Parlamentskorrespondenz Nr. 372 vom 23.05.2003

AKTUELLE AUSSPRACHE IM GESUNDHEITSAUSSCHUSS

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Wien (PK) - In einer Sitzung des Gesundheitsausschusses ist heute die neue Ministerin Maria Rauch-Kallat erstmals den Abgeordneten Rede und Antwort gestanden. Die Mandatare wollten nicht nur über die zukünftigen Vorhaben des Ressorts informiert werden, sondern sie interessierten sich u.a. auch für folgende Themen: Sanierung der Krankenkassen, Selbstbehalte, Verwendung der Mittel aus der Tabaksteuer, Medikamentenkosten, Gesetzesvorhaben auf EU-Ebene, Chip-Karte, Freizeitunfallversicherung, barrierefreier Zugang für behinderte Menschen. Der restliche Teil der umfangreichen Tagesordnung wird in einer weiteren Sitzung, und zwar am 3. Juni, 8 Uhr, behandelt werden.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (G) wies darauf hin, dass es für mobilitätsbehinderte Menschen de facto keine freie Arztwahl gebe, da ein barrierefreier Zugang zu den Praxen noch immer nicht gewährleistet sei. Zumindest bei der Vergabe von neuen Arztpraxen sollte dies aber sichergestellt werden, forderte sie. Für die schon länger bestehenden Praxen konnte sie sich Übergangsbestimmungen vorstellen.

Abgeordneter Kurt Grünewald (G) wollte zunächst wissen, ob es nun gesichert sei, dass die Mittel aus der Tabaksteuererhöhung dem Hauptverband zufließen. Weiters kam er auf die von der Regierung geplanten Einsparungen bei den Medikamentenausgaben zu sprechen und machte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass der Generika-Einsatz in Österreich unter dem europäischen Durchschnitt liege.

Abgeordneter Manfred Lackner (S) interessierte sich vor allem für die künftigen Vorhaben in der Gesundheitspolitik. Was die finanziellen Probleme der Krankenkassen angeht, so könne er keine echte Sanierung feststellen, meinte er. Die Kassen wurden durch eine Fülle von Maßnahmen noch zusätzlich belastet; er fragte die Ministerin, ob sie daran denke, diese Maßnahmen zurückzunehmen. Kritisch beurteilte Lackner auch, dass nur einnahmenseitige Vorhaben, etwa die Einführung der Selbstbehalte, geplant sind. Dringenden Handlungsbedarf sah er auch hinsichtlich der Reform der Gesundheitsberufe.

Abgeordneter Johann Maier (S) befasste sich zunächst mit der Tagesordnung des EU-Ministerrates vom 2./3. Juni, wo es um wesentliche Fragen, wie z.B. die Festlegung von Qualitätsstandards für menschliches Gewebe, SARS und ein Rahmenabkommen zur Bekämpfung des Tabakkonsums, gehe. Von besonderer Bedeutung sei seiner Auffassung nach die Überprüfung der Arzneimittelvorschriften. Ablehnend stand Maier einer Liberalisierung der Werbung für rezeptpflichtige Arzneimittel gegenüber, weil dies - wie man in den USA sehen könne - zu einer Kostenexplosion und einer Desinformation der Patienten führen würde. Schließlich wies Maier noch auf Probleme im Bereich der Medizinprodukte hin. Produkte, die normalerweise Nahrungsergänzungsmittel sind, werden irgendwo in Europa als Medizinprodukte in Verkehr gebracht und dann bei uns unkontrolliert vertrieben, gab er zu bedenken.

Der Zugang für behinderte Menschen zu allen Bereichen des öffentlichen Lebens sei für sie ein besonderes Anliegen, versicherte Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat der Abgeordneten Haidlmayr. Es habe bereits Vorstöße des Hauptverbandes gegeben, informierte sie. Es wurde eine Rahmenvereinbarung mit der österreichischen Ärztekammer abgeschlossen, wo der barrierefreie Zugang zu Gruppenpraxen verankert wurde. Außerdem wurde als Kriterium für den Erhalt eines Kassenvertrages festgelegt, dass sich jeder Arzt um einen behindertengerechten Zugang bemühen müsse. Die Ministerin räumte jedoch ein, dass noch nicht genug geschehen ist; sie werde daher noch Gespräche mit dem Hauptverband und der Ärztekammer führen.

