung der Tagesordnung sein.

BILANZ DER BUNDESREGIERUNG, HOCHWASSEROPFERENTSCHÄDIGUNG S- UND WIEDERAUFBAU-GESETZ 2002

Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL begann seine Bilanz von zweieinhalb Jahren schwarz-blauer Regierungsarbeit mit einem Dank an Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer und die beiden Klubobmänner Andreas Khol und Peter Westenthaler sowie an sein Regierungsteam. Auf die Habenseite der Bilanz stellte der Bundeskanzler dann zunächst die "neue, revolutionäre Kompetenzverteilung" in der Regierung. Er nannte dann u.a. die Bewältigung der Sanktionen und Österreichs Beitrag bei Osterweiterung der EU. "Österreich hat in den zweieinhalb Jahren seinen Platz in der Welt gefunden und bewahrt", fasste Schüssel zusammen.

2001 sei erstmals seit 30 Jahren im gesamtstaatlichen Budget ein Überschuss erzielt worden, kam Schüssel sodann auf die Finanz-, Budget- und Wirtschaftspolitik zu sprechen. 2002 sei dies, infolge der Hochwasserkatastrophe und des internationalen Konjunktureinbruchs, anders; Ziel müsse aber bleiben, "in guten Zeiten keine neuen Schulden zu machen".

Auf die demographische Entwicklung - höhere Lebenserwartung, sinkende Geburtenrate - habe die Regierung mit einem ganzheitlichen Gegenkonzept reagiert, das ein Familienpaket, die Anhebung des gesetzlichen Frühpensionsalters um eineinhalb Jahre und eine soziale Kontrolle der Zuwanderung umfasst habe. Die Behindertenmilliarde, die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, die Familienhospizkarenz, Kindergeld statt Karenzgeld und die Neuregelung der Abfertigung nannte der Bundeskanzler dann als die sozialpolitischen Schwerpunkte der Politik der Koalition. In seiner Bilanz ging er weiter auf die Entschädigung für Zwangsarbeiter und für Kriegsgefangene sowie die Restitutionsleistungen, die Maßnahmen im Bildungsbereich, die neue Gewerbeordnung, die Maßnahmen zur Privatisierung, die Infrastrukturinitiative und die Maßnahmen im Bereich der Sicherheitspolitik ein. Der Ankauf von Abfangjägern sei "auf Eis gelegt", sagte Schüssel, die nächste Bundesregierung werde sich damit befassen.

Der Bundeskanzler ging sodann auf die Hochwasser- und Wiederaufbauhilfe ein - "die Entlastung aller hat Nachrang gegenüber der Entlastung der Opfer", sagte Schüssel - und skizzierte die Maßnahmen des Pakets zur Konjunkturbelebung. Den Sozialpartnern dankte der Bundeskanzler für ihren Beitrag im Zusammenhang mit der betrieblichen Mitarbeitervorsorge und beim Pakt für Jugend, Beschäftigung und Bildung.

"Österreich war, ist und bleibt ein starkes Land, eine sichere Heimat, ein anerkannter Partner im Herzen Europas", sagte Schüssel abschließend. Es gebe keinen Grund für "Krisengeschrei". "Der Wähler ist am Wort, wir haben unsere Arbeit getan."

Vizekanzlerin Dr. RIESS-PASSER ging zunächst auf die Hochwasser- und Wiederaufbauhilfe ein, die auch nicht beendet sein dürfe, wenn die Katastrophe aus den Schlagzeilen verschwunden sei. Sie dankte allen professionellen Helfern und den Spendern. Am Ende ihrer politischen Tätigkeit sei es ein schönes Erlebnis gewesen zu sehen, "wie dieses Land zusammen steht", sagte die scheidende Vizekanzlerin.

