Parlamentskorrespondenz Nr. 407 vom 05.06.2003

GEMEINSAM GEGEN LIBERALISIERUNG DER GENTECHNIK IN DER LANDWIRTSCHAFT

EU-Ausschuss verabschiedet einstimmig Antrag auf Stellungnahme

Wien (PK) - Einig waren sich heute alle vier Parlamentsparteien in der Ablehnung gentechnisch veränderter Pflanzen, auch wenn man vor der Realität, dass "die Zeit für die Gentechnik arbeitet", nicht die Augen verschließen wollte. Die Mitglieder des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union verabschiedeten daher einstimmig einen Antrag auf Stellungnahme, in dem die zuständigen Mitglieder der österreichischen Bundesregierung ersucht werden, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass das bestehende Moratorium auf Neuzulassung von Gentech-Pflanzen aufrecht bleibt, solange die Fragen der Koexistenz, der Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung sowie der Haftung nicht EU-weit gelöst sind.

Sie argumentieren, in der Auseinandersetzung über die Koexistenz genetisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen werde deutlich, dass es unter wirtschaftlichen und praktischen Gesichtspunkten sehr aufwändig sein werde, Kontaminationen durch gentechnisch veränderte Organismen (GVO) zu verhindern. Selbst wenn die notwendigen Schutzmaßnahmen konsequent angewendet würden, könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine umfangreiche Kontamination stattfindet. Eine laxe Handhabung und verschwommene Haftungsregelungen würden zur unkontrollierten Ausbreitung von GVO in Umwelt, Landwirtschaft und Lebensmitteln führen.

Die Stellungnahme basiert auf einem Antrag der Grünen, der dann im Interesse einer Vierparteieneinigung wieder zurückgezogen wurde.

Grundlage für die heutige Diskussion im Ausschuss war die Mitteilung des Landwirtschaftskommissars Fischler bezüglich der Koexistenz genetisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen. Diese Mitteilung wurde von den Abgeordneten einhellig kritisiert, da sie lediglich auf die wirtschaftliche Machbarkeit Bezug nehme, Wahlfreiheit propagiere und das Verursacherprinzip völlig umkehre, indem jene zahlen sollen, die weiterhin gentechnikfrei produzieren wollen.

Die Abgeordneten zeigten großes Interesse daran, Kommissar Franz Fischler zu einer Aussprache einzuladen. Der Vorsitzende des Ausschusses, Werner Fasslabend, versprach zu klären, inwieweit eine Einladung an Fischler möglich sei.

ÖSTERREICH FÜR EU-EINHEITLICHE REGELUNG HINSICHTLICH DER KOEXISTENZ GENETISCH VERÄNDERTER, KONVENTIONELLER UND ÖKOLOGISCHER KULTUREN

Am Beginn der Sitzung berichtete Bundesminister Josef Pröll, dass im Herbst eine EU-Verordnung zu gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln anstehe, die das In-Verkehr-Bringen dieser Produkte regelt und Schwellenwerte für technisch nicht vermeidbare Verunreinigungen festlegt. In diesem Zusammenhang wies der Minister darauf hin, dass die Fragen der Rückverfolgbarkeit und der Aufrechterhaltung des Moratoriums sowie die Frage der Koexistenz noch immer ungeklärt seien.

Kommissar Fischler habe mit der Meldung an die Kommission die Frage der Koexistenz aktiv aufgenommen und zwei Szenarien entwickelt: Entweder die Regelung an die Nationalstaaten zu delegieren oder eine EU-einheitliche Vorgangsweise zu schaffen. Österreich spreche sich dabei für EU-einheitliche Regelungen mit klaren Rahmenbedingungen aus. Fischler habe auch für Ende Juli Leitlinien in Aussicht gestellt. Er, Pröll, habe Studien zur technischen Machbarkeit von gentechnikfreien Zonen sowie zur Frage der Koexistenz und Haftung in Auftrag gegeben.

KRITIK AM PAPIER KOMMISSAR FISCHLERS

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) unterstützte die öffentlichen Stellungnahmen des Ministers zu den vorliegenden Themen. Im Hinblick auf einen möglichen Konsens im Ausschuss meinte er, dass man den gemeinsamen Standpunkt auch nützen sollte, dem Minister in Europa den Rücken zu stärken, da sich die politische Diskussion in den nächsten Monaten zuspitzen werde. Die Bekanntgabe des Fischler-Papiers habe enorme Turbulenzen bewirkt, da es viel zu eng gefasst sei und nur die wirtschaftliche Machbarkeit anspreche. Damit gehe der Kommissar am Problem vorbei. Als dramatisch bezeichnete der Abgeordnete die Wahlfreiheit für beide Produktionsweisen und unterstrich, dass traditionelle und biologische Landwirtschaft einen Ist-Zustand darstellten, gentechnisch veränderte Pflanzen jedoch keine Pflanzen im üblichen Sinne seien. Daher gebe es auch eine EU-Freisetzungsrichtlinie. Entscheidend sei, dass die Kommission über die Möglichkeit der Einrichtung gentechnikfreier Zonen spreche, dennoch halte sie fest, dass es sich dabei nur um eine vorläufige juristischen Bewertung handle. Das Subsidiaritätsprinzip in diesem Bereich hält Pirklhuber für problematisch und trat für nationale Vorkehrungen ein, solange es keine EU-Richtlinie gibt.

