Parlamentskorrespondenz Nr. 272 vom 06.05.2003

REKORDVERDÄCHTIG: BUDGETBEGLEITGESETZ MIT 91 GESETZESÄNDERUNGEN (1)

Was in dem 700 Seiten umfassenden Konvolut der Regierung steht

Wien (PK) - Sechs neue Gesetze und zum Teil tief greifende Änderungen an insgesamt 85 bestehenden Gesetzen sind der Inhalt einer mehr als 700 Seiten starken Vorlage, die die Bundesregierung dem Nationalrat unter dem Kurztitel "Budgetbegleitgesetz 2003" (59 d.B.)in der letzten Woche vorgelegt hat. Als oberstes Motiv für ihren Entwurf nennt die Regierung die Fortsetzung der Budgetkonsolidierung und die Sicherung der Pensionen weit über den Zeitraum einer Legislaturperiode hinaus. Konkret geht es bei den vorgeschlagenen gesetzlichen Maßnahmen einerseits um die Verminderung von Ausgaben und andererseits um Mehreinnahmen "unter Bedachtnahme auf die Ziele der Steuergerechtigkeit und der sozialen Treffsicherheit".

Zu den zentralen Neuerungen und Änderungen zählen die bereits heftig diskutierte Pensionsreform mit ihrer Abschaffung der Frühpensionen, der Ausweitung der Durchrechnung und geringeren Steigerungsbeträgen sowie rasch budgetwirksame Änderungen im Dienst- und Pensionsrecht der Bundesbeamten, die im Jahr 2004 eine Entlastung im Pensionsaufwand des Bundes von 8 Mill. €, 2005 von 48 Mill. € und 2006 von 76,3 Mill. € bringen sollen, die erste Etappe der Steuerreform, die im Jahr 2004 mit einem Entlastungseffekt von insgesamt einer halben Milliarde € wirksam werden soll, eine Altlastensanierungsgesetz-Novelle, eine Umweltförderungsgesetznovelle für die Nutzung der im Kyoto-Protokoll vorgesehenen flexiblen Mechanismen bei der Reduktion der Treibhausgas-Emissionen sowie ein Bundesgesetz über den Nachkauf von Luftraumüberwachungsflugzeugen, das den Verteidigungsminister ermächtigt, 18 Abfangjäger als Nachfolger des Draken zu kaufen - "zum Kaufpreis von bis zu xx Mio. €", wie es im Gesetzentwurf heißt.

Nun ein Überblick über die im Budgetbegleitgesetz, das am 13. und 14. Mai im Budgetausschuss behandelt wird, vorgesehenen Änderungen.

MASSNAHMEN IM BEAMTENPENSIONSSYSTEM

Erhöhung des Pensionssicherungsbeitrages um 1 Prozentpunkt

Anhebung des Pensionsalters auf 65: Das Mindestalter für eine Ruhestandsversetzung durch Erklärung bzw. für eine amtswegige Ruhestandsversetzung wird ab 2004 in Quartalsschritten auf 65 angehoben. Bei BeamtInnen, die sich in Vorruhestandskarenz befinden, wird das Pensionsalter ebenfalls angehoben. Der Bund übernimmt die Mehrkosten bei ausgegliederten Einrichtungen in Höhe der ursprünglich angefallenen Pensionen; damit entstehen für den Bund keine Mehrkosten.

Ruhestandsversetzung zwischen 61,5 und 65 bei hoher beitragsgedeckter Gesamtdienstzeit: Die derzeitige Regelung läuft mit Dezember 2006 aus. Von Jänner 2007 bis Dezember 2010 gilt eine neue Regelung mit Mindestpensionsalter 61,5, ab 2004 gilt der bei vorzeitigem Pensionsantritt vorgesehene Abschlag, allerdings mit 12 Prozentpunkten (15 %) gedeckelt.

Anhebung des Durchrechnungszeitraums auf 40 Jahre bis 2028: In einer Übergangsphase bis 2010 wird der Durchrechnungszeitraum - wie derzeit gültig - jährlich um 12 Monate angehoben. Ab 2011 steigt der Durchrechnungszeitraum rascher, um 2028 einen Durchrechnungszeitraum von 40 Jahren zu erreichen.

Kindererziehungszeiten und Zeiten der Inanspruchnahme einer Familienhospizkarenz vermindern den Durchrechnungszeitraum: Im Falle der Kindererziehungszeiten beträgt die Verminderung maximal 36 Monate pro Kind, im Fall der Familienhospizkarenz entspricht die Verminderung deren Dauer.

Senkung des Steigerungsbetrages auf 1/45 p.a. ab 2004; die bis dahin erworbenen Anwartschaften bleiben gewahrt.