In ihren Abschiedsworten vor dem Hohen Haus zog Riess-Passer dann auch eine persönliche Bilanz über 15 Jahre politischer Tätigkeit. Sie habe "immer versucht, zu ermitteln und zu vermitteln, wo die Grenze verläuft zwischen Pragmatismus und Opportunismus, zwischen Freiheit und Autorität, zwischen Interessen und Idealen, zwischen Bewahren und Verwandeln", sagte sie, und das müsse immer wieder neu durchdacht und erspürt werden. Abschließend bedankte sie sich bei den Kollegen in der Bundesregierung, bei ihrer Fraktion, bei den Obmännern der Koalitionsfraktionen, Westenthaler und Khol, aber auch bei der Opposition, bei ihren Mitarbeitern und bei den MitarbeiterInnen des Parlaments.

Präsident Dr. FISCHER dankte der Vizekanzlerin für die geleistete Arbeit und wünschte ihr persönlich alles Gute.

Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) schloss sich dem Dank und den guten Wünschen an. An den Beginn einer Bilanz über zweieinhalb Jahre schwarz-blauer Regierung stellte der SP-Chef Einigungen, die in vielen Sachmaterien gelungen seien. Damit seien tatsächlich wichtige Reformen für Österreich gelungen, zu denen auch seine Fraktion stehe.

Die Bilanz dieser Bundesregierung biete keinerlei Grund für Selbstbelobigung, meinte Gusenbauer. Während in der EU seit dem Antritt der Koalition die Arbeitslosigkeit, aber auch die Steuerquoten gesunken seien, habe Österreich in beiden Bereichen Steigerungen verzeichnet. Der Wirtschaftsmotor laufe in Österreich heute langsamer als im übrigen Europa. Ende dieses Jahres werde der Schuldenstand um 8 Mrd. Euro mehr betragen als im Jahr 2000. Von einer Zukunft ohne Schulden könne bei der Finanzpolitik dieser Bundesregierung keine Rede mehr sein.

Gusenbauer ortete darüber hinaus Versäumnisse in der Beschäftigungspolitik und meinte, das jetzige Konjunkturpaket komme viel zu spät. Der Redner kritisierte aber auch Mängel in der Sozialpolitik, sprach von sozialer Kälte und forderte erneut die Beseitigung der Ambulanzgebühren. Nach dem Chaos der Beendigung dieser Legislaturperiode brauche Österreich nun wieder Einheit und soziale Gerechtigkeit und ganz sicher nicht eine Fortsetzung dieser Koalition nach dem 24. November, betonte er.

Abgeordneter Dr. KHOL (V) erwiderte, die Bilanz der Bundesregierung zeige, dass gut gearbeitet wurde: Österreich sei durch das Kindergeld sozial gerechter und familienfreundlicher geworden, die Sozialpartnerschaft habe sich verbessert, international habe das Land seine Position durch die Abwehr der Sanktionen gestärkt.

Khol begrüßte die rasche Reaktion der Bundesregierung auf die Hochwasserkatastrophe und zeigte sich überdies beeindruckt von der Solidarität der Menschen mit den Opfern. Keine Frage war für den Redner dabei, dass die Steuerreform nun unter dem Druck der Ereignisse aufgeschoben werden müsse. Mit Nachdruck hob Khol auch die Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft und zur Förderung der Jugendbeschäftigung hervor, die seiner Meinung nach die klare Priorität der Beschäftigungspolitik in der Arbeit dieser Koalitionsregierung zum Ausdruck bringen.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) ortete Säumnisse der österreichischen Außenpolitik bei der EU-Erweiterung und vermisste vor allem Leadership des Bundeskanzlers in dieser Frage. Die ÖVP habe sich von der FPÖ anstecken lassen, diagnostizierte er. In der Innenpolitik warf Van der Bellen der Regierung neuen Proporz vor. Neu Regieren habe nichts anderes geheißen als den rot-schwarzen Proporz durch den blau-schwarzen zu ersetzen, resümierte er. Die Wirtschaftspolitik und die Beschäftigungspolitik wiederum seien nach Einschätzung Van der Bellens von einer falschen Ideologie getragen worden, wobei der Grünen-Sprecher insbesondere kritisierte, die Regierung habe die Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik gekürzt und allzu sehr auf den Markt gesetzt.

Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) bezeichnete die FPÖ-Regierungsmannschaft als Motor der Wende. Die FPÖ sei notwendig gewesen, um das alte, verkrustete rot-schwarze Proporzsystem aufzubrechen und den gewaltigen Reformstau zu beenden, unterstrich er. Meilensteine wie die Abfertigung für alle, das Kindergeld, die Erhöhung der Familienbeihilfe, die Familienhospizkarenz oder die Zwangsarbeiterentschädigung konnten nur deshalb gesetzt werden, weil es die Freiheitlichen in dieser Regierung gab, sagte er. Die FPÖ habe all ihre Ankündigungen durchgesetzt und dabei auch den Mut gehabt, notwendige, aber unpopuläre Maßnahmen zu realisieren, meinte Schweitzer, der zum Abschluss seiner Wortmeldung der scheidenden Vizekanzlerin seinen Dank und seine Wertschätzung aussprach.

Bundesminister Mag. MOLTERER zog eine positive Bilanz der Regierungsarbeit für Österreich und nannte diese eine "rot-weiß-rote Erfolgsbilanz für die Heimat". Hinsichtlich der Hilfe für die Opfer der Hochwasserkatastrophe meinte der Minister, dass es der Regierung gelungen sei, den Menschen Hoffnung und Zuversicht zu geben, dass der Wiederaufbau gelingt. Die Bundesregierung habe dabei höchste Professionalität unter Beweis gestellt und durch die Prioritätensetzung für die Hilfe zum Wiederaufbau habe sie auch Leadership bewiesen.

Der Umweltminister bewertete die Umweltpolitik der vergangenen zweieinhalb Jahre als eine mit Hausverstand, die machbar sei und zum Ziel führe, und er zeigte sich überzeugt, dass damit eine wesentliche Zukunftsbasis gelegt worden sei. In punkto Nachhaltigkeit liege Österreich unter den Top Ten der Welt und an der Spitze Europas, durch das Ökostromgesetz, das Road Pricing, durch die Umschichtungen bei der Wohnbauförderung und die Impulse für die Biomasse habe Österreich auch im Klimaschutz Weichen gestellt, unterstrich Molterer. So sauberes Wasser wie heute hätte es nie zuvor gegeben, fuhr der Ressortchef fort, die Alpenkonvention sei abgeschlossen und ratifiziert worden und zwei neue Nationalparks dazugekommen.

Auch das Thema Nuklearpolitik sei aufgrund österreichischer Initiative endlich auch ein Thema in der EU, sagte Molterer. Er erwähnte in diesem Zusammenhang den Konsens über Temelin, wies darauf hin, dass die Nullvariante noch immer als eine Option gelte und dass man nun mit der neuen tschechischen Regierung verhandeln werde. Als weitere zukunftsweisende Reformen nannte der Minister die Schaffung der Lebensmittelagentur, das neue Forstgesetz sowie die Erhöhung der Mittel für die nachhaltige Entwicklung in der Landwirtschaft, für landwirtschaftliche Umweltprogramme und für die Bergbauern. Er würdigte auch den Verwaltungsreformschub, der die Wirtschaft entlaste und Amtswege für die BürgerInnen einfacher gemacht habe. Schließlich befasste er sich mit der Medienreform, die privates Fernsehen ermöglicht und Objektivität im ORF durchgesetzt habe. Dabei zitierte er kritisch ein Faxformular der SPÖ-Gewerkschaft, in dem Mitglieder aufgefordert werden, sich im ORF wegen nicht objektiver Berichterstattung zu beschweren.

