Parlamentskorrespondenz Nr. 397 vom 04.06.2003

GESETZLICHER MINDESTLOHN, OPFERFÜRSORGE, ENTBÜROKRATISIERUNG

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Wien (PK) - Nach der umfangreichen Debatte über die Pensionsreform debattierten die Abgeordneten in den Abendstunden drei Anträge der Oppositionsfraktionen in Erster Lesung.

GRÜNE WOLLEN MINDESTLOHNGESETZ

Mit einem eigenen Gesetz, das die Höhe eines existenzsichernden Mindestlohns in Höhe von monatlich 1100 € festlegt, wollen die Grünen eine Untergrenze für Löhne einziehen.

Die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn in der Höhe von 1.100  € betreffe in erster Linie die Frauen, erklärte Abgeordneter ÖLLINGER (G). Es gebe schon seit einiger Zeit eine Debatte über den Mindestlohn, aber wenn es um die Umsetzung geht, schwinde das Interesse an diesem Frauenthema. Es sei höchste Zeit, dass der Gesetzgeber in diesem Bereich tätig wird, da ein Generalkollektivvertrag kaum umsetzbar sei. Sogar in Großbritannien habe man es geschafft, einen Mindestlohn zu fixieren, der zudem noch höher als 1.100 € sei.

Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass jedem Arbeitnehmer und jeder Arbeitnehmerin ein Mindestlohn von 1.000 € für Vollzeit zusteht, meinte Abgeordneter Dipl.-Ing. HÜTL (V). Es sei jedoch die Aufgabe der Sozialpartner, diese Forderung im Rahmen der Kollektivvertragsverhandlungen einzubringen. Hütl machte darauf aufmerksam, dass Lohnabschlüsse traditionellerweise in die Autonomie der sozialvertraglichen Partner fallen. Insbesondere in sensiblen Branchen müsse man aber danach trachten, dass die Arbeitsplätze gesichert werden, gab er zu bedenken.

Man müsse alles tun, um die Einkommenssituation der Frauen zu verbessern, meinte Abgeordnete CSÖRGITS (S) in Richtung des Kollegen Öllinger. Sie glaube allerdings, dass eine legistische Maßnahme nicht der richtige Weg ist, da man sich dadurch stark in die Abhängigkeit und Tätigkeit des Gesetzgebers begibt.

Abgeordneter DOLINSCHEK (F) kann sich dem Vorschlag Öllingers grundsätzlich anschließen, weil man dadurch die Kaufkraft stärke, die Wirtschaft ankurble und die Beschäftigung sichert. Er glaube jedoch, dass man dies im Rahmen des Generalkollektivvertrags machen sollte. Löhne sollten nicht im Parlament entschieden werden, ist er überzeugt. Er wünsche sich, dass sich die Interessenvertreter besonders für jene 10 % der Erwerbstätigen einsetzen, die noch immer unter 1.000 € Lohn verdienen.

Abgeordneter KAINZ (V) stellte zunächst fest, dass der direkte Kontakt mit den Mitbürgern eine wesentliche Stärke des Amtes eines Nationalrates ist. Die Menschen erwarteten sich eine konstruktive und sachliche Arbeit, bei der nicht Populismus im Mittelpunkt steht. Was den konkreten Tagesordnungspunkt betrifft, so erinnerte er daran, dass die Regierung Schüssel für einen Mindestlohn von 1.000 € eintritt. Er glaube jedoch, dass das Parlament nicht der richtige Ort ist, um Gehaltsverhandlungen durchzuführen. Die Sozialpartner haben schon bisher immer danach getrachtet, eine Lösung zu finden, die vom Arbeitsmarkt verkraftet wird und mit der Arbeitnehmer und die Arbeitgeber zufrieden sind.

Der Antrag wurde dem Sozialausschuss zugewiesen.

GRÜNE FÜR BERÜCKSICHTIGUNG DER HOMOSEXUELLEN IM OPFERFÜRSORGEGESETZ

Homosexuelle zählten zu den vom Nazi-Regime Verfolgten, und nach den Vorstellungen der Grünen sollen sie daher auch im Opferfürsorgegesetz berücksichtigt werden.

