Parlamentskorrespondenz Nr. 285 vom 08.05.2003

ÖVP UND FPÖ: BUDGETS SICHERN WOHLSTAND UND ERHALTEN SOZIALEN FRIEDEN

Der Opposition wird im Plenum Realitätsverweigerung vorgeworfen

Wien (PK) - Vor Eingang in die Tagesordnung gab Präsident KHOL bekannt, dass ein Antrag auf Abhaltung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 42/AB zur Anfrage 56/J des Abgeordneten Mag. MAIER (S) betreffend Abfrageberechtigte nach dem Meldegesetz eingebracht worden sei. Diese werde um 15 Uhr beginnen.

Nach der Aktuellen Stunde erfolgt die Erste Lesung betreffen die Bundesfinanzgesetze für die Jahre 2003 und 2004.

Abgeordneter Mag. MOLTERER (V) erinnerte an das Motiv der Regierungserklärung "Zukunft braucht Verantwortung". In dieser Regierungserklärung seien, so der ÖVP-Klubobmann, wesentliche Zukunftsprojekte festgehalten: die Fortsetzung einer offensiven Standort- und Wachstumspolitik, eine Offensive in der Beschäftigungspolitik mit dem Ziel der Vollbeschäftigung, aufbauend auf der soliden Leistung der ArbeitnehmerInnen und UnternehmerInnen. Das bedürfe einer dynamischen und offensiven Bildungs- und Ausbildungspolitik und einer offensiven Forschungspolitik als Zukunftspolitik, damit die Arbeit durch Kreativität und Phantasie geleistet werden könne. Die Regierungserklärung spreche sich auch für den Ausbau der sozialen Sicherheit aus und halte gleichzeitig fest, dass das Sozialsystem, dort, wo es notwendig sei, umgebaut werden müsse. Reformen seien unumgänglich, um langfristig das wohl wichtigste Gut, nämlich den sozialen Zusammenhalt zwischen den Generationen, abzusichern, sagte Molterer.

Genauso wichtig sei die Sicherheit nach Innen und Außen. Innere und äußere Sicherheit seien ebenso wenig austauschbar wie die soziale Sicherheit. Es gebe dabei kein Entweder-Oder, sondern nur ein Sowohl-Als Auch.

Molterer erwähnte in diesem Zusammenhang auch das Ziel, die Wirtschaft zu entlasten, und eine umfassende Aufgabenreform umzusetzen. Dies bedürfe einer soliden und verantwortlichen Haushaltspolitik, die nicht zu Lasten der Jugend und der Zukunft Schulden mache. Er, Molterer, sei daher der Bundesregierung dankbar, dass sie es in neun Wochen geschafft habe, ein umfassendes Budgetbegleitgesetz sowie ein Doppelbudget vorzulegen, das er als ein "Zukunftsbudget" und als ein "Budget der Verantwortung" bezeichnete.

Der ÖVP-Klubobmann ging in weiterer Folge auf die Eckpunkte der vorliegenden Budgets ein und nannte als ersten die konsequente Fortsetzung des Konsolidierungsweges. Der Staat könne nicht anders agieren als ein privater Unternehmer oder ein Haushalt und dürfe daher auch keine Wechsel auf die Zukunft ausstellen. Ziel bleibe das Nulldefizit, bekräftigte Molterer, aber gleichzeitig bestehe die Notwendigkeit, auf die wirtschaftliche Situation zu reagieren und einen ausgeglichenen Haushalt über den Konjunkturzyklus sicherzustellen. Man werde auch den Weg der Senkung der Verwaltungsausgaben konsequent fortsetzen, weil dies billiger für das Budget und billiger für den Steuerzahler sei. In diesem Zusammenhang gelte es, den Gebietskörperschaften und Parteien Dank auszusprechen, dass der Österreich-Konvent ins Leben gerufen werden kann, um die große Staatsreform anzugehen.

Molterer verlieh seiner Überzeugung Ausdruck, dass die beiden Budgets die richtigen Impulse für die Zukunftsinvestitionen geben, und damit zum Ziel führen, den dritten Platz in Europa einzunehmen. Er wies in diesem Zusammenhang auf die Erhöhung der Budgetmittel für Wissenschaft, Forschung und Infrastruktur hin. Durch die Erhöhung der Ausgaben für innere und äußere Sicherheit beweise man, dass man nicht nur von Sicherheit rede, sondern auch entsprechend handle und investiere.