Bundesminister Ing. REICHHOLD warnte die Opposition, sich nicht zu früh zu freuen, denn die FPÖ werde beweisen, welche Kraft in der Bewegung stecke. Die Regierungsmannschaft habe Reformkraft bewiesen, vieles zum Positiven geführt und ein internationales Zeichen gesetzt, indem sie nicht vor "internationaler Vernaderung" und vor Demonstrationen in die Knie gegangen sei. Der Minister betonte dabei ausdrücklich, dass die FPÖ in keiner Weise beabsichtige, für irgendjemanden Steigbügelhalter zu sein. Sie wolle ein Team, das die Reformen glaubwürdig fortsetzt. Die Steuerreform sei wichtig, sagte Reichhold, sie muss jedoch aufgeschoben werden. Dennoch, so bekräftigte er, werde die FPÖ an ihrem Kurs festhalten und die Steuerreform einfordern und umsetzen.

Reichhold lobte daraufhin die Arbeit Grassers, der gezeigt habe, dass Stabilitätspolitik auch über die Gesetzgebungsperiode hinaus fortgeführt werden kann. Die Verwaltungsreform unter der Federführung von Riess-Passer habe zur Beschleunigung der Verwaltungsabläufe geführt, deren Ziel es jedoch nicht sei, nur Beamte abzubauen. Die Einführung des Kindergeldes sei ohne Minister Haupt und die FPÖ nicht möglich gewesen, bemerkte der Minister, und trage wesentlich zur Armutsbekämpfung bei.

Der Infrastrukturminister wandte sich dann seinem eigenen Aufgabenbereich zu und stellte fest, dass der Bund 2002 und 2003 um 54 % mehr Mittel für die Infrastruktur ausgebe. Er habe mit Erfolg die lange Verfahrensdauer bei Projekten im Straßen- und Schienenbau verkürzen können und damit einen ökologischen Beitrag geleistet. Die ehemalige SPÖ-geführte Regierung kritisierte er scharf, da diese den Transitvertrag ohne Auslaufregelung abgeschlossen hatte.

Reichhold legte ein klares Bekenntnis zur EU und zur Erweiterung der Union unter bestimmten Bedingungen ab. Diese beträfen die Benes-Dekrete, die Atomkraft, die Zuwanderung und den Verkehr. Ein in Aussicht gestelltes Veto betrachtet er nicht als eine Drohung, sondern als eine eventuelle Antwort. Abschließend sagte Reichhold, dass er gerne Partner für all jene sein wolle, die eine Reformpolitik durchsetzen wollen.

Abgeordneter Dr. CAP (S) bezeichnete die Ausführungen Reichholds als den ersten Versuch einer Parteitagsrede und kritisierte die "Selbstbeweihräucherung" der Regierungsmitglieder, hinter der er als Motiv das schlechte Gewissen vermutet. Die konstruktive Mitarbeit der Opposition werde, so Cap, dadurch unter Beweis gestellt, dass von 174 Gesetzen nur 70 von der Regierung allein beschlossen worden seien. Diese 70 Gesetze hätten es jedoch in sich und hätten der Bevölkerung die größte Belastungswelle gebracht. Den geplanten Kauf von Abfangjägern bezeichnete Cap als gutes Beispiel für Geldverschwendung. Auch kritisierte er die Mittel für die Studien über die Rote Armee in den Jahren 1945-1955 in Österreich.

Cap stellte in Abrede, dass Bundeskanzler Schüssel die Regierungszusammenarbeit beendet hätte, vielmehr trage die Mehrheit der FPÖ dafür Verantwortung. Diese 400 Parteitagsdelegierten würden auch bei der nächsten schwarz-blauen Regierung am Regierungstisch sitzen. Den Bruch der Koalition bewertet der Redner auch als Quittung dafür, dass man drei Volksbegehren negiert hat. Alles in allem überstiegen die Lasten, die diese Regierung hinterlasse, ein noch nie da gewesenes Ausmaß und die ÖVP sollte versuchen, aus dem "gescheiterten Experiment" zu lernen.

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) antwortete auf die Kritik Caps zur Studie über die Rote Armee, dass es sich dabei um eine Übereinkunft handle, die Bundeskanzler Schüssel mit Präsident Putin vereinbart habe.