Als völlige Umkehrung des Verursacherprinzips kritisierte der Abgeordnete jenen Aspekt im Fischler-Papier, wonach Bauern, die Bio-Produkte erzeugen, die Kosten für die Reinhaltung tragen sollten. Pirklhuber meinte, dass man die Frage der Koexistenz auch unter dem Aspekt des Konsumentenschutzes sehen müsse, da Umfragen zeigten, dass mehr als 80 % der Bevölkerung gentechnisch veränderte Lebensmittel ablehnen. Er forderte daher einen Aktionsplan zum Schutz biologischer und konventioneller Betriebe, die gentechnikfrei produzieren, und trat auch für einen EU-weiten Aktionsplan zur Sicherung gentechnikfreier Anbaugebiete sowie für die Klärung von Haftungsfragen ein. Keineswegs dürften die Bauern zum Handkuss kommen, sagte er. Man sollte auch eine Allianz mit den Entwicklungsländern schließen, meinte Pirklhuber weiter, da dies auch in deren Interesse liege.

Schließlich wies er darauf hin, dass in der nächsten Woche in Laibach ein Vertrag über eine grenzüberschreitende gentechnikfreie Zone zwischen Kärnten, Steiermark, Slowenien und Italien im Rahmen der Alpen-Adria-Region unterzeichnet werde. Den gemeinsamen Antrag auf Stellungnahme unterstützte er explizit, bedauerte aber, dass er keine weitergehende Strategie mehr in Bezug auf die Nachbarländer enthalte.

Abgeordnete Ulrike Sima (S) stellte mit Bedauern fest, dass die Zeit für die Gentechnik arbeite, und bewertete den Schwenk der Kommission ebenfalls kritisch. Ihr Vorschlag, Kommissar Fischler zu diesem Thema einzuladen, wurde von den anderen Abgeordneten positiv aufgegriffen. Auch sie wandte sich dagegen, die Kosten auf jene abzuwälzen, die weiterhin gentechnikfrei produzieren wollen. Das wäre ihrer Meinung nach eine Sackgasse und ein Umdrehen der Realitäten und daher nicht akzeptabel.

Sima unterstützte auch die Forderungen nach einer besseren Kennzeichnung, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass dies ein unscharfes Instrument sei und die Probleme nicht löse. Deshalb sei Grundvoraussetzung für eine gute Kennzeichnung die Schaffung klarer Spielregeln. Mit den von Kommissar Fischler angekündigten Guide-Lines zeigte sich die SPÖ-Abgeordnete nicht ganz glücklich, denn damit könnte die Kommission versuchen, das Thema abzuhaken, argwöhnte sie.

Wenn man gentechnikfreie Zonen wolle, müsse es auch zu einer Änderung der Freisetzungsrichtlinie kommen, sagte Sima und interessierte sich für die Einschätzung des Ministers hinsichtlich des Fortbestands des Moratoriums sowie für den Zeitrahmen bei WTO-Verfahren. 

Auch ihr Klubkollege Werner Kummerer sieht in der Frage der Haftpflicht ein primäres Problem. Um das zu lösen, bedürfe es zukünftiger Mechanismen, denn heute zahle noch die Republik, einzelne gerichtliche Verfolgungen könne er sich jedoch in Zukunft nicht vorstellen. Ebenso haben für ihn die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnungspflicht klare Prioritäten. Er befürwortet ebenfalls EU-einheitliche Richtlinien, stellte aber die Frage, wie weit Österreich dabei mit den eigenen Vorstellungen durchkommen könne. Er wäre dafür, dass Österreich über die EU-Regeln hinaus Möglichkeiten habe, gentechnikfreie Zonen zu schaffen.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) zeigte sich besorgt, ob Österreich in Zukunft Feinkostladen Europas bleiben werde oder ob diese Qualität in Gefahr sei. Sie unterstützte daher die Position des Ministers und trat für eine deutlichere Kennzeichnung der Lebensmittel ein. Ihre Klubkollegin Heidrun Walther schloss sich dieser Sorge um die klein strukturierte österreichische Landwirtschaft an und unterstrich die Notwendigkeit der Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung hinsichtlich der Verbraucherrechte und der Gesundheitsgefährdungen.

Eine Schwächung der Position der EU gegenüber der WTO und als einen schweren Fehler der Kommission sieht Abgeordneter Hermann Schultes (V) dadurch, dass die Fragen der Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit noch nicht geklärt sind. Darauf hätten auch die KonsumentInnen ein Recht, weshalb in all diesen Fragen das Verbraucherinteresse im Vordergrund stehen müsse. Schultes sprach sich für die Aufrechterhaltung des Moratoriums bis zur Klärung dieser Problembereiche aus. Ins gleiche Horn stieß Martin Preineder (V), der auch aus Sicht der Produzenten für eine klare Kennzeichnung eintrat. Wesentlich ist ihm auch eine praktikable Lösung im Bereich der Schwellenwerte. Die Frage, ob die Gentechnik nicht helfen könnte, den Urzustand der Pflanzen herzustellen, wurde vom Abgeordneten Franz Xaver Böhm (V) formuliert.