Was die Diskussion um Zweckbindung der Tabaksteuer betrifft, so unterstrich Rauch-Kallat, dass die rund 82 Millionen Euro nicht verloren gehen. Ganz im Gegenteil, es finde sogar eine Art Valorisierung der Mittel statt, erläuterte sie. In Zukunft werden die Mittel allerdings nicht mehr über das ASVG, sondern über das Gesundheits- und Sozialbereichsbeihilfengesetz (GSBG) zugewiesen. Es gebe dort einen Ansatz für die Rückerstattung von nicht abzugsfähiger Vorsteuer und der dafür vorgesehene Prozentsatz werde von 4,7 Prozent auf 5 Prozent erhöht. Dadurch komme es sogar zu einem nicht unerheblichen Anstieg der Gelder; 2009 gehe man z.B. von einem Betrag in der Höhe von 105 Mill. € aus.

Die Abgänge der Sozialversicherungen werden teilweise durch Maßnahmen im Budgetbegleitgesetz abgefangen (Harmonisierung der Beiträge, moderate Erhöhung der Pensionsbeiträge und Unfallversicherungsbeitrag für alle), aber nach wie vor bleiben 400 - 500 Mill. € übrig, die zusätzlich noch eingespart werden müssen. Es seien daher weitere Strukturmaßnahmen erforderlich, etwa die Umwandlung von Akutbetten in medizinische Pflegebetten. Große Chancen ergeben sich auch durch den "e-health"-Bereich, ist Rauch-Kallat überzeugt, da eine effiziente Datenübertragung auf elektronischem Weg nicht nur Einsparungen ermögliche, sondern auch Erleichterungen für die Patienten bringe. Österreich könne auf diesem Sektor sehr gute Projekte, z.B. das Online Qualitätsmanagement-Projekt www.healthgate.at, das von der Uni-Klinik Graz in Zusammenarbeit mit der TU Graz entwickelt wurde, vorweisen. In diesem Zusammenhang wies die Ressortchefin darauf hin, dass mit dem Gesundheitstelematikgesetz und der Festlegung bundesweit einheitlicher Sicherheitsstandards für den elektronischen

Gesundheitsdatenaustausch eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden soll.

Zu den vom Abgeordneten Grünewald angesprochenen Einsparungen bei den Medikamentenkosten merkte Rauch-Kallat an, dass es diesbezüglich eine Reihe von Initiativen gebe, z.B. ein Modell vom Hauptverband mit dem Titel "Arznei und Vernunft". Man solle sich aber auch Projekte in Europa ansehen und v.a. das Bewusstsein für einen verantwortungsvollen Umgang mit Medikamenten fördern.

Zu den vom Abgeordneten Maier aufgeworfenen Fragen führte Rauch-Kallat aus, dass es bei der Richtlinie in Bezug auf das menschliche Gewebe um die Festlegung von einheitlichen Qualitätsstandards gehe. Was SARS anbelangt, so habe man sich Anfang Mai auf ein Maßnahmenpaket und die Einsetzung einer Expertengruppe geeinigt, wobei Österreich eine sehr aktive Rolle eingenommen habe. Ebenfalls habe Österreich seit Jahren schon auf eine Revision der Medizinprodukte-Richtlinie gedrängt, damit es zu einer verbesserten klinischen Evaluierung und verschärften Kontrollen kommt. Bezüglich der von Maier geforderten Änderung der Gewerbeordnung

habe sie schon einen Brief an den Wirtschaftsminister geschrieben, um zu erreichen, dass die Verzehrprodukte in Nahrungsergänzungsmittel umgeändert werden. Einer Liberalisierung der Werbung für rezeptpflichtige Arzneimittel stehe sie jedenfalls negativ gegenüber.