Noch nie sei in Österreich so viel für Familienleistungen ausgegeben worden, unterstrich Molterer, und das Budget stelle auch jene notwendigen Ausgaben zur Verfügung, um die Pensionen zu sichern. Dennoch gehe die Bundesregierung nicht den Weg der Realitätsverweigerung, sondern beschreite den Weg der Reformen. Sicherheit können nämlich auf Dauer nur dann gewährleistet werden, wenn man rechtzeitig vorsorge. Im Gegensatz dazu betreibe die Opposition Realitätsverweigerung und Verunsicherung der Bevölkerung, stellte Molterer fest.

Österreich gebe derzeit über 14 % des BIP für Pensionsleistungen aus. Kein anderes Land erreiche dieses Niveau, und dies werde auch nach der Reform so sein. Die Notwendigkeit einer Pensionssicherungsreform ergebe sich daraus, dass heute die Menschen im Durchschnitt drei Jahre länger lernen, sechs Jahre weniger arbeiten und zwölf Jahre länger in Pension seien. Er appellierte daher an die Opposition, den vorhandenen Grundkonsens nicht zu vergessen, nach dem es zu einem einheitlichen Pensionsrecht kommen und die Verlängerung des  Durchrechnungszeitraums auf 40 Jahre angestrebt werden soll, wobei 80 % der Nettoersatzrate zu gewährleisten seien. Weiters sei man sich einig, dass es notwendig sei, das tatsächliche Pensionsalter an das gesetzliche heranzuführen. Österreich brauche eine Pensionsreform, die die Zukunft sichere und nicht Sand in die Augen streue. Es gehe nicht an, durch Streik und Druck der Straße etwas durchzusetzen, und es gehe auch nicht an, dass der Streik sich daran orientiere, wer in der Bundesregierung sitzt, schloss Molterer.

Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) interpretierte die gestrige Budgetrede des Finanzministers dahin gehend, dass dieser die Erhöhung von Steuern und Abgaben als größte Steuerreform aller Zeiten bezeichne, dass er Pensionskürzungen als Pensionssicherung und Anstieg des Defizits als Konsolidierung bezeichne. Dies sei aus seiner, Gusenbauers, Sicht inakzeptabel und er könne daher nur feststellen, dass das, was Grasser und Molterer gesagt haben, nicht mit dem Budget übereinstimme.

Gusenbauer kritisierte insbesondere den Ausspruch Grassers, Steuern senken heiße Freiheit schenken. Dazu könne er nur sagen, dass Grasser die Unfreiheit bringe, weil er Steuern erhöhe. Dies verrate auch eine obrigkeitsstaatliche Geisteshaltung des Finanzministers, was man auch an seiner Ablehnung der Streiks ablesen könne. Es hätte nur mehr gefehlt, dass sich Grasser für eine Einschränkung des Streikrechts ausgesprochen hätte.

Jedenfalls führe das vorliegende Budget zu 7,3 Mrd. € neuen Schulden, fuhr Gusenbauer fort, was in der eigenen Diktion der Bundesregierung eine unverantwortliche Politik darstelle. Im Jahr der schlimmsten Rezession 2001 habe die Bundesregierung auf das Nulldefizit bestanden und immer wieder betont, der Staat könne gegen die Wirtschaftskrise nichts machen. Jetzt, wo es besser werde, seien auf einmal Defizite kein Problem, bemerkte Gusenbauer kritisch und meinte, dass dies keine gestaltende Wirtschaftspolitik sei. Die Defizite der Bundesregierung seien das Ergebnis einer gestiegenen Arbeitslosigkeit und eines niedrigen Wirtschaftswachstums, und das sei der falsche Weg.

"Dieses Budget hat in vielen Fällen nichts mit ihren Ankündigungen zu tun, und sie sollten den Leuten reinen Wein einschenken", stellte Gusenbauer fest und versuchte, dies anhand von Beispielen zu untermauern. Es sei zwar richtig, dass das Wissenschafts- und Bildungsbudget 2004 erstaunlich ansteige, ab diesem Jahr liefen aber die UniversitätslehrerInnen nicht mehr unter dem Personalbudget des Bundes, sondern seien im Universitätsbudget enthalten. Das heiße, kein zusätzlicher Euro fließt an die Universitäten, so Gusenbauer. Ein ähnliches Bild ergebe sich in Hinblick auf die Bildungsoffensive, wo für 2004 zusätzliche 4.000 Plätze an den Fachhochschulen in Aussicht gestellt wurden. Die Ausgaben für 2004 blieben aber gleich, weshalb sich die Frage stelle, ob entweder die Studenten höhere Gebühren zahlen müssen oder im Budget nicht richtig vorgesorgt worden sei. Grasser habe auch eine großartige Steuerentlastung angekündigt, aber durch Erhöhungen von Abgaben und Gebühren, wie bei den Krankenversicherungsbeiträgen oder bei den Energieabgaben, komme es zu einer weiteren Belastung der Bürgerinnen und Bürger. Die Regierung verabsäume es auch, wirtschaftliche Impulse zu setzen, und so werde das Wachstum im nächsten Jahr um 0,5% niedriger sein als im Durchschnitt der EU.