Gegen die Vorschläge hinsichtlich der Haftung sprach sich auch F-Abgeordneter Klaus Wittauer aus. Die konventionelle und biologische Landwirtschaft sei vorher da gewesen und es wäre "makaber", wenn nun diejenigen draufzahlen müssten, die gentechnikfrei produzieren. Österreich müsse bei seiner Linie bleiben und seine Grundsätze gegenüber Europa klar verteidigen. Damit drückte der Abgeordnete auch klar seine Kritik am Fischler-Papier aus. Solange keine Schwellenwerte festgelegt seien und solange das Risiko der Übertragung nicht bekannt sei, so lange könne man auch keine Wahlfreiheit haben, sagte er. Man habe von 99 % der Gentechnik in der Landwirtschaft keine Vorteile und auf das restliche Prozent könne man verzichten. Wenn Österreich bei seiner Linie bleibe, könne dies auch zu einem Wettbewerbsvorteil führen, argumentierte Wittauer und regte die Einrichtung von Schutzzonen an. Schließlich wies er darauf hin, dass Europa darauf achte, nicht unbeabsichtigt gentechnisch veränderte Lebensmittel über die Grenze zu lassen. Amerika hingegen liefere im Rahmen von Hilfsprojekten gentechnisch veränderten Mais nach Afrika.

PRÖLL: DIE VERORDNUNG GENTEICHNIKFREIER ZONEN ALLEIN IST ZU WENIG

In seiner Antwort auf die Fragen und Anregungen der Abgeordneten zeigte sich Bundesminister Josef Pröll zufrieden über die einhellige Meinung im Ausschuss. Auch er hält es für falsch, hinsichtlich der Koexistenz nur die wirtschaftliche Dimension zu sehen. Was das Moratorium betrifft, so hätten die Länder Österreich, Frankreich, Griechenland, Deutschland und Luxemburg damals die Neuzulassung blockiert und das sei immer noch so. Interessant sei aber, dass die Vorschläge der Kommission in Richtung Subsidiarität von Großbritannien, Irland, Spanien, Niederlande, Schweden und Finnland explizit begrüßt würden. Das seien genau diejenigen Länder, die für eine Liberalisierung im Umgang mit Gentechnik und in der Agrarreform für eine Entkoppelung von Produktion und Direktzahlung einträten. Den Grund dafür sieht der Minister unter anderem auch in einem anderen Zugang zur landwirtschaftlichen Produktion und in einem anderen Zugang der KonsumentInnen. Österreich habe die Landwirtschaft tendenziell von der intensiven Bewirtschaftung weggeführt und mit ÖPUL einen anderen Weg gewählt. Der Einsatz der Gentechnologie sei aber in erster Linie bei der intensiven Landwirtschaft sinnvoll. In Österreich gebe es auch keinerlei Druck in Richtung der Nutzung von GVOs, sagte Pröll. Sicherlich aber werde der Druck Amerikas einen Effekt zeigen, gab Pröll zu bedenken.

Das Streitschlichtungsverfahren in der WTO dauere 60 Tage, dann gebe es ein Streitverfahren, das sich bis zu zwei Jahre hinziehen könne, replizierte Pröll auf eine Frage der Abgeordneten Sima.

Kritisch äußerte er sich zu den Forderungen, gentechnikfreie Zonen zu verordnen, ohne vorher die Kennzeichnung, die Rückverfolgbarkeit und Koexistenz sowie die Haftung geklärt zu haben. Ohne zu wissen, wie das rechtlich und technisch funktionieren kann, sei die Verordnung gentechnikfreier Zonen per se der falsche Weg, sagte Pröll. Man schwäche damit auch die Position gegenüber den Gentechnikbefürwortern in der EU. Da er die Einschätzung der Abgeordneten Sima als realistisch ansehe, wonach die Zeit für die Gentechnik arbeite, sei es umso wichtiger, alles auszuloten, um klare Rahmenbedingungen zu haben.

Der Minister stimmte auch mit jenen überein, die sich mit den Guide-Lines nicht zufrieden gaben. Man könne sich nämlich nicht an der Verantwortung der Nationalstaaten "abputzen", meinte der Minister. Im Herbst werde er auch die neuen Mitgliedsländer besuchen und dabei dieses Thema ansprechen. Denn es nütze auch nichts, über gentechnikfreie Zonen wie im Waldviertel oder im Burgenland zu sprechen, wenn es keine EU-Regelungen gibt. Der Effekt entlang der Grenze wäre in diesem Falle gleich Null.

Die im Herbst ins Haus stehende EU-Verordnung werde nach Meinung des Ministers Druck auf das Moratorium ausüben und die Koexistenz sei der letzte Schlüssel, um das Moratorium zu verlängern. (Schluss)