Stummvoll konzentrierte sich dann auf die Bilanz der Regierungsarbeit und meinte, dass die politische Wende 2000 wichtig und richtig gewesen sei. Das Scheitern der Regierung sei keineswegs das Resultat einer gescheiterten Politik. Vielmehr habe diese Regierung Sachkompetenz, Durchsetzungsvermögen, Reformkraft, Glaubwürdigkeit und Nervenstärke bewiesen. Sie habe in der Finanz-, Sozial- und Bildungspolitik große Reformstärke gezeigt, meinte Stummvoll. Man habe keineswegs versprochen, dass es Jahr für Jahr ein Nulldefizit geben werde, sondern man habe Stabilitätspolitik zugesagt. Die Sozialpolitik sei eine Politik der menschlichen Wärme gewesen, was durch das Kindergeld, durch die Familienhospiz und die Abfertigung neu unter Beweis gestellt worden sei.

Menschliche Politik habe man auch bei der Hochwasserhilfe unter Beweis gestellt, sodass bei den Menschen Pessimismus in Zuversicht umgeschlagen sei. Die Mehrheit der Bevölkerung habe es mitgetragen, der Hochwasserhilfe und den Arbeitsplätzen Vorrang zu geben und die Steuerreform zu verschieben. Stummvoll würdigte in diesem Zusammenhang das vorliegende Konjunkturpaket, das sogar mehr bringe als die erste Etappe der Steuerreform und für die Wirtschaft langfristige Impulse setze. Reformen gingen nicht mit einer Rebellentruppe und auch nicht mit einer Bremsertruppe, so die abschließenden Worte Stummvolls.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) hofft, dass sich "das Chaos, der Streit und das peinliche Schauspiel" der gegenwärtigen Bundesregierung nicht wiederholen. Sie hält es für unfair, die HelferInnen der Katastrophenhilfe zu vereinnahmen, und kritisiert scharf, dass den HelferInnen noch immer keine gesetzlichen Möglichkeiten zur Verfügung stünden, ihren Hilfseinsatz mit dem Beruf durch eine Karenzierung zu vereinbaren. Auch vermisst sie Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Katastrophen und forderte eine Trendwende in der Klima- und Umweltpolitik.

In der Atompolitik werde ihrer Ansicht nach die Ratlosigkeit der Bundesregierung nur durch Schönreden übertroffen. Glawischnig sprach sich für einen europäischen Atomausstieg aus und bezeichnete das Melker Abkommen als eine Luftblase. In der Verkehrspolitik fehlt ihr die Modernisierung der Bahn, die CO2-Bilanz sieht für sie verheerend aus. Aus ihrer Sicht sei daher die Umweltbilanz traurig. Sie versteht es auch nicht, dass die Regierung gegen die Reformvorschläge von Kommissar Fischler ist. Glawischnig erinnerte auch an die Forderung nach einem einheitlichen Tierschutzgesetz.

Eine äußerst negative Bilanz zog die Rednerin auch hinsichtlich der Frauenpolitik, die ihrer Meinung nach abgeschafft worden sei. Frauen verdienten heute 50 % weniger, das Auseinanderklaffen der Einkommensschere sei auf Geschlechterdiskriminierung zurückzuführen. Glawischnig hält das Schönreden der Wirtschaftsdaten für gefährlich und meinte, dass das Nulldefizit die Situation noch verschärft habe. Notwendig wäre aus grüner Sicht daher eine Trendwende im Bereich des Klimaschutzes und der Landwirtschaft, mehr Maßnahmen zu einer gesunden Ernährung und der Verzicht auf den Kauf von Abfangjägern.