Anhebung des Abschlagsprozentsatzes bei vorzeitigem Pensionsantritt auf 4,2 % p.a. ab 2004: Der Abschlag im Beamtenpensionsrecht reduziert nicht die Pension, sondern die Bemessungsgrundlage; eine Reduktion um 1 Prozentpunkt entspricht einer Kürzung der Pension um 1,25 %; einem Abschlag von 4,2 % entspricht eine Reduktion der Bemessungsgrundlage um 3,36 Prozentpunkte pro Jahr.

SICHERUNG DER GESETZLICHEN PENSIONEN (Änderungen des ASVG, GSVG, BSVG)

Zur Sicherung der gesetzlichen Pensionensversicherung werden u.a. folgende Maßnahmen vorgesehen:

(Schrittweise) Aufhebung der vorzeitigen Alterspension bzw. (schrittweise) Anhebung des Frühpensionsalters: Die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit wird mit Ablauf des Jahres 2003 in die Arbeitslosenversicherung übertragen; die Gleitpension wird mit 1. Jänner 2004 aufgehoben, die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer läuft ab 1. Juli 2004 aus, indem das Anfallsalter etappenweise bis zum 1. Oktober 2009 bis zur Höhe des Regelpensionsalters (65 Jahre bei Männern, 60 Jahre bei Frauen) hinaufgesetzt wird. Die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer besteht bis zum Jahr 2013 weiter.

Fortschreibung der "Hacklerregelung" und Berücksichtigung besonders belastender Arbeitsbedingungen: Personen mit besonders langer Versicherungsdauer sollen bis zum Jahr 2010 die Möglichkeit haben, zum Frühpensionsalter (60 Jahre, ab 2007 61,5 Jahre bei Männern; 55 Jahre, ab 2007 56,5 Jahre bei Frauen) eine vorzeitige Alterspension in Anspruch zu nehmen, wobei bestimmte Ersatzzeiten (Zeiten der Kindererziehung und des Präsenzdienstes) als Beitragsmonate gewertet werden. Darüber hinaus soll Personen mit langer Versicherungsdauer, die den Großteil der Beitragsmonate unter besonders belastenden Arbeitsbedingungen erworben haben, bis zum Jahr 2019 die Möglichkeit eingeräumt werden, (weiterhin) mit 60 Jahren (Männer) bzw. mit 55 Jahren (Frauen) eine vorzeitige Alterspension in Anspruch zu nehmen.

Schaffung der "Durchrechnung": Der Zeitraum für die Bildung der Pensionsbemessungsgrundlage wird von derzeit 15 Jahren schrittweise auf 40 Jahre verlängert. Diese Verlängerung soll ab 1. Jänner 2004 wirksam werden und jährlich 12 Monate betragen, sodass im Jahr 2028 die (nahezu) gesamte Versicherungskarriere den Bemessungszeitraum bilden soll.

Neuordnung des Steigerungsbetrages bzw. der Zu- und Abschläge: Der Steigerungsbetrag, also jener Prozentsatz, der angibt, wie viel Prozent der Gesamtbemessungsgrundlage die Bruttopension beträgt, wird von 2 % auf 1,78 % abgesenkt, wodurch die Höchstpension künftig nach 45 Jahren der Erwerbstätigkeit erreicht wird. Der Bonus wird auf 4,2 % erhöht. Der Malus soll 4,2 % pro Jahr eines vorzeitigen Pensionsantrittes betragen und ist von der jeweils erzielten Bruttopension abzuziehen.

Verbesserung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten: In Hinkunft sollen die ersten 24 Monate ab Geburt eines Kindes, also sechs Monate mehr als nach geltendem Recht, pensionsbegründende Beitragszeiten sein, wenn in dieser Zeit Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld besteht.

Erhöhung der Bemessungsgrundlage für Zeiten der Kindererziehung: Ab 1. Jänner 2004 soll die Bemessungsgrundlage für Kindererziehungszeiten, deren Höhe derzeit dem Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende entspricht, um jährlich 2 % bis zu 150 % dieses Richtsatzes angehoben werden.

Erstattung wirkungsloser Beiträge für den Nachkauf von Schul- und Studienzeiten: Haben Versicherte im Vertrauen darauf, eine Frühpension in Anspruch nehmen zu können, Schul- und Studienzeiten "nachgekauft", sollen diese Zeiten, soweit sie nicht anspruchs- oder leistungswirksam werden, von Amts wegen erstattet werden.

Berücksichtigung der Erwerbstätigkeit neben dem Bezug einer Alterspension für die Höherversicherung: Wird neben dem Bezug einer Alterspension eine die Pflichtversicherung begründende Erwerbstätigkeit ausgeübt, soll dies in Hinkunft pensionserhöhend wirken, indem die entrichteten Beiträge als Beiträge zu einer besonderen Höherversicherung gewertet werden.

(Stufenweise) Absenkung des fiktiven Ausgedinges.