In einer weiteren Fragerunde befasste sich Abgeordnete Erika Scharer (S) mit der Freizeitunfallversicherung; sie wollte wissen, ob eine Verletzung der Beitragsparität vorliege, da nur die Versicherten diesen Beitrag bezahlen und nicht auch die Arbeitgeber. Abgeordnete Ulrike Sima (S) sprach die Lebensmittelkontrolle an, kam auf Pestizidrückstände bei Obst und Gemüse zu sprechen und bedauerte, dass es über den Ausgang von Anzeigen keine Unterlagen gebe. Weitere Fragen standen im Zusammenhang mit dem Gentechnikgesetz.

Mit dem gesundheitlichen Zustand der 11- bis 14-jährigen Schüler beschäftigte sich ihre Fraktionskollegin Beate Schasching. Laut einer Studie sei u.a. die Muskulatur der Schüler geschwächt und Haltungsschwächen und –schäden vorhanden. Gesundheitsprojekttage oder –wochen in der achten Schulstufe, wie von Ministerin Rauch-Kallat angekündigt, seien zwar „nett“, kämen aber zu spät. Bereits im Kleinkindalter sollte man ansetzen. Gebraucht werden ihrer Meinung nach Präventivprogramme, denn : Investieren in die Bewegung bedeutet Sparen im Gesundheitsbereich. Abgeordneter Erwin Spindelberger (S) forderte eine sachliche Debatte über das Gesundheitswesen und die Sozialversicherung. Seiner Meinung nach werde der Eindruck erweckt, als würden die Kosten der dort Beschäftigten zu der schlechten finanzielle Lage der Sozialversicherungen führen. Viel mehr seien es „große Brocken“, nämlich die Medikamentenkosten – sie stiegen in zehn Jahren um 168 % -, die Arzt- und die Spitalskosten. Weiters regte er an, die Medikamentenspannen auf EU-Niveau abzusenken und vermehrt Generika zu verschreiben.

Gemeinsam mit den Sozialversicherungsanstalten möchte Rauch-Kallat die Selbstbehalte bzw. Kostenbeteilungen entwickeln. Der Einführungszeitpunkt wird von 1.1.2004 auf 1.1.2005 verschoben, da man eine Vorlaufzeit von 4 bis 6 Monate brauche, um alle Organisationen zu informieren und auszustatten. Mit der Ausgabe der “Gesundheitskarte“ werde frühestens Mitte 2004 begonnen, vor 2005 rechne man nicht mit einer flächendeckenden Versorgung. Die Ambulanzgebühren werden rückwirkend mit 1.4.2003 abgeschafft, teilte die Ministerin mit.

Die Bundesministerin wies weiters darauf hin, dass alle Unfälle, unabhängig davon, ob es Arbeits-, Haushalts- oder Freizeitunfälle sind, die bestmögliche Behandlung erhalten. Ungefähr 80 % aller medizinischen Kosten in Unfallkrankenhäusern, die von der AUVA erhalten und aus Arbeitgeberbeiträgen gespeist werden, beziehen sich nicht auf Arbeitsunfälle, sondern auf Haushalts- und Freizeitunfälle. Im Abänderungsantrag sei daher von "nicht Arbeitsunfällen" die Rede, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass es sich vor allem um Unfälle im Sportbereich handle. Auch gab die Ministerin bekannt, dass mehr als 1.000 Unfälle beim Grillen im Freien durch falsche Handhabung der Geräte passieren.

Die Gesundheitsprojekttage oder –woche habe man bewusst in der achten Schulstufe angesetzt, da laut Bundesverfassung die Eigenverantwortung eines Jugendlichen mit 14 beginne. Hier habe er auch die Verantwortung für seinen Körper zu übernehmen.

Zur Transparenz des Gesundheitswesens, eine Frage von Abgeordneter Schasching, teilte die Ressortchefin mit, dass es Informationen an die Versicherten geben werde, welche Gesundheitsleistungen ihnen im abgelaufenen Jahr zur Verfügung gestellt wurden.

Zum Komplex Lebensmittelkontrolle überleitend, machte Rauch-Kallat darauf aufmerksam, dass bei jeder Überschreitung der Grenzwerte die Behörden Maßnahmen setzen. Beanstandungen dürfen gemäß Datenschutz nicht veröffentlicht werden.(Schluss)