Abgeordnete ZIERLER (F) meinte, heute werde Bilanz über zweieinhalb Jahre erfolgreicher Regierungsarbeit und Regierungspolitik gezogen. Obwohl die Ausgangslage nach 30 Jahren SPÖ-Regierung denkbar schlecht gewesen sei, seien Reformen gelungen, "die Österreich zum Besseren verändert haben". Als Erfolge nannte Zierler u.a. das Kinderbetreuungsgeld, die Erhöhung der Familienbeihilfe, die Behindertenmilliarde und die Justizreform. Die Regierung habe zudem gezeigt, dass sie "in hochbrisanten Situationen" wie der BSE-Krise oder der Hochwasserkatastrophe schnell und richtig reagieren könne.

Der SPÖ und den Grünen warf Zierler "verbale Gewalt" vor und sprach sich vehement gegen eine rot-grüne Koalition aus. Die SPÖ habe ein großes sozialistisches Herz, wenn es um Parteiinteressen gehe, aber ein ganz kleines soziales Herz, sagte sie.

Wirtschaftsminister Dr. BARTENSTEIN erinnerte daran, dass es Ziel der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der Regierung gewesen sei, den Standort Österreich zu stärken und Arbeit zu schaffen. Er zog eine positive Bilanz der Regierungsarbeit und gab zu bedenken, dass viele Reformen, etwa im Bereich der Energiepolitik, auch von der Opposition unterstützt worden seien. So sei im Jahr 2001 ein ausgeglichener Haushalt geglückt, weiters habe man durch eine maßvolle Liberalisierung der Gewerbeordnung mehr wirtschaftliche Freiheit geschaffen, die Strom- und Gasmarktliberalisierung umgesetzt und sehr viel für Forschung und Entwicklung sowie für Bildung getan. Und das alles in einer Phase, so Bartenstein, in der Österreich "internationaler Konjunkturwind entgegenbläst".

Was die Arbeitsmarktpolitik betrifft, betonte der Wirtschaftsminister, Vollbeschäftigung müsse weiter das Ziel bleiben. In diesem Sinn tue die Regierung mit dem Konjunkturpaket viel für die Jugendbeschäftigung. Bartenstein machte zudem geltend, dass Österreich im EU-Vergleich nach wie vor niedrige Arbeitslosenraten habe.

Sozialminister Mag. HAUPT hob die Hochwasserhilfe der Bundesregierung hervor und rechnete vor, dass für 186.000 Betroffene 1,9 Mrd. € aufgebracht werden konnten. Schnelle und sofortige Hilfe sei das Wichtigste, unterstrich er. Besonderen Dank äußerte er gegenüber jenen Tausenden Österreichern, die bei der Hochwasserkatastrophe freiwillig im Einsatz gewesen seien, und gegenüber dem Bundesheer.

Im Bezug auf die Regierungsbilanz sagte Haupt, man habe Vieles im Sozialbereich bewegt. So habe man nicht nur das Pensionsantrittsalter erhöhen, sondern auch einen besseren Zugang zur Invaliditätspension für ungelernte Arbeiter und Hilfsarbeiter schaffen können. Zudem habe man zwar die Unfallrentenbesteuerung eingeführt, durch Refundierungen für sozial Schwache sei aber auch hier die soziale Dimension bewahrt worden. Eine Abschaffung der Ambulanzgebühr würde Haupt zufolge aufgrund des Einnahmenausfalls 300 S zusätzliche Belastungen für jeden einzelnen Versicherten bringen. Für die gestiegenen Arbeitslosenzahlen machte der Minister vor allem das Bundesland Wien verantwortlich.

Als "Meilensteine" seines Hauses nannte Haupt das Kinderbetreuungsgeld, die Abfertigung neu und die Familienhospizkarenz. Wenn die Sozialleistungen der Regierung fair geprüft würden, bräuchten sich die Freiheitlichen und die Regierung nicht vor dem 24. November fürchten, konstatierte der Sozialminister.

Abgeordneter VERZETNITSCH (S) wies die Darstellung von Minister Haupt zurück, wonach in erster Linie Wien für die Steigerung der Arbeitslosigkeit verantwortlich sei, und machte auf die gestiegene Arbeitslosigkeit in den westlichen Bundesländern aufmerksam. Zudem ist ihm zufolge die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes zurückgegangen.

