Parlamentskorrespondenz Nr. 150 vom 26.03.2003

EIN HAUCH VOM NIEDERÖSTERREICHSCHEN WAHLKAMPF IM NATIONALRAT

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Wien (PK) - Ein Thema aus dem niederösterreichischen Landtagswahlkampf bestimmte heute den Beginn der Sitzung des Nationalrates. SPÖ-Abgeordneter Dr. WITTMANN begründete das von seiner Fraktion gewählte Thema für die Aktuelle Stunde "Keine Spekulation mit Steuergeldern - einheitliche Veranlagungsbestimmungen im Finanzausgleichsgesetz für Gelder aus dem Verkauf von Wohnbauförderungsdarlehen" mit den Verlusten, die der niederösterreichische Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka "erwirtschaftet" habe, weil er Verkaufserlöse niederösterreichischer Wohnbaudarlehen spekulativ veranlagt habe.

Der diesbezügliche Beschluss des niederösterreichischen Landtags habe zwar auf Verwertung von Wohnbauförderungsmitteln gelautet, aber nichts über die Form der Veranlagung ausgesagt. Die niederösterreichische Landesverfassung schreibe aber allen Organen des Landes vor, bei der Verwertung von Titeln die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit einzuhalten. Es stehe dem Finanzlandesrat nicht frei, die Gelder im "Casino des internationalen Aktienmarkts" zu veranlagen. Sobotka veranlagte 40 % der 34 Mrd. S in Aktien, was allein im Jahr 2002 zu Verlusten von 3,7 Mrd. S geführt hat. An jedem Tag dieses Jahres habe der Finanzlandesrat 10 Mill. S "verspielt", ohne dass der niederösterreichische Landeshauptmann tätig geworden wäre. Mit diesem Geld hätten 15.000 Sozialwohnungen gebaut oder 100 % der Hochwasserschäden abgegolten werden können. Abgeordneter Wittmann schlug daher vor, im Finanzausgleichsgesetz bundeseinheitliche Veranlagungsbestimmungen zu verankern, um zu verhindern, dass Steuergeld "an den internationalen Börsentischen verspielt" werde.

Staatssekretär Dr. FINZ unterstützte zunächst die Forderung nach einem Verbot, mit Steuergeld zu spekulieren. Einer Novelle zum Finanzausgleichsgesetz könne er aber nicht zustimmen, weil zwischen Bund und Ländern vereinbart worden sei, auf jede bundesgesetzliche Zweckbindung zu verzichten. Die Erlöse aus dem Verkauf von Wohnbaudarlehen seien reines Landesvermögen. Der Bund wäre schon aus Gründen der notwendigen Flexibilität schlecht beraten, die Zuständigkeit der Länder in dieser Sache einzuschränken. Daher sei der Nationalrat nicht der Ort, an dem über diese Sache zu verhandeln sei, zuständig seien die Landtage. Dass mit Steuergeld sorgfältig umzugehen sei, stehe außer Streit, wobei Finz die SPÖ daran erinnerte, dass der Bund 7 Mrd. € an Zinsen jährlich zu leisten habe, weil in der Vergangenheit nicht sorgfältig mit Steuergeld umgegangen worden sei. Kursverluste seien überdies nicht nur in Niederösterreich eingetreten, sondern auch in Wien, das seinen Anteil an der Bank Austria gegen ein Aktienpaket getauscht habe, das im Vorjahr von einem Kursverlust von 76 % oder 1,29 Mrd. € betroffen war. In Niederösterreich sei das Risiko durch eine Veranlagung von 60 % in Anleihen und 40 % in Aktien breit gestreut worden. Die Vorgaben des Landtages seien umgesetzt worden, habe die Überprüfung des Landesrechnungshofes ergeben.

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) sprach von einer extrem unglaubwürdigen Polit-Show der SPÖ vor der niederösterreichischen Landtagswahl und erinnerte die Sozialdemokraten daran, dass die niederösterreichischen SPÖ-Vertreter der Veranlagung der Wohnbaugelder insgesamt vier Mal zugestimmt haben: zwei Mal im Rahmen einstimmiger Regierungsbeschlüsse, einmal im Landtag und einmal im zuständigen Beirat. Überdies sei die Transaktion vom Rechnungshof und von einem internationalen Finanzexperten geprüft und für ordnungsgemäß befunden worden. Der Angriff auf Wolfgang Sobotka sei ungerechtfertigt; Sobotka betrachte Politik als Zukunftsgestaltung und sorge dafür, dass auch künftigen Generationen noch Geld für den Wohnbau zur Verfügung steht.

Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) unterstrich die Forderung ihrer Fraktion nach einheitlichen Veranlagungsbestimmungen im Finanzausgleichsgesetz, weil verhindert werden müsse, dass mit Steuergeldern spekuliert wird. Die Handlungsweise des niederösterreichischen Finanzlandesrates, die zu massiven Verlusten geführt habe, sei ein Skandal, den auch noch so viele ÖVP-Redner nicht schön reden könnten. Denn im Beschluss des niederösterreichischen Landtages stehe nichts von Aktienspekulationen und nichts von risikoreichen Veranlagungen. Auch Heinisch-Hosek bedauerte, dass das Geld, das nun fehle, nicht für Wohnungen und nicht zur Förderung von Lehrstellen und Jugendbeschäftigung eingesetzt werden könne.