ÄNDERUNGEN IM RAHMEN DER GESETZLICHEN KRANKENVERSICHERUNG (betrifft ASVG, GSVG, BSVG, B-KUVG)

Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ist zu entnehmen, dass Maßnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung notwendig sind, "um den zunehmenden Bedarf an qualitativ hochwertiger Pflege und Betreuung chronisch Kranker abzudecken und eine Ungleichbehandlung aller in der Krankenversicherung Betragsleistenden in Form unterschiedlicher Beitragssätze abzuschaffen". Die Änderungen betreffen:

Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrages für Pensionisten in Jahresschritten bis auf 4,75 % der allgemeinen Beitragsgrundlage;

Schaffung eines einheitlichen Beitragssatzes (7,3 %) für Arbeiter und Angestellte; für Angestellte bedeutet dies eine Erhöhung um 0,4 Prozentpunkte, für Arbeiter eine Absenkung um 0,3 Prozentpunkte.

Einhebung eines Ergänzungsbeitrages zur Finanzierung unfallbedingter Leistungen der Krankenversicherung im Ausmaß von 0,1 % der allgemeinen Beitragsgrundlage (Pension).

Abschaffung des Behandlungsbeitrages-Ambulanz;

Ersatz der Krankenscheingebühr durch einen Kostenbeitrag bei Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe, zahnärztlicher Hilfe und bei Behandlung in einer Spitalsambulanz; der Kostenbeitrag soll durch Verordnung des Hauptverbandes festgesetzt werden.

MASSNAHMEN IM ARBEITSLOSENVERSICHERUNGSGESETZ

Modifizierte Fortführung des Altersteilzeitgeldes: Die Altersteilzeit soll älteren ArbeitnehmerInnen das Arbeiten bis zur Erreichung des Pensionsalters ermöglichen und das Altersteilzeitgeld soll die Einstellung von Ersatzkräften fördern. Die Altersteilzeitgeldregelung wird auf die letzten fünf Jahre vor Erreichung des Pensionsalters beschränkt. Künftig soll das Altersteilzeitgeld in voller Höhe nur Arbeitgebern zustehen, die eine zusätzliche Arbeitskraft einstellen; die übrigen Arbeitgeber sollen das Altersteilzeitgeld nur mehr in halber Höhe erhalten.

PFLEGEGELD: EINMALZAHLUNG AB STUFE 4

Die Änderung des Bundespflegegeldgesetzes, des Opferfürsorgegesetzes und des Behinderteneinstellungsgesetzes bringt die Gewährung einer Einmalzahlung. Die soll in der Stufe 4  220 €, in Stufe 5  300 €, in Stufe 6  410 € und in Stufe 7  550 € betragen. Die im BPGG vorgesehene Einmalzahlung soll auch jenen Opfern der politischen Verfolgung mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland zukommen, die Anspruch auf eine monatliche Leistung in der jeweiligen Höhe eines Pflegegeldes haben.

Bei der Gewährung einer Einmalzahlung an Anspruchsberechtigte auf Pflegegeld in Höhe der Stufen 4 bis 7 ergibt sich im Jahr 2003 ein Mehraufwand von etwa 10 Mill. € für den Bereich der Sozialversicherung.

FINANZIELLE AUSWIRKUNGEN DER REFORMMASSNAHMEN IN DER PENSIONSVERSICHERUNG

Auf der Basis der gegenwärtigen Rechtslage werden sich die Gesamtaufwendungen (inklusive Ausgleichszulagen) der gesetzlichen Pensionsversicherung (ohne Versicherungsanstalt des österreichischen Notariats) im Jahr 2002 auf rund 23.995 Mill. € belaufen. In Prozent des Bruttoinlandsproduktes macht dies einen Anteil von 11,1 % aus. Für das Jahr 2006 werden Gesamtaufwendungen in Höhe von rund 26.365 bis 27.084 Mill. € erwartet.

Aus finanzieller Sicht des Bundeshaushaltes sind nicht so sehr die Gesamtaufwendungen interessant, sondern die Entwicklung der Bundesmittel (Bundesbeitrag und Ausgleichszulagensätze): Diese werden sich 2002 auf rund 5.848 Mill. € belaufen (BVA 2002: 5.663 Mill. €), für das Jahr 2006 werden Bundesmittel von 7.013 bis 7.632 Mill. € erwartet. Der Anstieg der Bundesmittel im Zeitraum 2002 bis 2006 resultiert primär aus der Tatsache, dass einige Sonderüberweisungen an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger, die vor allem in den Jahren 2000 bis 2002 stattgefunden haben, weg gefallen sind.

Die etappenweise Anhebung des gesetzlichen Antrittsalters, beginnend mit 1. Juli 2004, bringt im ersten Jahr eine Senkung des Mehraufwandes von rund 29 Mill. € (2004), von 157 Mill. € im Jahr 2005 und von 309 Mill. € im Jahr 2006. (Fortsetzung)