Den Abgeordneten der Regierungsparteien hielt Verzetnitsch vor, sich offenbar nicht mehr daran erinnern zu können, dass sie die kostenlose Mitversicherung für Ehepartner gestrichen, die motorbezogene Versicherungssteuer um 50 % erhöht und die Gebühr für die Autobahnvignette verdoppelt hätten. Die noch von der alten Regierung beschlossene Steuerreform 2000 sei durch die Belastungen der jetzigen Bundesregierung wieder "kassiert" worden, klagte er. Kritisch äußerte sich Verzetnitsch zudem zu den Aussagen Khols über die Sozialpartnerschaft und erklärte, die Sozialpartnerschaft habe unabhängig von wahltaktischen Überlegungen längerfristige Ziele zu verfolgen.

Abgeordneter SCHWARZENBERGER (V) wies eingangs auf die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hin, verfüge Österreich doch heute über 40.000 Arbeitsplätze mehr als noch 1999. Weiters sei die Zahl der Frühpensionen zurückgegangen, auch die Arbeitslosenzahlen hätten sich vor dem Hintergrund der weltweiten Konjunkturlage ansprechend entwickelt. Sodann sprach Schwarzenberger über die Situation nach der Hochwasserkatastrophe und unterstrich die entschlossene Vorgangsweise der Regierung zugunsten der Opfer.

Vor allem das Programm zur Sanierung der Landwirtschaft sei beachtlich und überaus begrüßenswert, so der Redner, der meinte, die Bilanz der Bundesregierung sei sowohl hinsichtlich der Anforderungen der Landwirtschaft als auch generell eine grundlegend positive. Sodann nutzte Schwarzenberger die Gelegenheit seiner Rede zu einer persönlichen Bilanz, da Schwarzenberger nach mehr als 20 Jahren als Abgeordneter dem neu zu wählenden Nationalrat nicht mehr angehören werde.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) konnte die Einschätzung seines Vorredners hinsichtlich der Bilanz der Bundesregierung nicht teilen und meinte, die Bilanz dieser Koalition falle in Summe so negativ aus, wie noch unter keiner anderen Bundesregierung der Zweiten Republik. Und er sage dies im Wissen, dass auch die Große Koalition Stillstand bedeutete und bedeuten würde. Unter der gegenwärtigen Koalition wurden ganze Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt. Es habe einen schlechten Start gegeben, die Regierung sei niemals in die Gänge gekommen, alle großen Themata harrten heute noch einer zukunftweisenden Lösung.

So habe trotz aller Ankündigungen hinsichtlich eines "Nulldefizits" das jetzige Defizit nichts mit der Hochwasserkatastrophe zu tun. Es fehle ein Konjunkturpaket, wichtige Maßnahmen im Umweltschutz und viele Schritte mehr, etwa bei den Ambulanzgebühren. Die Regierung schleiche sich zu einem Zeitpunkt aus ihrer Verantwortung, wo konkrete Lösungen auf vielen Gebiet nötig wären. Unter Bezugnahme auf ein Motto der Regierung sagte Öllinger: "Speed kills Quality". Eine neue Regierung möge anders vor die Bevölkerung treten als jene, deren Amtszeit nun zu Ende gehe, meinte Öllinger, der auch auf die Personalpolitik der ÖVP hinwies, die etwa bei 27 % Wähleranteil für ihre absolute Mehrheit in den Gremien des ORF gesorgt habe. Die ÖVP wolle mit allen Mitteln an der Macht bleiben und Posten sammeln, auch wenn damit der soziale Friede gefährdet werde, und das sei zuwenig für die Zukunft dieses Landes, unterstrich Öllinger.