Bei der Pensionsreform ortete Gusenbauer drei gravierende Probleme: die Nettoersatzrate der heute unter Vierzigjährigen werde nicht 80 % betragen, weil es keine korrekte Aufwertung der Versicherungsbeiträge gebe. Es sei auch nicht zu rechtfertigen, dass jemand, der im nächsten Jahr in Pension geht, um 15 % weniger bekommt, als der, der heute geht. Dies sei eine "Enteignungsaktion", sagte Gusenbauer. In den letzten Jahren sei der Arbeitslosenzuwachs im Jahresdurchschnitt um 45.000 höher gewesen als zuvor. Diese Situation sei künstlich herbeigeführt worden, da der Staat nicht die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen habe. Gusenbauer kritisierte auch, dass der Staat und die staatsnahen Unternehmen ihre Mitarbeiter mit 55 Jahren in Pension schicken, während man von den anderen verlange, mit 65 zu gehen.

Die Regierung habe offensichtlich höhere Steuern und weniger Wachstum, höhere Defizite und weniger Pensionen, höhere Schulden und weniger Zukunftsinvestitionen, höhere Arbeitslosenraten und weniger Bildungsinvestitionen zum Ziel. Vieles bleibe verschwommen, man sei nur dort präzise, wo es um das Abkassieren von der Bevölkerung gehe. Das sei kein Zukunftsbudget, resümierte Gusenbauer, sondern stelle ein Armutszeugnis dar, das fast alles in Bezug auf Strukturreformen schuldig bleibe. Das Budget leide am Defizit einer mangelnden wirtschaftlichen und politischen Strategie.

Abgeordneter BUCHER (F) begann seine Ausführungen mit einem Rückblick in die Vergangenheit. Das Ziel der Budgetpolitik der letzten Jahre sei im Zeichen der Konsolidierung im Gleichklang mit der Wirtschafts- und Währungsunion gestanden. Die Regierung Schüssel I habe ein riesiges gesamtstaatliches Defizit, das zweitschlechteste in der EU, übernommen. Ab 2000 sei dann aber Schluss gemacht worden mit der planlosen SPÖ-Schuldenpolitik. Man habe einen Konsolidierungskurs eingeleitet, 2001 ein Nulldefizit erreicht und Schwerpunkte in Forschung und Entwicklung und Innovation gesetzt. Damit seien Arbeitsplätze gesichert worden, es gebe mehr Unternehmensgründungen als je zuvor und die zwei beschlossenen Konjunkturpakete hätten zu einer Stimulierung der Wirtschaft geführt. Die Bundesregierung könne somit eine gute Zwischenbilanz vor dem Hintergrund einer schwierigen konjunkturellen Lage vorweisen, sagte Bucher. Österreich gelte derzeit als ein stabiles Land, wo noch nie so viele Menschen wie heute gearbeitet hätten und das ein Exportwachstum verzeichnen könne.   

Nur wer sich traue, Reformen umzusetzen, habe das Vertrauen der Menschen, sagte Bucher. Die vorliegenden Budgets sorgen für mehr Investitionen, sichern den Wohlstand und erhalten den sozialen Frieden. Dazu gehöre es, in der Verwaltung Parallelstrukturen abzuschaffen, moderne Managementmethoden einzuführen und die Pensionen auf Dauer zu sichern. Buchers Appell an die Regierung lautete, bei der Pensionssicherungsreform dem Druck der Straße nicht nachzugeben. "Wir werden nicht zulassen, dass der Bock, der den Garten verwüstet hat, zum Gärtner gemacht wird". Österreich habe eines der teuersten Pensionssysteme der Welt, es müsse reformiert werden, weil die Menschen immer länger in Ausbildung stehen, einen immer kürzeren Teil ihres Lebens arbeiten und ihre Pension wegen der steigenden Lebenserwartung immer länger genießen können. "Da wir auch dafür verantwortlich sind, was wir nicht tun", sei die Pensionsreform für einen verantwortungsbewussten Politiker unerlässlich. Nichthandeln würde dazu führen, dass die Beitragssätze um 53 % erhöht, die Pensionen um 45 % gekürzt oder das Pensionsantrittsalter um elf Jahre hinaufgesetzt werden müsste.