Abgeordnete ROSENKRANZ (F) verlas einen Brief des niederösterreichischen FPÖ-Klubobmanns an die SPÖ, in dem dieser um Unterstützung für die Abhaltung einer Sondersitzung des niederösterreichischen Landtages zum Thema Veranlagung der Wohnbaumittel bat. Die SPÖ habe diesem Wunsch zurückgewiesen, weil sie keine Veranlassung und keinen Handlungsbedarf in dieser Sache gesehen habe. Heute im Nationalrat "den wilden Mann zu spielen" hat für Rosenkranz keinen Sinn, wenn man in Niederösterreich aus Angst vor der ÖVP seine politischen Rechte und Verpflichtungen nicht wahrnehme. Auch Rosenkranz kritisierte die hochspekulative Veranlagung von 40 % der Erlöse aus dem Darlehensverkauf und klagte über die hohen Verluste. Die Kritik der SPÖ, die sich in Niederösterreich mit einem "Platz am Katzentisch", als "Ministranten der ÖVP-Allmacht" zufrieden geben, sei aber nicht glaubwürdig.

Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) sprach von einer merkwürdigen Argumentation des Finanzstaatssekretärs, der sich darauf beschränkt habe, darauf hinzuweisen, dass auch in Wien Verluste eingetreten seien. Faktum sei, dass österreichisches Steuergeld verwirtschaftet und künftige Wohnbauförderungsmittel geschmälert wurden. Die einzige Partei, die gegen die Veranlagung der Wohnbauförderungsmittel aufgetreten sei, waren die Grünen. Für die Grünen stehe die Frage im Vordergrund, was öffentliche Aufgaben seien und was nicht. Denn nur zu sagen, der Staat könne nicht wirtschaften, daher müsse alles auf den Markt geworfen werden, sei nicht nachvollziehbar. Sobotka habe sein Versprechen von 2 Mrd. S Gewinn pro Jahr erfüllen wollen, da dies mit einem normalen Sparbuch oder Bundesschatzscheinen nicht möglich sei, habe er "mit Steuergeldern Lotterie gespielt".

Staatssekretär Dr. FINZ antwortete, indem er die Veranlagungsstrategie für die niederösterreichischen Wohnbaugelder erläuterte. Es handle sich um eine langfristige Veranlagung, bei der man mit Kursschwankungen rechen müsse. Eine solche Schwankung um 10 % sei jetzt eingetreten, dies sei aber kein realer, sondern nur ein buchmäßiger Verlust, denn abgerechnet werde erst am Ende der zehnjährigen Laufzeit.

Auch Abgeordneter Dr. SPINDELEGGER (V) machte darauf aufmerksam, dass der von der SPÖ behauptete Verlust nur eingetreten wäre, hätte man die Veranlagung aufgelöst. Dies sei nicht geschehen, daher sei kein Niederösterreicher beeinträchtigt worden. Gerade erst kürzlich seien fast 10.000 Wohneinheiten mit Wohnbaudarlehen gefördert worden - das ist Konjunkturpolitik in Niederösterreich! Landesrechnungshof, Bundesrechnungshof und Wirtschaftstreuhänder haben bei der Überprüfung der Veranlagung weder Grund für rechtliche Bedenken noch für sonstige Beanstandungen gefunden. Während die ÖVP zu ihrer politischen Verantwortung stehe, wolle die SPÖ aus Wahlkampfgründen plötzlich nichts mehr von Beschlüssen wissen, die sie selbst mitgetragen habe. Es bestehe kein Anlass zur Diffamierung des niederösterreichischen Finanzlandesrates Wolfgang Sobotka.

Demgegenüber erinnerte Abgeordnete SCHASCHING (S) daran, dass der Beschluss des niederösterreichischen Landtages selbstverständlich auf eine sichere Veranlagung gerichtet war. Finanzlandesrat Sobotka habe in der für die niederösterreichische ÖVP typischen,  selbstherrlichen Art 40 % des Betrages in Aktien veranlagt, was zu den hohen Verlusten geführt habe. Auch Abgeordnete Schasching klagte, was mit dem verlorenen Geld nicht alles hätte geschaffen werden können und nannte insbesondere Wohnhausanlagen, Pensionistenheime und Sporteinrichtungen.

Abgeordneter WATTAUL (F) warf der SPÖ vor, den Nationalrat für Zwecke ihres niederösterreichischen Wahlkampfes zu missbrauchen. In der Sache übte aber auch er heftige Kritik an Finanzlandesrat Sobotka. Wäre dieser Unternehmer, wäre er längst in Konkurs. Da Landeshauptmann Pröll seine Verantwortung nicht wahrnehme, bleibe Sobotka aber weiter im Amt und könne eine Pension von 83.000 S erwarten. Parteienstaat oder Freiheit für Niederösterreich lautet die Alternative, vor der die niederösterreichischen Wähler für Abgeordneten Wattaul stehen.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) rechnete der Volkspartei vor, dass der niederösterreichische Finanzlandesrat den Bundesbeitrag zur Wohnbauförderung eines ganzen Jahres in den Sand gesetzt habe. Die ÖVP könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass zehntausende Wohnungen in der Zukunft nicht gefördert werden können. Dass es auch anders gehe, zeige das Land Oberösterreich, wo - mit Zustimmung der Grünen - ein Weg gewählt wurde, der nicht zu einer Veranlagung auf dem Kapitalmarkt führte, weil man wusste, dass dort nicht absehbare Risken herrschen. (Schluss Aktuelle Stunde/Forts. NR)