Er habe schon mehrmals zu diesem Thema gesprochen, erinnerte Abgeordneter ÖLLINGER (G). Es gehe dabei um die Entschädigung von NS-Opfern, die bisher noch nicht anerkannt wurden. Als Beispiel nannte Öllinger die Zwangssterilisierten. Er gehe davon aus, dass wahrscheinlich kein Opfer mehr lebt, aber die Familien dieser Menschen erwarten sich endlich eine Geste von der Republik.

Abgeordneter WINKLER (V) war der Auffassung, dass die Republik seit 1945 alles getan hat, um den Opfern des Nationalsozialismus zu helfen. Das Opferfürsorgegesetz lege klar fest, dass all jene Menschen, die politisch verfolgt wurden, einen Rechtsanspruch auf Entschädigung haben. Dazu gehören u.a. auch jene Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt wurden. Seine Fraktion werde dem Antrag der Grünen daher nicht zustimmen, da man damit nur totes Recht schaffen würde.

Abgeordnete SCHÖNPASS (S) meinte, sie stehe auf dem Standpunkt, wer wegen seiner sexuellen Orientierung in Konzentrationslagern gefoltert worden sei, solle auch als Verfolgter des Nazi-Regimes anerkannt werden. Sie wertete die "beinharte Ablehnung" des Antrags durch Abgeordneten Winkler als Rückschritt, da die ÖVP ihr zufolge in der Vergangenheit bereits Verhandlungsbereitschaft signalisiert hatte.

Abgeordneter Mag. MAINONI (F) sagte zu, die FPÖ werde sich mit dem Thema eingehend auseinandersetzen. Seiner Partei liege viel daran, dass alle Gruppen von Betroffenen nach dem Opferfürsorgegesetz entschädigt werden, unterstrich er.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) zeigte sich über die Wortmeldung von Abgeordnetem Winkler erstaunt. Wenn er meine, eine Zustimmung zum Antrag der Grünen würde nur totes Recht bewirken, dann habe er nicht verstanden, worum es gehe, sagte sie. Lunacek hält es für längst überfällig, Homosexuelle und Asoziale dezidiert als Opfer des Nationalsozialismus anzuerkennen. Das schuldet die Republik ihrer Auffassung nach den Betroffenen, es gehe nicht nur um materielle Entschädigungen.

Der Vorsitz führende Zweite Nationalratspräsident Dr. FISCHER wies den Antrag 86/A dem Sozialausschuss zu.

SP WILL BÜROKRATISCHEN AUFWAND BEI REISEDIÄTEN VERRINGERN

Unternehmer und Selbständige können Diäten nur noch auf Basis von Belegen als Betriebsausgabe geltend machen. Die Sozialdemokraten treten in einem Antrag für Entbürokratisierung vor.

Abgeordneter Dr. MATZNETTER (S) erläuterte, im vorliegenden Antrag gehe es um die Beseitigung von Bürokratie für Unternehmer im Zusammenhang mit Reisekostenabrechnungen, die in Folge eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes entstanden sei. Bedauern äußerte er darüber, dass sein Antrag erst heute diskutiert werde.

Abgeordnete FELZMANN (V) betonte die Notwendigkeit, administrative Hürden für Unternehmer abzubauen und zeigte sich über die Initiative der SPÖ erfreut. Auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes wurde ihr zufolge bereits im Budgetbegleitgesetz reagiert. Allgemein betonte Felzmann, der ÖVP sei eine Anhebung der Unternehmerzahl ein wichtiges Anliegen.

Abgeordneter BUCHER (F) sagte, er freue sich über "den konstruktiven Beitrag" von Abgeordnetem Matznetter. Auch er verwies darauf, dass das Anliegen bereits in das Budgetbegleitgesetz eingearbeitet wurde.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) erklärte, es solle ihm Recht sein, wenn das Problem durch das Budgetbegleitgesetz beseitigt werde. Als auffällig wertete er es, dass das "Schlamassel" möglicherweise durch einen Redaktionsfehler ausgelöst worden sei.

Der Vorsitz führende Zweite Nationalratspräsident Dr. FISCHER wies den Antrag 92/A dem Finanzausschuss zu. (Schluss)