Parlamentskorrespondenz Nr. 439 vom 16.06.2003

EU-MIGRATIONSPOLITIK IM HAUPTAUSSCHUSS UMSTRITTEN

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Wien (PK) - In der heutigen Sitzung des Hauptausschusses zum kommenden Europäischen Rat in Thessaloniki wurden neben der Arbeit des Konvents zu einer EU-Verfassung auch andere Themen des Rats diskutiert. Zentrale Fragen bildeten dabei Migration, Asylpolitik und Grenzschutz.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel betonte, dass dies im besonderen österreichischen Interesse liege und dabei Fortschritte erzielt werden konnten. Die Kommission habe für die Jahre 2004 bis 2006 ca. 80 Mill. € für Maßnahmen der Grenzüberwachung zur Verfügung gestellt, wobei durchaus eine Aufstockung möglich wäre. Zentralistische Ansätze seien nun vom Tisch, sagte der Kanzler, und man denke an einen dezentralen Einsatz, um nationale Kompetenzen zu nützen. Schüssel unterstützte in diesem Zusammenhang den Vorschlag des britischen Premierministers Blair, Flüchtlingslager in den betreffenden Regionen einzurichten und wies gleichzeitig vehement den gemachten Vorwurf von "Konzentrationslagern" zurück. Man werde hier Pilotversuche starten, sagte Schüssel, und beim Schutz der Außengrenzen Drittländer mit einbeziehen. Jedenfalls müsse die Definition von sicheren Drittstaaten europäisch erfolgen.

Dieser Beurteilung widersprach Abgeordneter Caspar Einem (S) und meinte, vielmehr müsse man sicherstellen, dass jene Staaten, die an den Außengrenzen die Hauptlast zu tragen hätten, von den anderen Staaten optimal unterstützt werden. Er erachte es daher für sinnvoll, gemischte Grenzschutzeinheiten aufzustellen, wodurch man das gegenseitige Vertrauen erhöhen könne. Andernfalls befürchtet er die Tendenz, jeden illegalen Flüchtling dem anderen Land zuzuschieben.

In die gleiche Kerbe wie ihr Vorredner stieß auch Abgeordnete Ulrike Lunacek (G). Sie kritisierte vor allem, dass die Rahmenabkommen mit den Drittländern mit Wirtschaftshilfe verknüpft seien, was hinsichtlich des Prinzips des Asylrechts kontraproduktiv sei. Entwicklungszusammenarbeit und Wirtschaftshilfe sollten die wirtschaftliche Situation in den betreffenden Ländern verbessern, das dürfe man aber nicht auf dem Rücken der Asylsuchenden austragen. In diesem Zusammenhang verlieh Lunacek auch ihrer Ablehnung gegenüber den Gesetzentwurf zur Änderung des österreichischen Asylrechts Ausdruck.

Im Gegensatz dazu hielt der Bundeskanzler die Pläne auf europäischer und innerstaatlicher Ebene für völlig in Ordnung. Es müsse ein Verfahren geben, so Schüssel, dass ein Land seine BürgerInnen wieder zurücknimmt, und das sei nicht gegen die Flüchtlinge gerichtet. Ein Rückübernahme-Abkommen sei daher absolut sinnvoll. Vehement verteidigte er auch die geplante Novelle zum Asylgesetz. Österreich sei vollinhaltlich den menschenrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen und halte jedem Vergleich stand. Man müsse auch bedenken, dass außer Deutschland, Frankreich und Großbritannien kein Land mehr Asylanträge zu bearbeiten habe als Österreich.

"GREEN DIPLOMACY" SOLL INTENSIVIERT WERDEN

Beim Europäischen Rat in Thessaloniki werden auch erstmals die Länder auf dem Westbalkan voll miteingebunden sein, berichtete Bundeskanzler Schüssel. Damit räume man ihnen die Möglichkeit von Beitrittsperspektiven ein, indem man Europa-Partnerschaften knüpfe, gemeinsame Programme, etwa im Bereich Bildung, vereinbare und die Handelsliberalisierung vorantreibe. Im Rahmen des "Wider Europe" werde man den Ländern Ukraine, Moldawien, Belarus, Russland und den Ländern des südlichen Mittelmeeres wirtschaftliche Hilfe anbieten, die an die Erfüllung von EU-Standards geknüpft seien.

Man habe auch vor, die Außenbeziehungen, vor allem die Sicherheits- und Verteidigungspolitik, im Bereich der "Green Diplomacy" zu intensivieren. Das bedeute eine Vernetzung von vielen Politikbereichen, was Österreich sehr freue, da es unserem globalen Ansatz von Außenpolitik entspreche, sagte Schüssel. So werden beispielsweise auch der Klimawandel, der Ressourcenschutz, die nachhaltige Produktion genauso in den Blickpunkt der diplomatischen Lösungen rücken wie Konfliktverhinderung und Menschenrechte.

Der Bundeskanzler informierte die Abgeordneten auch darüber, dass man eine Position zu den Massenvernichtungswaffen festlegen und einen Aktionsplan dazu verabschieden werde. Österreich begrüße die Resolution 1483 zum Irak und werde gemeinsam mit anderen EU-Ländern vor allem im humanitären Bereich tätig werden. Er hob in diesem Zusammenhang die Initiative der Außenministerin hervor, 15 schwer verwundete Kinder nach Österreich zu holen und berichtete, dass man überlege, ein Spital in Basra zu revitalisieren. Diese Initiative wurde von Abgeordneter Lunacek (G) begrüßt, indem sie unterstrich, dass Initiativen vor Ort aus ihrer Sicht sinnvoll seien. Dazu sowie auf die Kritik der Abgeordneten Barbara Prammer (S), dass unter den 15 Kindern nur Buben gewesen seien, reagierte Schüssel, dass man das Spital in Basra und die nach Wien geholten Kinder nicht gegeneinander ausspielen dürfe. Das seien zwei Paar Schuhe, denn diese Kinder hätten vor Ort nicht behandelt werden können.

Abschließend wies der Bundeskanzler auf die politischen Manifestationen im Iran hin und berichtete, dass seitens der IAEO ein äußerst kritischer Bericht zum iranischen Nuklearprogramm vorliege. Abgeordnete Lunacek (G) bemerkte dazu, dass sich nun zeige, wie groß der Widerstand junger Menschen gegen die Idee einer islamischen Republik sei. Dennoch hält sie die Aussagen und Drohungen seitens der USA für nicht hilfreich, Veränderungen herbeizuführen. Der Bundeskanzler hielt aber die Sorgen hinsichtlich eines US-Angriffs auf den Iran für unbegründet und meinte, dass ein gewisser Druck im Hinblick auf eine bessere Kooperation mit der IAEO hilfreich sei. (Schluss)