Aufhorchen ließ der Redner mit der Forderung nach einer wirksamen Einschleifregelung für Politikerbezüge sowie nach einer Absicherung für die untersten Einkommensbezieher. "Es muss möglich sein, eine so wichtige Reformmaßnahme im Vier-Parteien-Konsens zu beschließen", sagte Abgeordneter Bucher.

Die geplante größte Steuerreform der Zweiten Republik diene dem Ziel, Leistung wieder lohnend zu machen. Gleichzeitig sei es wichtig, kleine und mittlere Einkommen zu entlasten. Jahreseinkommen bis 14.500 € sollen künftig keinen einzigen Cent an Lohnsteuern mehr zahlen. Dazu komme die gezielte Förderung des Eigenkapitals und die Abschaffung der 13. Umsatzsteuervorauszahlung. "Diese Bundesregierung wird ihre ehrgeizigen Ziele erreichen", zeigte sich Bucher überzeugt.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) zitierte einleitend Nationalratspräsident Khol, der die gestrige Budgetrede des Finanzministers als "brillant" bezeichnet hatte. Brillanz billige er, so der Abgeordnete, dem Finanzminister hingegen nur beim Schmähführen zu und untermauerte dies, indem er auf die Ausführungen Grassers zur Nettosteuerentlastung durch die geplante Steuerreform einging. Sie soll laut Grasser in der ersten Etappe 500 Mill. € an Steuerentlastung bringen. Davon könne aber keine Rede sein, sagte Van der Bellen und legte - ohne ein Wort über die Pensionsreform und die geplanten Selbstbehalte zu sagen - eine Berechnung vor, aus der hervorging, dass die steuerlichen Maßnahmen, die das Budgetbegleitgesetz vorsehe, in Wahrheit eine Belastung von 221 Mill. € bringen.

Weiters analysierte Van der Bellen die Budgetansätze für Forschung, Entwicklung und Bildung und räumte ein, zunächst von der Aussage beeindruckt gewesen zu sein, im Bildungsbereich würden Prioritäten gesetzt und 2004 um 734 Mill. € mehr für die Universitäten ausgegeben werden. Tatsächlich erhalten die Universitäten fast denselben Betrag wie 2002, was bedeute, dass öffentliche Mittel durch die Studienbeiträge substituiert werden - also genau das Gegenteil dessen, was versprochen worden sei.

Als eine "unverschämte Zumutung des Finanzministers" bezeichnete es der Chef der Grünen, die Umbuchung der universitären Personalkosten aus dem Budget des Bundes in das Universitätsbudget - im Zusammenhang mit der Ausgliederung der Unis - in einer Weise zu  interpretieren, die den Eindruck erwecke, als würde mehr für die Bildung aufgewendet. Tatsächlich stünde den Universitäten dadurch nicht ein Euro mehr zur Verfügung. Diese Vorgangsweise sei nicht "brillant". Den Abgeordneten sei es zumutbar, sagte Van der Bellen, in detektivischer Arbeit herausfinden zu müssen, "ob ein Minister die Wahrheit, die Halbwahrheit oder die glatte Unwahrheit spricht".

Die leicht expansiven Wirkungen des Budgets im Jahr 2003 beurteilte Van der Bellen als korrekt angesichts der konjunkturellen Situation, skeptisch äußerte er sich aber hinsichtlich der konjunkturellen Bedingungen über den Voranschlag für 2004.

Kritik übte der Ökonom schließlich an der Interpretation wirtschaftlicher Globalzahlen von Seiten der Regierung. Weder die Daten über die Beschäftigung noch über die Handelsbilanz sagten allzu viel über den Arbeitsmarkt und die tatsächliche wirtschaftliche Situation aus. Die Steuerbefreiung von Einkommen bis 14.500 € jährlich begrüßte Van der Bellen, sie reiche aber nicht aus, da die vielen kleineren Jahreseinkommen von den Belastungen durch die Energiebesteuerung und Selbstbehalte voll getroffen werden.  (Fortsetzung)