Bundesminister Dr. BÖHMDORFER zog hingegen ebenfalls eine positive Bilanz dieser Regierung und meinte, sein Ressort habe konsequent gearbeitet, auf eine Phase der Stagnation unter der Großen Koalition habe man eine Dynamik entwickelt, in der 200 Novellen und zwei völlig neue Gesetze geschaffen wurden. Auf diese Arbeiten würden künftige Regierungen aufbauen können, zeigte sich Böhmdorfer überzeugt. Große Reformen seien beendet, neue auf die Schiene gebracht worden, sagte Böhmdorfer, der auch auf die Reaktion angesichts der Ereignisse des 11. September 2001 und auf die Fortschritte auf den Gebieten des Sexualstrafrechts und des Drogenbereichs verwies und die Fortschritte bei der Wirtschaftsgesetzgebung betonte. Auch beim Konsumentenschutz habe man neue Wege beschritten, was positive Resultate gezeitigt habe, so Böhmdorfer, der sich abschließend für die konstruktive Zusammenarbeit im Hohen Haus bedankte.

Abgeordneter Mag. FIRLINGER (F) vertrat die Ansicht, die Erfolgsbilanz dieser Regierung mit ihrer freiheitlichen Beteiligung könne sich sehen lassen, eine bessere Regierung müsse erst noch gefunden werden. Die Hochwasserkatastrophe sei eine Bewährungsprobe gewesen, bei der sich die Regierung ausgezeichnet habe. Die Hilfe sei prompt und höchst effizient erfolgt, noch nie seien Maßnahmen so trefflich gesetzt worden wie durch diese Regierung, sagte der Redner. Unter diesem Gesichtspunkt sei auch die geplante Konjunkturbelebung zu sehen, wo sich diese Regierung mit ihrem großartigen Unterstützungsprogramm neuerlich auszeichne. Abschließend würdigte Firlinger die Tätigkeit der Vizekanzlerin.

Abgeordnete BURES (S) übte scharfe Kritik an der Politik dieser Regierung und bemängelte beispielhaft deren Gesundheitspolitik, die zu einer Zweiklassenmedizin geführt habe. Die Kluft zwischen Reich und Arm werde immer größer, man verliere mittlerweile gar den Mittelstand, die Arbeitslosigkeit sei besorgniserregend, die Steuer- und Abgabenquote erdrückend, der Ankauf unnötiger Kampfflugzeuge und ähnliche Maßnahmen zerstörten den sozialen Zusammenhalt dieses Landes. Die Sozialdemokratie setze andere Maßstäbe im Interesse der Bevölkerung und dieses Landes, und genau dadurch unterscheide sie sich von der Partei des Kanzlers, die auf sozialem Gebiet eine katastrophale Bilanz aufweise. Der Kanzler gebe ein schlechtes Vorbild ab, am 24. November habe man die Wahl zwischen den ehrgeizigen Karriereplänen eines Mannes und den Interessen der Bevölkerung.

Abgeordneter Dr. SPINDELEGGER (V) wies auf die Familienpolitik seiner Partei hin und warf den Sozialdemokraten vor, auf diesem Gebiet keine Schwerpunkte zu setzen. Seine Partei setze nicht auf Euthanasie, sondern auf Sterbekarenz, seine Partei stehe auch seit Jahren für eine Abfertigung für alle, ein sozialpolitischer Meilenstein, der unter dieser Bundesregierung durchgesetzt werden konnte. Jetzt stehe seine Partei für das Konjunkturpaket, der Vergleich zwischen Regierung und Opposition mache also sicher, so Spindelegger.

Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) sprach zum Verkehrsbereich, wo die Bilanz der Bundesregierung ebenfalls negativ ausfalle, dabei beispielhaft auf die Transitfrage eingehend, wo ein Transitdesaster ersten Ranges zu erwarten sei. Hier seien die falschen Prioritäten gesetzt worden, habe man kontraproduktiv agiert, kritisierte die Rednerin.

Abgeordneter BÖHACKER (F) brachte einen Abänderungsantrag betreffend Ambulanzgebühren und weitere Erleichterungen im Einkommensteuergesetz ein. (Forts.)